Protocol of the Session on October 21, 2015

Dass damit selbstverständlich ein Riesenproblem entstanden war, habe ich selber in der letzten Volkskammer durchlebt, als wir das Landwirtschaftsanpassungsgesetz gemacht und im Übrigen auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, damals von Bündnis 90, sehr intensiv zusammenarbeitet haben, als nämlich die Frage aufgeworfen wurde: Welchen Weg gehen wir in der ehemaligen DDR und wie schaffen wir einigermaßen harmonisch diesen Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft in die europäische Planwirtschaft? Etwas anderes war es ja in Europa damals auch nicht,

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

das ist mir natürlich nicht entgangen. Und ich glaube,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Der war schön.)

ich glaube heute noch, beweisen zu können, dass der einzige Volkswirtschaftszweig, in den im Übrigen sowohl die Einheimischen als auch die Alteigentümer gerne zurückkommen wollten oder auch die Menschen, die sich engagieren wollten, dass der einzige Volkswirtschaftszweig, in dem das einigermaßen gut gelungen ist, die Landwirtschaft ist. Gucken wir uns das in anderen Wirtschaftsbereichen an, dann ist das in diesen Bereichen in der Form nicht gelungen.

Im Übrigen, auch das ist mir noch mal wichtig, über alle Parteigrenzen hinweg – außer damals die DSU, welcher Ableger das war, war klar, das war die CSU, und dass Ignaz Kiechle damals diesen Weg nicht beschreiten wollte, ist vollkommen klar – haben wir uns von der grundsätzlichen Strategie leiten lassen, der Wert des Privateigentums soll wiederhergestellt werden und zugleich sollen die strukturellen, aber auch die ökonomischen Vorzüge der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung weiter ermöglicht werden. Und es sollte frei entschieden werden, Frau Karlowski, in welcher Form man weiter zusammenarbeiten möchte oder ob man als Wiedereinrichter sein Inventar aus den Betrieben herausnimmt.

Ich glaube, Sie kennen die Verhältnisse wirklich überhaupt nicht. Und heute wieder die Mär durchs Land zu tragen, dass damals bei der Vermögensauseinandersetzung grobe Fehler gemacht worden sind! Das hat es zum Teil gegeben und nicht umsonst hat es Gerichtsurteile gegeben, durch die zum Teil diese Umwandlungsbe

schlüsse auch gerichtlich wieder aufgehoben worden sind. Also hören Sie auf mit dieser Mär! 25 Jahre nach dieser Phase, in diesem Umbruch, in diesem gewaltigen Prozess, dieses wieder auf den Tisch zu legen, ist aus meiner Sicht nicht zielführend.

Insofern glaube ich, dass wir mit dem Willen zur Umsetzung, um auch in der Richtung zu einer modernen, umweltgerechten Landwirtschaft zu kommen, einen erheblichen Schritt weiter vorangekommen sind. Ich wage heute noch mal zu behaupten, wir haben die modernste, wir haben die nachhaltigste und wir haben auch die an der Sache orientierte Landwirtschaft in Deutschland, die in Mecklenburg-Vorpommern stattfindet. Heute arbeiten – und hören Sie sich bitte auch diese Zahlen an! –, heute arbeiten in MecklenburgVorpommern 4.725 Landwirtschaftsbetriebe auf einer Durchschnittsfläche von 286 Hektar. Das ist im Schnitt die größte Betriebsfläche, die wir in Deutschland haben. Das heißt, wir haben die größten Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

3.000 Einzelunternehmen bewirtschaften 30 Prozent. Das sind im Übrigen reine bäuerlich geprägte Familienbetriebe. Was ich auch hochgradig anerkenne, sind die 900 GbR-Gesellschaften, die wiederum 29 Prozent bewirtschaften. Das heißt, 60 Prozent sind heute Betriebsstrukturen, die Ihrem und auch meinem Leitbild entsprechen, die nämlich bäuerlich, rein auf Familienbasis oder in Gemeinschaft arbeiten.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das Leitbild besteht aus mehreren Komponenten, Herr Backhaus.)

Auf der anderen Seite haben wir 800 Betriebe als juristische Personen, die in ihrer Struktur in einem Flächenanteil von 40 Prozent agieren, und das sind für mich Mehrfamilienbetriebe, die in der Regel auch in mein Leitbild hineinpassen. Wenn sie in bäuerlich geprägten Strukturen zusammenarbeiten, sind das für mich voll in unser Leitbild passende Betriebe. Da Ihnen das nicht passt, weil Sie meinen, ein ideologisch anderes Muster zu haben, kann ich nur eins sagen: Gucken Sie sich die Betriebe in Ruhe an! Die Ausflüge, die der Agrarausschuss versucht hat, mit Ihnen zu machen, haben Ihnen das ja auch gezeigt.

Im Übrigen sage ich auch das hier noch mal in aller Deutlichkeit: Leider halten nur 3.000 Betriebe in MecklenburgVorpommern Tiere.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und auch das ist wichtig: 510 Betriebe sind zum Glück juristische Personen.

Ob Sie darüber lachen oder mir ins Wort fallen – ich habe das eben nicht wahrgenommen. Es mag sein, dass Sie davon nichts verstehen, dafür habe ich Verständnis, aber dann halten Sie bitte lieber Ihren Mund!

Auf der anderen Seite, wenn Sie sich den Tierbesatz anschauen – auch das ist ja immer ein von Ihnen strapaziertes Thema –, wenn Sie sich den Tierbesatz in Meck

lenburg-Vorpommern anschauen, dann liegen wir heute im Übrigen an der unteren Grenze in Europa. Und wenn ich die wohlgemeinten Hinweise höre, die Sie hier andeuten, wie das in Nordrhein-Westfalen ausschaut, dann nehme ich zur Kenntnis, dass wir in Mecklenburg-Vor- pommern im Vergleich zu Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder insbesondere Nordrhein-Westfalen mehr als 60 Prozent weniger Tiere halten. Also hören Sie auf, dieses Land schlechtzureden!

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben überhaupt nicht zugehört!)

Das hilft uns, diesem Land und den Menschen in diesem Lande keinen Millimeter weiter!

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und im Übrigen, der ökologische Landbau, auch da brauche ich persönlich keinen Nachhilfeunterricht, sondern wir sind an der Spitze der Bewegung. Schauen Sie sich doch einfach mal die Zahlen an! Wir liegen heute bei etwas über 9 Prozent.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, seit wann?)

Das Ziel Ihrer damaligen Bundesministerin – wie hieß sie überhaupt noch? –:

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wie hieß die überhaupt?)

Frau Künast hatte das Ziel ausgegeben, 20 Prozent. Dann schauen wir uns doch einfach mal die grün geführten Länder an! Nehmen wir Niedersachsen. Niedersachsen hat heute – wir, Mecklenburg-Vorpommern, 9,2 Prozent Anbaufläche –, Niedersachsen liegt bei 2,7 Prozent, Frau Karlowski. 2,7 Prozent! Oder Schleswig-Holstein: Unsere Nachbarn beneiden uns bei 3,7 Prozent um diese Entwicklung. Ich betone noch mal: Mecklenburg-Vor- pommern bei 9,2 Prozent! Irgendetwas scheinen ja meine Kollegen der GRÜNEN in diesen anderen Bundesländern wohl verkehrt zu machen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, in den vergangenen 25 Jahren hat sich viel in dem agrarpolitischen Bereich verändert und ich habe auch sehr viel darüber gelernt und entschieden. Aber eins ist auch klar, wir arbeiten heute mit Lebensmitteln, die sich am Markt durchsetzen müssen. Dabei spielt die Größe der Betriebe natürlich eine wichtige, aber nicht die entscheidende Rolle. Es geht darum, mit immer weniger Ressourcenverbrauch immer mehr Produkte in einer immer besseren Qualität zu erzeugen, und genau da sind wir wiederum an der Spitze der Bewegung.

Mich schmerzt im Übrigen auch, ehrlich gesagt, jeder Betrieb, der aufgeben muss, wie gerade im Zusammenhang mit der Agrarministerkonferenz in Hessen erlebt, wenn demonstriert wird und wenn Betriebe dort aufgeben müssen. Natürlich ist das schrecklich für diese Strukturen, aber zur Wahrheit gehört auch, dass Politik diesen Milchbauern mit 20 oder 15 Tieren nicht einhauchen darf, dass dieses eine Perspektive hat. Das mache ich Ihnen zum Vorwurf, dass Sie dieses versuchen und damit in ein altes Muster, sage ich mal, der Quoten- und Liefer

rechtsproblematik wieder einsteigen wollen. Ich glaube, das hilft uns keinen Millimeter weiter.

Und damit bin ich auch beim Boden. Agrarstruktur hat natürlich maßgeblich, da haben Sie mich richtig zitiert, mit den Eigentumsstrukturen und mit der Bodenvergabe zu tun. Was ich in diesem Bereich auch immer wieder kritisiert habe und was sich hier vollzieht, macht mir und uns große Sorgen. Auch hier wirken die Gesetze des Marktes und die Macht des Geldes, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1991 sind allein in MecklenburgVorpommern 2,7 Milliarden Euro in Bodenkäufe investiert worden – eigentlich ein Jammer. Hätten wir die Flächen von der BVVG übernommen, hätten wir diese in Wertschöpfung, in Gemüse, in Tierhaltung oder in ökologischen Landbau investieren können.

Die Bodenpreise sind seit 2007 drastisch gestiegen und liegen im Durchschnitt heute in Mecklenburg-Vorpom- mern bei 17.536 Euro, und damit nur noch knapp unter dem Bundesdurchschnitt, der heute in Deutschland bei 18.100 Euro liegt. Boden ist leider zur Kapitalanlage und zum Spekulationsobjekt geworden. Unsere Bodenpolitik – und hier schließe ich ausdrücklich die demokratischen Fraktionen des Landtages mit ein, denn sie haben die Vergabekriterien mit beschlossen – ist auf eine Stärkung der arbeitsintensiven und besonders umweltverträglichen Produktionsbereiche ausgerichtet. Das Land hat in Mecklenburg-Vorpommern in einer Größenordnung von 6 Prozent einen direkten Einfluss.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Herr Glawe, es wäre ganz nett, wenn Sie mir einmal zuhören würden, weil das Thema doch jetzt noch mal ziemlich anstrengend oder vielleicht auch interessant wird.

(Harry Glawe, CDU: Wir haben aber zugehört! Wir haben zugehört.)

Das Land Mecklenburg-Vorpommern, auch darauf bin ich stolz, hat immerhin 86.000 Hektar, die sich in seinem Besitz befinden. Dazu kommen im Übrigen durch die Übernahme der Seen von der BVVG noch mal über 2.000 Hektar und auch der Besitz von 250.000 Hektar Wald, den wir haben. Aber dem gegenüber stehen 700.000 Hektar als Privatvermögen. Das hängt natürlich mit den Privatisierungen der BVVG und der Treuhand zusammen oder selbstverständlich auch der Kirchen. Über 60.000 Hektar sind im Besitz der Kirchen,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und letzten Endes gibt es immer noch 4 Prozent, nämlich auch 60.000 Hektar, die sich im Besitz der BVVG befinden.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und wie gehts dann weiter?)

Insbesondere durch die Privatisierungspflicht – ich habe das kritisiert, und zwar seit 25 Jahren –,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie stehen denn die Verhandlungen mit der BVVG, Herr Backhaus?)

die Privatisierungspflicht von Grund und Boden im Zusammenhang mit der Privatisierung der ehemals volkseigenen Flächen hat eine völlig unrealistische Höhe der Bodenpreise sich entfalten lassen und damit natürlich gerade wertschöpfungsintensive Bereiche in die Knie gezwungen. Das ist so und das war, ist und bleibt ein Geburtsfehler der deutschen Einheit. Das habe ich immer so festgestellt. Unter anderem gibt es natürlich damit auch den Wettbewerbsdruck. Und durch den falschen politischen Ansatz, die Landwirte – im Übrigen auch durch Ihre Partei, das ist die Strategie von Frau Künast gewesen – zum Energiewirt zu machen, entstand der Zwang, nicht landwirtschaftliche Kapitalanleger zur Finanzierung der Bodenpreise mit zu gewinnen.

Herr Minister!

Auch das sollten Sie nicht vergessen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Karlowski?

Ja, gerne. Ja, dann mal los!

Danke, Frau Präsidentin!

Herr Backhaus, zu den BVVG-Verhandlungen: Wie ist denn da jetzt der Verhandlungsstand in Bezug auf die Flächenübernahme durch das Land Mecklenburg-Vor- pommern?

Also ich kann Ihnen da ausdrücklich sagen, dass wir im Wesentlichen die Verhandlungen abgeschlossen haben. Der Bund hat uns erklärt, er wird dem Land Mecklenburg-Vorpommern nicht entgegenkommen, und das bedeutet, dass wir zum vollen Marktwert, das heißt, zum Höchstpreis diese Flächen erwerben müssten. Das kann ich im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht verantworten. Wir sind jetzt noch am Restverhandeln der Flächen insbesondere für den Naturschutz und für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Das sind 2.800 Hektar, über die wir auf allerhöchster Ebene die letzten Verhandlungen führen werden. Wenn dabei auch herauskommen sollte, dass wir dafür, für diese Flächen, 20.000 Euro bezahlen sollen, dann werden wir diese Verhandlungen beenden und der Bund wird die Verantwortung dafür tragen, dass in diesem Land die Wasserrahmenrichtlinie in der Form, wie wir uns das vorgestellt haben, nicht umgesetzt werden kann. Die Verantwortung trägt dann auch diese Bundesregierung, an der Spitze Herr Schäuble.

Deswegen sage ich hier auch noch einmal, ich bin mit dem Land Sachsen-Anhalt in intensiven Verhandlungen gewesen zu dieser Bodenfrage. Und Sie können mir glauben – wenn ich das sagen darf, Herr Ministerpräsident? –, auch der Ministerpräsident hat sich in die Verhandlungen mit eingeschaltet. Leider ist es so, dass dieses auf Bundesebene aus rein fiskalischen Gründen betrachtet wird und nicht aus strukturpolitischen Erwägungen. Das ist der Geburtsfehler, den habe ich jetzt schon dreimal deutlich unterstrichen.

Ich glaube, dass ein kardinales Problem insbesondere in den ehemals großen Gütern dieses Landes dadurch