Das Wort hat jetzt der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Dr. Backhaus. Bitte.
Also wenn Sie mich hier auffordern, wir sollen ein Leitbild erarbeiten, Frau Karlowski, dann bitte ich Sie, einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass wir im Jahr 1999 bereits ein Agrarkonzept vorgelegt haben, in dem die Grundsätze für die weitere Ausrichtung und die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft und der ländlichen Räume vorgelegt worden sind.
Insofern wurden da schon mal ein paar Dinge angesprochen. Ich könnte es mir im Übrigen auch leicht machen: Bitte schauen Sie wirklich mal in die konzeptionellen Themen hinein, die wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben! „Land hat Zukunft“, das gehört auch dazu oder der Masterplanprozess. Also wenn Sie hier so tun, als ob die Landesregierung oder die Fraktionen sich mit dem Thema befassen, nachdem Sie kurzzeitig hier sind – ich habe das ja auch zur Kenntnis genommen, wie das so weitergehen soll –,
dann nehme ich zur Kenntnis, dass ich es mir hätte leicht machen können, aber das mache ich nicht. Ich hätte nämlich sagen können, aufgrund der natürlichen Voraussetzungen hat Mecklenburg-Vorpommern naturräumlich, ökonomisch, ökologisch, sozial und auch agrarpolitisch Bedingungen in Europa, die eine leistungsfähige, moderne Agrarstruktur nach bäuerlichem Leitbild in den letzten Jahren umgesetzt hat.
Letzten Endes hat auch das Land Mecklenburg-Vorpom- mern in den letzten Jahren versucht, die Bedingungen für alle Landwirte in diesem Bundesland gerecht, chancengleich und optimal zu gestalten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich glaube, wenn man sich die Lage insgesamt anschaut, dann ist es natürlich so, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht erst seit heute den permanenten Wahlkampfmodus mittlerweile,
wie es neudeutsch heißt, eingeschaltet hat und dass die Agrarpolitik ja nun im Fokus steht, weil sie fast keine anderen Themen mehr haben.
Ich muss auch sagen, ich habe natürlich gerade die 25Jahr-Feiern zum Thema Landwirtschaft überall ein bisschen begleitet. Wenn man sich das insgesamt anschaut, dann ist es natürlich auch so, was Sie hier versuchen vorzustellen, das erinnert mich schon an frühere Zeiten und an die Überzeugung, im Besitz der einzigen wahrhaftigen Wahrheit sein zu wollen. Ich sage Ihnen auch noch mal ausdrücklich, politische Realitäten sind Ihnen wahrscheinlich ein Stückchen zuwider.
Die Landwirtschaft, wenn man so will, haben Sie offensichtlich als letztes verbliebenes Kampfmittel und Kampffeld ausgewählt, auch wenn im Übrigen die meisten von Ihnen – und aus Ihrer Fraktion überhaupt niemand – nicht davon leben müssen oder jemals in diesem Bereich gearbeitet haben. Und dann darüber zu reden,
und dann darüber zu reden, wie man denn nun ideologisch dieses Land verändern will, das werden die Leute, die Menschen draußen schon sehr klar und auch differenziert wahrnehmen.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein bisschen zu den Fakten. Wenn man da auch die Historie bewerten will und kann, dann ist es einfach so, nicht erst vor dem Zweiten Weltkrieg, sondern schon um 1900 – Frau Karlowski, und das nehmen Sie bitte wahr – hat es in Mecklenburg-Vorpommern – der Ministerpräsident ist ja heute Morgen schon darauf eingegangen – über 2.000 Güter gegeben – 1900! –, im Übrigen in einer Größe zwischen 500 und 800 Hektar. Ich sage es noch mal: 1900!
Erst mit der Enteignung des Großherzogs und natürlich auch mit dem Reichssiedlungsgesetz im Rahmen der Weimarer Republik wurden damit im Übrigen 9.000 – 9.000! – Bauernstellen geschaffen. Die Bodenreform – ich mache jetzt große Sprünge, auch wegen der Zeit, des Zeitfonds –, natürlich hat die Bodenreform in der sowjetischen Verwaltungszone, das wissen wir alle, zur Enteignung von mehr als 100-Hektar-Betrieben geführt und damit im Übrigen Abertausenden Flüchtlingen überhaupt wieder eine Perspektive gegeben.
Es gibt einige von Ihnen, die reden ja schon wieder über eine Bodenreform und wollen damit das, was nach der politischen Wende hier entstanden ist, infrage stellen. Dann stellen Sie sich doch hier hin und erklären auch, dass Sie beabsichtigen, in Kürze – wenn Sie denn Verantwortung tragen würden, was ich nicht glaube – eine Bodenreform in diesem Lande durchzuführen!
Im Übrigen weise ich, auch das ist mir wichtig, auf die Zwangskollektivierung ab dem Jahr 1952 und dann ganz verstärkt natürlich in den 1960er-Jahren und die LPGBildung bis hin zu der fatalen Trennung zwischen der Tier- und der Pflanzenproduktion zu DDR-Zeiten hin. Dazu brauche ich jetzt nichts auszuführen, das ist vielen, jedenfalls von denen, die hier aufgewachsen sind, und auch mir sehr, sehr geläufig. Ich komme selber aus einer Genossenschaft, und zwar aus einer spezialisierten Pflanzenproduktion.
1989 gab es in den drei Nordbezirken 128 VEG, und da sind wir uns einig, Frau Karlowski: Der kardinale Fehler im Zuge der deutschen Einheit war die reine Privatisierung dieses Volkseigentums. Der Boden ist nicht vermehrbar und Boden ist das wichtigste Produktionsmittel. Dass Theo Waigel das damals so entschieden hat in dieser Phase, auch das habe ich immer wieder als kardinalen Fehler dargestellt.
Was verkannt wird, ist, dass wir immerhin 876 LPGen gehabt haben, im Übrigen auch 33 GPGen. Ich hoffe, Sie können mit den Abkürzungen etwas anfangen, es sind Landwirtschaftliche und Gärtnerische Produktionsgenossenschaften. Es gab auch 19 ZBE, also Zwischenbetriebliche Einrichtungen der Tierproduktion, und 9 Produktionsgenossenschaften im Bereich der Fischerei oder der Pelztierhaltung. Auch das hat es hier bei uns gegeben.
Ja, ich bin 1989 hier auf die Straße gegangen und ich habe auch den Zaun an der Elbe mit abgebaut. Sie waren da wahrscheinlich noch gar nicht hier
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben uns gerade unterstellt, wir kennen die Abkürzungen nicht.)
und haben damit letzten Endes auch keinen Beitrag für dieses Land geleistet. Das nehme ich hier ebenfalls zur Kenntnis.
Auf die 25 Jahre der agrarstrukturellen Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns blicke ich jedenfalls auch ein Stückchen mit Stolz zurück. Denn eins ist klar, selbstverständlich war das ein Problem, dass zwei völlig unterschiedliche Landwirtschaften oder ländliche Räume in
der Bundesrepublik Deutschland und im Übrigen auch in Europa zu einem Paradigmenwechsel geführt haben.
Auch das ist mir im Übrigen wichtig: Immerhin standen 8.668 DDR-Landwirtschaftsbetrieben 686.000 bäuerliche Familienbetriebe im Westen gegenüber, im Durchschnitt 1.716 Hektar Betriebsgröße Ost gegenüber 18 Hektar, Frau Karlowski, in der alten Bundesrepublik. Ich sage es noch mal: rund 1.700 Hektar gegen 18 Hektar im Durchschnitt der älteren Bundesländer. Und schließlich auch, das haben Sie eben angedeutet, zu DDR-Zeiten 13,2 Ar- beitskräfte je 100 Hektar. Im Vergleich zum Westen, Frau Karlowski, wie viel? 5,2. Also die Hälfte hatten Sie damals in den älteren Bundesländern schon weniger als Beschäftigte in der Landwirtschaft.
Dass damit selbstverständlich ein Riesenproblem entstanden war, habe ich selber in der letzten Volkskammer durchlebt, als wir das Landwirtschaftsanpassungsgesetz gemacht und im Übrigen auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, damals von Bündnis 90, sehr intensiv zusammenarbeitet haben, als nämlich die Frage aufgeworfen wurde: Welchen Weg gehen wir in der ehemaligen DDR und wie schaffen wir einigermaßen harmonisch diesen Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft in die europäische Planwirtschaft? Etwas anderes war es ja in Europa damals auch nicht,