Protocol of the Session on October 21, 2015

(Udo Pastörs, NPD: Der gekommen ist, trotzdem.)

Ich glaube, dass wir sehr gut beraten sind, das Engagement, was es inzwischen gibt in vielen gesellschaftlichen Gruppen, sehr ernst zu nehmen, weil sich in dieser Demonstration und dem dahinterstehenden Engagement um dieses Thema viel Skepsis verbirgt.

Ich glaube übrigens auch – das ist jetzt eine Spekulation –, dass ein Großteil der Menschen, die vor zehn Tagen auf die Straße gegangen sind, vor vielleicht eineinhalb oder zwei Jahren mit den Begriffen „TTIP“ oder „CETA“ noch nicht so viel anzufangen wussten und dass das dazu beigetragen hat, dass es inzwischen doch ein großes Interesse und eine intensive Auseinandersetzung in viele gesellschaftliche Gruppen hinein gibt, weil eine Geheimhaltungspolitik gefahren worden ist, die viele erst neugierig gemacht hat. NGOs und viele Institutionen sowie der eine oder andere Whistleblower haben inzwischen ein wenig Licht ins Dunkel gebracht.

Im Mittelpunkt stehen die beiden Punkte, die DIE LINKE zum Inhalt des Antrags gemacht hat, nämlich die Frage ISDS-Schiedsgerichtsbarkeit, aber auch die Frage – und, Frau Drese, da bin ich nicht so ganz bei Ihnen –, inwieweit ein Forum geschaffen wird, Sie haben ja „Forum“ gesagt, in dessen Rahmen Konzerne, Großindustrielle ihren Einfluss geltend machen können. Ich glaube, dass das, mal unabhängig davon, ob „beratend“ drinsteht, weit über eine Beratung hinausgeht, sondern dass es hier um eine handfeste Einflussnahme gehen wird, wenn wir das zulassen.

Ich glaube, wir müssen seit Berlin, allerspätestens seit Berlin zur Kenntnis nehmen, die Bürger sind nicht einverstanden mit der Entmachtung der Justiz, die sich hinter ISDS schlussendlich verbirgt. Sie sind nicht einverstanden damit, dass Umweltstandards und Verbraucherschutzstandards geschliffen werden sollen, und sie sind nicht einverstanden damit, dass der Einfluss der Wirtschaftslobbyisten und der Verbände erhöht werden soll. Und das völlig Paradoxe an dieser Situation ist, dass sie eigentlich für etwas auf die Straße gehen, was in unserem Interesse ist. Sie treten nämlich dafür ein, dass wir, diejenigen, die mit darüber bestimmen, hier in diesem Bundesland letztendlich über eine Bundesratsentscheidung darauf achten, dass das Primat der Politik nicht eingegrenzt wird. Also sie sind eigentlich die Interessenvertreter auf der Straße für diejenigen, die in den Parlamenten sitzen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Die misstrauen euch, deswegen gehen sie auf die Straße.)

Das ist die völlig paradoxe Situation.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und es gibt das klare Zeichen: Lasst euch eure Handlungsfähigkeit, lasst euch eure Einflussmöglichkeiten nicht nehmen!

Interessant ist inzwischen, wie breit dieses Spektrum ist. Unter dem Demoaufruf letzte Woche standen nicht

nur die sogenannten üblichen Verdächtigen Campact, Greenpeace, Foodwatch, Attac, BUND oder NABU, sondern alle Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes von ver.di bis hin zur IG Metall und zur Gewerkschaft der Polizei. Auch der Deutsche Kulturrat, der Verband Deutscher Schriftsteller, der Mieterbund, die Jugend des Deutschen Alpenvereins,

(Heiterkeit bei Julian Barlen, SPD)

die Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen und die Arbeiterwohlfahrt hatten den Aufruf unterzeichnet. Es waren Motorradklubs dabei, der Paritätische, der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, insgesamt 150 Organisationen, 150 NGOs von den Gewerkschaften bis hin zum Alpenverein. Ich zumindest habe so ein Bündnis noch nicht erlebt in der Geschichte Deutschlands.

Ich glaube, dass die Tatsache, dass uns diese Institutionen sagen, achtet darauf, dass Ihr eure Einflussmöglichkeiten behaltet, unterschreibt nicht, stimmt nicht zu, genügend Grund ist, uns auch in diesem Haus noch einmal intensiv mit den Konsequenzen aus CETA zu beschäftigen und die Landesregierung dabei zu begleiten, wie sie sich dann zu einem Zeitpunkt – die Zeitschiene ist ja vorhin genannt worden, sie ist noch nicht so klar fixierbar – in einer entsprechenden Bundesratsentscheidung positionieren soll.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Wir werden heute dem Antrag der LINKEN in den Einzelpunkten zustimmen, weil wir nach wie vor auf grüner Seite wissen, dass wir in eine schwierige Situation geraten werden, wenn wir vor den Bundesratsentscheidungen stehen in rot-grünen und schwarz-grünen Regierungen. Dieses wissend erteilen wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE unsere Zustimmung. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Lenz von der Fraktion der CDU.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU – Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Jochen Schulte, SPD – Burkhard Lenz, CDU: Jetzt haben Sie mich ein bisschen durcheinandergebracht. – Heinz Müller, SPD: Was machst du denn?!)

Wenn ich die …

Entschuldigung, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich weiß nicht, ob ich die Sorgen nehmen kann, aber als Erstes: Ich bin ein bisschen überrascht gewesen, Frau Borchardt, werte Kollegin Borchardt, über die Einbringung, denn über TTIP haben wir ja hier nun lange genug gesprochen. Eine Frage aus der Praxis: Haben Sie mal mit jemandem gesprochen aus dem Mittelstand, der mit den USA oder mit Betrieben auf der anderen Seite des Atlantiks versucht, Verträge zu schließen und dort irgendwie Fuß zu fassen?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ich habe an der Anhörung teilgenommen. Da waren auch Vertreter des Mittelstandes.)

Ja. Ich bin selber mal davon betroffen gewesen und ich kann nur empfehlen, vielleicht mal zu Weber Schneidtechnik nach Neubrandenburg zu fahren, der einige Unternehmen auch in den USA hat, und andere kleine mittelständische Unternehmen zu fragen, wie die im Augenblick mit den Klauseln, die im Handel mit den USA vorhanden sind, zurechtkommen. Das führt nämlich dazu, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen im Handel mit den USA einen unheimlichen Nachteil haben.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Also es ist wahrscheinlich bei TTIP so, dass das, wenn die Zölle wegfallen, Herr Rudi Borchert, und die ganzen Aufenthalte an den Zollstationen, die zu Verzögerungen führen, zu ständigen Umbauten der entsprechenden Maschinen, das werden Sie wahrscheinlich auch gelesen haben, zu teuer ist für den Mittelstand hier in Deutschland und der deshalb nicht in die USA und auch nicht nach Kanada exportieren kann. Ich würde Ihnen vorschlagen, ganz einfach mal mit solchen Betrieben zu reden, damit Sie wissen, worüber Sie reden.

Sehr geehrte Frau Borchardt, in einem gebe ich Ihnen recht, ISDS ist nicht mehr zeitgemäß und gerade zwischen zwei Staaten wie den USA und auch Deutschland oder der EU, zwischen zwei solchen, sage ich mal, Märkten ist ISDS nicht mehr zeitgemäß. Ich gebe Ihnen recht, dass man nach anderen Lösungen suchen muss.

Was CETA betrifft, ist mir bekannt, dass Kanada dem CETA-Abkommen, solange die ISDS-Schutzklauseln drin sind, nicht zustimmen wird. Jetzt hat sich das Parlament in Kanada neu konstituiert und ich bin der Meinung, dass wir auch für ein Abkommen zwischen Kanada und der EU, also für CETA, keine Schiedsgerichtsbarkeit brauchen. Ja, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, da bin ich auf Ihrer Seite. Wir brauchen nicht Instrumente, die über die Gerichtsbarkeiten in Kanada und in der EU hinweggehen.

Sie haben angefangen in Ihrer Einbringung, und deswegen war ich ein bisschen überrascht und auch nicht überrascht, über TTIP zu sprechen. Dann kamen Sie auf CETA, auf die Schiedsgerichtsbarkeit im CETA-Abkom- men, aber Sie sprachen auch von der regulatorischen Zusammenarbeit. Herr Suhr hat den Hauptausschuss angesprochen. Ich kann Ihnen eigentlich nur empfehlen, sich mal die Bundestagsdrucksache 18/5882 anzuschauen. Da wird über den Hauptausschuss, der gegründet werden soll, im Zusammenhang mit CETA gesprochen.

Ich zitiere mal aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Partei DIE LINKE: „Der Hauptausschuss hat keinerlei Befugnis, völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen über eine Änderung der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Anmerkungen von CETA zu treffen. Er kann lediglich Empfehlungen an die Vertragsparteien aussprechen. Kapitel 34, Artikel X.02 Absatz 2 bestimmt ausdrücklich und klar, dass die Vertragsparteien eine Änderung der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Anmerkungen von CETA nach ihren jeweiligen internen Vorschriften und Verfahren beschließen müssen und die

Änderung erst nach Erteilung ihrer Zustimmung völkerrechtlich verbindlich wird. Eine entsprechende Regelung speziell für das Kapitel zu sanitären und phytosanitären Maßnahmen enthält Kapitel 07...“

Es wurde auch gesprochen über die regulatorische Kooperation. Im Rahmen der regulatorischen Kooperation verpflichten sich die Parteien zu einem hohen Schutzniveau unter anderem im Einklang mit dem geltenden WTO-Übereinkommen über sanitäre und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, das für die Vertragsparteien rechtlich bindend ist und durch CETA nicht ausgehebelt wird.

Ich komme noch mal kurz zum Hauptausschuss, zur Besetzung dieses Hauptausschusses, weil da auch schon wieder auf Konzerne und so was abgestellt worden ist. In der Antwort der Bundesregierung steht zum Hauptausschuss, ich zitiere wieder aus der Antwort: „Diese sollen eine ausgewogene Repräsentation von Gewerkschaften, Arbeitgebern und anderen relevanten Interessenvertreter aufweisen. Außerdem wird ein gemeinsames Zivilgesellschaftsforum der Vertragsparteien gegründet, um den Dialog zu nachhaltiger Entwicklung zu begleiten.“

(Udo Pastörs, NPD: Schön. Machtlos! Machtlos!)

Ich möchte damit schließen.

Wir werden uns über CETA im Europaausschuss unterhalten. Da danke ich meiner Kollegin Drese, dass wir uns in der Selbstbefassung darüber unterhalten werden. Den Antrag lehnen wir natürlich ab. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich.)

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Herr Pastörs von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Comprehensive Economic and Trade Agreement, so heißt das Abkommen, und hier wurde schon zu Recht bemerkt, dass damit in Deutschland wahrscheinlich nur 10 oder 15 oder 20 Prozent etwas anfangen können. Das scheint auch beabsichtigt, denn was in diesem Abkommen seinen Niederschlag findet, ist absolut eine Kriegserklärung an die Souveränität von Nationalstaaten. Deswegen sind wir von Grund auf schon mal gegen solche Abkommen, ganz gleich, mit welchen Titeln sie versucht werden, weltweit eingeführt zu werden.

Aber ich möchte auf einen ganz besonderen Aspekt, der hier noch gar nicht Erwähnung fand, kommen, der vielleicht für Sie auch interessant sein könnte. Sie wissen, dass in Amerika fast alles zu Geld gemacht werden kann oder dass man es zumindest versucht. Nun gibt es an der Wallstreet schon seit einem Jahr große Financial Companies,

(Zuruf von Julian Barlen, SPD)

die in diesem Abkommen und auch im TTIP einen Milliardenmarkt sehen. Das heißt, es gibt Leute, Rechtsanwaltskanzleien, Financial Companies, die sagen, da kommt ein Riesenmarkt auf uns zu, da können wir richtig

Geld machen, wenn wir einem Staat nachweisen, dass er gegen Bestimmungen verstößt, die im Abkommen unterschrieben worden sind, und das können wir sogar noch tun – und das ist Sachlage im Moment bei diesem Abkommen – 20 Jahre nach dem Auslaufen solcher Verträge. Das heißt, wir haben hier eine Verjährungsfrist, einen Anspruch auf Schadensersatz faktisch von 20 Jahren, noch nachdem diese Abkommen überhaupt keine Gültigkeit mehr haben. Jetzt geht man schon her und überlegt, wie macht man denn das. Man verbrieft nämlich, so ist die Planung. Lesen Sie mal die einschlägige Literatur dazu. In amerikanischen Tageszeitungen, also in ganz einschlägigen Zeitungen,

(Thomas Krüger, SPD: Oh Gott, das ist ja Ausland! – Unruhe vonseiten der Fraktion der NPD)

wird beschrieben, dass man es für juristisch möglich hält, dass man diese Sachen verbrieft. Das heißt also, man geht her und sagt, wir haben eine relativ hohe Aussicht, Deutschland auf 10 Milliarden zu verklagen. Die Chancen, das sagt das Gutachten, liegen bei 60 Prozent, 70 Prozent und dann wird verbrieft und an der Wallstreet verscheuert. Das erzeugt natürlich eine Begehrlichkeit dieser Finanzindustrie, die der erklärte Feind der freien Nationen ist, hier möglichst genau zu schauen, wo man Gewinnmaximierung herausholen kann zum Nachteil der Steuerzahler in diesen Staaten, die so etwas unterschreiben. Dieser Aspekt ist von Ihnen hier nicht mit einer Silbe erwähnt worden, aber er ist es wert, auch von Ihnen einmal zur Kenntnis genommen zu werden.

Die sogenannte Zombie-Klausel hatte ich Ihnen schon erklärt mit den 20 Jahren, dass man, nachdem das schon vorbei ist, immer noch klagen kann. Dazu kommt dann noch eine Anmerkung hier zu der GRÜNEN-Fraktion, wo man, wenn 250.000 demonstrieren, das als Beweis dafür interpretiert, dass man die Parlamente stärken will. Das ist genau das Gegenteil. Das ist nämlich das tiefe Misstrauen der Menschen, weil sie ganz genau die korrupten Strukturen in der EU kennen, die korrupten Strukturen kennen in den Parlamenten – auch dieser Republik nachweislich –, dass sie zu so großer Zahl auf die Straße gehen, weil man ihnen nicht über den Weg traut.

Letzter Punkt, und da hebe ich ab auf den Sprecher der CDU-Fraktion eben, der fragte: Na ja, haben Sie sich schon mal drum gekümmert, was für ein Problem entsteht bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, wenn sie exportieren wollen nach Amerika? Ja, das ist ein Riesenproblem. Aber es kann nicht Aufgabe der Politik sein, hier Zollbestimmungen zu unterschreiben mit einem riesigen Risiko für den Steuerzahler, dass anschließend daraus Milliardenforderungen erwachsen könnten, denn in erster Linie profitieren nämlich die Großkonzerne, die internationalen großen Konzerne von diesen Abkommen. Hier findet statt eine Risikoübernahme des Steuerzahlers, wenn irgendetwas nicht vertragskonform geregelt ist, und daraus auch eine Verurteilung jenseits von formaler juristischer Behandlung in vorortlichen Gerichten, indem ein Schadensersatzanspruch hier geltend gemacht wird letztendlich.

Das sind Gründe, meine sehr verehrten Damen und Herren, die natürlich jeden Nationalisten in Europa auf den Plan rufen, nicht nur den Alpenverein und nicht nur den Wanderverein, sondern ganz besonders die Leute, die sehr ehrlich schon seit Jahrzehnten vor dieser EU

Krake gewarnt haben, wo Leute ohne Mitbestimmungsrecht der Völker darüber befinden, was in fünf oder zehn Jahren mit ihnen geschieht. Das ist etwas, wo wir nicht mitmachen.

Ich schaue mal gerade, ob ich keinen Punkt vergessen habe. Das scheint mir nicht der Fall zu sein,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das würde uns auch nicht interessieren, ob Sie was vergessen haben oder nicht.)