Protocol of the Session on September 25, 2015

Ich rufe jetzt auf für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her

ren! Ja, das war eine wirklich spannende Debatte mit vielen Schnittmengen und einigen Diskrepanzen,

(Andreas Butzki, SPD: Was war daran spannend?)

und ich sehe und glaube, dass die Diskussion weitergeht, fraktionsübergreifend weitergehen wird. Das finde ich sehr schön, dass wir heute miteinander in die Diskussion eintreten. Ich möchte mich noch auf einige der genannten Aspekte beziehen.

Zuvor noch ein Zitat, das gerade heute in der „OstseeZeitung“ zu lesen ist, das noch mal die Sache sehr schön präzisiert. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich hier einen kleinen Abschnitt. Die OZ schreibt: „Niedrige Milchpreise schon seit Monaten. Statt Gewinn zu erzielen, müssten sie sogar draufzahlen. Die Milchbauern der Region klagen, dass ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Einige müssten Verluste von mehr als 1.000 Euro in Kauf nehmen, weil sie rund 15 Cent weniger pro Kilogramm Milch bekommen. Die Forderung nach einer Vertragspflicht für Milcherzeuger wird immer lauter. Die Landwirte kämpfen um ihre Existenz.“ Es mussten „schon etliche Betriebe im Land schließen“.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Ich ende an der Stelle mal. Es geht um die Zahl von 31, also nicht nur eine Handvoll, sondern eine erhebliche Anzahl von Milchbetrieben musste schon aufgeben. Einige konnten übernommen werden, aber ob der Betriebszweig weiterlebt, weitergeht, wissen wir hier nicht.

Ich denke, und das haben wir auch heute in vielen Reden gehört, es braucht zwei Dinge: Es braucht wirklich eine Soforthilfe, die auch in Teilen schon skizziert wurde, aus dem 500-Millionen-Programm, es braucht aber langfristig eine neue Weichenstellung. Und da sind wir, glaube ich, noch nicht einig, aber in manchen Punkten haben wir schon ähnliche Forderungen gehört.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal etwas ergänzen, was sich auf die Kühe – Herr Tack ist auch darauf eingegangen –, auf die Art der Kühe, die wir hauptsächlich nutzen, bezieht. Es ist mehrfach in Diskussionen, die ich auch mit Vertretern aus der Milchbranche hatte, auch im Ausland, vorgeschlagen worden, man könnte ja vielleicht einfach das Kraftfutter weglassen, dann hat man automatisch weniger Milch pro Kuh und diese Reduzierung der Milchmenge, man könnte sagen, okay, wir verzichten auf Sojaimporte und so was. Das ist nicht so einfach.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was ist schon einfach?)

Denn wenn wir uns die Hochleistungsmilchkühe angucken, die sind genetisch zurzeit in einer Zuchtlinie drin, dass sie eben auf hohe Milchmengen festgelegt sind. Diese hohe Milchmenge können sie aber auch nur geben, und das ist ihre Physiologie, dass sie Kraftfutter besonders in der Phase relativ kurz nach dem Kalben brauchen. Das kritisieren wir jetzt sehr, weil eine Zuchtlinie, die sich nicht mehr allein von Gras ernähren kann, das ist nicht die richtige Richtung, denn das ist ja gerade das Besondere an der Kuh, dass sie aus Gras Milch machen kann.

Das von Herrn Tack ins Spiel gebrachte Zweinutzungsrind, das haben wir auch schon vor mehreren Monaten

propagiert, ist eine Lösung, wie wir aus dem manchmal schwierigen Pfad zwischen geborenen Kälbern und weiterer Aufzucht und Mast besser herauskommen, weil ein Zweinutzungsrind eben sowohl die Milchleistung als auch die Fleischleistung hätte. Das wäre ein Kompromiss zwischen diesen zwei Linien. Also wir sagen, es muss bei der Zucht gegengesteuert werden, entweder durch andere Rassen oder man kreuzt noch mehr andere Rassen ein.

So viel zu dem Kraftfutter, dass es sich schick anhört,

(Thomas Krüger, SPD: Aber es gibt ja auch einheimisches Kraftfutter, ne?)

aber nicht auf einmal gemacht werden kann. Da müssten wir wirklich an der Zucht etwas ändern.

(Thomas Krüger, SPD: Es gibt ja auch einheimisches Kraftfutter.)

Richtig. Ja, darüber haben wir auch viel diskutiert.

(Thomas Krüger, SPD: Das wollten wir gemeinsam …)

Genau, wir haben die Eiweißstrategie im Lande und das wäre natürlich in Bezug auf den Sojaimport eine Lösung. Aber die Milchmenge? Es war ja die Idee, mit der Reduzierung des Kraftfutters die Milchmenge zu reduzieren und dadurch aus der Milchkrise, weil der Milchmarkt voll ist, herauszukommen.

(Thomas Krüger, SPD: Dann koppeln sie sich vom Weltmarkt ab.)

Kommen wir mal zum Weltmarkt. Das ist ein ganz zentraler Punkt, Herr Krüger. Wo haben wir das mit dem Weltmarkt? Also in meinen Gesprächen mit Vertretern der Branche ist klar geworden, dass wir in der glücklichen Situation sind, …

Jetzt muss ich es aus dem Kopf machen.

(Unruhe bei Jochen Schulte, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Ja, ich glaube, hier ist es, genau.

(Glocke der Vizepräsidentin – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

… dass die Rohmilch – und darauf bezieht sich ja unser Antrag – glücklicherweise nicht...

(Torsten Renz, CDU: Hat geholfen.)

Durch meine Gespräche mit Erzeugern der Branche oder Akteuren der Branche ist klar geworden, dass die Rohmilch sich glücklicherweise eben nicht am Weltmarkt orientieren muss, sondern da kann man wirklich von einem europäischen Markt sprechen, bei der Rohmilch.

Deswegen sind eben auch alle Schlussfolgerungen von Ihnen, Herr Krüger, die sich aus der Bindung an den Weltmarkt ableiten, nicht weiterführend. Stellen Sie sich einfach die Märkte hier auf diesem Globus vor! Es gibt keine Region, wo noch sowohl zahlungskräftiges Poten

zial da ist als auch keine eigene Milchproduktion vor Ort. Der Markt ist eigentlich jetzt schon voll.

Gleichzeitig kommt das Argument dazu, das hatte ich in meiner Eingangsrede auch schon drin, die zu erzielenden Preise durch Weltmarktabgleichung, die sind viel zu niedrig, die sind eben heute schon nicht kostendeckend. Und wenn wir das weiterdenken, die Milchkrise, die sich jetzt aufbaut und die wir vielleicht ein bisschen verlangsamt bekommen durch einige Gegenmaßnahmen, die würde, wenn man es zu Ende denkt, dazu führen, dass wir hier vor Ort überhaupt keine Milch mehr selbst produzieren, dass Milchpulver von dem so hochgehaltenen Weltmarkt, Herr Krüger, importiert würde, hier mit Wasser vermischt würde, und dann hätten wir Milch in Tüten, aber keine Frischmilch und keine Weidemilch, keine Heumilch. So viel zum Weltmarkt.

Zu dem Risikoausgleichsfonds: Das ist, denke ich, eine sehr gute Idee. In den USA läuft es, soweit wir uns informiert haben, sehr gut. Da muss man weiterdiskutieren, das lohnt sich.

Dass unser Antrag nur in Nischenbedienung einmündet, ich denke, da haben Sie uns fehlinterpretiert.

(Thomas Krüger, SPD: Nee.)

Wir reden hier nicht ausschließlich von öko oder bio oder nur kleinen Betrieben, sondern wir reden von verschiedenen Aspekten, die sich, wie ich gerade noch mal ausgeführt habe, auch mit der Ausrichtung der Zuchtziele beschäftigen. Da ist schon etwas verbessert worden, das ist mir bewusst, das ist nicht mehr nur die Milchmenge, das wurde auf der MeLa ja auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Aber wenn man das Heft der LMS Agrarberatung liest, dann ist es eben so, sobald die Kuh keine 20 Kilogramm mehr gibt, bitte ab zum Schlachthof. Also das kann nicht die richtige Antwort sein.

Wenn nächstes Jahr das Weideprogramm kommt, werden wir hoffentlich noch genügend Kühe haben, die dann auch auf die Weide gehen können. Ich bin insgesamt, muss ich sagen, gespannt, wann diese von uns zu Papier gebrachten und von vielen Rednern heute auch in Teilen anerkannten Thesen sich in Landesprogrammen wiederfinden. Das haben wir ja schon manchmal erlebt.

Und das mit den Milchtankstellen, das ist natürlich eine schöne Sache, aber das ist sehr, sehr, sehr lokal, das wird wahrscheinlich die Milchbauern im Lande nicht insgesamt so schnell retten können.

Die von Herrn Tack zitierten Aussagen von seiner Kollegin Frau Tackmann, die teile ich sehr. Ich glaube aber nicht, dass das Resümee richtig ist, Herr Tack, wenn wir jetzt alle unsere Forderungen sofort umsetzen würden, dass die Situation sich nicht ändern würde. Sie sagten schlagartig – natürlich nicht schlagartig, das ist auch nicht der Wunsch dieses Antrages. Der Antrag will eine Richtung aufweisen, will das Parlament und damit die Landesregierung in eine Richtung dirigieren, die aus dieser von uns aufgezeigten und von Akteuren aus der Branche aufgezeigten berühmten Sackgasse herausführt, denn diese Sackgasse ist nicht einfach nur, dass man da hineinläuft und nicht mehr herauskommt, sondern das ist das Betriebsende für viele Milchbauern.

Insofern würde ich mich natürlich freuen, wenn wir uns darüber im Ausschuss noch ausführlicher unterhalten.

Ich beantrage eine Abstimmung über eine Überweisung in den Ausschuss und bedanke mich für heute für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4463. Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, diesen Antrag in den, ich gehe davon aus, Agrarausschuss zu überweisen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Danke.)

Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4463 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Wir kommen...

(Unruhe auf der Regierungsbank)

Wenn die beiden Minister fertig sind, kommen wir dann auch zur Abstimmung über den eigentlichen Antrag.