Protocol of the Session on September 24, 2015

Und zuletzt halten wir es selbstverständlich für falsch, zentrale Fragen von Kultur, Medien, Architektur und so weiter nicht mehr durch demokratisch legitimierte Regierungen und Parlamente, sondern im Ernstfall durch private Schiedsgerichte entscheiden zu lassen. Es geht mir nicht darum, ein Schreckgespenst USA zu konstruieren. Es ist völlig legitim, dass die USA in Verhandlungen ihre Interessen verfolgen, aber an diesen Punkten müssen sich die TTIP-Verhandlungen für den Bereich der Kultur aus unserer Sicht messen lassen. Und wenn es hierzu keine Einigung zwischen den USA und der EU gibt, dann kann es eben auch kein TTIP geben.

Wir stimmen dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich muss leider sagen, dass ich nach der letzten Plenardebatte zu TTIP etwas verwundert bin über den Antrag der LINKEN. Herr Dr. Brie hat eine sehr europäische und analysierende Rede gehalten, deren Inhalt sich teilweise von der Meinung der LINKEN als Partei insgesamt unterschied.

Mit dem nun vorliegenden Antrag soll der Landtag feststellen, dass die derzeit laufenden Verhandlungen zu TTIP eine Gefährdung für die europäischen Arbeits-, Gesundheits-, Klima-, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards darstellen.

Ich kann nicht erkennen, dass die Europäische Union die teils hart erkämpften europäischen Standards in den genannten Bereichen aufs Spiel setzen will. Die Europäische Union würde dadurch nicht nur an Glaubwürdigkeit bei den Bürgerinnen und Bürgern einbüßen. Deshalb ist es in einer solchen Debatte sinnvoll und notwendig, die offiziellen Dokumente und Dutzenden veröffentlichten Informationsbroschüren der Kommission, aber vor allem das Verhandlungsmandat in die Hand zu nehmen.

Dieses Nur-in-die-Hand-Nehmen würde nicht reichen, man muss sie auch lesen und sich dann mit den Fakten beschäftigen. Es ist festgeschrieben, dass die europäischen Standards nicht zur Disposition gestellt werden. Die Behauptungen, welche von der LINKEN als Oppositionspartei aufgestellt werden, verunsichern die Bürgerinnen und Bürger. Wir haben jedoch die Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren, und meines Erachtens kann man Bürger nur informieren, wenn man sich an die Fakten hält. Panikmache gehört nicht zur Aufklärungsarbeit.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – Burkhard Lenz, CDU: Richtig.)

Zu kritisieren gab es in den Verhandlungen in der Vergangenheit vieles. Dazu zähle ich ausdrücklich die völlig verfehlte Informationspolitik des ehemaligen konservativen Kommissionspräsidenten Barroso und seines liberalen Handelskommissars de Gucht. Vor allem aber war die konsequente Nichtbeachtung des Europäischen Parlaments ein nicht hinzunehmender Fakt.

Sie erwähnen im Antrag, dass es keinerlei parlamentarische Kontrolle und Einflussnahme gebe. Dass das Europaparlament nicht bei den Verhandlungen mit am Tisch sitzt, halte ich für verkehrt, weil letzten Endes der europäische Souverän über das Abkommen entscheidet. Die Kritik des Bundestagspräsidenten kann man zweifelsfrei teilen. Mit Inkrafttreten der Verträge von Lissabon jedoch ist die EU-Ebene für die Ausverhandlung von Handelsabkommen zuständig, und deshalb muss alles darangesetzt werden, dass zuallererst die Europaabgeordneten kompletten Zugang zu den Dokumenten erhalten.

Dass das Parlament jedoch großen Einfluss auf die Politik der Kommission nehmen kann, zeigen die aktuellen Entwicklungen. Nachdem das Parlament mit dem SPD-Mann Bernd Lange die Kommission mit der zuständigen Handelskommissarin Frau Malmström massiv unter Druck gesetzt hat, um das undemokratische ISDS-Abkommen zu reformieren beziehungsweise gleich abzuschaffen, kann jetzt jeder die Pläne zur Etablierung von Investitionsgerichten nachlesen. Ein starkes Europäisches Parlament kann so einen nicht ganz unerheblichen Druck auf die Kommission ausüben. Für dieses starke Parlament hat die SPD in den Lissaboner Verträgen gestimmt, DIE LINKE leider nicht.

Und ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen, die SPD in Deutschland und Europa kann sich diese gute Entwicklung zur Etablierung demokratischer Investitionsgerichte auf die Fahnen schreiben. Wir waren die Partei, die solche Gerichte schon Anfang des Jahres gefordert hat.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, genau.)

Wir haben uns im Diskussionsprozess konstruktiv verhalten, während die GRÜNEN beispielsweise nur einen Abbruch der Verhandlungen gefordert haben. Olof Palme hat einmal Folgendes gesagt: „Politik heißt, etwas zu wollen.“ Die Sozialdemokratie wollte das undemokratische ISDS abschaffen und nun sind wir dem näher als je zuvor. Aber dazu muss man erst einmal etwas wollen und die GRÜNEN hier im Landtag scheinen bei diesem Thema nichts zu wollen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So sieht es aus.)

Zu dieser Einschätzung komme ich, nachdem ich mir zur Vorbereitung der Debatte noch einmal die Rede von Frau Gerkan zum TTIP-Antrag der Koalition am 23. April 2015 angeschaut habe. Da wurden Positionen von Wissenschaftlern vorgetragen, eine Positionierung der GRÜNENLandtagsfraktion kam in der damaligen Rede überhaupt nicht vor. Die SPD hat zur Gestaltung von Politik hingegen einen anderen Anspruch.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Alle Anträge der Opposition abzulehnen, das ist Ihr politischer Anspruch.)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme nun zum zweiten wesentlichen Anteil des Antrages. Die Fraktion DIE LINKE befürchtet, dass eine direkte Förderung von Kultureinrichtungen wie Theatern oder Orchestern mit der TTIP nicht mehr möglich sein und die kulturelle Vielfalt Mecklenburg-Vorpommerns gefährdet werde. Nachdem wir Europapolitiker uns schon seit Langem mit der TTIP beschäftigen und uns – die einen mehr, die anderen weniger – Dokumente zum Abkommen zu Gemüte führen, glaube ich nicht, dass die kulturelle Freiheit durch TTIP gefährdet ist. Auch an dieser Stelle muss ich leider den Tipp mit auf den Weg geben, Dokumente und Erläuterungen der EU genauer zu lesen.

Wenn Theater, Orchester und andere kulturelle Institutionen staatliche Gelder zur Unterstützung bekommen, sind das im Grunde genommen Subventionen. Nach gängiger Praxis werden Subventionen von EU-Handelsabkommen ausgeschlossen. Deshalb wird die TTIP das Recht der Mitgliedsstaaten, den Kultursektor oder auch jeden anderen Sektor zu unterstützen, nicht einschränken. Auch die deutsche Sozialdemokratie hatte solche Befürchtungen, da die Transparenz zu Beginn der öffentlichen Diskussion nicht gegeben war. Durch die Veröffentlichung des Verhandlungsmandats und weiterer zusätzlicher Dokumente können wir nun aber feststellen, dass die Förderung des Kultursektors auch mit der TTIP nicht beeinträchtigt sein soll.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na, da schau her!)

Die wechselvolle Geschichte des europäischen Kontinents und vielfältige Traditionen lassen die kulturelle Vielfalt zu einem besonderen Markenzeichen der Europäischen Union werden. Auch deshalb sind die Förderung zum einen und der Schutz der kulturellen Vielfalt zum anderen als zentrales Ziel im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgeschrieben. Während in den USA Kultur – wozu ich Filme, Dienstleistungen, Bücher und Musik zähle – als eine normale Ware angesehen wird,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

ist sie in Europa hingegen ein öffentliches Gut mit entsprechender Förderung. Deshalb unterstützen wir die Bemühungen der Kommission, die Bedeutung der Kultur für Europa in die Präambel der TTIP festzuschreiben. Alle Verantwortlichen haben sich zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt als zentralen Zielen der Europäischen Union bekannt.

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zur Buchpreisbindung. Jedes in- und ausländische Unternehmen muss sich an den geltenden Gesetzen des Landes orientieren, so zum Beispiel auch US-amerikanische und einheimische Buchverkäufer an die Buchpreisbindung. Solange die Preisbindung Bücher, die in Deutschland hergestellt wurden, und importierte Bücher gleichbehandelt, ist das auch kein Handelshemmnis und wird durch TTIP nicht berührt.

Sehr geehrte Damen und Herren, da wir einen Antrag der LINKEN behandeln, erlauben Sie mir, meine Rede mit einem Zitat der LINKEN aus einer Pressemitteilung zu beenden. Nach der öffentlichen Anhörung des Europa- und Rechtsausschusses am 27. Februar 2015 hat DIE LINKE Folgendes geschrieben: „Zeit der Parlamente – Zu TTIP nicht nur reden, sondern handeln“. Wir haben gehandelt und Erfolge erzielt, während andere nur für den Abbruch der Verhandlungen demonstriert haben, ohne konstruktive Vorschläge zur Verbesserung von EUHandelsabkommen zu machen. Deshalb lehnen wir es ab, eine Demo gegen TTIP durch den Landtag zu würdigen. Ihren Antrag in Gänze lehnen wir als SPD-Fraktion ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr gut, sehr gut! Tolle Rede!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Petereit.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist derart weichgespült gegenüber der eigentlichen Parteilinie der LINKEN, dass sich die hiesige Linksfraktion sicher schon in den eigenen Reihen blamiert hat. Und so ist es auch nur konsequent, dass im zweiten Punkt zwar die Demonstration am 10. Oktober in Berlin beworben wird, allerdings das Motto unterschlagen wird, was eindeutig fordert, TTIP zu stoppen. Ihre Bundestagsfraktion spricht sogar von „versenken“.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Es geht also nicht allein darum, sich für Theater und Orchester starkzumachen. TTIP ist viel komplexer. Allein wenn Sie hier die Daseinsvorsorge ansprechen, ist das schon bemerkenswert – im negativen Sinne. Dass Sie zwar den Lobbyisten für Theater und Künstler mimen, aber sich offenbar nicht darum sorgen, dass mit TTIP beispielsweise Entscheidungen von Nationalregierungen ausgehebelt werden, Schadensersatzklagen vor geheimen Schiedsstellen geführt werden, Zulassungsvorschriften für Chemikalien umgangen werden, dass die Gasfördermethode Fracking kurz vor der Tür steht, Lebensmittelvorschriften aufgeweicht werden, wahrscheinlich die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte fallen wird, die öffentlichen Dienstleister – also die Träger von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Sozial

stationen – unter Druck geraten, die letzten kommunalen Unternehmen privatisiert werden sollen und die Überwachung des Internets unter dem Deckmantel von Urheberrechtsschutz ausgeweitet werden und dazu führen soll, dass Konzerne direkten Zugriff auf Nutzerdaten erhalten, all das bedeutet TTIP und all das ist auch nachzulesen in der TTIP-Broschüre der LINKEN-Bundestagsfraktion.

Dass Sie sich hier offensichtlich allein um die Künstler in M-V sorgen – was für ein Armutszeugnis!

(Udo Pastörs, NPD: Tja!)

Die NPD-Fraktion hatte hier bereits im Januar einen Antrag mit dem Ziel, TTIP zu beenden, eingebracht, den allerdings lehnten auch Sie von der LINKEN ab, der ging Ihnen offensichtlich zu weit. Ihr Antrag könnte vor diesem Hintergrund verlogener nicht sein. Wir lehnen ihn ab. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tiefschürfende Rede, Herr Petereit. – Zuruf von Tino Müller, NPD)

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben mit scharfen Worten nicht gespart, abgesehen …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Außer Frau Drese, die war sehr sachlich.)

Aber scharf.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jaja, das müssen Sie aber abkönnen.)

So soll es ja auch sein.

Worauf ich nicht weiter eingehen möchte, ist das, was mein Vorredner sagte.

(David Petereit, NPD: Das tat weh, was?! Eigene Broschüren nicht gelesen.)

Auffällig ist aus meiner Sicht,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Dass sie lesen können! – Stefanie Drese, SPD: Das verwundert.)

dass Sie viele Kritikpunkte geteilt haben –

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ach so!)

ich erinnere an die Rede von Herrn Lenz, aber auch des Bildungsministers –, viele Punkte geteilt haben, um dann doch die Pirouette zu drehen und zu sagen, auch Frau Drese, dann glauben wir, dass es doch anders kommt, beziehungsweise „Lesen Sie nach!“, war die Forderung. Nur, mit dem Lesen – das hatte ich, denke ich, in der Einbringungsrede deutlich gemacht – ist es nicht so einfach. Das geht nicht nur uns so, sondern gar dem Bundestagspräsidenten. Das bleibt festzuhalten.

Ich möchte mit einigen Sätzen Bezug nehmen auf das, was der Bildungsminister sagte. Gern nehmen wir Ihren Bericht, den Sie dann nach der Novembertagung der Kultusministerkonferenz dem Bildungsausschuss vorlegen wollen, entgegen. Sie haben deutlich gemacht, dass Kulturgüter sehr wohl eine Rolle spielen, und haben darauf Bezug genommen, dass wir die EU-Konvention zur kulturellen Vielfalt ratifiziert haben, die USA jedoch nicht. Die Frage ist, warum sie denn gerade im Zusammenhang mit den TTIP-Verhandlungen wieder anderen Sinnes sein sollten, also sich dann doch auf die Grundlagen der Konvention für die kulturelle Vielfalt begeben sollten.

Und dass das hier eine Rolle zu spielen hat, ist ganz klar – Herr Saalfeld hat darauf Bezug genommen –, aus verfassungsrechtlichen Gründen, aber auch aus sozialen und wirtschaftspolitischen Gründen. Die Dimension ist doch benannt worden und muss auch an dieser Stelle noch mal vertieft werden. Es geht insgesamt deutschlandweit um mehr als 1,4 Millionen Beschäftigte beziehungsweise in der Kultur- und Kreativbranche Tätige und es geht um ein Umsatzvolumen von 150 Milliarden Euro insgesamt. Der Minister sagte es selbst wortwörtlich, man kann da nicht laut genug streiten. Und wieder kommt die Pirouette – ja, genau, nicht laut genug dafür streiten –, dann kommt wieder die Pirouette, nein, also die Demo soll es doch nicht sein.