Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/4190 zur federführenden Beratung an den Agrarausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – CDU? –
Und die Gegenprobe. – Und die Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug des Jugendarrestes in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung weiterer Gesetze, Drucksache 6/4215.
Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug des Jugendarrestes in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung weiterer Gesetze (Erste Lesung) – Drucksache 6/4215 –
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf legt Ihnen die Landesregierung ein zeitgemäßes und zukunftsweisendes Gesetz vor.
Wie Sie wissen, haben die Länder seit der sogenannten Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug. In den vergangenen Jahren haben wir die erforderlichen Gesetze auf dem Gebiet des Strafvollzuges geschaffen. Als letzter Baustein folgt nun das Jugendarrestvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern. Auch hier haben wir wie schon in der Vergangenheit bei den anderen Vollzugsgesetzen in bewährter Zusammenarbeit mit neun Bundesländern einen weitgehend einheitlichen Entwurf erarbeitet.
Im Mittelpunkt steht das Ziel, den Arrestierten das begangene Unrecht, dessen Folgen und ihre Verantwortung hierfür bewusst zu machen. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, die Jugendlichen auf den Weg zu einem eigenverantwortlichen Leben ohne weitere Straftaten zu bringen. Daher steht stärker als bisher die erzieherische Ausgestaltung des Arrestes im Vordergrund, denn bloßes Wegsperren bringt niemanden weiter, weder den Jugendlichen noch die Gesellschaft.
Was heißt nun „erzieherische Ausgestaltung des Jugendarrestes“? Das heißt, dass wir den Arrestierten zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftlichen
Lebensführung unter Achtung der Rechte anderer befähigen wollen. Dabei sollen die Arrestierten aktiv an der Erfüllung ihrer Pflichten mitwirken und Verantwortung insbesondere auch für die begangen Taten übernehmen. Gemeinsam mit den Arrestierten sollen die Defizite, also das, was falsch läuft in ihrem Leben, herausgearbeitet werden.
Sie sollen für die Taten und deren Folgen und für die eigene Zukunft Verantwortung übernehmen. Das sind große Worte und große Ziele, das weiß ich wohl. Nicht alles werden wir erreichen, manchmal vielleicht sogar vieles nicht. Aber es geht darum, Entwicklungen möglich zu machen und Weichen neu zu stellen.
Die Jugendlichen, die in den Arrest kommen, sind vielfach haltlos und strukturlos, auch was die Freizeitgestaltung anbelangt. Das mündet häufig in der Begehung von Straftaten. Deshalb ist ein Kernpunkt des Gesetzentwurfs der strukturierte Tagesablauf im Arrest. Hier sind konkrete Maßnahmen beispielsweise zu den Problembereichen Gewalt, Sucht und Schulden, soziale Kompetenz, lebenspraktische, schulische oder berufliche Defizite vorgesehen. Pflichtverstöße der Jugendlichen sollen konsequent und unverzüglich erzieherisch aufgearbeitet werden, denn das Ziel ist es, das Bewusstsein der Jugendlichen für ihre Verfehlungen zu wecken und andere Verhaltensmuster und Lösungen aufzuzeigen und zu trainieren.
Bei vielen Arrestierten steht es nicht besonders gut um ihre soziale Kompetenz. Sie haben nicht gelernt, Konflikte verbal kommunikativ zu lösen. Gerade auch vor diesem Hintergrund ist das tägliche Angebot an strukturierten Freizeit- und Sportmaßnahmen wichtig. Sport fördert die Einsicht in die Notwendigkeit von Regeln, fördert Kommunikation und Teamfähigkeit und er vermittelt einen angemessenen Umgang mit Erfolg und Misserfolg. Verlieren können und vernünftig damit umzugehen, ist nämlich beispielsweise auch etwas, was diese jungen Menschen zum Teil erst noch lernen müssen.
Häufig sind die Arrestierten schulisch und beruflich erheblich unterqualifiziert. Aus diesem Grund sind Maßnahmen zur lebenspraktischen, beruflichen und schulischen Entwicklung im Gesetz festgeschrieben. Es liegt auf der Hand, dass schulische Defizite im Arrest nicht aufgeholt werden können. Aber die Jugendlichen können motiviert werden, auch hier die Weichen neu zu stellen und sich in weiterführende Maßnahmen vermitteln zu lassen.
Meine Damen und Herren, im Unterschied zu den übrigen Vollzugsarten haben wir im Arrest nur eine sehr kurze Zeitspanne zur Verfügung, um die Jugendlichen zu erreichen. Wie Sie sicherlich wissen, dauert die Arrestzeit von einem Wochenende bis zu maximal vier Wochen. Das Gros der Arrestierten befindet sich durchschnittlich knapp zwei Wochen im Arrest – eine kurze Zeit, die intensiv genutzt werden muss. Dabei ist der Blick sowohl auf die Zeit innerhalb des Vollzuges gerichtet als auch auf die Zeit danach.
Da ist zum einen die intensive Betreuung während des Vollzugs mit einem ganzen Bündel an individuell geschnittenen Maßnahmen. Die finden übrigens auch am Wochenende statt. Gleichzeitig werden für diese Zeitspanne die Außenkontakte bewusst reduziert, denn nur so besteht überhaupt die Möglichkeit, dass die Jugendlichen sich auf die neue Situation einlassen und mit einem gewissen Abstand ihre Situation selbstkritisch reflektieren.
Zum anderen hat die Zusammenarbeit mit Dritten einen ganz besonderen Stellenwert. Während der Arrestzeit werden Kontakte hergestellt zu staatlichen Stellen, Jugendämtern, Schulen, Einrichtungen für berufliche Bildung, Gesundheits- und Ausländerbehörden, Trägern der Sozialversicherung und der Freien Wohlfahrtspflege, Suchtberatungsstellen und Schuldnerberatungen und
vieles, vieles mehr. Diese sollen die im Arrest begonnene Arbeit vor Ort mit den Jugendlichen und ihren Familien fortführen, denn die Jugendlichen sind darauf angewiesen, dass sie nach der Entlassung aus dem Arrest mit der dort gewonnenen Motivation die Maßnahmen beginnen oder weiterführen, weiterführen auf einem Weg in eine Zukunft ohne neue Straftaten.
Meine Damen und Herren, es ist kritisiert worden, dass der Arrest jetzt nur noch in der Jugendarrestanstalt Neustrelitz vollzogen wird. Durch die langen Anreisewege für Familienangehörige sei ihre Einbindung in die Arbeit mit den Jugendlichen nicht möglich. Aber halten wir uns vor Augen: Wir reden hier über eine Arrestzeit von durchschnittlich knapp zwei Wochen. Ich habe gerade dargelegt, in dieser sehr kurzen Zeit versuchen wir, die Jugendlichen zu erreichen, mit ihnen gemeinsam den Ursachen für ihre Straftaten auf den Grund zu gehen und ihnen ihr inakzeptables Verhalten bewusst zu machen. Wir versuchen, losgelöst aus ihrem bisherigen, häufig problematischen Umfeld ihre Bereitschaft für ein Umdenken zu wecken.
Hierfür ist es gerade wichtig, dass sie für diesen kurzen Zeitraum losgelöst sind aus ihrem häufig problematischen Umfeld. Auf dieser Grundlage können anschließend in der gewohnten Umgebung die im Vollzug angeschobenen Maßnahmen beginnen und bereits begonnene Maßnahmen fortgeführt werden, und zwar auch unter Einbeziehung der Familien. Gerade durch die anschließende Netzwerkbetreuung werden die Familien aktiv eingebunden. So können Eltern und Jugendliche gemeinsam eine Perspektive entwickeln.
Mecklenburg-Vorpommern verfügt in Neustrelitz über eine moderne Jugendarrestanstalt als Teilanstalt der Jugendanstalt. Dadurch haben wir nicht nur große Vorteile hinsichtlich der Verwaltung und Versorgung, etwa der Küche und anderer Einrichtungen, sondern wir können im Bedarfsfall insbesondere auch Fachdienste der Jugendanstalt hinzuziehen, wie etwa den medizinischen Dienst oder den psychologischen Dienst.
Meine Damen und Herren, insgesamt bietet der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf gute Voraussetzungen dafür, den guten Jugendarrestvollzug in Mecklenburg-Vorpommern noch weiter zu verbessern. Unser Ziel ist und bleibt, dass Jugendliche als falsch erkannte Wege verlassen und neue Wege für sich finden ohne Straftaten. Für diese Gesetzgebungsvorhaben bitte ich um Ihre Unterstützung. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst gestatten Sie mir ein paar Worte zur heutigen Tagesordnung. Ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass Regierung und Koalitionsfraktionen uns zu einem Zeitpunkt, wo wir in der Haushalts
Ich finde schon, dass wir eine ernsthafte Debatte nur durchführen können, wenn wir uns auch Zeit dafür nehmen. Viele der Gesetzentwürfe bedeuten, dass wir uns mit Experten in Verbindung setzen müssen,
Ich glaube, das kann nicht unser Interesse sein, egal welcher Fraktion wir angehören, sodass wir gemeinsam als Parlament dafür Sorge tragen sollten, dass so ein Zustand nicht zum Dauerzustand wird. Denn einige Gesetze – und da können wir uns einige angucken – hätten sicherlich auch nach der Haushaltsdebatte noch hier im Parlament bearbeitet werden können.
Vor uns liegt nun das neue Jugendarrestvollzugsgesetz. Wer aufmerksam die Debatte um den Jugendarrest verfolgt hat, wird sich jetzt berechtigt fragen: Was soll denn das?
DIE LINKE hat sich immer gegen den Jugendarrest ausgesprochen. Das war und ist auch so. Ja, wir stehen diesem Instrument sehr kritisch gegenüber. Dabei geht es mir jetzt gar nicht so sehr um die zweifelhafte Herkunft. Wir bezweifeln einfach den Sinn und Zweck des Jugendarrestes. Durch einen kurzfristigen Freiheitsentzug sollen die Jugendlichen erzogen werden und ihre Tat sühnen. Es steht hierbei im Vordergrund, dass Wiederholungstaten verhindert werden sollen.
Meine Damen und Herren, das ist beim Jugendarrest in der Praxis eben nicht der Fall. Untersuchungen zeigen, dass die Rückfallquote beim Vollzug des Jugendarrestes bei etwa 70 Prozent liegt.
was sie dann erwidern soll, können Sie mir vielleicht auch zuhören. Nachher sagen Sie wieder, Sie haben nichts verstanden.