Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat zunächst die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Polzin. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach drei Auftritten in fremden Rollen nun eine als Finanzministerin.
In Zeiten eines historisch einmaligen Einbruchs der Steuer einnahmen eine Gemeindefinanzreform auf den Weg zu bringen,
ist ein ehrgeiziges Ziel, insbesondere dann, wenn man kurz zuvor durch Steuersenkungen die Finanzlage der Kommunen weiter geschwächt hat und durch zukünftige Steuersenkungen auch noch weiter schwächen möchte. Meine Zurückhaltung steigt sogar noch, wenn ich daran denke, dass vor allem die Zukunft der Gewerbesteuer auf der Tagesordnung steht. Bei einem Gewerbesteueraufkommen von 30 bis 40 Milliarden Euro, in Mecklenburg-Vorpommern davon 2009 rund 260 Millionen, kommt ein derartiger Systemwechsel in Zeiten der Krise einer Operation am offenen Herzen gleich.
Die Gemeindefinanzkommission hat sich also Anfang März erstmals zusammengesetzt und drei Arbeitsgruppen mit den Schwerpunkten Rechtsetzung, Standards und Kommunalsteuern gegründet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass insbesondere letztgenannte Gruppe im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen wird. Sie hat den Auftrag, zu prüfen, ob der aufkommensneutrale Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer mit eigenem Hebesatz möglich ist.
Mit anderen Worten: Die Gewerbesteuer soll mal wieder abgeschafft und durch die Erhöhung anderer Steuern ersetzt werden. Damit wird ein Feld betreten, auf dem schon viele Schlachten geschlagen wurden – zumeist ohne Geländegewinn.
In der Regel stehen sich hier zwei Denkanschauungen gegenüber: Zum einen wird die Abschaffung der Gewerbe steuer gefordert verbunden mit verschiedenen Ansätzen der Kompensation für die Gemeinden. Zum anderen wird eine Reform der Gewerbesteuer gefordert, die an dem bestehenden Instrumentarium festhält und eine Belebung der Einnahmen durch verschiedenste Maßnahmen vorsieht, so auch diesmal. Die Bundes regierung favorisiert offenbar das oben zitierte Modell der FDP, welches allerdings so ähnlich bereits im Jahr 2003 vom BDI eingebracht wurde und schon von der damaligen Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen verworfen wurde.
Zum Glück ist es aber den kommunalen Spitzenverbänden gelungen, in die aktuelle Kommissions arbeit ein eigenes Modell zur Reform der Gewerbesteuer einzubringen. Sinnvolles Ziel der Kommunen ist es, die Bemessungsgrundlage und den Kreis der Steuerpflichtigen der Gewerbesteuer zu erweitern. Dies soll nun ebenfalls diskutiert werden. Die Befürworter einer Abschaffung der Gewerbesteuer argumentieren, dass der Ertrag der Gewerbesteuer zu sehr von der Konjunkturentwicklung abhängig sei. Nach dem Modell der FDP sollen daher Umsatzsteuer, Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer als Alternativen herangezogen werden.
Man sollte sich allerdings hier keine Illusionen machen: Auch diese Steuern sind konjunkturabhängig, teilweise sogar noch stärker als die Gewerbesteuer. So ging im Jahr 2009 das Aufkommen der Gewerbesteuer um 17 Prozent zurück,
Weiterhin muss man sich fragen, wer eigentlich die Kompensation der Gewerbesteuereinnahmen erbringen muss, wenn sie aufkommensneutral abgeschafft werden sollen.
Beim FDP-Modell ist der Fall klar: Wer die Gewerbesteuer durch einen kommunalen Hebesatz auf die Einkommenssteuer und einen höheren kommunalen Anteil an der Mehrwertsteuer ersetzen möchte, der will die Unternehmen in Milliardenhöhe entlasten
(Heinz Müller, SPD: Genau das ist geplant. – Rudolf Borchert, SPD: Das ist das Ziel der Aktion, nichts anderes.)
Man will also einerseits die Einkommenssteuer über kommunale Hebesätze erhöhen und andererseits die Einkommenssteuer im Rahmen einer großen Steuer reform senken. Das verstehe, wer will, ich halte diese Form der Umverteilung für ungerecht und auch volkswirtschaftlich für falsch.
Seit Jahren steigt der Anteil, den die Lohn- und Verbraucher steuern am Steueraufkommen ausmachen, während der Anteil der Gewinn- und Kapitalsteuern sinkt.
Besonders gefährlich – insbesondere für ostdeutsche Kommunen – würde es jedoch sein, ein System unterschiedlicher Hebesätze auf Einkommens- und Körperschaftssteuer zu etablieren. Um die Ausfälle bei der Gewerbesteuer zu kompensieren, müssten unsere Kommunen aufgrund geringerer Arbeitslöhne und sehr geringer Einnahmen aus der Körperschaftssteuer die Hebesätze überdurchschnittlich anheben. Die Kommunen müssten sich dann also entscheiden, ob sie lieber weniger Einkommen bekommen wollen oder ob sie ihre Bürger überdurchschnittlich belasten wollen. In beiden Fällen würden unsere Kommunen an Attraktivität verlieren. Abwanderung, Stadtflucht wären die Folge.
Vor allem die größeren Städte, die bislang überdurchschnittliche Gewerbesteuern generieren, würde dies schwer treffen. Ich kann daher nur davor warnen: Hände weg von der Gewerbesteuer!
Denn der Grundgedanke der kommunalen Gewerbesteuer ist es doch, dass kommunale öffentliche Leistungen den Gewerbetreibenden einen Nutzen bringen und deshalb auch von diesen mitfinanziert werden sollen. Es wird also ein steuerliches Band zwischen der Gemeinde und den ortsansässigen Betrieben gespannt,
das sich als sehr sinnvoll erwiesen hat. Die Gemeinden profitieren von Gewerbeansiedlungen unmittelbar, was eine investorenfreundliche Politik vor Ort auch sehr befördert.
Die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel sah dies vor einem Jahr noch ganz genauso. Damals sagte sie vor Vertretern von Städten und Gemeinden: „Die Gewerbesteuer bleibt unangetastet, daran werden wir in keiner Weise rütteln.“ Ich hoffe sehr, dass dies immer noch gilt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Toralf Schnur, FDP: Da waren eure Sandmännchen noch unterwegs.)
Die kommunalen Spitzenverbände haben zu Recht noch einmal die Bedeutung der Gewerbesteuer für die Kommunen herausgestellt und die Notwendigkeit betont, die Gewerbesteuer wieder zu stabilisieren. Hier ist die schon mehrfach vorgeschlagene Einbeziehung der freien Berufe sicher ein denkbarer Weg.
Neben all diesen grundsätzlichen Fragen wäre allerdings den Kommunen schon sehr geholfen, wenn sich die Bundesregierung endgültig von weiteren Steuersenkungsplänen verabschieden würde.
Die Kommunen werden dadurch zur Streichung wichtiger Dienstleistungen sowie zur Erhöhung diverser Gebühren gezwungen.
Letztlich gefährdet diese Politik den gesamten Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge in Städten, Gemeinden und Landkreisen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, grundsätzlich begrüße ich das Ziel der Bundesregierung, die Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung zu stärken und die Einnahmen der Kommunen zu verstetigen. Man sollte aber vor lauter Reformeifer das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Abschaffung der Gewerbesteuer wäre ein großer Fehler, eine Reform der Gewerbesteuer hingegen sinnvoll und notwendig. Ich hoffe zum Wohle der Kommunen, dass sich die Bundesregierung für diesen Weg entscheiden wird. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.