Protocol of the Session on March 12, 2010

(Michael Andrejewski, NPD: Nationale Interessen!)

Und in völliger Übereinstimmung mit meinem Kollegen Mathias Löttge befürworte ich auch ausdrücklich den Kauf von illegal erworbenen Steuerdaten-CDs. Bei Steuerhinterziehung, meine Damen und Herren, darf es kein Pardon geben und es darf kein Mittel ausgelassen werden, um Straftaten aufzudecken.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Insofern, meine Damen und Herren, ist die Haltung der FDP in Baden-Württemberg völlig unverständlich und inakzeptabel. Es tut,

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

es tut richtig gut, dass diese CDU-FDP-Landesregierung mit ihrem Versuch gescheitert ist, einen rechtsfreien Raum für Kriminelle zu schaffen.

(Zurufe von Toralf Schnur, FDP, und Michael Andrejewski, NPD)

In dem Falle kann ich Bundesfinanzminister Schäuble nur sagen: Gut gemacht, dass Sie Herrn Mappus ausgebremst haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in unserem Antrag fordern wir auch konkrete Schritte zur Einschränkung überhöhter Bonuszahlungen im Bankensektor und es ist zu begrüßen, dass das Bundesfinanzministerium bereits an einer gesetzlichen Regelung arbeitet. Neben einer verfassungsrechtlich zulässig ausgestalteten unmittelbaren Abgabe auf die Bonuszahlungen der Banken oder der Einführung einer allgemeinen Bankenabgabe sollte es auch eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Gehältern und Abfindungen geben. Durch eine Einschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit wird sichergestellt, dass die Steuerzahlerin und der Steuerzahler nicht in unbegrenzter Höhe an der Finanzierung der Boni beteiligt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber ein besonders wirksames Mittel, um die von der Realwirtschaft völlig losgelösten Spekulationen an den Finanzmärkten spürbar einzudämmen, wäre die Einführung einer Steuer auf alle Finanztransaktionen, die Finanztransaktionssteuer. Der US-Ökonom und Nobelpreisträger James Tobin hat bereits vor Jahrzehnten eine Steuer auf Finanztransaktionen vorgeschlagen. Im Gegensatz zu dieser sogenannten Tobin-Steuer hätte allerdings eine internationale Finanztransaktionssteuer eine allgemeinere und viel breitere Bemessungsgrundlage. Erfasst werden alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen, Derivaten und allen Devisentransaktionen.

Heute wird auf den globalen Finanzmärkten über das Siebzigfache des weltweiten BIP umgesetzt, eine gigantische Summe, die sich seit 1990 vervierfacht hat und die

fast ausschließlich durch die Expansion des Derivathandels bei den Wetten auf Preise der Zukunft abgeschlossen wird. Ziel einer Finanztransaktionssteuer ist es vor allem, Sand in dieses Spekulationsgetriebe der Finanzmärkte zu streuen und volkswirtschaftlich unsinnige, völlig kurzfristige Spekulationen einzuschränken, wie beispielsweise der computergestützte Börsenhandel, bei dem – das muss man sich vorstellen – ein und dasselbe Wertpapier mehrere hundert Male am Tag gekauft und verkauft wird. Und bei jedem dieser Käufe oder Verkäufe würde dann die Finanztransaktionssteuer fällig werden. Das Geschäft würde sich sicherlich nicht mehr lohnen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und dann ein positiver Nebeneffekt der Transaktionssteuer, denn es ist natürlich klar, damit werden auch Steuereinnahmen erzielt. Diese brauchen wir auch, um die Lasten der Krise gerechter zu verteilen und wichtige Zukunftsauf gaben zu finanzieren. Bei einer angenommenen Besteuerung von 0,005 Prozent des jeweiligen Handelsvolumens könnten durch eine internationale Finanztransaktionssteuer Einnahmen von ungefähr einem Prozent des Welt-BIP erzielt werden, also des Weltbruttoinlandproduktes. Das wären circa 500 Milliarden Dollar jährlich, wobei auf Deutschland circa 15 Milliarden Dollar entfallen würden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dabei ist unterstellt, dass sich das Handelsvolumen, was ja die eigentliche Zielsetzung der Transaktionssteuer ist, durch die Steuer bereits erheblich reduzieren wird.

Meine Damen und Herren, inzwischen gibt es ja eine breite Unterstützung für die Finanztransaktionssteuer. Anfang Dezember 2009 haben 200 renommierte amerikanische Wirtschaftswissenschaftler in einem offenen Brief die Einführung dieser Steuer gefordert. Unterstützung gibt es von den drei Nobelpreisträgern für Wirtschaftswissenschaften Paul Krugman, Daniel McFadden und Joseph Stiglitz. Auch Bundespräsident Horst Köhler, ehemaliger geschäftsführender Direktor des IWF, fordert eine Transaktionssteuer.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ja, auch der.)

Außerdem haben in Deutschland inzwischen über 70.000 Einzelpersonen innerhalb kürzester Zeit die Petition „Steuer gegen Armut“ unterzeichnet.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Auch die.)

Mit dieser Massenpetition wird sich der Petitionsausschuss des Bundestages im Rahmen einer öffentlichen Anhörung beschäftigen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Und dieser Landtag will nur prüfen.)

Getragen wird die Petition auch von zahlreichen Kirchen und Organisationen, Gewerkschaften und inzwischen auch vom konservativen Deutschen Bauernverband. Das zeigt, dass die Menschen es nicht mehr hinnehmen, für die Folgen haften zu müssen, die durch gierige Börsenspekulanten heraufbeschworen wurden.

Meine Damen und Herren, kontrovers diskutiert wird vor allem natürlich die Frage, ob eine Transaktionssteuer nur Sinn macht, wenn sie global eingeführt wird. Natürlich wäre eine weltweite Lösung wünschenswert und der beste Weg.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das geht doch in Europa mit der Schweiz gemeinsam.)

Aber bereits eine Einigung der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der G20, und den Ländern der EU wäre ein Meilenstein, nämlich danach würden 97 Prozent des globalen Börsenhandels der Besteuerung unterworfen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das war in Pittsburgh bei den G20 sozusagen schon Grundlage der Diskussion.)

Ich bin davon überzeugt, wir müssen aber auch dann handeln, wenn es keine Einigung der G20 gibt, denn auch auf europäischer Ebene kann man eine Finanztransaktionssteuer einführen. Und lässt sich auch da keine Einigung erzielen, meine Damen und Herren, sind nationale Alleingänge unvermeidbar. So fordert die SPD die Wiedereinführung einer nationalen Börsenumsatzsteuer nach britischem Vorbild, so, wie sie bis 1991 in Deutschland ja noch erhoben wurde.

(Zurufe von Birgit Schwebs, DIE LINKE, und Toralf Schnur, FDP)

Nationale Börsenumsatzsteuern gibt es bereits jetzt in der Schweiz, Großbritannien, Belgien, Griechenland, den Niederlanden, Polen, Finnland, Malta, Zypern, Indien, Südafrika, Südkorea und anderen. In Großbritannien beläuft sich das Steueraufkommen auf rund 3,7 Milliarden Euro, in der Schweiz sind es 1,3 Milliarden Euro jährlich.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Und darauf verzichtet Gelb-Schwarz.)

Meine Damen und Herren, keiner wird behaupten – die Beispiele London und Zürich zeigen es –, dass das Bestehen einer nationalen Börsenumsatzsteuer bei den großen europäischen Finanzhandelszentren in irgendeiner Weise geschadet hat. London und Zürich sind nach wie vor prosperierende europäische Finanzhandelszentren, trotz Börsenumsatzsteuer in der Schweiz und Großbritannien.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Und das wäre auch bei uns so.)

Im Übrigen wird eine nationale Börsenumsatzsteuer auch von CDU/CSU-Politikern gefordert, in der CDU natürlich ganz klar vom Querdenker und Vordenker Herrn Geißler, Attac-Mitglied,

(Toralf Schnur, FDP: Na, Vordenker ist ja ein bisschen weit hergeholt.)

aber nicht nur von Herrn Geißler, sondern ausdrücklich auch vom Noch-Ministerpräsidenten NRW Jürgen Rüttgers, der sich klar positioniert hat.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Vincent Kokert, CDU: Was soll dieser komische Zungenschlag da drin? – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Und, meine Damen und Herren in der FDP, auch in der FDP gibt es jetzt schon einen prominenten Befürworter für eine nationale Börsenumsatzsteuer,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ach was?!)

so habe ich es zumindest in der „Ostsee-Zeitung“ am 13.02. lesen können, Herrn Sebastian Ratjen aus Greifswald.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Es wäre zu wünschen, dass er in seiner Partei noch größere Unterstützung findet, aber hier beginnt genau das Problem. Aber wir haben ja noch die Rede von Frau Reese zu erwarten. Warum ist eigentlich die FDP als einzige Partei gegen eine Finanztransaktionssteuer? Ich bin gespannt auf die Rede von Frau Reese.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Meine Damen und Herren, aus aktuellem Anlass noch eine Bemerkung zur Ankündigung von Bundesfinanzminister Dr. Schäuble, der rechtzeitig zum 19. Mai zur Tagung der G20 in Berlin ein Konzept zur Beteiligung der Banken an den Krisenkosten mit einer Sonderabgabe vorlegen will. Übrigens, bereits 2008 hat die SPD gefordert, dass die Banken, die von den staatlichen Rettungsmaßnahmen profitiert haben, auch die Kosten tragen müssen. Damals hat die Union blockiert, heute sieht sie es anders. Gut so!

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Na, das war aber erst nach der Bundestagswahl.)

Die SPD begrüßt die Einführung einer Sonderabgabe für Banken ausdrücklich. Allerdings muss der Bundesfinanzminister jetzt zügig einen Gesetzentwurf vorlegen, um alle Großbanken und Versicherungen zur Mitfinanzierung der Krisenlasten heranzuziehen. Erforderlich ist vor allen Dingen die Erhebung einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Sonderabgabe, die so auszugestalten ist, dass die Kreditvergabemöglichkeiten der Institute nicht beeinträchtigt werden. USA, Schweden und Österreich könnten dabei Vorbild sein. Ob der Ankündigung Schäubles allerdings angesichts des massiven Widerstands der FDP jemals Taten folgen werden, bleibt abzuwarten.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Na, schauen wir mal, vielleicht wedelt ja doch der Hund mit dem Schwanz.)

Die SPD wird der CDU helfen, wenn es darauf ankommt, eine Sonderabgabe noch vor dem Sommer im Bundestag zu beschließen.

(Sigrun Reese, FDP: Da wird die CDU aber dankbar sein.)

Dies ist eine unverzichtbare Maßnahme im Interesse einer gerechten Lastentragung. Insofern ist die Position der SPD klar.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt – und die Finanzministerin hat es auch deutlich gesagt –, noch nie war der Zeitpunkt so günstig wie heute, wenn man mal von der FDP absieht, auch international und national zu einer Einigung zu kommen, um mit wirkungsvollen Maßnahmen wieder eine stärkere Deregulierung durch einen neuen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte durchzusetzen.