Protocol of the Session on January 28, 2010

Da bin ich beim dritten Punkt. Da erklärt der Staatssekretär auf der Pressekonferenz am Montag dieser Woche, Zitat: „Zunächst werden Kinder mit Beeinträchtigungen im Lernen ab dem Schuljahr 2010/11 in Grundschulen am gemeinsamen Unterricht der Regelklasse bzw. in Diagnoseförderklassen teilnehmen und nicht mehr in separaten Klassen an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen unterrichtet.“ Ende des Zitats. Klingt ja toll. Die Frage ist nur, ist das mit den Schulträgern beredet. Mir erklärt der Schulamtsleiter der Stadt Schwerin, dass die Grundschulen gar nicht in der Lage sind, diese Schüler aufzunehmen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist das denn? Da wird was veranschlagt, da wird was losgetreten, ohne dass hier überhaupt die Rahmenbedingungen existieren. Ich will nur mal auf die Nummer auf Rügen verweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Da wird man schon die Frage aufwerfen müssen, ob das überhaupt gesetzeskonform ist. Denn dieser Schulversuch, der die gesamte Insel Rügen betrifft, da ist die Frage, ob denn tatsächlich das Schulgesetz in diesem Falle für Rügen nicht gilt, wenn ich denn nur einen einzelnen gesamt geltenden Schulversuch für die Insel mache. Die Eltern auf der Insel haben überhaupt keine Alternative. Die müssen an diesem Versuch teilnehmen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Auch Demokratie.)

Viertens. Schule soll zur Qualitätsentwicklung beitragen – das große hehre Ziel. Die Praxis – eine Nivellierung nach unten.

Im Schreiben vom 14. Januar 2010 zur Ersten Verordnung zur Änderung der Mittlere-Reife-Verordnung vom 17. November 2009 heißt es, Zitat: „Zu der Änderungsverordnung im laufenden Schuljahr haben wir uns entschlossen, da im Zusammenhang mit der Prüfung zur Mittleren Reife des Schuljahres 2008/2009 vermehrt Elternbeschwerden über die Bestehensbedingungen in der Prüfung eingingen und ein Vergleich mit den Regelungen anderer Länder ergab, dass wir in unserem Land weitaus strengere Maßstäbe als die übrigen Länder anlegen.“ Ende des Zitats.

Na gut, kann ich sagen. Also eigentlich sollte es den Schülerinnen und Schülern schon zur besseren, sozusagen zur höheren Qualität von Schule beitragen. Aber dann kommt’s. Unter Ziffer 1 dieses Schreibens in Bezugnahme auf den Erlass heißt es, Zitat: „So ist im Paragrafen 11 Absatz 3 neu geregelt, dass die Prüfung auch bestanden ist, wenn mit bei sonst mindestens ausreichenden Leistungen ein Fach mit ,mangelhaft‘ abgeschlossen wurde“ – „mangelhaft“, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Fünf – „und das Gesamtprädikat ,bestanden‘ erzielt wurde.“ Das heißt, dass nunmehr auch ein Prüfungsfach mit der Note „mangelhaft“ abgeschlossen und die Prüfung bestanden werden kann. Das ist die Nivellierung nach unten. Das hat mit Qualitätssicherung überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Das hat auch nichts damit zu tun, die Schülerinnen und Schüler sozusagen so zu qualifizieren, dass sie eine höhere Abschlussquote erzielen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Fünftens. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind mit neuen Aufgaben betraut, verweisen darauf in einer Vielzahl von Diskussionen und schreiben Positionen zu diesem Bereich.

Ich möchte zitieren aus dem Schreiben des VBE, der ja nun nicht in dem Geruch steht, irgendwie linksorientiert zu sein, sondern ein Lehrerverband ist. Und da heißt es in dem Schreiben, ich darf Ihnen das zitieren: „Die Lehrerinnen und Lehrer des Landes erfüllen eine der wichtigsten Aufgaben des Landes. Damit übernehmen sie eine wichtige Rolle für die Zukunft Mecklenburg-Vorpom

merns. Gerade mit der Einführung der Selbstständigen Schulen wurden den Lehrern viele zusätzliche Aufgaben übertragen, die sie außerhalb ihrer Unterrichtsverpflichtung erfüllen müssen.“

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so!)

„Es wird höchste Zeit, dass dies auch im politischen Raum Akzeptanz findet. Wir erwarten, dass Sie sich für eine bessere Anerkennung der außerunterrichtlichen Tätigkeit, der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer einsetzen. Dazu gehören unter anderem eine deutliche Absenkung der Unterrichtsverpflichtung, eine Anerkennung und Entlastung der Arbeit als Klassenleiter, die viele zusätzliche Aufgaben erfüllen müssen, zum Beispiel durch eine Anrechnungsstunde für jeden Klassenleiter, eine bessere Umrechnung der Tätigkeit im Ganztagsschulbereich.“ Ende des Zitats.

Jawohl, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch darüber haben wir zu reden. Wie ist denn die aktuelle Situation durch diese vielen Mehraufgaben? Haben Sie sich den Katalog der Aufgaben mal angeguckt, die Lehrerinnen und Lehrer in diesem Lande mehr leisten müssen als bisher? Das ist ja im Interesse der Schülerinnen und Schüler in Ordnung. Aber dann muss ich den Lehrerinnen und Lehrern auch die Rahmenbedingungen schaffen, die das sozusagen überhaupt ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, ja. – Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Genau. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ein weiterer Punkt ist die Umwandlung der Ganztagsschulen in die vorwiegend gebundene Form nach den Vorgaben des Paragrafen 128 Absatz 8 Schulgesetz. Ich akzeptiere durchaus den pädagogischen Ansatz und auch die Vorteile für die Schülerbeförderung, vor allem im ländlichen Raum, durch die gebundene Form der Ganztagsschule. Ich halte diese Regelung allerdings so, wie sie im Gesetz ist, nach wie vor für prekär, vor allen Dingen, weil bis zum Schuljahresende die entsprechende Antragstellung der Kommunen, die bisher eine Ganztagsschule haben, erfolgen muss. Und da steht die Frage, welche Rechtskonsequenz leitet sich denn daraus ab, wenn zum Beispiel im Rahmen einer gebundenen Ganztagsschule anerkannt wird, dass die Angebote von Sportvereinen, von Musikschulen oder anderen Trägern der Kinder- und Jugendarbeit im Rahmen der Angebote von Ganztagsschulen anerkannt werden, aber das Stundenvolumen für die anderen Kinder, die an der Schule bis um 16 Uhr bleiben, mit diesem Faktor von 0,1 nur eine Mogelpackung ist, weil sowieso 90 Minuten im Rahmen der entsprechenden Veranschlagung gerechnet werden. Also was heißt denn das?

Von daher denke ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können diesen Antrag hier ablehnen. Ich habe das Gefühl, Sie haben Angst vor einer öffentlichen Darstellung der aktuellen Situation.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Minister Henry Tesch)

Na, der Minister wird ja gleich reden und ich habe nach der Geschäftsordnung die Möglichkeit, auch noch mal ans Pult zu treten, was ich dann gerne tun werde.

Aber einfach darauf zu sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalition, also das machen Sie mal im Ausschuss, das reicht da, das müssen wir hier im Parlament nicht tun, nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, so lassen wir Sie nicht in dieser Frage davonkommen. Hier ist das Schulgesetz und das Für und Wider vieler Regelungen öffentlich diskutiert worden.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Es ist eine öffentliche Angelegenheit in diesem Land, die vor Ort, gerade vor dem Ende des ersten Schulhalbjahres, diskutiert wird, wo sozusagen Lehrerinnen und Lehrer fragen, wie soll es denn auch in Vorbereitung auf das neue Schuljahr weitergehen. Und deswegen, haben wir gesagt, brauchen wir eine öffentliche Unterrichtung. Wenn Sie diesen Antrag ablehnen wollen, tun Sie das. Wir werden geeignete Formen und Möglichkeiten finden, diese Dinge dann doch öffentlich zu hinterfragen, ob über eine Kleine Anfrage zu den einzelnen Themen oder eine Große, das werden wir sehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: So ist es.)

Vielen Dank, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Tesch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Das neue Schulgesetz ist – und Herr Kreher hat auch noch mal darauf aufmerksam gemacht – am 01.08.2009 in Kraft getreten und damit nicht mal ein halbes Jahr in Kraft. Auch das ist nicht nur eine Frage der nominellen Richtigstellung, sondern das macht deutlich, wenn wir schon so genau hinschauen wollen, dann tun wir das auch. In der Schulpraxis wirkt es damit seit fünf Monaten. Dieser Zeitraum reicht für umfassende Analysen nicht aus, aber sicher – da gebe ich dem Kollegen Bluhm recht – für erste Einschätzungen zur Wirkung der neuen gesetzlichen Regelung.

Und genau vor einem Jahr haben Sie hier in diesem Hohen Haus in Zweiter Lesung das neue Schulgesetz des Landes beschlossen. Sie haben sich dem Regierungsentwurf folgend dafür entschieden, das Inkrafttreten der Normen des Schulgesetzes in zwei Phasen zu gestalten. In der ersten Phase wurden seit dem 01.08.2009 umfassend alle Normen in Kraft gesetzt, die den Rahmen für die Entwicklung der Selbstständigen Schule bilden. Und in der zweiten Phase, beginnend mit dem nächsten Schuljahr, folgen weitere, mehrheitlich hier beschlossene Änderungen.

Und insofern, Herr Lüssow, will ich Ihnen einfach sagen, man muss sehr genau hinschauen. Wenn Sie Dinge bemängeln, die erst in der zweiten Phase stattfinden, dann sind einfach das Schwarze die Buchstaben in dem Fall. In der ersten Phase sind zu nennen die Schulwahlfreiheit für alle weiterführenden Schulen, die Umstellung der Privatschulfinanzierung sowie die damit einhergehende Veränderung der Schülerbeförderung.

Und gerade Frau Borchardt erinnert sich auch noch daran, wie sie im Ausschuss für eine neue Regelung gekämpft hat, die ich in ihrer alten Form nicht zu verantworten habe, was die Hochbegabten betraf, die eben nicht über kommunale Grenzen kam. Insofern haben Sie

ja wahrscheinlich dann das versucht zu lösen, was Sie damals nicht hinbekommen haben. Wir haben es gelöst. Ich habe es Ihnen im Ausschuss gesagt. Und wir, diese Regierung hat es gelöst, die Parlamentarier der Regierungsfraktionen haben das hier abgestimmt.

Ich will auch noch an eine zweite Stelle erinnern, dass wir die gesetzlich verankerte kostenfreie Schülerbeförderung für die gymnasiale Oberstufe haben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das haben wir auch positiv herausgestellt.)

Und man kann ja viel, viel mehr fordern. Nur ich finde es natürlich ein bisschen tiefgestapelt, wenn man diese Dinge weglässt. Seit fünf Monaten befinden wir uns in der ersten Umsetzungsphase. Und ich will vielleicht auch nur schlaglichtartig am späten Abend einige Dinge benennen:

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

die Flexibilisierung der Kontingentstundentafel

Das ist nicht etwas, was einfach spurlos an Schulen vorbeigeht, wenn man 15, 20 oder 25 Jahre nach anderen Systemen unterrichtet hat. Damit macht man sich nicht nur Freunde an der Stelle, wenn man sich zusammensetzen muss. Und es gibt Schulen in diesem Land – wir können zusammen hinfahren –, die haben es getan, andere wollen es nicht tun. Auch diese Freiheit ist da. Wir haben natürlich eine Diskussion nach dem Motto: „Kann man da nicht umziehen?“ Wir wissen alle, das ist eine schwierige Diskussion, da müssen wir die Kolleginnen und Kollegen mitnehmen.

die Einführung von individuellen Förderplänen – darauf will ich noch eingehen – und auch die Schulprogramme

Wir haben zuvor auch Schulprogramme gehabt, jetzt aber sind sie verpflichtend. Das ist auch keine Stelle, an der man an jedem Punkt in diesem Land unbedingt Euphorie auslöst.

oder auch – was ich gut fand – die Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens

Wir haben zum Halbjahr die schriftlichen Beurteilungen wegfallen lassen, aber nicht, weil es kein Prozess ist, sondern weil wir ganz andere Dinge eingeführt haben.

Und wenn wir an der einen oder anderen Schule – und, Herr Bluhm, das werden Sie ja getan haben – dann hören und sagen, wir müssen jetzt sozusagen individuelle Förderpläne schreiben, dann muss man auch dagegensetzen, dass man zum Halbjahr – jetzt auch im zweiten Schuljahr – keine schriftlichen Dinge mehr abfordert.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Richtig.)

Wir wissen, welcher Riesenumfang das ist. Wir können ja mal reingehen und wer das getan hat, wird es ungefähr erahnen, was das bedeutet.

schulinterne Lehrpläne

Schulträger haben Sitz und Stimme in der Schulkonferenz, etwas, was gerade Städte, die Grundschulträger sind, mittlerweile ganz genau begriffen haben, was im Schulgesetz steht. Wie ist nämlich eine Schulkonferenz einer Grundschule organisiert, Frau Borchardt? Da sitzen im Übrigen dann nur Eltern und die Lehrer, da sind noch keine Schülervertreter, da haben wir noch keine Drittelparität.

Und alleine durch diese Frage „Sitz und Stimme des Schulträgers in der Schulkonferenz“ haben Sie gerade in dem Bereich – Sie haben die Ganztagsschulproblematik angesprochen – viele Schulträger in diesem Land, die das begrüßen, weil sie sagen, wir können, wenn wir uns das zutrauen, hier auch mit unserer Stimme eine Mehrheit auslösen und damit dieses, wie wir finden, für Schülerinnen und Schüler gute Angebot auf den Weg bringen.