Protocol of the Session on December 18, 2009

(Torsten Renz, CDU: Das ist ein Weihnachtsscherz hier! – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Niemand möchte in der Nähe einer Tierproduktions- und Bioenergieanlage oder einer der anderen genannten Einrichtungen wohnen, egal wie groß sie ist. Betroffenheit entsteht durch Nähe.

Ganz nebenbei: Die Anzahl der sogenannten großen Anlagen geht zurück. Kleine Anlagen, meist einem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen, werden die Regel. Ich empfehle dazu einen aktuellen Artikel in dem Magazin „neue energie“, die kriegen wir ja eigentlich alle.

(Rudolf Borchert, SPD: Sehr gut, ja.)

Aber auch die kleinen Anlagen rufen Widerstand der Nachbarschaft hervor, würden aber von Ihrem Antragsziel gar nicht berührt.

Wie gesagt, Sie haben es auch gesagt, Frau Linke,...

(Zurufe aus dem Plenum: Frau Lück! Frau Lück! – Helmut Holter, DIE LINKE: Frau Linke ist gerade in Moskau.)

Entschuldigung, Frau Lück. Entschuldigung.

... es fehlt eine bestimmbare Festlegung der Größe, und auch das würde immer in gewisser Weise willkürlich bleiben.

Obwohl Arbeitsplätze in der Landwirtschaft überwiegend in der Veredlung geschaffen werden, ist in der Bevölkerung kaum Akzeptanz für die Errichtung solcher Anlagen zu erwarten. Größe und Standort der Anlagen spielen hierbei offenbar keine Rolle. Die fehlende Akzeptanz und oftmals lautstark vorgetragene Kritik führen schon heute zur Verunsicherung der Behörden, aber auch zur Verunsicherung von Investoren und Antragstellern.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau.)

Gleichzeitig fördern sich ständig verschärfende Genehmigungsbedingungen immer zeitaufwendigere und kostenintensivere Antragsverfahren.

Aus diesem Grunde auch haben sich die Koalitionäre von SPD und CDU in Punkt 109 der Koalitionsvereinbarung darauf geeinigt, die Veredelungswirtschaft zu stärken: „Genehmigungsverfahren (werden) im Bereich der Errichtung von Tierhaltungsanlagen gestrafft und durch eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit begleitet.“

Eine Bemerkung von mir aus der Praxis: Ich bin selbstverständlich auch ein großer Freund davon, dass Planungsverfahren, dass Verfahren allgemein sehr frühzeitig, demokratisch auch ausgeführt werden.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehen Sie! Sagen Sie mal Ihre Meinung! – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Das habe ich immer vertreten. Dafür stehe ich auch.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Darum geht’s. Das wusste ich doch.)

Aber das hat in diesem Zusammenhang, der Minister hat es ausgeführt, natürlich irgendwo auch mal einen Deckel. Genehmigungsverfahren werden im Bereich von Tierhaltung, das hatte ich gesagt, etwas gestrafft und sollen durch Öffentlichkeitsarbeit besser begleitet werden. Ziel ist es nämlich, die Entwicklung der Tierbestände und die Veredelung landwirtschaftlicher Produkte für unsere Wertschöpfung hier im Land und zum Aufbau von sicheren Arbeitsplätzen voranzutreiben.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das unterschreibe ich sogar. Das unterschreibe ich, Herr Stein.)

Die sind gerade im ländlichen Raum besonders wichtig. In der Präambel zur Koalitionsvereinbarung heißt es daher unter anderem: Rechtliche Vorgaben der EU und des Bundes werden SPD und CDU in Mecklenburg-Vorpommern konsequent nach dem Grundsatz 1:1 umsetzen.

Schon heute werden Anlagen zur Tierproduktion und zur Gewinnung von Bioenergie nach dem Bundes-Immis

sionsschutz genehmigt. Ich will das nicht alles ausführen, der Minister hat dazu schon vieles gesagt. Es wird dort festgestellt, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne des UVP-Gesetzes notwendig ist. Dabei wird die Art und Weise der Beeinflussung von Mensch, Natur und Umwelt durch das geplante Vorhaben geprüft, gewissenhaft geprüft. Werden gewisse Schwellenwerte erreicht und überschritten, ist eine UVP bereits heute durchzuführen.

Die Genehmigungsbehörde kann auch bei erhöhten Vorbelastungen durch vorhandene Ställe oder Anlagen eine UVP fordern. Das ist diese sogenannte Ballung von Ereignissen. Hierbei werden die regionalen Bedingungen – auch darauf haben Sie hingewiesen, Frau Lück – ohnehin schon berücksichtigt.

Sie wollen jedoch hier unter anderem von einer Einzelfallprüfung hin zu einer Pflicht-UVP. Das wären Aufwendungen, die oftmals in keinem Verhältnis mehr zur Zeitlichkeit und Wirtschaftlichkeit stehen und den Standort Mecklenburg-Vorpommern gegenüber deutschen oder auch ausländischen konkurrierenden Standorten benachteiligen. Bereits heute werden für größere Standorte im Vorfeld Bauleitplanungen durchgeführt, eine weitere Planungs- und Prüfebene. Eine Abstandsregelung, der Erlass, besteht ohnehin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Raumordnungsgesetz des Bundes legt unter Paragraf 15 Absatz 1 fest: „Von der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens kann bei Planungen und Maßnahmen abgesehen werden, für die sichergestellt ist, dass ihre Raumverträglichkeit anderweitig geprüft wird; die Landesregierungen werden ermächtigt, das Nähere durch Rechtsverordnung zu regeln.“ Das haben wir, glaube ich, in diesem Land recht umfangreich. Da haben Sie, Herr Holter, glaube ich, auch einiges dazu beigetragen.

Wie ich eben feststellte, werden die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Prüfung der Raumverträglichkeit bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach BImSchG durchgeführt sowie häufig vorbereitende und verbindliche Bauleitplanungen erstellt. Es wird nichts besser als bisher. Das kann ich nur so bestätigen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das wissen Sie doch gar nicht, Herr Stein.)

Meine Erfahrung mit der Bauleitplanung – eine kleine Bemerkung noch: Als ich Anfang der 90er-Jahre in die Praxis einstieg, da hatte ein Bebauungsplan für eine rechtsfeste Bestimmung ungefähr 35 bis 40 Seiten Begründung. Heute haben wir alleine 120 Seiten Umweltbericht. Da ist schon eine ganze Menge passiert. Und glauben Sie mir, wir hatten 1992 meine erste Planung, wir waren keine Umweltferkel. Die sind, was Umweltaspekte betrifft, genauso gewissenhaft erarbeitet worden wie heute diese lange Berichterstattung. Da ist auch nichts besser geworden.

Grundsätzlich gilt für Mecklenburg-Vorpommern: Zusätzliche Hürden im Genehmigungsverfahren sollen nicht über geltendes und praktiziertes Recht hinaus aufgebaut werden. Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass aufgrund der Festlegungen unserer Koalitionsvereinbarung und im Interesse der Schaffung von Arbeitsplätzen, Stärkung der landwirtschaftlichen Veredelung die zusätzliche Einführung von Raumordnungsverfahren für große, in dem Fall unbestimmte Tierproduktions- und Bioenergieanlagen von meiner Fraktion abgelehnt wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Stein.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Professor Dr. Tack von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 25. November dieses Jahres waren die Agrarpolitiker unseres Landes mit dem Präsidium des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern in Linstow im Gespräch.

(Ute Schildt, SPD: Genau.)

Unter anderem wurde folgende Frage sehr lebhaft diskutiert: Wie kann die Politik im Konflikt Entwicklung ländlicher Räume – und dazu gehört nun einmal der Neubau von Tierproduktions- und Bioenergieanlagen – versus Erhaltung des Naturraumes vermitteln? Gemeint war der schon länger andauernde Konflikt zwischen investitionsbereiten Landwirten und den sich bei angekündigten, meist größeren Stallneubauten immer häufiger bildenden Bürgerinitiativen gegen solche Neubauten.

Ich habe in der Diskussionsrunde dort gesagt, dass wir nach einer Lösung suchen, die sowohl den Landwirten als auch den Bürgern eine höhere Sicherheit für die Richtigkeit der Entscheidung bieten müsste

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau darum geht es.)

und die verschiedenen Interessen aller Betroffenen berücksichtigen kann. Einen möglichen Ansatz dafür sehe ich in der Zielrichtung unseres Antrages. Damit will ich überhaupt nicht sagen, dass wir den Stein des Weisen gefunden haben, den gibt es in dieser Frage sicher nicht. Aber wir glauben, dass der Antrag in die richtige Richtung weist und dass die Zeit reif ist, diesen Weg zu gehen.

Die Land- und Forstwirtschaft hat im ländlichen Raum nach wie vor eine Schlüsselrolle, das brauche ich hier nicht zu wiederholen, für die Wertschöpfung, für die Kulturlandschaftspflege und für die Lebensqualität in unserem Lande. Obwohl in Deutschland jeder neunte Arbeitsplatz im weitesten Sinne auf die Landwirtschaft zurückgeht, durchläuft die Landwirtschaft nicht nur einen wirtschaftlichen Strukturwandel, sondern auch einen Wahrnehmungswandel – so will ich das einmal bezeichnen. Waren die ländlichen Räume früher maßgeblich und häufig auch ausschließlich durch die Landwirtschaft geprägt, stehen heute entwicklungsbedingt andere Funktionen mit der Landwirtschaft in einer gewissen – ich unterstreiche insbesondere „gewissen“ – Konkurrenz, aber auch in Kooperation. Auch darüber haben wir uns in vielfältigen Anträgen und Beratungen ausgetauscht.

Die ländlichen Räume haben sich touristisch vielfältig entwickelt und sie sind verstärkt zu Wohnstandorten von urban geprägten Menschen geworden, die auf dem Lande nur die gesunde Natur und die Kulturlandschaft genießen wollen und mitunter, so etwas gibt es auch, über krähende Hähne sehr überrascht sind oder sogar deswegen vor Gericht ziehen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Da stößt man sogar auf die Frage in solchen Diskussionen: Gehört der Bauer noch ins Dorf? Nutzungskonflikte werden bei Investitionsmaßnahmen in die viel zu

geringe Tierproduktion im Lande sichtbar und auch laut hörbar, sodass Zusammenhänge der Landwirtschaft und des Dorfes in den Hintergrund geraten sind. Ich denke, auch darüber gibt es Einigkeit, dass wir eine zu geringe Veredelungswirtschaft im Lande haben.

Ich will nur noch eine Zahl einmal nennen. In der Besatzstärke liegt Mecklenburg-Vorpommern mit inzwischen weniger als 0,4 GV pro Hektar auf einem hinteren Rang. Wie andere Agrarpolitiker unseres Landes auch bin ich nicht nur in meinem Wahlkreis in solchen Auseinandersetzungen engagiert an der Seite von Landwirten, wenn ich überzeugt bin, dass solche Investitionen wirtschaftlich sinnvoll und ökologisch vertretbar sind.

Anders ist es bei Vorhaben, denen ich diese Eigenschaften nicht zusprechen kann, wie zum Beispiel übergroße Schweineproduktionsanlagen in Medow oder Alt Tellin. Solche Anlagen sind nicht sinnvoll – auch das habe ich an verschiedenen Stellen zum Ausdruck gebracht – in die örtlichen Bedingungen einzuordnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Hier bin ich auf der Seite der Ablehnenden, weil ich meine, dass völlig überzogene Größenordnungen bei Tierbeständen, bei dem Futterzulauf und bei der Entsorgung sowie notwendigen Transporten eine zu große Belastung des Territoriums und der Bürger mit sich bringen. In Zeiten des Kampfes gegen den globalen Klimawandel müssen auch Fragen der territorialen wirtschaftlichen Kreisläufe mit in die Beurteilungen solcher Vorhaben einbezogen werden.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Beantwortung meiner Kleinen Anfrage auf Drucksache 5/826, in der das Wirtschaftsministerium schnell klargemacht hat, dass Belange nachhaltigen Klimaschutzes und Grundsätze wie auch Kriterien und Regeln der regionalen Kreislaufwirtschaft nicht zu den Voraussetzungen für die Genehmigung von größeren Tierhaltungsanlagen gehören. Dieser noch 2007 geäußerte Standpunkt der Landesregierung sollte unbedingt geändert werden. Ich glaube, da sind wir auch sehr nahe dran.

Wenn wichtige landwirtschaftliche Vorhaben zur Erhöhung der Tierhaltung im Lande, die der Steigerung des Veredelungsgrades, der Wertschöpfung und dem Erhalt von Arbeitsplätzen im Dorfe dienen, die richtige gesellschaftliche Akzeptanz erhalten, dann sollten auch Öko- und Energiebilanzen Kriterien für die Genehmigung sein.

Nicht nur die Tierproduktionsanlagen, sondern auch die Anlagen für die Nutzung erneuerbarer Energien stellen uns häufig vor neue Herausforderungen. Noch gut in Erinnerung sind die Auseinandersetzungen über die Genehmigung der großen Biogaskomplexe in Penkun und Güstrow. Meine Kritik an diesen Projekten ist vor allem auch in der unzureichenden Ökobilanz durch zu lange Transportwege für die Ver- und Entsorgung dieser Anlagen begründet. Wir können doch nicht für die Nutzung von Bioenergie eintreten, wenn diese durch einen riesigen Einsatz von Dieselkraftstoff und Belastungen durch zunehmende überregionale Verkehre entsteht.