Protocol of the Session on November 19, 2009

Ich würde mich freuen, wenn es uns gelänge, unsere Kinder mit frischem Schulobst zu überraschen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Bluhm.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, Herr Bluhm, auf das einzugehen, was Sie hier zum Teil richtigerweise angesprochen haben. Aber auf der anderen Seite will ich auch deutlich machen, wo das eigentliche Problem liegt.

Wenn wir uns an die Strategie erinnern, und was kann es Wichtigeres und Schöneres geben, als Kindern eine gute Zukunft anzubieten, und wir uns auf der anderen Seite hoffentlich in diesem Hohen Hause darüber einig sind, dass wir an unserem Wunsch, nämlich Gesundheitsland Nummer eins zu werden, dass wir dieses Ziel in Mecklenburg-Vorpommern erreichen, müssen wir gemeinsam daran arbeiten. Bei der Entwicklung der Gesundheitswirtschaft beziehungsweise des Gesundheitstourismus handelt es sich um einen dynamischen Prozess, der selbstverständlich auch positive Signalwirkungen nach außen und nach innen entfalten soll. Das heißt für uns, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger des Landes im Blick zu behalten und alles dafür zu tun, um insbesondere die präventiven Maßnahmen voranzutreiben. Und wenn wir uns ein Stückchen mit der Gegenwart und der Situation beschäftigen, dann ist doch klar, dass vor dem Hintergrund der Prävention eine Investition in diesen Bereich sicher das bestangelegte Geld ist.

2007 verschlang die deutsche Gesundheitswirtschaft knapp 253 Milliarden Euro. Wenn man sich die Zahlen vor Augen hält und analysiert, dass fast 30 Prozent dieser Kosten auf ernährungsbedingte Krankheiten zurückzuführen sind, kann man die Notwendigkeit der gesunden Ernährung erst richtig bewerten. Und wenn wir dort alle gemeinsam einen Schritt weiterkämen, nämlich etwa 70 Milliarden Euro tatsächlich für präventive Maßnahmen bereitzustellen, also für ein gesundes Mittagessen in Kindergärten und Schulen, das wäre eine Vision dieses Landes und vor allen Dingen des Bundes, an der wir arbeiten. Anstatt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzlich zu belasten, sollten wir gerade für Kinder und präventive Maßnahmen etwas tun.

Wir wissen, dass die großen Industrienationen zunehmend für das Ausmaß dieser Krankheiten verantwortlich sind. Allein die Zahl der übergewichtigen Kinder bei Schuleingangsuntersuchungen hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren verdreifacht. Das wissen wir. Jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche ist übergewichtig. Bei sieben bis acht Prozent erreicht das Übergewicht mittlerweile auch in Mecklenburg-Vorpommern das Ausmaß einer Krankheit. Bei jüngeren Übergewichtigen besteht dadurch immerhin ein Verlust an Lebensjahren von 8 bis 13 Jahren. Das ist alarmierend!

Um dieser Entwicklung zu begegnen, muss nicht nur in unserem Land eine Gesundheitsförderung aufgebaut und verbessert werden,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

sondern wir wollen alles dafür tun, um das zu unterstützen.

Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz unterstützt, Herr Bluhm, seit Jahren die Ernährungsaufklärung und -beratung, darunter insbesondere Projekte im schulischen Bereich. Das ist im Übrigen auch eine neue Dimension der Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale, weil es das in der Vergangenheit in der Form nicht gegeben hat. Wer an den Verbraucherschutzveranstaltungen und den vielen Aktionen in den Schulen teilgenommen hat, an denen ich auch selber teilgenommen habe, der kann nur sagen, hier ist uns im Vergleich zu anderen Bundesländern etwas richtig Gutes gelungen.

Für mich ist die ausgewogene Ernährung untrennbar mit einem gesunden, nachhaltigen Lebensstil verbunden und damit natürlich eine Grundvoraussetzung für

Fitness, Lernfähigkeit, Gesundheit und Lebensfreude. Obst und Gemüse sind dabei ganz wichtig, ebenso die Milch, die Schulmilch. Das sind ganz wichtige Bausteine.

Aus diesem Grunde habe ich auch zunächst den Vorstoß – und da komme ich explizit auf das Thema – der Europäischen Union für das Schulobstprogramm ausdrücklich begrüßt.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Mecklenburg-Vorpommern hat dementsprechend im Übrigen als eines der ersten...

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das habe ich gesagt. Das habe ich gesagt.)

Ja, das fand ich auch in Ordnung.

... Bundesländer Geld eingestellt, um die Kofinanzierung mit Bundesmitteln und mit Europamitteln sicherzustellen. Wir haben dieses Geld für die beiden nächsten Haushaltsjahre eingestellt. Gleichzeitig haben wir vehement darauf gedrungen, dass sich der Bund an der Finanzierung dieses Schulobstprogrammes beteiligen möge. Doch der Bund machte schon sehr früh klar, dass er die finanzielle Umsetzung nicht unterstützen wird, insbesondere vor dem Hintergrund der Anlastungsrisiken. Aber darauf gehe ich noch ein bisschen näher ein.

In einem Schreiben an die Bundesministerin Aigner habe ich gerade kürzlich noch einmal meinen Unmut über diese Entwicklung zum Ausdruck gebracht, dass der Bund sich daran nicht beteiligt.

(Harry Glawe, CDU: Da habt ihr ja im Bundesrat zugestimmt. Nun mach mal ein bisschen schneller hier!)

Wie schnell ich das mache, Herr Glawe, und wie langsam, das ist, denke ich, schon meine Angelegenheit.

(Harry Glawe, CDU: Das war ein Witz.)

Es kann aus meiner Sicht nicht sein, dass sich der Bund bei so wichtigen Fragen tatsächlich aus der Verantwortung stiehlt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist wohl wahr.)

Um im Übrigen anderen Bundesländern die Teilnahme am EU-Programm nicht zu verwehren, enthielten wir uns tatsächlich dann auch bei dem Bundesgesetz. Nach der endgültigen Absage zur Finanzierung durch den Bund mussten wir die Entscheidung zur Teilnahme jedoch davon abhängig machen, wie viele Kinder und Jugendliche mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln überhaupt erreicht werden können. Dazu bedurfte es einer grundlegenden Berechnung, wo bei den Kosten von circa 40 Cent pro Portion für Obst auszugehen ist. Bei einem geplanten Jahresbudget von 644.500 Euro hätten wir rund 1,6 Millionen Portionen zu bezahlen und damit circa 8.400 von den derzeit, Herr Bluhm, mehr als 50.000 Kindern pro Schuljahr in den Grundschulen des Landes täglich versorgen können. Das entspricht lediglich einem Versorgungsgrad von etwa 17 Prozent der Grundschulen im Land Mecklenburg-Vorpommern. Schon da muss man hinterfragen, entweder wir versorgen alle oder keinen.

Für die Vollversorgung wären im Übrigen für alle Grundschüler 3,8 Millionen Euro, davon circa 950.000 Landesmittel notwendig. Die aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft bereitgestellten finanziellen

Mittel bedürfen darüber hinaus einer speziellen – und da liegt wieder das Problem – Abrechnung und Kontrolle, die wiederum einen erheblichen personellen Einsatz erfordert.

Das Schulmilchprogramm, aus dem gleichen Fonds finanziert, darauf will ich ausdrücklich hinweisen, bindet in Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile mehr als zwei Personalstellen, und zwar für die Antragsannahme, Zahlbarmachung, Antragsbeantragung und -bewältigung und für die Stichprobenkontrollen. Fünf Prozent aller schulmilchversorgten Einrichtungen müssen jährlich immer wieder auf Herz und Nieren geprüft werden. Das ist aus meiner Sicht völlig überzogen.

Bei dem Schulobst- und Schulmilchprogramm gehen wir von wirklich vergleichbaren Zahlen aus. Das heißt, wir hätten zusätzlich zwei Verwaltungsstellen mit einem Kostenaufwand von über 80.000 Euro und einem Volumen von 161.000 Euro schaffen müssen.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Da stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht, das sage ich ganz klar.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Der einzige Unterschied zum Schulmilchprogramm besteht darin, dass das Schulmilchprogramm, Herr Bluhm, zu 100 Prozent durch die EU gefördert wird, das Schulobstprogramm aber nicht. Das hat auch dazu geführt, dass es in Mecklenburg-Vorpommern und im übrigen Bundesgebiet sowie in der Europäischen Union unterschiedliche Haltungen zu diesen Programmen gibt. Sie haben das bereits angedeutet.

Trotz dieser massiven Werbung, die wir gemacht haben mit der Sozialministerin, mit dem Bildungsminister und wir als Haus mit der Verbraucherzentrale gemeinsam, sind die Teilnehmerzahlen, was die Schulmilchversorgung anbetrifft, stagnierend, sodass 655 Einrichtungen der circa 1.600 Kindertagesstätten und Grundschulen im Lande dieses Programm zurzeit überhaupt nur nutzen. Das ist noch nicht mal die Hälfte unserer Einrichtungen, die überhaupt das Schulmilchprogramm nutzen. Hier haben wir ein europäisches Problem der Bürokratie und der zu hohen Kosten. Das hat sowohl mit logistischen als auch mit individuellen Problemen innerhalb des Landes zu tun.

Wie Sie sehen, haben wir uns wirklich intensiv mit diesen Vorhaben der Europäischen Union beschäftigt. Ich erwarte immer noch, dass es schnell zu einer Vereinfachung des EU-Schulobstprogramms kommt und wir die Kofinanzierung nutzen.

Was machen andere Länder? Ich will nur ausdrücklich auf Berlin hinweisen, eine rot-rote Koalition...

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja, aber die stützen ja das Mittagessen. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Moment: Ich will Ihnen ausdrücklich sagen, Rot-Rot – nach der Farbenlehre sind alle dabei –

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja, das ist auch richtig.)

in Berlin wendet das Schulobstprogramm nicht an.

(Vincent Kokert, CDU: Oha, oha!)

Das sage ich ausdrücklich.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Sie nehmen das für die Gegenfinanzierung. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Dieses Schulobstprogramm der Europäischen Union wendet Berlin nicht an,

(Vincent Kokert, CDU: Das ist gut, dass ich das weiß.)

weil die bürokratischen Aufwendungen aus der Sicht Berlins ausdrücklich zu hoch sind. Auch Rot-Schwarz oder letzten Endes andere Länder …

(Irene Müller, DIE LINKE: Dann machen Sie das wie in Berlin und geben das Geld für das Mittagessen!)

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich Folgendes betonen: Ich finde es wirklich schlimm, dass wir dem Ziel nicht näherkommen, allen Kindern die Möglichkeit einer gesunden Pausenversorgung anzubieten und sie ihnen zu gewähren.