Protocol of the Session on December 6, 2006

(Heinz Müller, SPD: Ich habe das bewusst angesprochen.)

Der Bezug darauf fehlt aber im Antrag, Herr Müller.

Dann ist es nicht verwunderlich, das will ich zu dem Thema, was Sie als letztes angesprochen haben, sagen, wenn diese Enquetekommission in der Öffentlichkeit als etwas Willkürliches dargestellt wird, als ein wenig frei schwebend oder gar als überfl üssig refl ektiert wird, dann sind Schlagzeilen wie „Versorgungsmentalität“, „Selbstbedienungsladen“ schnell in der Welt, egal ob sie eine sachliche Grundlage haben. Und ich möchte hinzufügen: Selbst Mitglieder dieses Hohen Hauses scheinen zurzeit von dieser Enquetekommission und dem dazu vorliegenden Antrag ziemlich überfordert gewesen zu sein.

Ich zitiere den Vorsitzenden der FDP-Fraktion, den Kollegen Roolf, aus der SVZ vom 30. November 2006, als er sagte:

(Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

„Alle drei Parteien im Landtag“ – gemeint sind hiermit SPD, CDU und Linkspartei.PDS – „haben … für sich festgelegt, keine entscheidenden Veränderungen an der Kommunalreform mehr durchführen zu wollen. Was soll dann diese Enquete-Kommission? Soll mit ihr etwas verändert werden, was nicht verändert werden soll. Das verstehe wer will.“

Lieber Kollege Roolf, hier hilft ein Blick in die Wahlprogramme beziehungsweise Wahlaussagen der von Ihnen angesprochenen drei Parteien. Aus Zeitgründen verzichte ich darauf, die Aussagen aller drei Parteien zu zitieren, beziehe mich aber ausdrücklich auf das Wahlprogramm meiner Fraktion. Wir haben klar ausgesprochen, und jetzt zitiere ich unser Programm: „Wir wollen … zur notwendigen Weiterentwicklung der Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern eine Enquetekommission des Landtages unter Beteiligung der kommunalen Ebene einrichten.“

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Strukturkonservatismus ist also hier nicht zu erkennen. Und vor diesem Hintergrund, Herr Roolf, ist eine Enquetekommission ein Gebot von Wahrheit und Wahrhaftigkeit gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

und nicht Ausdruck von Versorgungsmentalität. Das möchte ich an dieser Stelle sehr deutlich hervorheben.

Aber, liebe Kollegen der FDP, und da sind wir wieder voll an Ihrer Seite,

(Gino Leonhard, FDP: Ach?! Welch Wunder!)

dass die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU verspricht, Forderungen der Linkspartei.PDS nach einer Gemeindestruktur-Enquetekommission nahezu wortgleich umzusetzen, das, ja das, verstehe wirklich, wer will?!

Meine Damen und Herren! Etwas Neues beinhaltet immer auch Kritik am Bisherigen, bestenfalls das kritische Aufheben von Altem. So ist das Leben eben. Oder besser: Man kann es auch Dialektik nennen. Eine neue Enquetekommission muss Kritik üben an der Erfolgsgeschichte, an den Ergebnissen der Enquetekommission von 2000 bis 2002. Diese Kritik muss für die drei Fraktionen, die bisher im Landtag Verantwortung trugen, wohl auch ein Stück selbstkritisches Infragestellen bisheriger Positionen, bisherigen Tuns oder auch bisherigen Unterlassens beinhalten.

Ich möchte dazu auch noch einmal drei Stichpunkte nennen:

1. Amtsverwaltung

Einige von uns in diesem Parlament sehen im Amtsmodell gerade für die ländlichen Strukturen unseres Landes eine weithin akzeptierte und richtige Lösung. Auch die Enquetekommission sah das vor vier Jahren so. Die Praxis selbst, Herr Müller hat auch schon darauf verwiesen, meine ich, gebietet an dieser Stelle ein Innehalten. Bei Ämtern mit 20 bis 28 amtsangehörigen Gemeinden, bei

Amtsausschüssen bis zu 38 Mitgliedern

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

oder bei Ämtern mit einer Flächenausdehnung von ca. 570 Quadratkilometern, meine Damen und Herren, wirft die Praxis selbst die Frage nach der sinnvollen Arbeitsfähigkeit der Strukturen auf.

2. Doppelter Amtssitz oder sprich Amtssitz und Rathaus am gleichen Ort

Nach Empfehlung der Enquetekommission ist eine Zusammenlegung von Verwaltungen anzustreben. Bis 2005 sollte das sogar freiwillig möglich sein. Im Land beträfe das insgesamt 14 Fälle. Das heißt, um rund 18 Prozent hätte der gegenwärtige Ämterbestand durch konsequente Umsetzung oben genannter Enquetekommissionsempfehlung reduziert werden können. Dieses Modell ist aber in der Praxis durchaus ambivalent.

3. Amtsangehörige Gemeinden

Herr Müller hat eben auch etwas dazu gesagt. Die Kommunalverfassung schreibt vor, dass Gemeinden nicht weniger als 500 Einwohner haben sollen. Regelungen zur Aufl ösung kleinerer Gemeinden gibt es derzeit aus gutem Grund nicht. Eine gesetzliche Aufl ösung dieser Gemeinden hätte auf die Regionen, beispielsweise Mecklenburgische Seenplatte und Südvorpommern, erhebliche Auswirkungen, weil dort circa 43 beziehungsweise 40 Prozent aller amtsangehörigen Gemeinden betroffen wären.

Meine Damen und Herren, diese drei Beispiele waren nur ein kleiner Ausschnitt. Wer die neue Enquetekommission vor diesem Hintergrund für überfl üssig hält, den bitte ich, mit seiner ablehnenden Hand zugleich einen nachhaltigen Lösungsansatz sichtbar in die Höhe zu halten.

(Beifall Volker Schlotmann, SPD, Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Die Kollegen Müller und Ringguth werden schließlich Verständnis dafür haben, dass ich an dieser Stelle auch ernsthaft das damals zu den Enquetekommissionsempfehlungen abgegebene Sondervotum meiner Fraktion in Erinnerung rufe. Über weite Strecken hätte damit der vorliegende Antrag noch heute inhaltlich weiter untersetzt werden können.

Abschließend auch noch eine Bemerkung zum zeitlichen Fahrplan, bei dem sich der vorliegende Antrag etwas jungfräulich gibt:

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD – Harry Glawe, CDU: Oh!)

Wer aber richtigerweise auf der Grundlage des Berichtes der Landesregierung, den der Paragraf 101 des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes bis zum 30. Juni 2008 vorsieht, diesen Bericht zu den Stadt-Umland-Beziehungen vorlegen will, der muss dann auch ehrlicherweise bis spätestens zu diesem Zeitpunkt seine konzeptionellen Vorstellungen zur unterkreislichen Ebene insgesamt auf den Tisch gelegt haben. Genau vor diesem Hintergrund hätte der vorliegende Antrag einen Termin für den Abschlussbericht fi nden müssen. Ein Abschlusstermin hätte auch als Signal dafür verstanden werden können, dass die Koalitionspartner bereit und willens sind, aufeinander zu- statt aufeinander loszugehen. Diesen Nachweis blieb der Antrag jedoch schuldig.

Trotzdem, meine Damen und Herren, am Ende fasse ich zusammen: Wir freuen uns auf eine interessante Diskus

sion in der Enquetekommission nicht nur unter den Parlamentariern, sondern gleichberechtigt mit Vertretern der kommunalen Familie unseres Landes zu diesem Thema.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Fein gemacht.)

Danke schön, Frau Měšťan.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ringguth von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt auf Drucksache 5/82 der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU zur Einsetzung einer Enquetekommission vor. Ganz unprätentiös und mit einem einzigen Satz kann man sagen, um welchen Auftrag es dabei geht, denn wir, meine Damen und Herren, haben gemeinsam in dieser Legislaturperiode die Aufgabe, auf der Grundlage einer fundierten und aktuellen Lageanalyse zu diskutieren. Frau Měšťan, ich werde nachher noch sehr viel Positives über die Enquetekommission sagen.

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Ich kann das auch.)

Eines kann man allerdings heute nicht behaupten: Die Daten, die der Enquetekommission für die Auswertung zur Verfügung standen, waren damals schon mindestens zwei Jahre alt, sind also jetzt sieben oder acht Jahre alt. Das kommunale Leben ist einfach weitergegangen,

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Das habe ich ja gesagt.)

aber, meine Damen und Herren, wir müssen auf der Grundlage dieser fundierten und wirklich aktuellen Lageanalyse der Kommunen die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Gemeinden in unserem Land für die Zukunft sichern.

Dieses Thema ist wichtig und hochsensibel. Gerade weil dieses Thema so hochsensibel ist und weil auch mir die Verlautbarungen in der Presse der vergangenen Woche zum Gremium Enquetekommission, warum nun gerade dies, warum nicht möglicherweise eine bedeutend preiswertere Variante, nicht verborgen blieben, will ich noch einmal etwas zur Intention der Koalitionäre sagen, warum wir der Auffassung waren, dass ausgerechnet die Enquetekommission das Maß der Dinge ist und die Situation darstellen muss, auf die wir uns konzentrieren wollen. Meine Damen und Herren, Frau Měšťan, ich will auf eine wirkliche Erfolgsgeschichte zurückschauen, auf eine wirklich gelungene Reform. So etwas hat es ja auch gegeben.

(Heinz Müller, SPD: Oh ja!)

Ich meine mit dieser gelungenen Reform die Reform der kommunalen Verwaltung im kreisangehörigen Raum, also die der Ämter und amtsfreien Gemeinden. Diese Fusion, die dort mit Wirkung vom 01.01.2005 stattgefunden hat, diese wirklich gelungene Reform, meine Damen und Herren, hatte eigentlich ihre Geburtsstunde mit der Einsetzung einer Enquetekommission.

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Und trotzdem müssen wir weiter nachdenken.)

Frau Měšťan, wenn wir aufhören nachzudenken, dann sind wir hier fehl am Platz.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Wir müssen aber Dinge, die da waren, weiterentwickeln.

Wenn ich gesagt habe, dass das die Geburtsstunde einer wirklichen Erfolgsgeschichte im Lande war, dann will ich gar nicht darüber reden, dass es nicht am Anfang dort auch schwierig war. Ich sage nur, dieses berühmte Organstreitverfahren damals trug auch nicht unbedingt zur Belustigung bei. Aber, meine Damen und Herren, innerhalb relativ kurzer Zeit war doch die Atmosphäre wirklich geprägt von Sachlichkeit und von Kollegialität. Meine Damen und Herren, das hat eben nicht nur etwas damit zu tun, dass da Männer und Frauen, und das waren in 47 Sitzungen Parlamentarier genauso wie Wissenschaftler, Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und auch kommunale Amtsinhaber verschiedenster Körperschaften auf verschiedener kommunaler Ebene, waren. Aber es ging nicht nur darum, dass diese Männer und Frauen sich sozusagen in einer erheblichen Fleißarbeit dafür eingesetzt haben, dass es auf kommunaler Ebene weitergehen muss, sondern es hat immer auch und von Anfang an damit zu tun, dass man auf Augenhöhe miteinander verhandelt hat und dass es immer so war, dass die Damen und Herren jeweils mit Sitz und Stimme in dieser Enquetekommission waren. Das macht, glaube ich, genau den Charme und die Chance aus, von dem der Kollege Müller gesprochen hat.

Meine Damen und Herren! Mit dem Abschlussbericht und der Empfehlung an den Landtag in der allerletzten Sitzung der 3. Wahlperiode war schon zu sehen, dass dieser Geist der Enquetekommission, der sich in der 4. Legislaturperiode fortgeführt hat, gewirkt hatte. Es war damals ein einstimmiges Ergebnis. Wir haben in der 4. Legislaturperiode die fünfte Änderung zur Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommerns auch in diesem Geist „Enquete“ miteinander durchgezogen. Dass das nicht immer einfach war, aber dass es zum Schluss im Januar 2004 ein wiederum einstimmiges Votum gab, als es um das wichtigste Gesetz der kommunalen Ebene, die Kommunalverfassung und die Novellierung dazu, ging, spricht Bände.

Meine Damen und Herren, was da erreicht wurde, ist doch nicht unerheblich. Es ist gelungen, dass mehr als ein Drittel der Verwaltungen im kreisangehörigen Raum heute nicht mehr da sind. Man muss sich einmal vor Augen halten, es gab vier Klagen dazu. Und darüber, dass wir von 175 auf 113 Verwaltungen gekommen sind – da ist die Erwartungshaltung deutlich überschritten worden –, waren wir alle gemeinsam überrascht,