Protocol of the Session on September 25, 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man heute Morgen den Pressespiegel aufschlägt, dann nimmt man zur Kenntnis, dass die Landwirte, insbesondere die Milchwirte oder gestern auch die Fischerei, wieder von sich reden gemacht haben. Und wenn ich die Situation richtig bewerte,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dann will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen, ich bin dankbar, dass wir und ich uns als Ministeriumsvertreter des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz mit seinen vielfältigen Aufgaben,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

den Zuständigkeiten, aber und insbesondere den Fördermöglichkeiten als Impulsgeber

(Udo Pastörs, NPD: Impulsgeber?!)

und als Moderator einer zukunftsfähigen Entwicklung der ländlichen Räume unseres Landes sehen. Und ich glaube, dass wir alles in allem mit der Überschrift, nämlich mit dem Konzept, das wir vorgelegt haben, „Land hat Zukunft – Mecklenburg-Vorpommern 2020“ eine wichtige, sehr wichtige Grundlage für die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume gegeben haben.

Und eins will ich an dieser Stelle auch deutlich machen: Mecklenburg-Vorpommern ist geprägt durch die ländlichen Räume. Die wichtigen Aufgaben, die ich hier noch mal darstellen möchte, nämlich der Schutz der natürlichen Ressourcen, eine wettbewerbsfähige Agrarwirtschaft, darin eingebettet sind selbstverständlich die Landwirtschaft, die Ernährungswirtschaft, die Forstwirtschaft, die Fischerei, aber auch tatsächlich die Inwertsetzung unserer Natur noch stärker herauszuheben, die nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume unter der Berücksichtigung des demografischen Wandels und ein hohes Niveau an Verbraucherschutz zu gewährleisten, das sind Themen, die sich maßgeblich in die Gesamtstrategie des Gesundheits- und Tourismuslandes Mecklenburg-Vorpommern einfügen.

Insofern freue ich mich, dass ich heute im Namen der Landesregierung zu dem vorliegenden Antrag der Fraktion der LINKEN sprechen kann, wohl wissend, dass die im Antragstext angesprochenen Themen nicht oder nur teilweise direkt in unserem Ressort zusammengefügt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach den Maßstäben der OECD ist Mecklenburg-Vorpommern mit seinen 23.182 Quadratkilometern zu über 85 Prozent, das ist hier schon gesagt worden, tatsächlich ländlicher Raum. Und wenn man es so will, ist außer der Landeshauptstadt und der Hansestadt Rostock tatsächlich heute, was über den ELER begleitet wird, alles ländlicher Raum.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Wir machen das und praktizieren das auch so. Dort leben mehr als zwei Drittel unserer Einwohner in MecklenburgVorpommern. Von unseren 849 Gemeinden haben nur 2 Prozent mehr als 10.000 Einwohner, 84 Prozent haben weniger als 2.000 Einwohner und 35 Prozent weniger als 500. Daran wird deutlich, welche Bedeutung tatsächlich der ländliche Raum für unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hat. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind die Herausforderungen und damit verbunden die Chancen der ländlichen Räume nirgends in Deutschland so präsent wie in MecklenburgVorpommern.

Es bedurfte daher nicht des Anstoßes, sehr geehrter Herr Professor Tack, der LINKEN,

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Über unsere Anträge können wir noch alleine entscheiden. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

dass sich die Landesregierung mit großer Ernsthaftigkeit dieser sehr komplexen Fragestellung annimmt, und das bereits im Jahr 2007 – und ich habe mich gefreut, dass eine Reihe von Abgeordneten des Landtages, insbesondere auch Ihrer Fraktion, Herr Professor Tack, an den Regionalworkshops teilgenommen haben –, als wir die Visionen, den Entwicklungsstand und den Trend des Landes Mecklenburg-Vorpommern, nämlich in dem Konzept „Land hat Zukunft – Mecklenburg-Vorpommern 2020“ beraten haben. In den drei thematischen Regionalkonferenzen haben wir im Jahr 2008 die konzeptionellen Inhalte mit Akteuren aus der Wissenschaft – insbesondere waren daran die Universität Rostock, die Fachhochschule Neubrandenburg, aber auch ganz stark die kommunale Ebene beteiligt – und mit der Praxis erörtert. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir eine so große Resonanz auf diesen Regionalkonferenzen hatten.

(Ute Schildt, SPD: Ja.)

Vor diesem Hintergrund begrüße ich es ausdrücklich, dass unter Federführung der Staatskanzlei eine interministerielle Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ eingerichtet wurde. Diese interministerielle Arbeitsgruppe, die bereits existiert, verfolgt das ambitionierte Ziel, bis zum kommenden Jahr – ich betone, bis zum kommenden Jahr – ein ressortübergreifendes Handlungskonzept für unser Bundesland MecklenburgVorpommern zu erarbeiten. Insofern lassen wir uns auf jeden Fall nicht von einer Fraktion treiben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der demografische Wandel ist nicht nur im Land Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch bundesweit unmittelbare Realität. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Es ist die entscheidende Herausforderung für die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume zugleich.

Ich sehe drei Hauptaufgaben:

Erstens. Wir müssen, wo immer möglich, die absehbaren Entwicklungen abfedern.

Zweitens. Wir müssen uns auf die sich verändernden Bedingungen immer wieder neu einstellen.

Und drittens. Wir müssen auch in den peripheren Regionen eine existenzielle Grundversorgung der Bevölkerung sicherstellen.

Das ist und bleibt unser Ziel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, beide von Ihnen angesprochenen Modellprojekte beziehungsweise Vorhaben waren Bundesprojekte. Sie haben bewusst darauf hingewiesen. Insbesondere zu dem von der ehemaligen Bundesministerin Künast ins Leben gerufenen Wettbewerb „Regionen Aktiv“ habe ich immer eine sehr kritische Haltung bewiesen. „Regionen Aktiv“ wurde nämlich 2002 ohne Beteiligung der Länder als reines Bundesprogramm, und zwar ausschließlich mit Bundesmitteln, aufgelegt. Die Kommunikation mit den Modellregionen erfolgte ebenfalls ohne Länderbeteiligung direkt über den Bund. Ich bedauere das bis heute. Diese Art des zentralistischen Durchregierens kannte ich eigentlich nur aus DDR-Zeiten. Aus meiner Sicht war die teure Showveranstaltung damals eine reine Showveranstaltung der Grünen.

Im Zeitraum von 2002 bis 2005 flossen insgesamt 72,9 Millionen Euro Steuergelder und noch einmal 8,5 Millionen in den Jahren 2006 bis 2007. Das Regionalmanagement wurde zunächst vom Bund zu 100 Prozent gefördert. Parallel zu den bestehenden Verwaltungs- und Förderstrukturen des Landes setzen die Modellregionen diese Bundesfördermittel weitgehend unkoordiniert ein. Ich bedauere auch das nach wie vor. Zum Ende von „Regionen Aktiv“ kam dann plötzlich – und das kennen Sie zum Teil auch noch – die Auffassung der Regionen, doch auch Eigenteile dazuzulegen, weil der Bund dieses verlangt hatte, und damit war dieses Projekt im Wesentlichen leider am Ende.

Ich glaube, daran wird deutlich, dass man feststellen muss, dass wir einen anderen Weg in MecklenburgVorpommern gehen, und zwar, Sie haben darauf schon hingewiesen, LEADER. Aus meiner Sicht ist es eine sehr sinnvolle Entwicklung, dass wir mit LEADER, LEADER+ und auch jetzt mit den 13 LEADER-Regionen von 2007 bis 2013 immerhin 72,5 Millionen Euro direkt in die LEADER-Aktionsgruppen hineingeben, um genau das, was Sie angedeutet haben, dieser sogenannte „Bottomup-Ansatz“, „von unten herauf“, Initiativen zu fördern, um damit neue und auf stabile Entwicklung absehende Netzwerke zu schaffen. Darin werden lokale Strategien für die Entwicklung der ländlichen Räume durch örtliche Partnerschaften zwischen den öffentlichen und vor allen Dingen dem privaten Sektor umgesetzt. Die 13 Lokalen Aktionsgruppen erarbeiten jeweils in ihren Regionen ihre eigenen Entwicklungsstrategien und treffen damit auch eigenständige Entscheidungen zum Mitteleinsatz.

Das ist im Übrigen in dieser Periode noch mal angepasst worden, weil ich gerade auch der Auffassung bin, es ist richtig, diese Mittel in den Regionen sowohl zu verwalten, als auch dann gezielte Projekte umzusetzen.

Die Bereiche wie Infrastruktur, Ortslagenentwicklung, Tourismus sowie Entwicklung des Wirtschafts- und des Lebensraumes oder auch des Kulturraumes, des Erholungsraumes sind in diese Konzepte mit eingebettet

worden. In diesem Zeitraum werden wir alles daransetzen, dass die ausgewählten Projekte erfolgreich umgesetzt werden. Und ich kann hier uns nur gemeinsam mit an die Hand geben: Mischen Sie sich in die LAGs, in die Lokalen Aktionsgruppen, ein! Hier haben wir die Möglichkeit, Projekte sehr positiv voranzutreiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben auf der MeLa vor zwei Wochen an unserem Stand zwei herausragende Beispiele für den LEADER-Ansatz präsentiert. Ich gehe davon aus, der eine oder andere wird das auch gesehen haben. So wird durch die Lokale Aktionsgruppe „Demminer Land“ in einer evangelischen Kirche und Schule in Zusammenarbeit mit den Pädagogen die Verschmelzung der Vorschule, Grundschule und des Hortes realisiert. Ich glaube, im Übrigen es ist ein ganz spannendes Projekt. Um den Um- und Ausbau des gesamten Gebäudekomplexes dieser Einrichtung zu unterstützen, werden wir über das Land in die LAG immerhin 298.000 Euro für mehr Kinderfreundlichkeit und bessere Bildung an diesem Standort investieren. Davon kommen allein über LEADER 212.000 Euro. Das ist praktisch, wenn man es so will, eine 75- bis 80-prozentige Förderung.

Oder ein anderes Beispiel: Die LAG „Südwestmecklenburg“ hat es mit dem Mehrgenerationenhaus in der Stadt Grabow mit einem Projektumfang von immerhin 670.000 Euro, davon 550.000 Euro aus LEADER bereitgestellt, mit einer Schaumanufaktur im Herzen der Stadt mit einer Investitionssumme von 313.000 Euro verstanden, materielle Werte zu erhalten, auf der einen Seite die städtebauliche Entwicklung voranzutreiben und auf der anderen Seite auch die traditionellen handwerklichen Fähigkeiten – zur Erstellung zum Beispiel, jeder könnte da im nächsten Jahr hinfahren und sich seinen eigenen Schaumkuss entwickeln – umgesetzt, damit im Übrigen aus der Region heraus getragen. Damit erhalten wir Tradition und wir erhalten insbesondere auch die Zusammenarbeit zwischen den Menschen und damit Toleranz der Generationen untereinander.

Das sind wichtige Ziele, die wir gerade im ländlichen Raum umsetzen wollen. Solche Beispiele finden wir ebenso in allen anderen Landesteilen des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Ich glaube auch, dass in der Nähe von Pasewalk ein hochinteressantes Projekt für ein behindertengerechtes Netzwerkgebäude für den gemeinnützigen Verein gebaut worden ist, wo Menschen mit Handicaps im Gartenbau eine wertvolle Beschäftigung wiederfinden. Ich glaube, auch das ist ein wichtiges Anliegen.

(Harry Glawe, CDU: Sehr gut.)

Was das Modellvorhaben „Demografischer Wandel – Region schafft Zukunft“ in den beiden ostdeutschen Modellregionen Stettiner Haff und Südharz-Kyffhäuser betrifft, verweise ich auf die Antwort, die mein Kollege Herr Schlotmann auf die Anfrage von Frau Lück gegeben hat.

Die Landesregierung bewertet das Modellvorhaben des Bundes trotz des relativ geringen Fördermittelansatzes aus dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung von insgesamt 2,2 Millionen Euro in der Haffregion als einen Erfolg. Im Übrigen wird das auch von Ihrer Landrätin Frau Syrbe so gewertet und es wird auch ausdrücklich von Herrn Dr. Böhning in UeckerRandow so bewertet, eine Einschätzung, die bei den Akteuren in der Region als auch auf der Bundesebene

und vor allen Dingen von wissenschaftlichen Evaluatoren als wirklich sehr positiv bezeichnet wird.

Im Übrigen waren oder sind etwa 200 regionale Akteure in diesen insgesamt 20 Projekten des Modellvorhabens engagiert und eingebunden.

Als gewinnbringend ist auch das Zusammenwirken der beiden beteiligten Landkreise zu bewerten. Das hat es in der Form leider in Vorpommern vorher nicht gegeben, nämlich dass die beiden Landkreise Ostvorpommern und Uecker-Randow hier wirklich eng zueinander stehen und zusammenarbeiten.

Für einzelne Projekte wurde unter anderem jetzt gewährleistet, dass diese verlängert werden, um damit auch diese Projekte zum Erfolg zu führen. Zu diesem Zweck, und das höre ich auch hier heraus, kommen jetzt die Bitten auf, eine regionale Stabilisierung von Entwicklungsinitiativen der Modellregion Stettiner Haff zu starten, um den begonnenen Prozess weiterzuführen. Wichtig ist dabei die Konzentration auf die begrenzten Kräfte und Ressourcen für zukunftsfähige Schwerpunkte, die dann auch die soziale Daseinsfürsorge und vor allen Dingen Familienfreundlichkeit sowie Bildung und Qualifizierung, insbesondere der bislang wenig betrachteten wirtschaftlichen Entwicklung der Region, vorantreiben, um damit wirklich Wertschöpfung und Arbeit in den ländlichen Räumen zu gewährleisten. Die Landesregierung wird diesen Prozess über die Förderung von Einzelmaßnahmen im Rahmen der gegebenen Förderkulisse unbürokratisch weiter unterstützen.

Natürlich kenne ich auch die Wünsche aus der Region von Frau Syrbe und Herrn Dr. Böhning, die vehement bei uns im Hause vorgetragen worden sind, einen sogenannten Fonds einzurichten, um damit die Koordinierung und die Stellen zu finanzieren. Für meinen Verantwortungsbereich kann ich nur noch mal sagen, wir haben einen Fonds, einen der größten europäischen Fonds, den wir verwalten, und das ist der ELER. Daraus kann das eine oder andere an Projektmitteln abgerufen werden.

Zweitens geht es um die Beteiligung bei der Finanzierung von Personal- und Sachkosten für die Projektkoordination für einen befristeten Zeitraum. Ich meine, dass wir gut beraten sind, dass die Verantwortung in den Regionen liegt, und damit müssen die Regionen selber auch Verantwortung tragen. Wir befinden uns, und da komme ich auf den Anfang zurück, in Deutschland, und das sehe ich so, mitten in einem Paradigmenwechsel vom Wohlstandsstaat als Leitbild

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hin zum europäisch inspirierten Leitbild des wirtschaftlichen, des sozialen und des territorialen Zusammenhaltes. Ich meine, dass das eine der wichtigsten Aufgaben ist, dieses weiter voranzubringen.

Ich vertrete die These, dass wir, was die Gleichwertigkeit und den Gleichwertigkeitsgrundsatz der Gestaltung der Daseinsfürsorge in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt und der ostdeutschen Länder im Besonderen anbetrifft, neue Wege gehen müssen, die dann durch die europäische Gesamtentwicklung abzufedern sind. Gleichwertigkeit bedeutet deshalb künftig nicht länger Gleichheit oder Angleichung, sondern Verschiedenartigkeit zuzulassen und auf der anderen Seite die Teilhabe der Menschen insgesamt zu sichern. Ich glaube, darin sollte es keine Unterschiede in diesem Hohen Hause geben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es muss uns gelingen, ausdrücklich die Daseinsfürsorge in einer schrumpfenden Gesellschaft differenziert zu gestalten. Deshalb müssen wir uns planerisch auch von den Durchschnittswerten der Daseinsfürsorge lösen. Auf der anderen Seite gilt es, Standards anzupassen, um Akteuren in der Fläche mehr individuelle Handlungsspielräume zu ermöglichen. Das geht bei der Infrastrukturplanung los, wenn ich nur das Beispiel des Straßenbaus betrachte, wo wir sehr wohl mit dem Wirtschaftsministerium und dem Verkehrsministerium nach neuen Wegen suchen, wo wir in sinnvoller Weise Infrastrukturmaßnahmen unterstützen. Aber ob nun eine Straße im ländlichen Raum tatsächlich 9,60 Meter breit sein muss oder ob nicht auch 7,40 Meter ausreichend sind, da wage ich hier anzudeuten, dass wir damit viel Geld sparen können und dieses lieber in Arbeit und Wertschöpfung hineinstecken.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das hängt von der Größe der Mähdrescher ab.)

Notwendig ist gleichwohl, die untere Grenze zu beschreiben. Dazu gehört beispielsweise der gesicherte Zugang zu Bildung für unsere Kinder, Notfallrettung in angemessener Frist, Mobilität im ländlichen Raum zu erhalten,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)