Protocol of the Session on October 23, 2008

(Michael Roolf, FDP: Aber.)

Wir haben in Baden-Württemberg mit einem etwas anderen Wahlrecht – die haben ja nicht drei Stimmen, sondern deutlich mehr – teilweise Stimmzettel, die sind so groß wie Tischtücher für die Familientafel bei einer Kindstaufe. Das ist ganz sicher nicht sinnvoll. Aber die Frage ist doch: Wie groß ist eigentlich hier unser Regelungsbedarf? Wenn ich mich im Lande umschaue, sehe ich in den allermeisten Städten und Gemeinden und in den Landkreisen, dass mit dem Thema Einteilung in Wahlbereiche sehr vernünftig umgegangen wird, dass vernünftige, überschaubare Wahlbereiche geschnitten werden und dass wir solche Auswüchse mit 15 und mehr Bewerbern pro Wahlvorschlag auf den Listen nur ausnahmsweise finden. Und wenn die allermeisten sich in dieser Weise, wie ich finde, richtig verhalten, dann freue ich mich darüber. Und wenn der eine oder andere sagt, wir möchten das aber anders machen, dann ist das für mich auch ein Stück kommunaler Selbstverwaltung.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig, das ist kommunale Selbstverwaltung.)

Ich freue mich nicht über jede Entscheidung, die im Zuge der kommunalen Selbstverwaltung getroffen wird, weiß Gott nicht, aber als überzeugter Anhänger dieses Prinzips lasse ich sie zu, und ich lasse auch zu, dass Neubrandenburg beschließt, wir teilen uns halt nur in drei Wahlbereiche und dann gibt es eben lange Listen. Dann sage ich nur, ich finde das zwar nicht hübsch, aber wenn Neubrandenburg dies will und demokratisch so entscheidet, dann will ich, dass sie das dürfen und dass sie das können, und ich möchte hier keine Lex Neubrandenburg machen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Zusammengefasst, liebe Kollegen, zum Thema Zeit und Zeitpunkt Ihres Antrages hat der Innenminister schon etwas gesagt, dem kann ich mich nur anschließen. Zum Thema Inhalt habe ich, glaube ich, Punkt für Punkt dargelegt, warum aus meiner Sicht Ihr Antrag bestenfalls in Einzelelementen diskussionswürdig ist, in der Mehrzahl der Punkte abzulehnen ist. Ich möchte anschließend und damit auch meine Argumentation beendend sagen, ich glaube es ist immer gut, wenn wir solche Spielregeln, und kommunales Wahlrecht ist ja so eine Art Spielregel,

(Michael Roolf, FDP: Richtig.)

die wir anderen geben, nämlich den Kommunen, hier in einem möglichst großen Konsens beschließen und ohne den Verdacht, dass wir hier Einzelnen unberechtigte Vorteile erzeugen wollen. Davon müssen wir immer frei sein, von jedem solchen Verdacht. Wir sollten uns immer um breite Mehrheiten in solchen Verfahrensfragen kümmern.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sehr richtig. – Michael Roolf, FDP: Wir werden daran erinnern, wir werden Sie daran erinnern.)

Dazu brauchen wir allerdings Vorschläge, die ein bisschen mehr Qualität haben und die auch ein bisschen mehr mit den Betroffenen abgestimmt sind, als dieses Papier, das Sie uns vorgelegt haben. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE – Michael Roolf, FDP: Wir werden Sie erinnern.)

Danke schön, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Měšťan von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute vorliegende Antrag der FDP-Fraktion zum Kommunalwahlgesetz ist insgesamt, das haben meine Vorredner auch schon deutlich gemacht, unausgegoren,

(Toralf Schnur, FDP: Och!)

man könnte auch sagen, oberflächlich:

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Erstens. Unter zeitlichen beziehungsweise terminlichen Aspekten dürfte der Antrag unrealistisch sein.

Zweitens. Unter fachlichen Gesichtspunkten geht der Antrag zumindest am öffentlich diskutierten Reformbedarf weitgehend vorbei.

Drittens. Aus kommunalpolitischer Sicht, und die kann durchaus unterschiedlich sein, enthält der Antrag Wünsche, die ich keinesfalls teile.

Viertens. Man könnte dem Antrag wohlwollend unterstellen, dass er einen Beitrag leisten möchte zur Stärkung kommunaler Demokratie und kommunaler Selbstverwaltung.

Dafür aber sollte der Landtag nicht die Landesregierung beauftragen, sondern vom Landtag hierfür bereitgestellte Instrumentarien nutzen, und da sage ich nur das Stichwort „Enquetekommission“.

(Gino Leonhard, FDP: Den Ball haben wir aufgenommen. – Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Meine Damen und Herren, gestern haben wir uns mit dem Begehren nach einem Datenschutzgipfel auseinandergesetzt. Die FDP forderte dort unter anderem von der Landesregierung, bis April 2009 einen Katalog für die Evaluierung des Landesdatenschutzgesetzes vorzulegen. Das heißt, allein für die Erarbeitung von Kriterien für die Überprüfung eines Gesetzes wurde der Landesregierung ein halbes Jahr eingeräumt. Beim Kommunalwahlgesetz erwartet die FDP hingegen einen Schnellschuss, erstens aus der Hüfte und zweitens mit verbundenen Augen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zurufe von Heinz Müller, SPD, Gino Leonhard, FDP, und Michael Roolf, FDP)

Meine Damen und Herren, damit würden wir unseren Kommunen überhaupt keinen Gefallen tun. Wir würden letztlich mit einer Annahme des Antrages auch die Landesregierung nötigen,

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

die rechtlichen Grundlagen der Gesetzgebung zu veranlassen. Die Ausarbeitung eines rechtsförmlichen Gesetzentwurfs, da knüpfe ich an den Innenminister an, mit widerspruchsfreier und stringenter Begründung, notwendigen Ressortanhörungen und entsprechenden Überarbeitungen, abschließenden Ressortabstimmungen, möglichen vielleicht notwendigen Streitschlichtungen im Koalitionsausschuss, Glättung des Entwurfs, Kabinettsbefassungen, ab zum Landtag, da sage ich dann nur 31.12.2008, wie in Ihrem Antrag gefordert: Prost Neujahr, meine Damen und Herren! Ein derartiges Verfahren wäre weltfremd und ist daher abzulehnen.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Aber ich will es nicht nur spaßig oder ironisch machen, sondern auch unter fachlichen Gesichtspunkten noch einmal unterstreichen, dass der Antrag nicht unproblematisch ist.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Diese Novelle des Kommunalwahlgesetzes wäre wohl die letzte Möglichkeit einer Novelle des Kommunalwahlrechts vor unseren Kommunalwahlen am 7. Juni. Deshalb erfordert die Bestimmung des tatsächlichen Reformbedarfs besondere Sorgfalt. Meine Damen und Herren, und vor diesem Hintergrund können dann die gestrige Pressemitteilung und das heutige Pressegespräch des Innenministers natürlich auch keineswegs befriedigen.

(Michael Roolf, FDP: Wo ist der eigentlich?)

Selbstverständlich, Herr Minister – er sitzt irgendwo unten –,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Der steht in der Ecke.)

steht meine Fraktion bei der Initiative „Wehrhafte Demokratie“ an Ihrer Seite und sicherlich kann die von Ihnen vorgesehene Regelung auch zur Entlastung der Wahlausschüsse führen. Aber, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, damit wird doch der kommunalwahlrechtliche Reformbedarf genauso weit verfehlt wie mit dem vorliegenden FDP-Antrag.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Fragen, wie: Wie steht es mit Entschädigungsanpassungen für Wahlvorstände? Was spricht gegen die

Abschaffung von Wahlscheinen? Reicht die Briefwahl möglicherweise aus? Wie lassen sich Wahlbekanntmachungen und Wahlniederschriften wirksam vereinfachen? Wie steht es mit der Ungültigkeit nicht abgegebener Stimmen? Sollte nach erfolgter Wahl nicht auf die gesonderte beamtenrechtliche Ernennung verzichtet werden? Und sollte eine nachträgliche Verkürzung der Wahlperiode nicht besser wahlrechtlich geregelt werden? –

(Michael Roolf, FDP: So ist es.)

all diese Fragen, meine Damen und Herren, die ich genannt habe, sind nicht neu.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Sie befinden sich seit Längerem in der wahlrechtlichen Diskussion, aber komischerweise mit keiner Silbe in Ihrem vorgelegten Antrag.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das haben Sie zehn Jahre nicht geschafft. – Michael Roolf, FDP: Sie können ja auch was vorlegen.)

Meine Damen und Herren, aus wahlrechtspolitischer Sicht lassen Sie mich hier nur einiges sagen. Meine Fraktion wird die Landesregierung keinesfalls auffordern, eine Novelle des Kommunalwahlgesetzes auszuarbeiten oder gar vorzulegen,

(Michael Roolf, FDP: Das machen sie schon, das machen sie schon.)

mit der im Rahmen der unmittelbaren Wahlen der Bürgermeister und Landräte beziehungsweise Landrätinnen auf Stichwahlen verzichtet würde. Wir haben ganz im Gegenteil gerade auch in diesem Jahr ausgesprochen gute Erfahrungen mit Stichwahlen gemacht. Sie haben das Beispiel von Angelika Gramkow ja schon genannt, aber ich möchte auch noch andere Stichworte nennen. Das sind die Landrätin in Ostvorpommern, Frau Dr. Syrbe, der Landrat Siegfried Konieczny in Demmin und unser Bürgermeister in Wolgast, Stefan Weigler. Hier sehen wir, und das wird klar für Sie sein, natürlich überhaupt keinen Regelungsbedarf.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, das hört Ihr nicht gerne.)

Die Forderung des Städte- und Gemeindetages allerdings, über eine mögliche Anhebung des Höchstwahlalters für kommunale Wahlbeamte nachzudenken, die, denke ich, darüber sind wir uns einig, sollten wir aufgreifen. Hierbei handelt es sich aber nicht um Ungleichbehandlungen im Sinne von Ungerechtigkeit, wie der vorliegende Antrag unterstellt, sondern das steht im Zusammenhang mit der Kommunalverfassung, die in Paragraf 37 Absatz 2 beziehungsweise Paragraf 116 Absatz 2 eine mindestens siebenjährige Amtszeit vorsieht.

Lassen Sie mich deshalb abschließend Folgendes feststellen: Dass Fragen der Anzahl der Gemeindevertreter beziehungsweise Kreistagsmitglieder mit Kommunalstrukturen und demografischer Entwicklung möglichst optimal korrespondieren sollen, ist allgemein anerkannt. Demokratische Mitwirkung, demografische Entwicklung und leistungsfähige Gemeindestrukturen wären daher unsere entsprechenden Handlungsfelder. Genau diese befinden sich aber bereits explizit im Einsetzungsbeschluss der Enquetekommission „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“. Der Landtag sollte sich daher selbst ernst nehmen, entsprechende Empfehlungen der

Enquetekommission für darauf aufbauende Gesetzgebung verarbeiten und nicht mitten im Galopp die Pferde wechseln.