Es erhebt allerdings Antisemitismus zum Thema. Da das Stück wie erwähnt allgemein zugänglich ist, reduziert sich die Streitfrage darauf, ob eine Aufführung heute in Deutschland gut und nützlich ist, zumal namhafte Kritiker es künstlerisch und dramaturgisch nicht für das beste Stück Fassbinders halten. Sicher, auch heute ist Auseinandersetzung mit Antisemitismus geboten, doch die Freiheit der Kunst muss in Deutschland auch Grenzen akzeptieren.
Die Verantwortung für unsere Geschichte und der Respekt vor dem unsäglichen Leiden, gerade auch der jüdischen Opfer, gebieten dies. Eine Aufführung geht also nicht ohne vorheriges Gespräch mit der Jüdischen Gemeinde.
Die Angst, dass von einer Inszenierung in Deutschland unheilvolle Signale ausgehen, ist jedenfalls begründet, wenn ich hier herüberschaue.
Ein paar Worte zum Inhalt: Hintergrund des Stückes ist der Immobilienskandal Ende der 60er Jahre in Frankfurt am Main bei der Umwandlung billiger Wohn- in teure Büroviertel. Es geht um Korruption der Stadtvertreter und Brutalität im Rotlichtmilieu, aber auch um die existenzielle Einsamkeit des Menschen im Moloch Großstadt. Der Kapitalismus in rücksichtslosester Form benutzt in dämonischer Umwelt einen reichen Juden, einst Opfer der Verfolgung, nun Immobilienhai, mitleidloser Geldjäger, gierig und geil. Er verkörpert als Hauptfigur des Stückes alle Charakterdeformierungen, mit denen Antisemiten Juden identifizieren. Er wird benutzt und lässt sich benutzen,
er schlägt aus der Tabuisierung seiner Person Profit. Dieser Jude bedient sich für seine einsamen Monologe der Hure Roma B. Deren Vater dagegen – ein Altnazi – sinniert in ähnlichen Monologen über das Versäumnis, den reichen Juden in den Lagern nicht vergast zu haben. Am Ende des Stückes erwürgt der Jude die Hure auf ihren Wunsch, da sie am Leben verzweifelt.
Zur Chronologie: 1975 schrieb Rainer Werner Fassbinder das Stück. Ein Jahr später erfolgten bereits Verfilmung und erste Drucklegung. 1979 – vier Jahre später – gab
es die erste von Fassbinder autorisierte, allerdings Amateuraufführung auf der Studiobühne der Ruhruniversität Bochum. Und erst sechs Jahre später …
Herr Pastörs, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihnen für die heutige Sitzung das Wort entzogen wurde. Bitte halten Sie sich zurück.
dass das Buch erschienen ist. Ich habe es selber in der Hand gehabt, selber gelesen. Es ist Ende der 70er Jahre erneut erschienen und Mitte der 80er Jahre ebenfalls, und wer so redet, zeigt eigentlich nur, dass er keine Ahnung hat.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Nach dem Eklat am Frankfurter Schauspiel fand wenige Tage danach eine ausschließlich für 200 Kritiker und Theaterleute genehmigte Probenaufführung statt. Der monatelange Streit in Frankfurt liegt in dieser Dokumentation vor –
Die Uraufführung des Stückes erfolgte 1997 in New York, es folgten Aufführungen in vielen Ländern. 1998 scheiterte der Versuch einer deutschen Erstaufführung durch das Maxim Gorki Theater in Berlin abermals. Ob und wann es eine deutsche Erstaufführung geben wird, entscheidet allerdings der Verlag der Autoren, bei dem die Rechte zum Stück liegen,
Der Verlag, zu dem ich Kontakt aufgenommen habe, versicherte mir, dass das Stück nur bei einer vorliegenden künstlerischen Gesamtkonzeption und einem stimmigen Umfeld freigegeben werden würde.
Ich habe Sie, Herr Abgeordneter Pastörs, darauf aufmerksam gemacht, dass Ihnen das Wort entzogen wurde
Sie haben trotz meiner Aufforderung nicht nachgelassen, hier Zwischenrufe anzubringen, die völlig unpassend sind.
Ich verweise Sie aufgrund Paragraf 99 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Raumes. Bitte verlassen Sie sofort den Plenarsaal.
(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, Angelika Peters, SPD, Dr. Armin Jäger, CDU, und Udo Pastörs, NPD)
Also, um es noch mal mit Deutlichkeit zu sagen: Der Verlag der Autoren hat mir gegenüber ausdrücklich bestätigt, dass er die Rechte zur Aufführung nur freigibt, wenn das Stück eingebettet ist in eine künstlerische Gesamtkonzeption eines Theaters – also nicht nur wegen der Schlagzeilen ein Theater sagt, wir machen das – und wenn das Umfeld stimmt. Diese Rechtslage hätten Herr Marx, der mit Herrn Pastörs nun ebenfalls entschwunden ist, und seine NPD natürlich auch selbst ermitteln können. Das hat er nicht, wollte er auch nicht.
Ist er vielleicht auch überfordert. Welches sind also die Motive der Nazis für ihren Antrag? Kunst wohl nicht. Rechtsradikale gehen nicht ins Theater.
(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Raimund Borrmann, NPD: Seltsame Logik. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)
Sie brauchen auch keinen Theaterstreit, denn Sie machen ja selbst genug Schlagzeilen mit Gewalt, Hass und Brutalität. Außerdem müssten Sie gerade dieses Stück – jetzt ist er nicht da, der Herr Köster – als undeutsch ablehnen. Ich erinnere in dieser Runde an den Auftritt von Herrn Köster, Sie werden sich auch erinnern, der sich hochemotional gegen die kindgemäße Benennung männlicher und weiblicher Genitalien in Kindereinrichtungen verwahrte und dies – allerdings unter dem schallenden Gelächter des Hauses – als sittenwidrig brandmarkte. Wie kann die NPD angesichts solcher Verklemmtheit einem Stück das Wort reden, in dem es von obszönem und vulgärem Vokabular des Rotlichtmilieus nur so wimmelt? Und das soll Ihrer Meinung nach wirklich an die Schule?
(Heike Polzin, SPD: Tja, wenn man es nicht kennt. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)