Wir werben für unseren Antrag, dass die Landesregierung hier und heute die Emotionen und auch die Vorhaben zur Erarbeitung eines Vergabegesetzes einstellt. Ich denke mal, wir haben wichtigere Aufgaben hier zu tun, dass die Landesregierung wieder Freiraum hat, sich um andere Dinge zu kümmern. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Der muss aber ran heute. Auf der „Aida“ war’s schöner gestern Abend, Herr Seidel.)
Herr Fraktionsvorsitzender, ich hatte leider nicht die Gelegenheit dazu, ich musste an anderer Stelle arbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will es gleich sagen, Herr Roolf. Das Leben wäre schön, wenn man es nach Kategorien einteilen könnte, wie mancher Handwerker sich das so denkt. Ich fi nde es ja auch gut, keine Frage.
Manchmal ist das ein bisschen schwieriger, aber vielleicht kann ich Ihnen da auch ein wenig weiterhelfen.
Zunächst einmal will ich ganz klar und deutlich sagen: Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 03.04.2008 muss davon ausgegangen werden, dass die Tariftreueregelungen des niedersächsischen Landesvergabegesetzes – das war angegriffen – mit europäischem Recht unvereinbar sind. Da hilft es auch nicht, das – an die Adresse der LINKEN – zu bedauern, wie Sie geschrieben haben, und da hilft es auch nicht, von einem Einzelfall zu sprechen. Im Übrigen fi nde ich, dass es ein bisschen merkwürdiges Verständnis von europäischem Recht ist, so zu formulieren.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Es ist aber nicht allgemeingültig. – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)
Wir haben heute schlichtweg eine andere Situation, als wir sie noch vor wenigen Wochen hatten. Sie haben ja schon geschildert, wie die Situation in den Ländern ist. Übrigens hat Berlin einen Nichtanwendungserlass gemacht,
um das auch gleich klarzustellen. Wir haben uns informiert. Natürlich reagieren die Länder auf eine solche Entwicklung. Da müssen wir uns gar nicht verkämpfen. Das ist doch ganz normal. Der EuGH ist die höchste und die letztmaßgebende Instanz, also die höchste und letztmaßgebende Instanz für die Auslegungen europäischen Rechts. Nationale Regelungen, die mit der jüngsten Regelung nicht im Einklang stehen, sind künftig damit auch ausgeschlossen. Das gilt sowohl für das von mir schon zitierte niedersächsische Gesetz, aber das gilt dann auch für Sachsen-Anhalt.
Übrigens muss ich mal sagen, Sachsen-Anhalt hat sein Gesetz schon vor dem EuGH-Urteil wieder zurückgenommen.
Was bleibt dann? Natürlich könnte man versuchen, ein Gesetz zu machen, das europäisches Recht nicht berührt, aber dann müsste man zwischen inländischen und ausländischen Bietern unterscheiden, mit anderen Worten, man käme zu einer Ungleichbehandlung. Inländische Bieter müssten Tariftreueerklärungen abgeben und unter Berücksichtigung der Tarifbindung kalkulieren, ausländische demzufolge nicht. Das würde auch zur Wettbewerbsverzerrung führen, die wirtschaftspolitisch sicherlich nicht gewollt sein kann. Und davon abgesehen hätten wir wahrscheinlich dann auch wieder ein neues verfassungsrechtliches Problem. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz und der Landesverfassung lässt Ungleichbehandlungen nur zu, wenn sie durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt sind. So hat es das Bundesverfassungsgericht für das Grundgesetz entschieden und hier zwischen verschiedenen Personengruppen zu entscheiden, wäre wahrscheinlich von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Meine Damen und Herren, wenn es auch andere Mittel gibt, den erstrebten Arbeitnehmerschutz zu erreichen, dann bestehen doch erhebliche Zweifel, ob eine rein nationale Tariftreueregelung, wie ich sie eben ansprach, zulässig wäre. Immerhin – das will ich auch sagen, das stimmt – hat der EuGH Möglichkeiten offengelassen. Auch das wurde schon hier zitiert. Die Zulässigkeit von Mindestlöhnen im Rahmen des Entsenderechtes hat er, also der EuGH, weder in seiner jüngsten, noch in früheren Entscheidungen infrage gestellt. Und hierzu, denke ich, sind aber nun wirklich die Positionen der Koalitionspartner bekannt. Insofern verweise ich auf die Kompromissbemühungen der Bundesregierung. Also da läuft der Antrag der LINKEN hier zumindest ins Leere.
Dem Föderalismus und dem Rechtsstaatsprinzip ist aber auch nicht gedient, wenn die Länder ihre Eigenstaatlichkeit lediglich dadurch bestätigen, dass sie Inhalte des europäischen Rechts oder des Bundesrechts in Landesgesetzen wiederholen. Rechtliche Redundanz hat weder
Verfassungsrang, noch hat sie erkennbaren praktischen Nutzen. Davon abgesehen, das muss man auch klar sagen, wären Regelungen auf Landesebene Mindestlöhne betreffend unzulässig. Mindestlöhne fallen nach dem Grundgesetz in die Zuständigkeit des Bundes. Sie sind Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. Hier haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur dann, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Der Bund hat aber hier von seiner Befugnis mit den Regelungen des Tarifvertragsgesetzes und dem Arbeitnehmerentsendegesetz für meine Begriffe auch umfassend Gebrauch gemacht und damit sind eigenständige Landesregelungen diesbezüglich entbehrlich.
Meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, wenn – und das meinen Sie ja, glaube ich – die angemessene Entlohnung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei öffentlichen Aufträgen, ja, jetzt sage ich es mal schlichtweg so, Gegenstand eines Deutschaufsatzes wäre, dann müsste man Ihnen bescheinigen, dass Sie das Thema verfehlt haben. Die wirklichen Probleme, um die wir uns sicherlich auch hier im Landtag und auch als Landesregierung kümmern müssen, liegen woanders.
Haben Sie sich einmal angeschaut, wie sich das derzeitige Vergaberecht wirklich darstellt? Es ist zugegebenermaßen kompliziert, manche sagen sogar, sehr kompliziert.
Es handelt sich nicht nur um Landesrecht aus verschiedenen Quellen, auf verschiedenen Stufen, es ist auch Bundesrecht, es ist auch europäisches Recht zu beachten. Und das geltende Recht trägt den betroffenen Interessen durchaus angemessen Rechnung, auch denen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber, auch das will ich sagen, seine Anwendung lässt oft zu wünschen übrig. Nicht alle bestehenden Probleme kann das Land lösen. Mit den Besonderheiten des europäischen Rechts müssen wir sicherlich leben. Soweit es möglich ist, wirken wir über den Bundesrat in der zweiten Stufe der Vergaberechtsreform des Bundes mit. Wir wollen Verbesserungen insbesondere für den Mittelstand erreichen. Das ist wichtig, denn das ist nachgewiesenermaßen unsere Situation, dass die Wirtschaft unseres Landes durchweg mittelständisch strukturiert ist.
Das können Sie im Übrigen auch nachlesen in der Koalitionsvereinbarung. Genau da ist dieser Grundsatz formuliert.
Was wir aber tun können und auch müssen, ist, auf jeden Fall dem geltenden Recht mehr Achtung verschaffen. Ich bin mir sicher, dass es den Mitarbeitern der Vergabestellen nicht an gutem Willen fehlt, eher fehlt es an ausreichenden Kenntnissen. Das ist zumindest unsere Erfahrung. Und deshalb geht es auch nicht primär um Sanktionen, sondern – auch die Frage muss man eigentlich stellen – es geht um Prävention. Und das erstrangige Mittel der Prävention heißt Fortbildung. Wir haben uns in der Vereinbarung zwischen SPD- und CDU-Fraktion darauf verständigt, uns unter anderem am sächsischen Vergabegesetz zu orientieren. Das sächsische Vergaberecht
enthält die Verpfl ichtung der öffentlichen Auftraggeber, für eine hinreichende Fortbildung ihrer Mitarbeiter auf dem Gebiet des Vergaberechts zu sorgen. Das ist zum Beispiel aus meiner Sicht ein sehr sinnvoller Ansatz.
Ein weiterer Ansatz könnte es sein, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bessere Hilfen für die Praxis der Vergabeverfahren zu geben. Dafür ist es allerdings wieder nicht notwendig, das Rad nun völlig neu zu erfi nden. Das Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes in Zuständigkeit des Bereichs der Finanzbauverwaltungen enthält hier sehr viele nützliche Hinweise und Anweisungen. Das wurde gerade noch mal im Bündnis für Arbeit bestätigt. Unter anderem heißt es dort: „Bei Zweifeln an der Angemessenheit von Angebotspreisen sind … die Lohnkosten darauf (zu untersuchen), ob … der Mittellohn sowie die Zuschläge für lohngebundene und lohnabhängige Kosten sich im Rahmen der tarifvertraglichen Vereinbarungen und der gesetzlichen Verpfl ichtungen halten“. Also kann man erkennen, schon die derzeitigen Regelungen haben die Beachtung tariflicher Vereinbarungen im Blick,
und zwar an einer Stelle, an die sie im Vergabeverfahren auch gehören – nach der Frage des unangemessenen niedrigen Preises.
Und weil in der Tat schon vieles geregelt ist, das nur anzuwenden wäre, gilt auch größte Vorsicht bei neuen Regelungen. Sie könnten durchaus zur Verwirrung in den Vergabestellen beitragen und das wollen wir natürlich nicht. Stattdessen müssen wir uns um eine verbesserte Systematisierung und eine Straffung der Vorschriften kümmern.
Nun ist es im Vergaberecht nicht anders als sonst irgendwo im Leben: Da, wo es an Einsicht mangelt, hilft manchmal nur Furcht vor Strafe. Deswegen muss man auch daran denken, öffentliche Auftraggeber, die die Vorschrift nicht einhalten, unter Umständen mit Sanktionen zu belegen, das heißt, unter Umständen zahlen zu lassen.
Das kann aber aus meiner Sicht nur am Ende einer Betrachtung stehen. Aus all diesen Gründen lehnen wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab.
Das wird Sie nicht verwundern. Ich kann es Ihnen aber auch nicht ersparen, diesbezüglich noch einmal zu sagen, dass Ihr Antrag zum Teil zumindest gegenstandslos und überfl üssig ist.
Er ist gegenstandslos, soweit er auf eine mögliche Tariftreueregelung abstellt, wie sie der EuGH gerade verworfen hat.
Es ist klar, dass jede Landesregierung – das Thema hatten wir heute schon mal – die vom EuGH nochmals bekräftigten rechtlichen Grenzen einhalten muss.