Protocol of the Session on April 23, 2008

bürgern des Deutschen Reiches, eine Zuwendung für kulturelle Aufgaben in Höhe von 150.000 Reichsmark verweigert wird, obwohl das Reich zirka 10 respektive 17,5 Millionen Reichsmark für ausländische Propaganda zur Verfügung hat“, so nachzulesen in der „Zeitschrift für Minderheitenkultur und -Politik“ 1932, 1. Quartalsheft, Seite 3. Wir wollen verhindern, dass diese Tradition, Herr Pastörs, neu belebt wird.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

6. Sorben trafen in ihrer Geschichte oft auf eine deutsche Politik, die durch Assimilationszwänge, Vorurteile, politische Unvernunft und moralische Empfi ndungslosigkeit gekennzeichnet war. Wir möchten eine Politik gegenüber den Sorben mitbefördern, die durch staatspolitische Klugheit, sittlich moralische Einfühlung in die Situation der sorbischen Minderheit und ein hohes Maß an Vernunft gekennzeichnet ist.

7. Die Fraktion DIE LINKE möchte mit ihrem Antrag, den ich hier zu begründen die Ehre habe, die Arbeit der Enquetekommission des Bundestages „Kultur in Deutschland“ bekräftigend unterstützen. Bekanntlich haben die Abgeordneten aller Fraktionen des Deutschen Bundestags erst im Dezember 2007 in seltener Einmütigkeit dem Arbeitsbericht zugestimmt. Die Kommissionsvorsitzende Gitta Connemann von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion konnte zum Abschluss der über vierjährigen Arbeit sagen, die Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen seien sich darin einig, wörtlich: „die einzigartige Kulturlandschaft und beispiellose kulturelle Vielfalt in Deutschland zu erhalten und zu fördern liegt in gemeinsamer Verantwortung von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft“.

(Udo Pastörs, NPD: Das kann ich voll unterschreiben.)

Das gilt unseres Erachtens voll und ganz für die Sorben und insofern wollen wir Frau Connemann direkt unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

8. Die Vertreter des sorbischen Volkes im Stiftungsrat haben ihre Mitarbeit bis auf Weiteres ausgesetzt. Womöglich haben Sie das auch genauso wie ich den Medien entnehmen können. Sie haben sie ausgesetzt, weil sie Entscheidungen, die die Zerstörung sorbischer Sprache und Kultur und damit sorbischen Lebens bewirken, nicht mehr mittragen wollen und können. Dieser Entschluss ist berechtigt. Wir unterstützen ihn und hoffen zugleich, er wird in seiner Bedeutung von den Verantwortlichen für das fi nanzielle Defi zit der Stiftung richtig verstanden.

(Udo Pastörs, NPD: Waren Sie das nicht, die Esperanto wollten für alle?)

Mit unserem Antrag wollen wir zugleich Bedingungen schaffen, die den Sorben wieder die Mitarbeit im Stiftungsrat ermöglichen.

9. Zusammen mit vielen sorbischen und deutschen Bürgern in unserer Bundesrepublik möchten die Abgeordneten meiner Fraktion nicht glauben, dass unser Staat sich um sehr viele Minderheiten in vielen Teilen der Welt sorgt, politisch etwas für die Erhaltung beziehungsweise Verbesserung ihrer Lebensbedingungen tun will – Stichwort „Tibet“ – und die eigene Minderheit in der Lausitz langsam abwickeln möchte.

(Michael Andrejewski, NPD: Und was ist mit der deutschen Minderheit in Kreuzberg?)

10. Schließlich und zu guter Letzt sehe ich unsere Fraktion in Übereinstimmung mit Positionen der sächsischen KPD aus dem Jahre 1926/27. Diese Partei hatte damals aus Fehlern auch ihrer Minderheitenpolitik lernend wiederholt Anträge eingebracht, mit denen sie gesetzliche Rechte für die nationale Minderheit der Sorben, ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Selbstbestimmungsrechte forderte.

(Udo Pastörs, NPD: In der DDR in Vergessenheit geraten.)

Wörtlich heißt es zum Beispiel unter anderem, ich zitiere nach einem Antrag der kommunistischen Fraktion im Sächsischen Landtag vom 17.02.1927: „Der wendischsprachigen arbeitenden Bevölkerung muß die Möglichkeit gegeben werden, die ihrem Volksstamm eigentümlichen und nützlichen sprachlichen und kulturellen Werte zu erhalten und zu entwickeln. Alle sozialen und politischen Nachteile, die der wendischsprachigen Bevölkerung infolge ihrer geographischen Einschließung in deutschsprachigem Gebiet entstehen, sind sofort zu beseitigen. Der Landtag wolle daher beschließen:

1. Die Regierung hat dafür zu sorgen, daß alle Behörden im wendischen Sprachgebiet neben der deutschen Sprache die wendische Sprache als Verkehrssprache mit der Bevölkerung benutzen. Jeder Verstoß in dieser Beziehung ist streng zu bestrafen.

2. Im Schulunterricht ist die wendische Sprache als Unterrichtssprache einzuführen“. Zitatende.

Der schon einmal genannte sorbische Publizist Skala beurteilte das damals so: „Zum ersten Mal in der Geschichte der nationalen Minderheiten Deutschlands im Allgemeinen wie der Lausitzer Serben im Besonderen tritt eine deutsche politische Partei mit Anträgen an die Regierung eines deutschen Staates heran, die den fundamentalen Rechtspfl ichten des Staates wie auch in nicht geringem Umfang den Bedürfnissen und kulturpolitischen Notwendigkeiten einer nationalen Minderheit näher kommen.... Die konkreten minderheitenpolitischen Punkte des kommunistischen Antrages entsprechen ihrem Sinne nach durchaus den vom Verband der nationalen Minderheiten Deutschlands vertretenen Forderungen. Wenn die Kommunisten Sachsens diese Forderungen nunmehr als erste deutsche Partei in einer gesetzgebenden Körperschaft vertreten, so beweisen sie damit in minderheitenpolitischer Hinsicht diejenige politische Reife, die wir von allen anderen politischen Parteien bisher vergeblich erwartet haben.“ Zitiert aus „Kulturwehr, Zeitschrift für Minderheitenkultur“, Heft 3, ebenfalls März 1927, Seite 109 folgende.

Sehr geehrte Damen und Herren, meine Fraktion hofft auf Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. Ich denke, ohne dass Sie zum einen jede einzelne Formulierung meiner Begründung akzeptieren müssen, können alle Demokraten unseres Hohen Hauses das, was richtig ist, auch richtig nennen. Zum anderen hofft meine Fraktion, und ich mit ihr, dass es uns gelingt, bei der politisch praktischen Durchsetzung eines vernünftigen Ziels durchaus vorhandene weltanschauliche Unterschiede oder auch Gegensätze zurückzustellen. In der Hoffnung auf eine

letztlich erfolgreiche Durchsetzung der Ziele des Memorandums zur weiteren Existenz des sorbischen Volkes in der Bundesrepublik Deutschland bitte ich Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag und bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Koplin.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Körner von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion bekennt sich ausdrücklich zur Tradition der sorbischen Minderheit in der Nieder- und Oberlausitz. Die SPD-Fraktion hält es für wichtig, dass die sorbischen Sprachen, die sorbische Kultur, das Brauchtum und die Bildung in Kindereinrichtungen, Schulen und Gesellschaft unterstützt und gefördert werden.

(Michael Andrejewski, NPD: Und was geht das Mecklenburg-Vorpommern an?)

Die sorbische Kultur ist eine Bereicherung der Kultur in Deutschland. Die SPD betont das Recht der circa 60.000 Sorben, 20.000 davon leben etwa in Brandenburg und 40.000 etwa in Sachsen, auf eine besondere staatliche Unterstützung.

Welches sind die Grundlagen dieser Unterstützung? Zunächst wurde bereits im Jahr 1991 eine Stiftung für das sorbische Volk gegründet. Grund dieser Unterstützung ist auch die Europäische Charta zum Schutz von Sprachminderheiten und Minderheiten. Grund einer besonderen Unterstützung ist ebenfalls der Einigungsvertrag, der im Artikel 35 ausdrücklich den Schutz nationaler Identität unterstreicht. In den Verfassungen der Länder Brandenburg (Paragraf 25) und Sachsen (Paragraf 6) ist dieser Schutz ausdrücklich bekräftigt. Es gibt ein Sorbengesetz, in dem das Recht des sorbischen Volkes auf Schutz, Erhalt und Pfl ege der nationalen Identität und des angestammten Siedlungsgebietes betont wird,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

das das Recht auf Bewahrung und Förderung der sorbischen Sprache und Kultur und Vermittlung in Schulen und Kindereinrichtungen betont und das nicht zuletzt betont, dass es kein eigenes sorbisches Mutterland gibt, was hier an die Stelle treten kann, die andere nationale Minderheiten haben. Aus diesem Grund sagen die Länder Sachsen und Brandenburg ausdrücklich, wir treten an diese Stelle. Dies gilt auch für den Bund. Und deshalb muss eine angemessene fi nanzielle Unterstützung durch diese beiden Länder und durch den Bund passieren.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Nun zu den Finanzen: Im Jahr 2007 waren es 15,6 Millionen Euro, die diese 60.000 Sorben zur Verfügung hatten, 7,6 Millionen Euro durch den Bund, also etwa die Hälfte – und die beiden Länder sind sich einig darüber, dass der Bund hier mit 50 Prozent mit im Boot sein muss –, und der Rest, zwei Drittel Sachsen, ein Drittel Brandenburg,

so, wie die Sorben sich durch die Bevölkerung verteilen. Dieses Geld wird benutzt, um etwa den Dachverband, die Domowina, mit über 4 Millionen Euro zu unterstützen, wird benutzt für ein Wendisches Museum in Cottbus mit 150.000 Euro, für ein Sorbisches Institut mit 1,6 Millionen Euro, für ein Sorbisches National-Ensemble mit 4,5 Millionen Euro, für einen Domowina-Verlag, der übrigens nach wie vor Bücher erscheinen lässt, mit 2,4 Millionen Euro und für ein Sorbisches Nationaltheater in Bautzen mit 1,2 Millionen Euro.

Der Bundesrechnungshof hat diese Summen untersucht und hat deutlich Kritik geäußert und den Bund aufgefordert, sich aus der Finanzierung zurückzuziehen. Er hat insbesondere bemängelt, dass 80 Prozent dieser Mittel reine Personalkosten sind. Er hat auch bemängelt, dass über 40 Personalstellen beim Dachverband der Sorben, der Domowina, relativ hoch dotiert sind. Daraufhin hat der Bundestag beschlossen, im Jahr 2008 soll dieselbe Förderung wie 2007 erfolgen und ab 2009 soll der Bund jeweils jährlich um 100.000 Euro die Förderung absenken. Dies hat die Kritik der Domowina auf den Plan gerufen. Sie hat sich aus den Gesprächen zurückgezogen, die mit Bund und Ländern zu führen sind. Die Domowina fordert statt der bewilligten 15,6 Millionen 16,4 Millionen Euro plus Infl ationsausgleich. Hier gibt es einen Konfl ikt mit dem Bund, da die Länder sich nicht in der Lage fühlen, dieses Defi zit auszugleichen.

Nun zu Ihrem Antrag: Zunächst stellt sich natürlich die Frage, warum soll sich der Landtag Mecklenburg-Vorpommern mit dieser Angelegenheit befassen. Weder der Landtag Sachsen noch der Landtag Brandenburg hat sich an uns gewandt und uns um Unterstützung gebeten. Und ich bin sicher, dass sowohl Brandenburg als auch Sachsen ihre Angelegenheiten selbst regeln können. Zahlreiche Anträge, zahlreiche Kleine Anfragen, zahlreiche Aktuelle Stunden in Brandenburg und Sachsen zeugen von problembewusster Erörterung. Eine Entschließung im Land Brandenburg – noch keine zwei Wochen alt – unterstreicht dies. Auch darin gibt es keine Bitte an unseren Landtag, sich dieser Problemlage anzunehmen.

Zum Zweiten, meine lieben Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, ich habe nicht den Eindruck ausgeprägten Problembewusstseins, wenn Sie diesen Antrag so einbringen. Er ist in meinen Augen schlecht und oberfl ächlich geschrieben. Sie schreiben beispielsweise unter dem dritten Punkt von einer sorbischen Sprache, die unverzichtbar sei für Kultur und so weiter. Es gibt aber nicht eine sorbische Sprache, es gibt zwei sorbische Sprachen. Wussten Sie das nicht? Warum erwähnen Sie dieses in so einem Antrag nicht? Es gibt sehr unterschiedliche Dinge bei den Sorben und wenn Sie sich damit befassen wollen, nehmen Sie das bitte ernst.

(Udo Pastörs, NPD: Es geht nur um Propaganda.)

Außerdem bietet der Antrag überhaupt keine Sachinformationen, keine Zahlen. Er ist völlig ungeeignet, sich ein Bild zu machen von der Situation der Sorben, ihren Traditionen und ihrer Kultur. Er verzichtet auf eine Begründung, das heißt, Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, überhaupt in das Thema einzusteigen. Das lässt Zweifel aufkommen, ob sich die LINKE-Fraktion überhaupt mit dem Thema beschäftigt hat, ob sie lediglich etwas abgeschrieben hat, was andere ihr eingereicht haben.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das ist aber eigentlich eine Frechheit.)

Ich komme aus Cottbus, Frau Gramkow.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Das können Sie Herrn Koplin niemals unterstellen, was Sie da sagen.)

Ich habe in der Niederlausitz gewohnt, bin dort groß geworden, habe 25 Jahre mit Sorben gelebt. Ihr Antrag lässt kein Problembewusstsein erkennen. Ich habe den Eindruck, Sie betreiben hier einen ideologischen Gebrauch, um nicht zu sagen, einen ideologischen Missbrauch der Sorben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Sie geraten in eine gefährliche Nähe zu Ihrer Vorgängerpartei. Die SED hat sich auch nicht ernsthaft für die Sorben interessiert. Die Sorben waren gut für...

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich glaube, da liegen Sie etwas quer. Da liegen Sie etwas quer, Herr Dr. Körner. – Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Borrmann, NPD)

Die Sorben, Herr Professor Methling, waren gut für Folklore und Kahnfahrten im...

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Erzählen Sie nicht so einen Unsinn! Ich habe mit einem Sorben studiert. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ich wiederhole, da Sie nicht in der Lage sind zuzuhören: Die Sorben waren gut für Folklore, gut für Kahnfahrten im Spreewald und etwas Kultur. Sie waren ein Aushängeschild vorgetäuschter Pluralität. Natürlich gab es sorbische Einrichtungen, sorbische Schulen. Ich kenne sie aus Cottbus. Aber wie hat die SED die Sorben indoktriniert? Wie hat sie mit den Sorben Kaderpolitik gemacht? Wie hat die SED den traditionellen sorbischen Protestantismus, den traditionellen sorbischen Katholizismus unterdrückt und mit Füßen getreten?

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Zum Abschluss möchte ich ein Zitat aus dem Memorandum bringen, was Sie uns freundlicherweise angeheftet haben.