Protocol of the Session on March 7, 2008

Unbestritten ist, dass es bei den Gymnasien zum neuen Schuljahr eine besondere Situation gibt, zu der keine Erfahrungen vorliegen. Das kann ohne Zweifel zu Unterschreitungen der Schülerzahlen für die Eingangsklasse 7 führen.

(Hans Kreher, FDP: So ist es.)

In diesen Fällen ist eine Ausnahmegenehmigung zu prüfen und, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, auch zu erteilen.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Die neue Situation allein jedenfalls rechtfertigt nicht eine Begrenzung von Ausnahmegenehmigungen ausschließlich auf Gymnasien oder das Anlegen anderer als der gesetzlich vorgeschriebenen Maßstäbe.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und genau da liegen unsere Kritikpunkte:

Erstens. Der Bildungsminister oder die Kollegen seiner Fachabteilung wussten schon am 16. Januar, dass voraussichtlich 15 Gymnasien in ihrem Bestand gefährdet sind. Das kann man der sogenannten „Röbeler Erklärung“ entnehmen. Und man kann sie sogar namentlich benennen, wie in einer Antwort auf meine Frage am 17.01. schriftlich im Ausschuss mitgeteilt wurde. Dies zeugt schon von einer doch erheblich guten prophetischen Gabe, denn die Anmeldefrist für die Eltern ist erst am 29. Februar abgelaufen, also 41 Tage später. Diese prophetische Gabe wird allerdings mit der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 18.02.2008 erheblich abgeschwächt. Dort heißt es, ich zitiere: „Mit Stand 15.01.2008 waren insofern noch keine Schüler an den Gymnasien angemeldet. Grundlage für die Prognose, dass zum Schuljahr 2008/2009 Ausnahmegenehmigungen für ca. 15 Gymnasien erforderlich werden … sind diesbezügliche Modellrechnungen des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur.“ Ende des Zitats. Modellrechnungen, meine Damen und Herren, des Ministeriums als Grundlage von Zusicherungen für eine Ausnahmegenehmigung sind indes wohl kaum ausreichend.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Jörg Heydorn, SPD: Das ist ein bisschen wenig.)

Und, das will ich an der Stelle anfügen, die aktuellen Zahlen sind das Ergebnis von Elternentscheidungen, und zwar ohne einen Hinweis auf das erforderliche Probehalbjahr gemäß Schulgesetz.

Zweitens. Bei den betroffenen Schulen sind drei Gymnasien in Rostock, wo es mehrere Gymnasien gibt, und in zwei kleineren Städten betrifft es jeweils zwei Gymnasien. Bei diesen sogenannten Mehrfachstandorten sind die Hürden für eine Ausnahmegenehmigung erheblich höher, weil einerseits die Mindestschülerzahl statt 54 in diesen Fällen bei 61 liegt und andererseits das Kriterium des wohnortnahen Angebots ja offensichtlich nicht greift. Ich bin gespannt, wie diese Ausnahmegenehmigungen rechtlich begründet werden sollen.

(Marc Reinhardt, CDU: Es wird gar keine geben.)

Drittens. Die angekündigten Ausnahmegenehmigungen werden mit den Festlegungen in einer für das zweite Halbjahr 2008 geplanten Novelle des Schulgesetzes begründet. Dort sollen, so liest man, die Mindestschülerzahlen abgesenkt werden. Allerdings kommt dieses Schulgesetz im Entwurf doch erst nach dem Abschlussbericht der Bildungskommission zur Ersten Lesung eines Gesetzentwurfes der Landesregierung hier ins Parlament und wird für das Schuljahr 2008/2009 nicht mehr relevant sein. Wenn ich die dazu verfügbaren Aussagen lese, dann drängt sich der Verdacht auf, dass die Mindestschülerzahlen und andere Regelungen hauptsächlich wohl auf die Gymnasien zugeschnitten sind, nicht auf Gesamtschulen und andere Schulen. Es ist zudem ein doch etwas einmaliger Vorgang, dass ein noch nicht beschlossenes Gesetz dazu führt, dass geltendes Recht schon an kommende Rahmenbedingungen angepasst werden soll, denn Rechtsverordnungen, Erlasse und sonstige Entscheidungen sind ja wohl Rechtsakte.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Und woher weiß das Bildungsministerium, dass seine Vorstellungen im Parlament Bestand haben werden? Meine Damen und Herren, Gesetzgeber sind immer noch wir hier alle zusammen im Hohen Haus.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Ich kann nur an die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktion appellieren, ihrem Minister dies auch intern vielleicht zu erläutern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz unserer Kritik am bisherigen Verfahren sehen wir nach wie vor die Notwendigkeit der Erhaltung von Gymnasien besonders im ländlichen Raum.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Ich darf daran erinnern, dass wir mit dem 2002 beschlossenen Schulgesetz dafür Sorge getragen haben, dass zweizügige Gymnasien …

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Herr Reinhardt, hören Sie einfach zu!

(Marc Reinhardt, CDU: Das fällt mir schwer. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das ist egal. – Heike Polzin, SPD: So ist das.)

... weiterhin überhaupt möglich sind in diesem Land.

(Heike Polzin, SPD: Sie haben die abgesenkt.)

Damals stand nämlich die Frage von Zweizügigkeit oder Dreizügigkeit als Planungsgrundlage.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Und nach sehr intensiver fachlicher Diskussion wurde damals ganz bewusst die Entscheidung für zweizügige Gymnasien im ländlichen Raum und die Eingangsschülerzahl von 54 getroffen, weil nämlich das Problem eines zweizügigen Gymnasiums, im Übrigen auch der Gesamtschulen, nicht die Klassen 7 bis 9 sind, sondern die Sicherung einer qualitativ hochwertigen gymnasialen Oberstufe.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Angelika Gramkow, DIE LINKE: Richtig.)

Diese gymnasiale Oberstufe setzt eben eine sogenannte kritische Masse an Schülern voraus. Wird sie unterschritten, weil nämlich nicht alle Schülerinnen und Schüler, die in der 7. Klasse das Gymnasium besuchen, auch bis zur 12. am Gymnasium bleiben,

(Heike Polzin, SPD: Das ist schon traurig genug.)

werden die Möglichkeiten der Sicherung einer hohen Qualität der Schulbildung in der Oberstufe für die Schülerinnen und Schüler beschränkt und es ist schwierig, sie überhaupt dauerhaft zu sichern. Es besteht folglich die Gefahr, dass bei deutlicher und dauerhafter Absenkung der Eingangsschülerzahlen in Klasse 7 durch den ja vorkommenden Wechsel der Schüler vom Gymnasium an Regionalschulen oder an Berufl iche Schulen diese kritische Masse auf Dauer unterschritten wird. Wie man bei einer Absenkung der Schülerzahl mit diesem Problem umgehen will, habe ich noch nicht gehört.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das wird uns Herr Reinhardt noch erklären.)

In der Antwort auf meine Kleine Anfrage (Drucksa- che 5/1226) wird informiert, dass zum Zeitpunkt der Beantwortung zwei Grundschulen Anträge auf Ausnahmegenehmigungen vorgelegt haben. Die Erfahrungen

zeigen, dass garantiert auch andere Schulen und Schularten dazukommen könnten. Stutzig macht mich allerdings die Formulierung des Ministeriums, dass diese – Zitat – „Anträge zur Weiterführung … abweichend von den Festlegungen des Schulentwicklungsplanes“ vorliegen. Als Fakt ist das korrekt. Aber warum macht mich das stutzig?

Erstens. Für Gymnasien lagen bei der Zusicherung des Bildungsministers, nach Aussage auch des Hauses selbst, noch keine Anträge vor.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ja, ja. – Zurufe von Torsten Koplin, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Zweitens. Schließungsbeschlüsse dieser nunmehr 21 betroffenen Gymnasien sind in den Schulentwicklungsplänen nicht vorgesehen, wenn man die Anlage zur Drucksache 5/377 auf eine Kleine Anfrage meines Abgeordnetenkollegen Herrn Kreher danebenlegt.

Drittens. Wenn die Entscheidung der Planungsträger bei den beiden Grundschulen oder anderer Schulen, die eine Ausnahmegenehmigung beantragen, schon allein ein Grund sein sollte, eine Genehmigung zu versagen, dann würde mit unterschiedlichem Maß gemessen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Toralf Schnur, FDP: Alles schließen!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Beratung des Bildungsausschusses am 21.02. hat der Minister zugesichert, die Einzelfallprüfung nach den gesetzlichen Vorgaben durchzuführen. Ich gehe deshalb davon aus, dass diese Aussage nicht nur für die Gymnasien, sondern für alle Schularten gilt, wenn entsprechende Anträge der Schulträger vorliegen. Darum war ich sehr erstaunt, im „Nordkurier“ vom 26.02.2008 zu lesen, dass im bestandsgefährdeten Gymnasium in Malchin eine vom Bildungsministerium ausgestellte Sondergenehmigung zur Bestandssicherung vorliegen soll. Da würde mich schon interessieren, auf welcher rechtlichen Grundlage das denn geschehen sein könnte, wenn die Anmeldefrist, wie schon erwähnt, erst am 29.02. abgelaufen ist.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Uns auch. – Irene Müller, DIE LINKE: Tja, das ist ein Planvorsprung oder so. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Und im Interview vom 05.03. in der SVZ erklärt der Minister unter der Überschrift „Röbeler Erklärung gilt“, ich darf zitieren: „Zum Schuljahr 2008/2009 werden nach dem jetzigen Stand … noch 49 öffentliche Gymnasien und zwei Sportgymnasien Bestand haben.“ Ende des Zitats. Also doch 21 Ausnahmegenehmigungen per se.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass für alle Schularten gleiche Bedingungen herrschen und jeder Einzelfall nach gleichem Recht geprüft und auch entschieden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Genau.)

Ich habe im Bildungsausschuss am 21.02. wahrgenommen, dass auch Sie, meine Kollegen Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, das so sehen.

(Heike Polzin, SPD: Richtig.)

Der Änderungsantrag der FDP, ich will ganz kurz an dieser Stelle schon darauf eingehen, wird diesem, auch vor dem Hintergrund der Diskussion im Bildungsausschuss, nicht gerecht. Denn Ziffer 1 würde für das Schuljahr 2008/2009 nicht greifen, weil eine Gesetzesnovellierung so schnell überhaupt nicht praktikabel ist. Und zweitens ist das, was Sie da vorschlagen, fi nanzrelevant, fi nanziell nicht untersetzt und damit nicht abstimmungsreif.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Ich möchte Sie deshalb bitten, meine Damen und Herren Abgeordnete, unserem Antrag zuzustimmen und damit öffentlich deutlich zu machen, dass auch dem Landtag, der Landesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen eine Gleichbehandlung und eine Standortsicherung aller Schularten bei Einhaltung der geltenden Rechtslage wichtig ist. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)