Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der neue Chef des Landesfeuerwehrverbandes hat es bei der ersten Landespressekonferenz, bei der er gesprochen hat, sofort auf den Punkt gebracht: Es brennt bei den Freiwilligen Feuerwehren in unserem Land.
Das ist kein Erkenntnisprozess, der eben eingesetzt hat, aber es ist sehr wohl sein Verdienst gewesen, dass er sehr deutlich gemacht hat, welcher Erosionsvorgang bereits im Gange ist bei einem der wichtigsten Bereiche des Ehrenamtes überhaupt in unserem Land.
Und, meine Damen und Herren, die Folgen dieses Erosionsprozesses wären unabsehbar, sowohl für unser Land, für die Kommunen, für die Bürgerinnen und Bürger. Da gibt es schon heute gerade im ländlichen Raum, und ich weiß als Bürgermeister, wovon ich spreche, ganz akute Personalnöte, die die Einsatzfähigkeit gefährden. Es ist heute schon Usus, dass die Leitstellen oft genug zwei oder drei Feuerwehren gleichzeitig alarmieren, damit am Einsatzort dann auch die notwendige Personalstärke vorhanden ist.
Meine Damen und Herren, die Zahlen, die er ansonsten gebracht hat, klangen erst einmal unglaublich gut. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es 1.100 Freiwillige Feuerwehren. Es gibt ungefähr 36.000 organisierte Mitglieder, davon 6.000 Frauen. Und, meine Damen und Herren, es gibt 28.300 Männer und Frauen, die zur aktiven Wehr gehören. Die Zahlen für das Jahr 2005, die bereits da waren, sind ebenfalls beeindruckend. Zum Beispiel rückten die Freiwilligen Feuerwehren im Land zu 2.152 Einsätzen bei Bränden und zu 3.454 Hilfeleistungen im technischen Bereich aus. Das sind unter anderem Einsätze bei schweren und schwersten Verkehrsunfällen, zum Beispiel das Freischneiden eingeklemmter Personen. Es gibt aber auch Einsätze, die zu verschiedensten Sach- oder Elementarschäden erforderlich geworden sind.
Im Bereich der Jugendfeuerwehr, meine Damen und Herren, gibt es ebenfalls eine beeindruckende Zahl, nämlich die Zahl der aktiven Mitglieder in den Jugendfeuerwehren. Das sind immerhin 7.500 Jugendliche bei uns im Land und diese Jugendlichen sind in 744 Gruppen organisiert.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen mögen auf den ersten Blick keinen Anlass zur Sorge geben, aber sowohl
im Jugend- als auch im Erwachsenenbereich sank die Zahl der Mitglieder in den vergangenen Jahren erheblich. Allein die Jugendfeuerwehren verzeichneten in einem Jahr einen Mitgliederschwund von ungefähr 1.000 Mitgliedern. Erinnern Sie sich an die Zahl 7.500? 1.000 in einem Jahr weniger. Die Gründe hierfür sind natürlich vielschichtig. Ein Grund sind die gesunkenen Geburtenzahlen. Bei diesen gesunkenen Geburtenzahlen kommt es zu vermehrter Konkurrenz. Auch das ist logisch. Da gibt es ganz andere Freizeitangebote, übrigens sogar im ländlichen Raum, und das sind Konkurrenzen zum Beispiel zu Sportvereinen, Musikschulen, andere Freizeiteinrichtungen und so weiter. Aber damit ist der Grundstein für zurückgehende Mitgliederzahlen im Erwachsenenbereich gelegt, denn geringe Mitgliederzahlen im Jugendbereich führen zwangsläufi g zu weniger Mitgliedern im Erwachsenenbereich.
Im Übrigen sei an der Stelle Folgendes angemerkt: Viele Feuerwehren in den Altbundesländern bedanken sich ganz herzlich für hervorragend ausgebildete junge Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner, die aus unserem Land kommen
Meine Damen und Herren, kommt es dann noch zu einem Mitgliederschwund bei den Erwachsenenaktiven, spitzt sich diese negative Entwicklung geradezu dramatisch zu. Dieser zuletzt von mir angesprochene Mitgliederschwund hat zum Teil Ursachen, die eine Gesellschaft, die auf ehrenamtliches Engagement setzen muss, nicht akzeptieren kann. Zum einen sind da – im ländlichen Raum ist das Problem wieder besonders schwierig – die Berufspendler. Es ist einfach so, dass sie aufgrund der großen Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnort oft genug in der Woche und am Tage für Einsätze nicht zur Verfügung stehen können. Da sind aber auch Kameradinnen und Kameraden, die sehr wohl vor Ort einen Arbeitsplatz haben, aber aus Angst um ihren Job eine Teilnahme an Einsätzen, an Übungen, aber auch an Ausbildungen, absagen oder absagen müssen, und das trotz gesetzlich geregelter Freistellungspfl icht für aktive Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren. Und deswegen heißt es häufi g, entweder Job oder Feuerwehr.
Diese Einstellung existiert bedauerlicherweise nicht nur bei vielen privaten Arbeitgebern, sondern längst darüber hinaus, auch beim öffentlichen Dienst. Auch dort gibt es Schwierigkeiten mit der Freistellung von Feuerwehrleuten für Einsätze und Lehrgänge. Es ist schon ein schlimmes Alarmzeichen, wenn der vorhin von mir zitierte neue Landesbrandmeister Heino Kalkschies sich genötigt sieht, sich mit einem Appell an die zuständigen Bürgermeister zu richten und ihnen zu sagen, dass sie für ihre ehrenamtlichen Einsatzkräfte und für die Nachwuchsgewinnung doch endlich mehr einsetzen möchten. Ja, und im schlimmsten Fall bleibt den ehrenamtlichen Rettern nur der Verzicht auf eine aktive Mitarbeit in der Feuerwehr.
Meine Damen und Herren, diese Entwicklung muss schnellstens beendet werden. Die Kinder und Jugendlichen müssen wieder mehr für die Arbeit in den Freiwilligen Feuerwehren interessiert werden. Gerade im frühen Kindesalter lassen sich Jungen und Mädchen für die Arbeit bei der Feuerwehr begeistern. Diese Begeisterung muss aufgefangen und muss gefestigt werden.
Den älteren Jugendlichen muss vor Augen geführt werden, dass das Leben sich nicht in einer wie auch immer gearteten Spaßgesellschaft erschöpft, sondern dass es darum geht, im besten Bürgersinne Verantwortung für andere zu übernehmen. Das kann zum Beispiel an Tagen der offenen Tür, bei Schnupperkursaktionen in Schulen und so weiter geschehen.
Dabei müssen die Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehren ganz praktisch dargestellt werden. Es muss den Kindern Spaß machen. Nur so können Kinder und Jugendliche die Bedeutung dieser Arbeit für die Allgemeinheit erkennen.
Die öffentlichen und privaten Arbeitgeber müssen eindringlich auf ihre Freistellungspfl icht hingewiesen werden. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitsgebers, meine Damen und Herren, muss hinter das öffentliche Interesse einer effektiven Brand- und Katastrophenabwehr zurücktreten. Auch in Zukunft muss gewährleistet sein, dass gut ausgebildete Feuerwehren in 15 Minuten am Brand- oder am Unfallort sein können. Und wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, dann wird es in dieser Legislaturperiode um ein ganzes Bündel von Maßnahmen und Initiativen gehen. Ich erinnere daran, wir haben gerade in der letzten Sitzung des Innenausschusses im Zusammenhang mit dem Nachtrag auch über die Verbesserung der Ausbildungssituation zum Beispiel an der Landesfeuerwehrschule in Malchow gemeinsam diskutiert. Da geht es um diese A12-Stellen.
Da geht es darum, dass der Stau gerade bei der Ausbildung von Führungskräften in den Feuerwehren unbedingt aufgehoben werden muss.
Es geht aber noch um ganz andere Dinge, die wir anpacken müssen, zum Beispiel die Anpassung der aus dem Jahr 2000 stammenden Entschädigungsverordnung, zum Beispiel für die Amtswehrführer. Wir alle wissen, dass die Amtsgebiete um vieles größer geworden sind und die Aufgaben, die solche Amtswehrführer zu erledigen haben, und nicht nur die Entfernungen, haben sich erheblich entwickelt. Auch dort gibt es Anpassungsbedarf. Wir werden gemeinsam darüber nachdenken müssen, dass wir noch in dieser Legislaturperiode das Landesbrandschutzgesetz novellieren müssen.
Aber, meine Damen und Herren, ganz bewusst am Anfang wollen wir mit und über die Menschen sprechen, die Männer und Frauen, die bei uns im Land freiwillig und im Ehrenamt zu einem Synonym geworden sind, nämlich für Schnelligkeit, für Mut, für einen selbstlosen Einsatz für andere Menschen. Deshalb lassen Sie uns bitte gemeinsam mit dem Landesfeuerwehrverband, mit den Trägern des Brandschutzes, den Kommunen, mit den Kreisbrandmeistern, mit den Kameradinnen und Kameraden der Wehren vor Ort nach Wegen suchen, wie es gelingen kann, dass es für die Leistung unserer Wehren für unser Gemeinwesen endlich mehr Wertschätzung im wahrsten Wortsinne in unserem Land gibt.
Und auch wenn mein Kollege Müller nachher etwas zu Ihrem Antrag sagen wird, meine Damen und Herren von der Linkspartei, haben wir da einen völlig unterschiedlichen Ansatz. Wenn Sie zum Beispiel unter Punkt 1
schreiben, dass die Landesregierung aufgefordert werden soll, „für die Freiwilligen Feuerwehren … eine Imagekampagne vorzubereiten und durchzuführen“, meine Damen und Herren, sehen wir das völlig anders. Nicht die Landesregierung macht etwas für die Feuerwehren, sondern wir müssen es gemeinsam mit den Kameradinnen und Kameraden tun.
(Unruhe bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zurufe von Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)
Und wenn Sie sich dann noch überlegen, dass Sie in diesem Antrag zum Beispiel den Landesfeuerwehrverband vollkommen vergessen haben, dann denken Sie bitte daran, dieser Landesfeuerwehrverband ist kein Appendix der Landesregierung oder des Innenministeriums, sondern das ist sehr wohl ein Verband, der für sich selbst spricht und der vor allen Dingen für die Feuerwehren im Lande spricht.
Meine Damen und Herren, ich sage es ganz deutlich, jetzt ist leider Frau Keler gerade nicht da, aber ich sage ganz deutlich: Es wird auch um Geld gehen müssen dabei.
Meine Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Jahren erheblich investiert in Feuerwehrgerätehäuser, in Feuerwehrtechnik. Wir haben in unglaublich kurzer Zeit einen Rückstand aufgeholt und das ist wirklich aller Ehren wert. Dieser oder jener von Ihnen mag sagen, manchmal ist man bei Investitionen hier und da auch ein wenig über das Ziel hinausgeschossen, auch das mag gelten. Aber, meine Damen und Herren, wir sind jetzt an einem Punkt, wo es nicht mehr darum geht, in Technik zu investieren, sondern in Köpfe
Und wenn man bedenkt, dass ein einfaches Tanklöschfahrzeug für eine Stützpunktfeuerwehr ungefähr 250.000 Euro kostet, dann darf uns die Investition in Köpfe doch wohl dieses Geld bitte auch wert sein.
(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Dann haben wir wieder eine Finanzrelevanz und dann muss er in den Ausschuss.)
Letztlich, meine Damen und Herren, und das liegt mir wirklich ganz besonders am Herzen, muss es uns gelingen, dass in einer breiten Öffentlichkeit viel mehr, als es bisher anerkannt wird, präsent ist, was diese ehrenamtlichen Retter täglich für das Wohlergehen aller Menschen in diesem Land tun. Sie alle wissen, wie schnell zum Beispiel in den Medien darauf reagiert wird, wenn es nur ein schwarzes Schaf gibt,
irgendwo ein Feuerwehrmann zum Beispiel Brandstifter geworden ist. Aber auf diese tausend kleinen Heldentaten, die dort vollbracht werden, wird fast gar nicht reagiert, meine Damen und Herren.