Protocol of the Session on June 30, 2011

Vielen Dank, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt noch einmal die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Sehr geehrter Herr Roolf! Es zeichnet sich ab, dass es eine breite Mehrheit für den Antrag gibt, aber ich habe Ihren Redebeitrag und auch Ihre Fragen so verstanden, dass Sie sagen, in der Sache Ja, aber für mich sind da irgendwo noch Fragen offen, und ich würde gern auch noch mal die Gelegenheit nutzen, vielleicht die eine oder andere zu beantworten, um Ihnen da eine Brücke zu bauen und zu sagen, okay, das geht auch.

Also zum einen gab es hier schon öfter Anträge und Initiativen von unterschiedlichen Fraktionen, die wir als Landesregierung machen sollten im Bundesrat, die den Haushalt des Bundestages auch immer betroffen hätten.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, ja, die von uns haben Sie abgelehnt.)

Also das war hier noch nie der Maßstab, aber trotzdem ist es ja immer ein berechtigtes Kriterium. Aber es ist so, wie Herr Heydorn gesagt hat, wenn dieser Deckel angehoben werden würde, dann würde nicht der Haushalt des Bundestages betroffen sein, sondern der Haushalt der Rentenversicherungen. Es ist auch richtig, dass es den Steuerzuschuss gibt zur Rentenversicherung. Den gibt es aber, um vor allem rentenfremde Leistungen abzufedern,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau. Ganz genau.)

Leistungen, die sich bisher nicht aus den Geldern der Beitragszahler ergeben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: War auch ein Einnahmedefizit.)

Über was wir hier aber reden, ist keine rentenfremde Leistung, sondern es ist genau eine Leistung, die ja demjenigen, der schon Rentenversicherung zahlt, auch zugute kommen soll.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Es geht also um den, der immer in die Rentenversicherung einzahlt, auf einmal einen Unfall hat, krank ist und jetzt eine Reha braucht und dann noch eine Umschulung bekommt, weil er vielleicht nicht mehr in seinem Urberuf tätig sein kann. Davon bin ich fest überzeugt, dass wir uns hier einig sind, dass das erst mal wichtig ist, dass die Leute die Rente kriegen, um wieder in Arbeit zu kommen, für den Menschen selber, für seine Existenz, aber auch für seine eigene Würde, weiter im Arbeitsleben dabei zu sein, für den Fachkräftemangel und dafür, die Rentenversicherungen wieder zu stärken.

Es gibt ja nun zwei Möglichkeiten, entweder derjenige bekommt nicht gut eine Rehabilitation und muss dann erwerbsunfähig werden, hat selbst keine Arbeit, oft Existenzprobleme, weil die Erwerbsminderungsrente sehr gering ist und steht ja nicht mehr als Beitragszahler diesem System zur Verfügung, das ist sogar eine Belastung für die Rentenversicherungen, oder wir schaffen es, mit guten Rehamaßnahmen die Leute wieder in Arbeit zu bringen nach der Reha. Und dann ist es sozusagen wieder eine Einzahlung sogar in die Rentenversicherung.

Ich finde, das ist jetzt ein gutes Beispiel, dass wir oft in unserem Sozialversicherungssystem, auch beim Gesundheitswesen – wir haben hier schon oft darüber diskutiert – nämlich leider das System haben, anstatt, dass wir vorne investieren, sagen, da machen wir jetzt mit 1 bis 2 Euro mehr, dann kommt hinten sogar noch was raus. Dann haben wir da einen Deckel, der dazu führt, dass die Rentenversicherung eher belastet wird, weil die Leute nicht mehr in Arbeit sind, nicht bezahlen können und Sozialleistungen brauchen.

Also insofern sehe ich da nicht die Sorge der Belastung, sondern eine mögliche Entlastung, und nicht des Haushalts, sondern im Rentenversicherungssystem. Dazu kommt, dass wir zum Glück wegen der guten Konjunktur steigende Rentenversicherungsbeiträge haben, wo ja jetzt schon wieder über Senkung und so nachgedacht wird, aber auch daraus könnte man sozusagen solche

sinnvollen Leistungen vorfinanzieren. Und es geht auch nicht darum zu sagen, jetzt kann zukünftig alles, was notwendig ist oder irgendwie beantragt wird, bezahlt werden. Es geht nur darum, dass der Ausgabendeckel, der seit Langem eingefroren ist und sich eben demografisch so niederschlägt, weil wir immer weniger Versicherte haben, angehoben werden soll – nicht geöffnet open end, sondern angehoben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber die Begründung ist ein bisschen anders.)

Wie man das macht, in welchem Umfang, darüber kann man reden. Und ich will Ihnen sagen, wir haben ja die Bundesratsinitiative, die bringen wir im Bundesrat ein jetzt im Juli, und wir haben die Nachrichten aus allen Bundesländern, also auch parteiübergreifend, dass dieser Antrag wahrscheinlich eine breite Mehrheit findet, sodass er auch nicht politisch zwischen den verschiedenen Parteien zerstritten ist.

Ich wollte einfach nur die Gelegenheit nutzen, da vielleicht die einen oder anderen Bauchschmerzen, die Sie in dem Zusammenhang haben, zunehmen, um vielleicht auch noch mal eine Brücke zu bauen, dass dieser Antrag doch die Mehrheit aller demokratischen Fraktionen bekommt. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir mit diesem Rückenwind dann am 8. Juli im Bundesrat dafür auch eine Mehrheit bekommen und wirklich damit was auf den Weg bringen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wenn wir Ihnen Rückenwind geben sollen, dann ist es vorbei.)

Dann dauert es ja auch noch, ehe die Bundesregierung was macht, dass wir wirklich hier an dieser Stelle weiterkommen. Der Antrag kommt daher, dass uns ganz konkret die Rehavereine angesprochen haben, die DMSG, wie KISS, die sagen, wir kommen da an Grenzen. Das ist ein ganz konkreter Antrag, der, glaube ich, allen gut zu Gesicht stehen würde. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Irene Müller, DIE LINKE: Im Bundestag haben es wohl die Grünen angesprochen. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die Begründung sah ein bisschen anders aus.)

Vielen Dank, Frau Schwesig.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/4404. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/4404 bei Zustimmung der Fraktion der SPD, der CDU, der LINKEN, einer Zustimmung aus der Fraktion der NPD, Gegenstimmen habe ich nicht gesehen, dafür Enthaltung der Fraktion der FDP und der Abgeordneten der NPD, angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Entschließung zur Neuordnung der Kulturförderung, Drucksache 5/4420.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Entschließung zur Neuordnung der Kulturförderung – Drucksache 5/4420 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Koplin für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer, so möchte ich zu Beginn der Einbringung unseres Entschließungsantrages fragen, trägt Verantwortung für die Kultur? Die Antwort, und da sind wir uns sicherlich einig, müsste lauten: Wir, wir alle, die Bürgerinnen und Bürger, die Kulturschaffenden wie die Nutzer, die Autorinnen und Autoren wie die Verlage, die Künstlerinnen und Künstler wie die Museen und Galerien, die Vereine und Verbände, die Kirchen und die Medien, die Parteien und der Staat; der Staat nicht zuerst, aber ganz gewiss auch nicht zuletzt.

Der Staat ist nach unserem Verständnis seitens der LINKEN nicht für Kunst und Kultur zuständig, jedoch maßgeblich für die Bedingungen, unter denen sie gedeihen können. Er trägt die kulturpolitische Verantwortung für die Rahmenbedingungen, in denen sich die Gesellschaft sowie der Einzelne entfalten können. Der Kulturförderung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie ist eine wichtige Komponente der besagten Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur.

Wie steht es um die Kulturförderung hierzulande? Meine Fraktion schätzt, Herr Mantei, die Kulturförderung, eingestellt im Landeshaushalt mit 9,5 Millionen Euro, nicht gering.

(Matthias Mantei, CDU: Gut.)

Dass wir sie dennoch für nicht ausreichend halten, steht auf einem anderen Blatt. Auch dass in diesem Jahr zwei Drittel aller auf dem Gebiet der Kultur gestellten Förderanträge berücksichtigt wurden, findet unsere Anerkennung. Zugleich wissen wir, Herr Mantei, dass so mancher Antrag aufgrund vermeintlicher beziehungsweise tatsächlich geringer Erfolgsaussichten gar nicht erst gestellt wird. Die Höhe der im Landeshaushalt eingestellten Mittel für Kulturförderung oder die Anzahl der beantragten und bewilligten Förderanträge liefern kein vollständiges Bild über die hiesige Kulturförderung.

Bezeichnender sind dann schon die Zustandsberichte in den Medien. Da stößt man auf Schlagzeilen, die Ungutes ahnen lassen. Zitat: „Bibliotheken sterben in Mecklenburg-Vorpommern“ titelt die „Ostsee-Zeitung“ am 16. September 2008. „Verband: Kleine Museen in finanzieller Schieflage“ heißt es am 9. Oktober 2009 in derselben Zeitung. Die SVZ wählt für ihren Artikel über Kulturförderung, besser gesagt, Kulturnichtförderung am 23.03. dieses Jahres die Überschrift „Aufstand der Kunstvereine“.

Um authentisch zu erfahren, wie es um die Kulturförderung steht, fragt man am besten die Kulturschaffenden selbst. Auf Antrag der FDP-Fraktion – dafür bin ich sehr dankbar – tat dann dies auch der Fachausschuss vor einigen Wochen. Die Antworten der Sachverständigen auf die Fragen der Abgeordneten waren für das zuständige Ministerium alles andere als schmeichelhaft. Das Bildungsministerium ließ es bei der Kulturförderung an Transparenz fehlen, hieß es da. Die Kriterien der Förderung wären nicht nachvollziehbar. Es sei undurchsichtig, wie man im Ministerium zu den Entscheidungen für oder gegen einen Förderantrag käme. Hinzu käme, dass der Aufwand für die Beantragung von Fördermitteln ständig steigen würde. Geradezu existenzbedrohend sei die verspätete Projektförderung innerhalb des jeweiligen Haushaltsjahres. Einzelne Projekte würden so beständig Gefahr laufen wegzufallen. Kulturschaffende

wären somit geradezu gezwungen, ins private Risiko zu gehen. Neben all dem sei ein schleichender Rückgang der Fördermittelhöhe festzustellen. Dieser käme für viele Kulturinitiativen einem Tod auf Raten gleich. Einige Kulturschaffende berichteten über fehlende Kommunikation seitens des Bildungsministeriums und wünschten sich kompetentere Beratung und Begleitung.

Nach der harschen Kritik der Expertinnen und Experten in eigener Sache an der Kulturförderung des Bildungsministeriums erfolgten von dort, aber auch von der CDUFraktion, eiligst beschwichtigende Erklärungen. Die Kulturförderung sichere Angebote für alle Menschen im Land, vermeldete die CDU und lag mit dieser Einsicht genau neben der beschriebenen Problemlage.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Na selbstverständlich.

(Matthias Mantei, CDU: Das ist jetzt aber deine Sichtweise.)

Das ist die Sicht unserer Fraktion.

Aus dem Ministerium attestierte man den kulturellen Initiativen gar Zufriedenheit und verwies auf die Kulturanalyse des Landes. Mit dieser ging man seinerzeit anderen Fragestellungen nach. Aber was tut man nicht alles aus Verzweiflung, um sich die Wirklichkeit doch noch irgendwie schönzureden?!

(Matthias Mantei, CDU: Oder man redet sie halt schlecht, so, wie DIE LINKE das tut.)

Sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsbank und der Koalitionsfraktionen, verantwortungsvolle Kulturpolitik sieht anders aus. Es muss doch vor allem und zuerst um ihren Stellenwert gehen. Kulturförderung muss als eine Investition in die Zukunft unseres Bundeslandes verstanden werden. Zitat: „Investitionen in die kulturelle Infrastruktur einer Gesellschaft sind nicht weniger wichtig als Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur derselben Gesellschaft“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert unlängst und zitierte dann auch den Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaft Phelps mit den Worten: „Die Kultur eines Landes ist mitentscheidend für seine wirtschaftliche Performance.“

Wenn diese grundsätzliche Einstellung zur Bedeutung der Kulturförderung erst einmal gewonnen ist, ändert sich auch das Verhältnis zwischen Landespolitik einerseits und kulturschaffenden Künstlerinnen und Künstlern andererseits. Sie sind die kulturellen Leistungsträger und Leistungserbringer. Wenn sie sich aber zu Bittstellern degradiert fühlen – das ist auch so eine Einschätzung gewesen, die wir in unseren Unterlagen vorfanden anlässlich der Anhörung, wie es einige von dem Fachausschuss dargelegt haben –, dann stimmt etwas an der Arbeit des Ministeriums nicht.

Es kommt, sehr geehrte Damen und Herren, also in Fragen der Kulturförderung auf zwei Dinge an, die eng miteinander verbunden sind: ein neues Denken und ein neues Ordnen von Kulturförderung.

„Kultur neu denken“ heißt für meine Fraktion unter anderem:

Erstens. Kulturschaffende und Künstlerinnen und Künstler in unserem Land leisten eine gesamtgesellschaftlich wichtige, sehr wertvolle Arbeit. Sie benötigen alle Unterstützung, die wir aufbringen können. Orte ihres Wirkens sind offene demokratische Austauschplattformen und

unverzichtbar für eine gedeihliche gesellschaftliche Entwicklung.

Zweitens. Kulturelle Leistungen und Güter im Land dienen nicht der Befriedigung einzelner Interessen. Sie sind Basis für Bildung und kreative Schaffenskraft. Unterstützungsleistungen vonseiten der Politik, insbesondere Kulturförderung, muss deshalb verlässlich und berechenbar sein.