Protocol of the Session on June 28, 2011

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Die Debatte zur vorliegenden Verfassungsänderung war für uns schon sehr erhellend, denn Sie, meine Damen und Herren,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Stimmen Sie jetzt zu, oder was?)

konnten uns nicht ein einziges Mal ein Argument liefern, das diese überhastete Verankerung in unserer Landesverfassung rechtfertigt. Das wundert uns allerdings nicht, denn sowohl die rechtspolitischen Sprecher der demokratischen Fraktionen als auch die finanzpolitischen Sprecher waren sich einig, in dieser Legislaturperiode besteht kein Handlungsbedarf. Also Symbolik, Symbolik, Symbolik.

Aber es geht noch weiter. Einig waren wir uns in der Bewertung, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse in Bezug auf die Einbeziehung der Länder verfassungswidrig sei. Und da ist es schon komisch zu hören, dass jetzt davon gesprochen wird, dass man auf dem Boden des Grundgesetzes steht, andere, die heute nicht zustimmen werden, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Und dann ist auch fraglich, warum hier die Frage des Budgetrechtes aus so einer fragwürdigen Debatte oder mit fragwürdigen Argumenten dargestellt wird. Wir waren uns einig, dass das, was im Grundgesetz verankert ist, die Länder in ihrem Budgetrecht beschneidet. Und das wollten wir gemeinsam nicht zulassen.

Ich kann mich noch sehr gut an die Beratung und die Diskussion erinnern. Wir haben uns der Position des ehemaligen Landtagspräsidenten Schleswig-Holsteins Kayenburg angeschlossen, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verletze das Bundesstaatsprinzip und das Demokratieprinzip. Sie, Dr. Jäger, haben sogar dafür plädiert, eine eigenständige Verfassungsklage von Abgeordneten zu unterstützen

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

und diese mitzufinanzieren. Wo bleibt denn nun der Einsatz für die Einhaltung des Grundgesetzes an dieser Stelle und damit für die Einhaltung des Budgetrechtes der Länder?

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das sind zwei Paar verschiedene Schuhe, Frau Borchardt.)

Das sind nicht zwei verschiedene Schuhe.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Natürlich sind das zwei Paar verschiedene Schuhe.)

Das sind nicht zwei verschiedene Schuhe.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wenn Sie das immer noch nicht verstanden haben, dann frage ich mich, warum Sie überhaupt noch reden.)

Und wenn Sie noch so doll schreien und wenn Sie noch so doll rumkrähen, es sind nicht zwei verschiedene Schuhe.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Natürlich sind das zwei Paar verschiedene Schuhe. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Vincent Kokert, CDU)

Wir waren uns darüber einig, die Verfassungsklage abzuwarten und zu gucken, ob überhaupt das, was in der Verfassung, dem Grundgesetz jetzt verankert ist, vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist der eine Schuh.)

Wenn es denn Bestand hat, dann sollten wir darüber nachdenken, welche Varianten für die Schuldenbremse für unsere eigenständige Verfassungsregelung gelten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, aber wir haben uns jetzt schon entschieden. Das ist der zweite Schuh.)

Sie haben sich gleich entschieden, ohne abzuwarten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Und das ist aus unserer Sicht ein wirklicher Beweis von vorauseilendem Gehorsam.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger, Frau Borchardt.)

Sie geben doch jetzt schon Ihr Budgetrecht auf und sagen: Macht mal, wir gehorchen!

(Egbert Liskow, CDU: Machen wir nicht. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Vincent Kokert, CDU)

Doch, Sie machen das.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Schnallen Sie das doch endlich! – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Glaubwürdig, meine Damen und Herren, ist das alles nicht.

Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken, die man nicht verschweigen kann, und neben den kommunalpolitischen Bedenken sind es auch die finanzrechtlichen Bedenken, die uns als LINKE davon abhalten, der Schuldenbremse in der derzeitigen Form zuzustimmen. Ich betone, in der derzeitigen Form! Das betone ich ausdrücklich, weil Sie heute auch hier in dieser Debatte versucht haben, den Eindruck zu vermitteln, dass sich DIE LINKE deshalb einer Zustimmung verweigert, weil wir uns gegen eine solide, verlässliche Finanzpolitik wenden.

Mal ganz nebenbei: Die uns vorliegende Schuldenbremse ist nicht automatisch ein Garant für eine solide und verlässliche Finanzpolitik. Es kommt auf die Politik an, auf uns. Das wurde uns auch im Rechts- und Euro

paausschuss in der Anhörung bestätigt. Ich möchte an dieser Stelle einmal die Stellungnahme von Professor Dr. Korioth zitieren. Da heißt es: „Es kommt in erster Linie nicht auf die Konstruktion einer verfassungsrechtlichen Schuldenbremse an, sondern darauf, die Bremse entschlossen zu betätigen. Jede Schuldenbremse, so gut... sie letztlich ist, ist ohne Bremser wertlos. Insoweit muss skeptisch beurteilt werden, ob die sprachlich, systematisch und inhaltlich überwiegend fragwürdigen... Regelungen des Grundgesetzes... geeignet sein können, zukünftig die Neuverschuldung wirksam zu begrenzen.“ Zitatende.

An dieser Stelle sei noch einmal ein Blick in die Vergangenheit gestattet. Wir haben uns in der Vergangenheit auch ohne die zu beschließende Schuldenbremse als Bremser betätigt. Wir stehen für eine stabile und ausgeglichene Politik, auch ohne Schuldenbremse.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber ob Sie das auch in Zukunft tun, das wissen wir nicht.)

In Zeiten unserer Regierungsbeteiligung haben wir durch schwierige und zum Teil schmerzhafte Konsolidierungen gemeinsam mit der SPD den Haushalt wieder in den Griff bekommen. Und wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU hier heute sagt, wir müssen unsere Regierungsfähigkeit beweisen, dann kann ich an der Stelle nur sagen, dann sollte die CDU über Regierungsfähigkeit in Zukunft überhaupt nicht mehr nachdenken.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Denn bis zur 2. Wahlperiode waren Sie es, die in der Regierungsbeteiligung dieses Land in eine Überschuldung getrieben haben, zu der wir heute noch schmerzhafte Einschnitte im Haushalt machen müssen. Das haben Sie vergessen.

(Vincent Kokert, CDU: Wir müssen mal über die 40 Jahre davor reden, Frau Borchardt.)

Das muss man Ihnen immer wieder und immer wieder, immer wieder und immer wieder sagen.

(Vincent Kokert, CDU: Verdrehen Sie doch hier nicht die Tatsachen!)

Die Tatsachen sind doch ganz klar. Gucken Sie sich doch den Haushalt von 1991 bis 1995/1996 an.

(Beate Schlupp, CDU: Von wo sind wir denn gestartet? Wer hat uns denn dahin gebracht?)

Gucken Sie sich das doch an! Die Überschuldung hat drastisch zugenommen, drastisch.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Und das, was wir heute an Sünden zu zahlen haben, haben Sie mit verursacht.

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Vincent Kokert, CDU)

Dann sprechen Sie bitte an dieser Stelle, wenn es darum geht, eine solide Haushaltspolitik zu machen, nicht über Regierungsfähigkeit, die wir angeblich zu beweisen haben. Die haben wir in acht Jahren bewiesen. Wir haben den Haushalt konsolidiert.

(allgemeine Unruhe – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Glocke der Vizepräsidentin – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Nur durch unsere Haushaltspolitik gemeinsam mit der SPD konnten Sie überhaupt 2006 ohne Schulden den neuen Haushalt aufstellen.

(Egbert Liskow, CDU, und Torsten Renz, CDU: Da haben wir doch mitgearbeitet. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)