Protocol of the Session on March 16, 2011

Warum tauchen die in Paragraf 1 Absatz 2 für den Lehrerberuf relevanten Professionsfelder zur individuellen Förderung oder zu pädagogischen Kompetenzen bei sozialpädagogischen Problemstellungen nicht auf,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Beantworten Sie die Frage mal bitte!)

dafür aber die Hochbegabtenförderung und die Lernstandserhebungen, die es bei anderen Lehrämtern wiederum nicht gibt?

Und es gibt im Gesetzentwurf, meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalition, keine generellen Zielstellungen für das Praktikum, was hier so oft beschworen wird, noch Aussagen zu den Grundprinzipien seiner Gestaltung und Betreuung.

Der Beginn der neuen Lehramtsausbildung wird für zwei Lehrämter bereits für das Wintersemester 2011/2012 vorgesehen. Das halte ich für illusorisch. Solche Fragen wie die Studienordnungen oder die Lehrerprüfungsverordnung müssen doch vorher erarbeitet werden. Und die Studienordnungen müssen zudem von den Hochschulgremien und anschließend vom Bildungsministerium genehmigt werden. Wie soll denn das realisierbar sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, bis zum 1. August dieses Jahres?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Im Tempo des Gesetzgebungsverfahrens. Das erleben wir doch gerade.)

Es ist nach Einführung des Gesetzes auch zu hoffen, dass dann endlich die Studienordnungen für die Lehramtsstudiengänge wie vorgeschrieben vom Bildungsministerium genehmigt werden. Das ist gegenwärtig nämlich überhaupt nicht der Fall.

In Paragraf 4 Absatz 2 wird gefordert – jetzt wird es ja ganz prickelnd –, dass sich alle Studierenden „vor Aufnahme des Studiums einer verpflichtenden Studienberatung … unterziehen“. Das ist im Prinzip okay. Fin nisches Vorbild, sage ich da nur. In der Erläuterung liest man, Zitat: „Die lehrerbildenden Hochschulen sind verpflichtet, für Studieninteressentinnen und Studieninteressenten Instrumente zur persönlichen Eignungsabklärung vorzuhalten.“ Ende des Zitats.

Dazu folgende Fragen: Welche juristischen Konsequenzen ergeben sich aus einer Empfehlung oder Nichtempfehlung? Welche gesicherten Testverfahren liegen dafür vor und wie ist die Vergleichbarkeit an den einzelnen Einrichtungen gewährleistet? Welche personellen Ressourcen und zeitlichen Abläufe sind dafür denn vorgesehen? Ich kann doch hier keinen gesetzlichen Auftrag formulieren und gar nicht wissen, wie das umgesetzt werden soll.

Mal ein Rechenbeispiel: An der Uni Rostock gab es in diesem Studienjahr für 729 Plätze 6.362 Bewerberinnen und Bewerber.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die sollen alle getestet werden?)

Nimmt man mal eine Gesprächsdauer von 20 Minuten an, dann wären dafür circa 2.100 Stunden erforderlich. Das sind 265 Arbeitstage zu je acht Stunden. Wer, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll denn diese Anforderung erfüllen?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist ein Arbeitsjahr.)

Damit soll es an dieser Stelle genug sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dieser Gesetzentwurf, so, wie er uns hier heute vorliegt, wirft viel mehr Fragen auf, als er beantwortet. Den möglichen Verweis auf die mit den in Paragraf 7 und anderen Vorschriften angekündigten Verordnungen zur inhaltlichen Ausgestaltung kann ich so nicht gelten lassen. Der Landtag soll ein Gesetz beschließen und keine Blackbox. Meine Fraktion wird also dieser entsprechenden Gesetzesvorlage der Koalitionsfraktionen nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr gut, Andreas.)

Vielen Dank, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt der Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Tesch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem von den Fraktionen der CDU und SPD vorgelegten Entwurf eines Lehrerbildungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern wird ein Weg, und wir haben das heute schon gehört, konsequent zu Ende geführt, der mit den Koalitionsvereinbarungen eingeschlagen und mit den Landtagsbeschlüssen zur Modernisierung der Lehrerbildung und zu den Eckwerten der Hochschulentwicklung 2011 bis 2015 fortgeführt worden ist, das heißt der Weg, die Lehrerbildung in unserem Land umfassend zu modernisieren und erstmals in Mecklenburg-Vorpommern auf ein recht stabiles Fundament zu stellen.

Ich denke, Sie waren ja im Ausschuss dabei, Herr Vizepräsident Bluhm, wo klargelegt worden ist, welche Unterlagen vorgelegt werden und welche Fragen im Einzelnen auch zu beantworten sind. Es ist klar, dass mit diesem Gesetz verbindlich der Gesamtkomplex der Lehrerbildung geregelt und in seinem inhaltlichen Zusammenhang dargestellt wird – Gesamtkomplex, das bedeutet eben alle drei Phasen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung: das Lehramtsstudium, der Vorbereitungsdienst und die Fort- und Weiterbildung.

Klar ist auch, dass mit dem Gesetz die Ziele, die Inhalte, die Verfahrenswege und Leistungsanforderungen in der Lehrerbildung geklärt werden. Ich verweise auch darauf, dass die unumgänglichen Voraussetzungen für den Gesetzentwurf der Fraktionen vorab durch die Landesregierung geschaffen worden sind. Und das ist – das ist in diesem Haus schon das eine oder andere Mal gesagt worden – eben das Vorlegen einer Lehrerbedarfsplanung bis zum Jahr 2030.

Ich finde, die Regierungskoalition insgesamt kann sich sozusagen wirklich auf die Brust klopfen und sagen, das ist singulär in Deutschland. Denn ich habe in der letzten Woche in der Kultusministerkonferenz noch mal darauf hingewiesen, dass ich mir schon wünschte, dass alle anderen 15 Länder Gleiches täten.

(Marc Reinhardt, CDU: Genau.)

Auch das ist eine Frage von Zukunftssicherung für junge Menschen, zu wissen, was wird eigentlich gebraucht. Studieren darf jeder sowieso, was er möchte, aber zu wissen, ob auch ein Bedarf in Deutschland da ist, halte ich auch für zukunftssicher. Den Abschluss der Zielvereinbarungen mit den Hochschulen, denke ich, kann man auch nach vorne stellen. Das waren alles Vorarbeiten, die geleistet werden mussten.

Meine Damen und Herren, die Lehrerbildung in unserem Land entspricht nicht mehr den aktuellen Erfordernissen und bedarf einer Umgestaltung. Und ich glaube auch, dass man die Diskussion breit anlegen kann, aber dem Trugschluss zu unterliegen, dass man jeder einzelnen Gruppe – und Sie haben ja die Anhörung angesprochen – Genüge tun kann, und zu glauben, am Ende hat man ein Gesetz, das wird nicht gelingen. Das ist eben auch die politische Verantwortung von Regierung und Regierungskoalition zu sagen, wann wollen wir einen solchen Schritt gehen.

Es ist wirklich nicht respektlos gemeint, wenn wir – und da nehmen wir uns alle in die Pflicht – sagen, wir haben 21 Jahre gebraucht. 21 Jahre! Ich habe am Anfang der 90er-Jahre Sozialkunde unterrichtet, deshalb weiß ich, Herr Bluhm, dass Sie auch von Anfang an im Landtag dabei sind, dass im Oktober 1990 der Landtag sich konstituiert hat. Insofern glaube ich einfach auch, dass Sie wissen, wie schwierig und anstrengend ein solcher Prozess ist. Denn es hat an dieser Stelle noch nie jemand Häme darüber ausgeschüttet, dass das so lange gedauert hat, weil objektive und subjektive Gründe immer ein gewolltes Vorhaben kurz vor dem Ziel aufgehalten haben oder nicht. Es war jetzt einfach wichtig, hier diesen Schritt zu gehen und die Umgestaltung voranzubringen.

Und die Studieninhalte sind momentan eben nicht angepasst an das aktuelle schulische und gesellschaftliche Anforderungsniveau. Es fehlt eben ein frühzeitiger Bezug zum Berufsfeld. Und auch darüber lässt sich streiten, welche Instrumente geeignete sind. Wir brauchen aber neue Qualifikationsanforderungen und damit eine konsequente Ausrichtung der Ausbildung auf das Berufsfeld. Und die Dinge sind genannt worden: Diagnostik, individuelle Förderung und, ich füge mal hinzu, auch Medienpädagogik, eine Erhöhung der praktischen Anteile während des Studiums, eine signifikante Aufwertung der Bildungswissenschaften und Fachdidaktiken.

Mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen sollen folgende Ziele erreicht werden: Wir wollen das Berufsfeld und den Praxisbezug in der Lehrerbildung intensivieren. Ob das ausreichend ist für alle Zeit, wird sich zeigen. Aber ich glaube, dieses Ziel kann man nicht diskreditieren. Wir wollen eine Stärkung der fachlichen und pädagogischen Profilierung der künftigen Lehrkräfte, klare Regelung der Verantwortlichkeiten für Studium und Vorbereitungsdienst und deren Profilierung und eine Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung im Sinne der Ziele des Schulgesetzes.

Was soll sich konkret ändern? Die Lehrämter, für die ausgebildet werden soll, werden durch das Gesetz angepasst. Das ist die Struktur des Schulsystems in Mecklenburg-Vorpommern. Und das war der Landtagsbeschluss zur Modernisierung der Lehrerbildung, der dies ausdrücklich gefordert hat.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Für die Ausbildung in den jeweiligen Lehrämtern werden unterschiedliche Kompetenzprofile, aber auch gleichwertiges Anspruchsniveau vorausgesetzt. Die Kompetenzprofile entsprechen den spezifischen Qualifikationsanforderungen eben für diese jeweiligen Lehrämter. Der curriculare Anteil in den Bildungswissenschaften und in den Fachdidaktiken soll im Bereich des Lehramtes an Regionalen Schulen signifikant erhöht werden. Auch darüber haben wir an anderer Stelle schon gesprochen. Und auch dies entspricht dem Beschluss zu den Eckwerten der Hochschulentwicklung.

Ich finde, von besonderer Bedeutung sind verbindlich zu studierende Elemente der Sonderpädagogik in den Lehrämtern an Grundschulen, an Regionalen Schulen und an Beruflichen Schulen. Wir sollten die Lehrämter nicht verwechseln mit dem, was wir an Schulen haben. Ich glaube, das sollte man als Hinweis hier noch mal geben. All die Schulen, die Sie aufgezählt haben, werden natürlich in diesem Land unterstützt. Damit kommen wir unmissverständlich der Forderung nach Integration aller für den Lehrerberuf relevanten Professionsfelder in die Lehrerbildung, einschließlich inklusiver Pädagogik, nach. Andere Länder, das sei auch an dieser Stelle gesagt, haben dann demnächst auch hier Nachholbedarf. Auch das wird sich dort zeigen.

Der Vorbereitungsdienst ist angesprochen. Der Vorbereitungsdienst wird auf 18 Monate verkürzt und in wesentlichen Teilen curricular neu gestaltet. Auch hier ist eine größere Praxisnähe und Orientierung an realen Bedingungen durch eine gestiegene Bedeutung und vor allem auch Verantwortung der ausbildenden Schulen für den Erfolg des Vorbereitungsdienstes intendiert. Das ist auch etwas, was mittlerweile bundesweit von sich reden macht.

Auch der sogenannten Doppelqualifizierung wird im Gesetzentwurf Rechnung getragen. Sie muss verbindlich geregelt werden – auch darüber ist gestritten worden –, um den Studierenden, die aktuell mit Fächerkombinationen für das Lehramt an Gymnasien immatrikuliert sind, die eben nicht zu den Bedarfsfächern zählen, auch eine Perspektive für die Einstellung in den Schuldienst unseres Landes zu eröffnen. Für diese Gruppe wird der Vorbereitungsdienst nach wie vor einen Umfang, auch das sei gesagt, von 24 Monaten haben. Die Qualifizierung für die weitere Schulart soll vom Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung organisiert und koordiniert werden und, wenn man es umrechnet, einen Umfang von sechs Monaten haben.

Sowohl das Studium, und das sei hier auch noch mal ausdrücklich erwähnt, als auch der Vorbereitungsdienst schließen in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin mit einer Staatsprüfung ab. Auch das ist etwas, was von anderen Ländern momentan so nicht umgesetzt werden kann, aber natürlich begrüßt wird, dass es so in Mecklenburg-Vorpommern ist. Wenn man mal die Fragen der Eingruppierung und Bezahlung von Lehrerinnen und Lehrern hier nach vorn stellt, ist es eigentlich grauenvoll, auch wenn es das Licht der Öffentlichkeit so nicht erblickt, was da in einigen Ländern zurzeit abläuft.

Darüber hinaus wird eine kontinuierliche Fortbildung für alle Lehrkräfte verbindlich gemacht. Ich glaube, man wird in den nächsten Jahren auch darüber streiten, wie man vielleicht diese Verbindlichkeiten noch weiter ausgestalten kann. Aber es ist ein wirklich wichtiger erster Schritt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weise ausdrücklich darauf hin, dass mit den im Entwurf der Fraktionen der CDU und SPD getroffenen Regelungen den Lehramtsabsolventen aus Mecklenburg-Vorpommern die bundesweite Anerkennung gesichert ist. Ich wiederhole das nur, weil das immer im Raum steht. Ich finde, das ist ganz wichtig. Die KMK hat da keine Probleme.

Die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge beziehungsweise die Beibehaltung der Staatsexamensstudiengänge liegt in den Händen der Länder. Im sogenannten „Quedlinburger Beschluss“ heißt es entsprechend, ich darf zitieren: „Es ist Angelegenheit der Länder zu entscheiden, ob die bisherige Studienstruktur mit dem Abschluss Staatsexamen erhalten bleibt oder ob eine Überführung in die gestufte Studienstruktur erfolgt.“ Der Vorbereitungsdienst steht bei uns grundsätzlich auch, und das sei hier auch betont, den Bewerbern offen, die in anderen Bundesländern einen Masterabschluss erworben haben.

Dessen ungeachtet setze ich mich für die Vereinheitlichung der Lehrerbildung in ganz Deutschland ein. Die Grundlage hierfür, und da können alle Parteien kräftig mitwirken, kann aus meiner Sicht im Rahmen eines Staatsvertrages zwischen den Ländern geregelt werden. Mecklenburg-Vorpommern ist im Übrigen dazu bereit.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Fraktionen trägt zum einen wesentlich dazu bei, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Vorbereitungsarbeiten, insbesondere die durch das Bildungsministerium erstellten Planungsunterlagen zum Lehrerbedarf, belegen deutlich die sehr umfassenden Umsteuerungsbedarfe in der Lehrerbildung. Ohne eine solche Umsteuerung können die Anforderungen an die Unterrichtsversorgung der kommenden Jahre nicht bewältigt werden. Wir müssen uns in den kommenden Jahren auf eine Bedarfslage einstellen, die notwendige Einstellungen von jährlich 500 bis 600 Junglehrern bedeutet. Aber auch hier sei noch einmal die Jahreszahl dazugefügt, weil jeder so tut, als ob es morgen ist. Aber wir müssen heute handeln, denn dieser Bedarf ist ab dem Schuljahr 2019/2020 da.

Es wurde heute schon einmal darauf reflektiert, dass wir die Referendarstellen erhöht haben. Herr Bluhm, Sie haben danach gefragt, wie ist das gemacht worden. Wir haben die Zahl von 340 auf 493 zum 01.08.2011 erhöht.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja, die Finanzierung. Die Stellen sind längst, seit 2004, da.)

Sie erinnern sich an das 10-Millionen-Programm und insofern ist klar, dass hier die Erhöhung dann auch haushaltsrechtlich abgesichert worden ist.

Der vorgelegte Entwurf der Regierungsfraktionen – und ich will jetzt nicht alle Entwürfe herausholen, Herr Holter wird es aus dem Kopf wissen, welche über Fraktionen eingebracht worden ist, da steht zwar dann immer noch PDS, aber ich nehme an, Sie werden das als LINKE akzeptieren, dass Sie dabei waren. Ich will jetzt nicht alle vorlesen. Ich kann natürlich die Aufregung verstehen, aber ich glaube auch, Herr Bluhm ist so weit informiert, dass das kein...

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die Konzentration zum Ende der Legislaturperiode, das ist die Frage.)

Ja, die Frage ist...

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist die Frage.)

Ich kann Ihnen das vorlegen hier, dass das kein singulärer Vorgang ist. Sie kennen eigentlich auch die Spielregeln.

Und der vorgelegte Entwurf ist zum anderen maßgeblich, um die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer an die veränderten Anforderungen des Berufsfeldes Schule anzupassen, wie er hier eingereicht wurde. Es ist eine konsequente Orientierung am real Gegebenen. Das ist unverzichtbar für eine moderne Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Ich denke, auch das lebenslange Lernen ist hier abgebildet.

Insofern wird es Sie nicht überraschen, dass ich Sie ausdrücklich bitte, hier ein Ja zum Lehrerbildungsgesetz zu ermöglichen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.