Protocol of the Session on December 15, 2010

Und wenn Sie dazwischenrufen, Frau Müller, sie war schlecht genug, dann fragen Sie doch einfach, wo es herkommt.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, wo kommt’s denn her?)

Ja, Sie haben ja sozusagen hier die Möglichkeit, die Antworten dafür zu geben. Ich könnte Sie Ihnen geben.

(Udo Pastörs, NPD: Typisch Lehrer! Mach’s doch!)

Die Leistungsunterschiede zwischen guten und schwachen Leserinnen und Lesern haben sich zwischen PISA 2000 und PISA 2009 verringert.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und die Streuung der Kompetenzwerte ist in Deutschland so stark gesunken wie in keinem anderen Staat der OECD. Sie unterscheidet sich nicht mehr wesentlich vom OECD-Durchschnitt.

Eins will ich auch sagen und das hat Herr Holter ja deutlich gemacht: Wenn es da keinen Unterschied gibt, können wir alle mitwirken. Wir wollen ins erste Drittel. Vielleicht wollen wir sogar Erster werden in einer solchen Studie. Was ich nicht will – und damit will ich keinem im Land zu nahe treten –, ich möchte es aber nicht mit den Bedingungen, die in einzelnen Ländern im Bildungssystem herrschen, um einen solchen Spitzenplatz zu erreichen. Wir wollen es dann bitte schön mit den Dingen, die Sie auch vorgetragen haben. Und insofern, glaube ich, sollte man bei aller Betrachtung der OECD-Standards sich auch anschauen, mit welchen Möglichkeiten, mit welcher Freiheit wir sozusagen diese Dinge für unsere Schülerinnen und Schüler und unsere Menschen in Deutschland, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern erreichen wollen.

Der Anteil der schwachen Leserinnen und Leser ist seit PISA 2000 von 22,6 auf 18,5 Prozent deutlich gesunken. Und am anderen Ende der Kompetenzskala sind in Deutschland kaum Veränderungen zu beobachten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten ist in Deutschland die Freude am Lesen bei den 15-Jährigen gestiegen.

(Udo Pastörs, NPD: Wenn man ganz unten ist, geht es auch leichter nach oben.)

Ach, wissen Sie, Herr Pastörs, Sie kennen es doch: „Hohle Töpfe haben den lautesten Klang“.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Angelika Peters, SPD: Das merk ich mir.)

Das ist nun mal so. Und damit da keine Irritation fürs Protokoll auftritt, das war Shakespeare, das werden Sie ja wissen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das glaub ich nicht. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten ist in Deutschland die Freude am Lesen bei den 15-Jährigen angestiegen. Dennoch gilt weiterhin, auch darauf hat Herr Reinhardt hingewiesen, Mädchen lesen deutlich lieber und besser als Jungen. Unsere Schülerinnen und Schüler liegen im Vergleich der sprachlichen Kompetenzen im Fach Deutsch bundesweit im Mittelfeld, unter den norddeutschen Ländern sogar an der Spitze, wie eine andere Studie bescheinigt hat. Und so erreichten unsere Neuntklässler beim Leseverständnis den Rang 7 dicht am gesamtdeutschen Mittelwert. Damit hat sich die Lesekompetenz im Vergleich zu allen vorhergehenden PISA-E-Untersuchungen also deutlich verbessert, um sieben Plätze im Übrigen. Und das bedeutet, dass die Maßnahmen zur Entwicklung der Lesekompetenz sowie die individuelle Leseförderung und die Arbeit von Unterrichts- und Fachberatern Erfolge zeigen und fortgeführt werden müssen.

Als Folge dieses Ländervergleichs wurden einheit liche – auch darüber haben Sie gesprochen – Bildungsstandards entwickelt. Man kann ja lange darüber reden, man muss sich dann aber auch auf den Weg machen und dafür arbeiten und kämpfen. Ich habe mich während

meiner Präsidentschaft in der Kultusministerkonferenz dafür engagiert und inzwischen sind deutschlandweit einheitliche Bildungsstandards erlassen und in wesentlichen Kompetenzbereichen normiert worden.

Das ist im Übrigen aus einem Land wie MecklenburgVorpommern heraus hier leicht gesagt. Im Konzert von 16 Bundesländern muss man dies auch erst einmal erfolgreich durchstehen. Seit letzter Woche ist bekannt, die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern machen sich auf den Weg zu gemeinsamen Abituraufgaben in den Fächern Deutsch und Mathematik. Und auch hier sage ich es noch mal, wir haben einen Koalitionsvertrag in Mecklenburg-Vorpommern, Herr Holter, zwischen SPD und CDU. Das, was Sie generieren wollen, wie Sie das Thema angehen, zeigt doch, dass Sie wirklich nicht verstanden haben, worum es geht.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Achtung, Wahlkampf!)

Nein, Sie haben es wirklich nicht verstanden, denn es geht doch darum, dass wir übergreifende, vergleichbare Prüfungen bekommen in ganz Deutschland.

(Irene Müller, DIE LINKE: Sie haben es doch selbst geschrieben, den Koalitionsvertrag.)

Und dazu muss man ja wohl mal anfangen dürfen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sind Sie fürs Zentralabitur oder nicht? – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich bin fürs Zentralabitur, das habe ich doch an jeder Stelle gesagt. Diese Frage mir zu stellen, heißt einfach, jetzt aufzuwachen, und insofern bedeutet es letztendlich, man muss beginnen. Man kann über den Anfang streiten, da bin ich ja dabei.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist aber Demokratie. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Und es war Mecklenburg-Vorpommern, Herr Holter, es war dieser Minister, der in der Runde der 16 Minister seit 2006 dafür gekämpft hat. Wir waren wenige, und da waren SPD-Minister genauso dabei

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

wie jetzt Ministerinnen und Minister aus anderen Ländern. Es ist sozusagen auch immer eine Frage, wie wird das vor Ort gelebt und welche Veränderung bedeutet das meinetwegen für ein Land wie Baden-Württemberg.

Und deshalb haben wir ja noch einen zweiten Vorschlag gemacht, der ziemlich konkret war, der auch nicht auf Jubel gestoßen ist. Und Sie können ja dann auch nur mit denen zusammenarbeiten, die sagen, sie wollen. Im Übrigen ist das länderoffen. Auch das sei gesagt an der Stelle, dass wir seit zwei Jahren daran arbeiten. Es ist kein Geheimnis, das können Sie in den Medien verfolgen, jeder fühlt es ja irgendwo und berichtet darüber, dass sich etwas auseinanderentwickelt hat. Wir haben die Fächer Deutsch und Mathematik in den Fokus genommen, weil ich es vorgeschlagen habe für Deutschland, weil ich gesagt habe, wenn wir dann schon anfangen, dann machen wir es doch konkret an zwei Fächern fest. Und das ist schwer genug, wenn Sie sich anschauen, wie dort etwas sich auseinanderentwickelt hat.

Und aufs Abitur bezogen, für dieses Land können wir auch eine positive Entwicklung verzeichnen. Wenn

Sie sozusagen die Abiturienten mit Hochschulreife in Mecklenburg-Vorpommern sehen, dann haben wir eine Quote in 2006 von 25,8 Prozent gehabt und von 35 Prozent in 2010. Auch da hat sich etwas getan. Ich glaube, das wird auch Sie freuen. Die ständigen Verbesserungen bestätigen uns, dass wir uns mit den im Folgenden genannten eingeleiteten Maßnahmen auf den richtigen Weg begeben haben. Nichts weiter, aber auch nicht weniger hat die Landesregierung gesagt.

Die flächendeckende Einführung der Selbstständigen Schule mit der Übertragung von Verantwortung ist richtig, dass sie nicht problemlos gelingt, hat niemand bestritten. Die vorrangige Investition von Mitteln zur Erhöhung der Lesekompetenz in die Grundschule ist im Übrigen aus der Tatsache erwachsen, dass wir bei einer anderen Studie Ergebnisse in Mathematik hatten, die uns nicht zufriedengestellt haben. Es wurde unterstellt, es läge an den mathematischen Kompetenzen, und wir haben relativ schnell herausfinden dürfen, dass es eben auch in Mathematik an der Lesekompetenz liegt. Es ging auch um die Verabschiedung von Standards für Kindertagesstätten, um wertvolle Bildungszeiten zu nutzen und kostbare Entwicklungszeiten nicht zu verschenken.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Auf Initiative von Mecklenburg-Vorpommern ist es gelungen, dass die Bundesrepublik Deutschland die beiden Konferenzen, sowohl die Sozialministerkonferenz als auch die Kultusministerkonferenz, hier in Rostock vor wenigen Wochen eine bundesweite Tagung zur MINTKompetenz in Kindertagesstätten veranstaltet hat. Auch das haben wir versprochen, auch das haben wir durchgesetzt und die Ergebnisse können sich sehen lassen und sie bringen uns alle, glaube ich, auch ein bisschen ins Nachdenken, denn viele Rezepte der Vergangenheit, viel hilft viel, sind an der Stelle schon infrage gestellt worden.

Die individuelle Förderung und den kompetenzorientierten Unterricht als zentralen Punkt in die Schulprogramme und die Lehrerfortbildung aufzunehmen, ist ebenfalls richtig. Auch das wird Zeit brauchen. Das Veranlassen von Maßnahmen zur Senkung des Anteils von Schülern, die ohne Abschluss die Schule verlassen, wie zum Beispiel das produktive Lernen und die Errichtung von Produktionsschulen und Schulwerkstätten bis hin zur flexiblen Schulausgangsphase, sind richtig, sie können aber auch kein Dauerzustand sein. Schulen müssen, und wenn wir da auch alle einer Meinung sind, diese Aufgabe von Anfang an erfüllen können. Mir ist durchaus bewusst, dass die vorliegenden PISA-Ergebnisse eine positive Tendenz aufzeigen, dass der Weg zur Qualitätsentwicklung und -sicherung von Unterricht und Schule dennoch mühsam ist.

Ziel unserer Bildungspolitik ist es, die Bildungschancen junger Menschen zu verbessern, sie auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vorzubereiten und ihnen so zu ermöglichen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Dieses Ziel war und ist Grundlage aller bildungspolitischen Entscheidungen der Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode. Es ist gelungen, erneute Änderungen der Schulstruktur zu vermeiden.

Und, Herr Holter, Sie sind schon ein bisschen widersprüchlich, wenn Sie sagen, ideologische Scheuklappen, dann sagen Sie Einheitsschule und dann sagen Sie, es muss Kontinuität rein in Inhalt, Struktur und Finanzen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Wie das zusammenpasst, wenn Sie sozusagen das alles verändern wollen, das werden Sie uns sicherlich noch an anderer Stelle erläutern können.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Aber hier ist es gelungen, dieser Landesregierung ist es gelungen, eine erneute Änderung der Schulstruktur zu vermeiden. Erforderlich wurden allerdings inhaltliche Veränderungen dahin gehend, alles Hinderliche in Schulen zu beseitigen und Anreize zu schaffen, die Kreativität aller Lehrerinnen und Lehrer, aller Schülerinnen und Schüler zu fördern. Und dafür ist es eine unabdingbare Voraussetzung, den Schulen eine größere Eigenverantwortung zu übertragen und ihnen Freiräume zuzugestehen. Nur die flächendeckende Einführung der Selbstständigen Schule kann nach meiner Überzeugung langfristig diesen Anforderungen gerecht werden.

Ein solcher Prozess, wenn Sie ihn einleiten – und insofern zu Ihrer Kontinuität –, bedarf drei bis fünf Jahre und er braucht wahrscheinlich noch mal doppelt so lange, um ihn dann am Ende wirken zu lassen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Na, dann sagen Sie doch, wie das finanziert werden soll!)

Und deshalb bin ich ja dafür, wenn Sie sagen, Kontinuität, dann bleiben Sie doch dabei, dass Sie an der Struktur dieses Landes nichts ändern wollen, sondern dass Sie sich den Inhalten widmen wollen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist ja gar nicht wahr.)

Ganzheitliche Bildung und Erziehung muss sich am Dreiklang Wissen, Kompetenzen und Werte orientieren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Sie kennen doch unser Bildungskonzept ganz genau.)

Nur das Zusammenspiel zwischen diesen Elementen ermöglicht Persönlichkeitsentwicklung, Eigenverantwortung und verantwortungsbewusste Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben. Der Erwerb von inhaltsbezogenem, flexibel nutzbarem und anschlussfähigem Wissen ist fundamental und Fundament ist durch nichts zu ersetzen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die systematische Entwicklung von Kompetenzen ist Grundlage für weiteres Lernen und befähigt dazu, neue Anforderungen zu bewältigen. Da das so ist, muss der Unterricht an unseren Schulen kompetenzorientiert sein.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)