Nun, für uns liest sich diese Einschätzung so, dass man alles, was in jüngster Zeit bei den Theatern und Orchestern geschieht, für sich verbucht und sagt, genau das haben wir mit unserem Konzept schon immer gewollt. Nur, schaut man sich das Konzept genau an und geht es Zeile für Zeile durch, dann ist das Bild ein anderes. Ich will vier Punkte aufzählen, anhand derer deutlich wird, dass das Konzept so nicht umsetzbar ist und es jetzt an der Zeit ist, die Reißleine zu ziehen und zu sagen: Lasst uns einen neuen Ansatz finden, damit die Theater- und Orchesterstrukturen in unserem Land keinen Schaden nehmen.
Ein erster Punkt, ein sehr wichtiger: Mit dem Konzept war die Zusicherung verbunden, dass es Planungssicherheit insbesondere in Bezug auf die Finanzen für die Theater und Orchester bis zum Jahr 2020 geben wird.
Schaut man sich die Standortsituation einmal an, ist festzustellen, in Rostock müssen aktuell 1,2 Millionen Euro nachgeschossen werden in das Jahr 2011. Die Zukunft ist dort also ungewiss.
Schaut man sich die Situation in Stralsund, Greifswald und Putbus an – meine Kollegin Frau Dr. Linke wird darauf nachher noch näher eingehen –, dann ist Folgendes erkennbar: 2009 war ein Krisenjahr, 2010 ausgeglichene Bilanz, unklar die Zukunft für 2011.
Schaut man sich die Situation in Neubrandenburg/Neustrelitz an, ist erkennbar, dass über das gesamte Jahr mit Nothaushalten gearbeitet wurde und jetzt zum 30.11. ein neues Konzept vor Ort erstellt werden muss. Unter einer Holding soll die Theater und Orchester GmbH aufgesplittet werden.
Aber das Konzept ging von einem ganzheitlichen Ansatz aus. Wir haben auch eine gemeinschaftliche Verantwortung, und zwar in doppelter Hinsicht, einmal für die
Finanzierung der Theater und Orchester über das FAG und einmal auch über die Potenzen, die sich für die Kommunen aufgrund ihrer Haushaltssituation ergeben. Wir können uns also nicht herausstehlen und sagen, das ist eine Angelegenheit der Kommunen.
Ein zweiter Punkt, der in Rede steht, ist die Frage der Kulturkooperationsräume rechts und links der Autobahn. Die Fusionsbestrebungen von Anklam mit Schwerin sind ein pfiffiger Beweis dafür, dass deutlich wird, man kann sozialräumliche Beziehungen und künstlerische sowie kulturelle Beziehungen nicht rechts und links der Autobahn aufteilen. Es ist aus unserer Sicht für das Engagement der Akteure eine Ohrfeige durch die Kulturtechnokraten, die sozusagen vom grünen Tisch aus einteilen.
Wir sind der Meinung, dass Kulturkooperationsräume an sich nichts Schlechtes sind. Aber Kulturkooperationsräume als Kulturentwicklungsräume müssen neu definiert werden, und zwar anhand der sozialräumlichen Beziehungen, anhand der Beziehungen, die in den Regionen auszumachen sind.
Ein dritter Punkt, der sich wie ein roter Faden durch das Entwicklungskonzept zieht oder durch das Strukturkonzept der Landesregierung, sind die Fusions- und Kooperationsbestrebungen. Schaut man sich die Situation genau an, zeigt sich, dass an einigen Stellen sogar das Gegenteil geschieht.
Es war vor einiger Zeit unter einheitlicher Intendanz von Putbus bis Neustrelitz – rechter Hand der Autobahn – geplant, eine Megafusion in Gang zu bekommen. Von diesem Vorhaben hat man sich allseits verabschiedet. Mehr noch, schaut man sich in Neubrandenburg/Neustrelitz die Situation an, ist jetzt – zumindest gibt es die Gefahr eines Rückschrittes um zehn Jahre, denn im Jahre 2000 war es mühsam, wie sich dann später zeigte – mit Erfolg eine Kooperation auf den Weg gebracht worden, die die Theater und Orchester GmbH stärkte. Und jetzt ist man dabei, das auseinanderzunehmen.
Ein vierter und letzter Punkt, den ich anführen möchte, ist folgender: Im Konzept ist die Rede von einem Vierstandortemodell, gemeint sind die Standorte der Mehrspatentheater. Und dort ist sehr detailliert aufgelistet, wer mit wem zusammengehen könnte. Parchim mit Schwerin – was ist daraus geworden? Sie wissen, wie die Situation ist. Anklam mit Stralsund, Greifswald und Putbus – was daraus geworden ist, hatte ich eben gerade gesagt.
Also auch an dieser Stelle ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Strukturkonzepts nicht aufgegangen. Das sage ich ohne Häme. Wir haben hier in diesem Land oftmals das Ritual, die einen bringen etwas auf den Weg, die Koalitionäre unterstützen es und die anderen attackieren es, in diesem Falle eben wir als Opposition. Vielleicht bekommen wir mal die Größe hin zu sagen, so, wie es jetzt läuft, geht es nicht.
Wir versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden, um die Bestandssicherung der Theater- und Orchesterstruktur zu gewährleisten, und zwar insbesondere in finanzieller Hinsicht. Denn schaut man sich die Finanzen an – der Erlass ist ja eine Ableitung aus diesem Konzept, wir werden auch in den Medien tagtäglich damit konfrontiert –, schaut man sich das mal an, ich habe mir das mal ange
schaut anhand der Zahlen und Fakten des Zukunftsberichts, der alljährlich erstellt wird, der Fortschrittsbericht, dann ist die Förderung des Landes für Theater und Orchester im Land pro Einwohner auffällig. Das ist nicht wenig. Nur die Zahlen mal: 21 Euro pro Einwohner.
Schaut man sich ebenfalls einen innovativen Bereich an, die Technologie- und Forschungsunternehmen: 84 Euro pro Einwohner. Schaut man sich das gewerbliche Unternehmen an: 114 Euro pro Einwohner. Alles für sich gesehen, ist das nicht verkehrt.
Ich will es Ihnen sagen: Gewerbliche Unternehmen, Technologieunternehmen, deren Wertschöpfung ist eigentlich da,
dass die Mittel und Ressourcen aus deren Wertschöpfung genutzt werden für die gesellschaftliche Finanzierung von Kultur, Soziales, Bildung et cetera pp. Und hier verkehrt sich etwas ins völlige Gegenteil. Es wird der Bereich, der eigentlich die Werte bringen soll für Kultur, mehr gefördert, als die Kultur selber. Da stimmt doch was nicht.
(Matthias Mantei, CDU: Das ist eine Wertschöpfungskette, Volkswirtschaft. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
So, und nun schauen wir uns mal die Auswirkungen des Theater- und Orchesterkonzepts in den letzten Jahren …
… seit 2008 an, also dieses Konzept. Wie haben sich in den letzten Jahren die Finanzsituation und die Gesamtetats der Theater und Orchester entwickelt? Schauen Sie sich das mal an!
Herr Glawe, das will ich Ihnen gern sagen, ich merke schon, Sie haben ein besonderes Interesse an diesem Thema.
(Regine Lück, DIE LINKE: Hören Sie doch erst mal zu! – Harry Glawe, CDU: Ich habe doch zugehört. – Zuruf von Wolfgang Griese, DIE LINKE)
und schaut man sich die summarischen Tabellen des Deutschen Bühnenvereins vom Jahr 2008/2009 an, Herr Glawe,
sind die Gesamtetats der Orchester und Theater im Land um 4,5 Prozent gesunken. So, das sagt erst mal noch nicht viel. Frappierend ist aber, dass die Personaletats gesunken sind in diesem Zeitraum, allein in diesen drei Jahren um 21,7 Prozent. Das habe ich mir mal genau angeschaut. Und es stellt sich zumindest für mich anhand dieser beiden Quellen, die ich gerade genannt habe, so dar, dass sich die Anzahl der Beschäftigten in den Theatern und Orchestern in den letzten drei Jahren von 1.355 auf 1.050 reduziert hat. Wir haben einen schleichenden Niedergang in diesem Bereich.
Und ich frage Sie: Warum? Theater und Orchester sind auch Unternehmungen, sind auch Wirtschaftsobjekte, sie machen auch Wertschöpfung. Warum werden sie ungerechter behandelt als andere Bereiche?