Protocol of the Session on June 27, 2006

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Die Einsicht bei den Bürgern und bei den Bediensteten des Landes für unerlässliche Sparoperationen zur Erhaltung der finanziellen Handlungsfähigkeit des Landes wird sich nur dann gewinnen lassen, wenn auch im Bereich der Politik spürbare Einschnitte vorgenommen werden. Dabei geht es nicht nur um die rund 150.000 Euro, die ein Landtagsabgeordneter pro Jahr dem Steuerzahler kostet. Liebe Freunde, es geht um die Signalwirkung einer solchen Maßnahme im Rahmen der Gesamtdiskussion. Auch ein deutlich verkleinertes Parlament würde arbeitsfähig bleiben. In der 1. Wahlperiode hatten wir 66 Abgeordnete und haben uns in der Verfassung aus der Belastungssituation der 1. Wahlperiode heraus, in der wir die gesamte Grundlagengesetzgebung für unser Land schaffen mussten, entschieden, die Zahl der Abgeordneten auf 71 zu erhöhen.

Und jetzt kommt es: Nach der Aufbauphase unseres Landes hat sich dieses Bild deutlich gewandelt. Im Wesentlichen geht es heute um Aktualisierungsgesetzgebung. Auch wenn die Anforderungen durch die europäische Ebene gewachsen sind und weiter wachsen werden, ist die Belastungssituation mit den ersten zehn Jahren unseres Landes nicht mehr zu vergleichen. Das ist der eine Punkt.

Der zweite: Auch die zweite wichtige Aufgabe des Landes neben der Gesetzgebung, nämlich die Kontrolle der Landesregierung und der Landesverwaltung, lässt sich nach meiner persönlichen Überzeugung mit einer geringeren Anzahl von Abgeordneten ebenso bewerkstelligen. Auch wenn ich mir hier – aber jetzt gut zuhören! – von den jeweiligen, ich meine also alle Gruppen hier, von den jeweiligen Regierungsfraktionen oder die es vorher waren, mehr Unabhängigkeit wünschen würde und mir wünsche, dass diese Tätigkeit nicht nur im Wesentlichen den Oppositionsfraktionen überlassen wird, sieht die politische Wirklichkeit doch anders aus. Und deswegen bin ich der Überzeugung, dass eine wirksame Kontrolle der Regierung weniger von der Zahl der Abgeordneten als vielmehr von der Wirksamkeit oppositioneller Kontrollinstrumente abhängt.

Und Drittens haben wir in unserem Bundesland auf der einen Seite das Problem großer Flächenwahlkreise, andererseits haben wir weniger Einwohner pro Abgeordneten zu betreuen als in vergleichbaren Flächenländern. Eine Verringerung der Anzahl der Abgeordneten wäre von daher eine Angleichung an die Situation in den neuen Bundesländern. Auch wenn sie mit mehr Arbeitsbelastung verbunden ist, kann dies kein Grund für das Nicht-Einleiten einer solchen Maßnahme sein, da wir, liebe Freunde, das wissen Sie alle, auch anderen Gruppen mit unseren politischen Entscheidungen eine höhere Arbeitsdichte zumuten.

Um nicht falsch verstanden zu werden, sage ich es noch einmal ganz deutlich: Ich bin auch weiterhin für ein starkes Parlament, für einen starken Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Ich bin gleichzeitig der Überzeugung, dass eine Reduzierung der Zahl der Abgeordneten ein

notwendiges politisches Signal für die Bürger in unserem Lande ist und der Kraft und der Durchsetzungsfähigkeit dieses Landtages keinen Abbruch tut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir zum Schluss und am Ende meiner Zeit als Mitglied dieses Parlamentes noch einige Sätze, die vielleicht nicht unmittelbar etwas mit der vorliegenden Verfassungsänderung zu tun haben, aber, da ich zur Verfassung spreche, doch mittelbar durch dieses Thema berührt sind. Wenn ich an einem Tag wie diesem auf fast 16 Jahre Tätigkeit als Mitglied des Landtages zurückblicke, dann erfüllt mich, und ich werde dies morgen in der ökumenischen Andacht im Einzelnen ansprechen, vor allen Dingen Dankbarkeit – und da könnte man jetzt stundenlang drüber sprechen –:

Dankbarkeit dafür, dass ich in unterschiedlichen Aufgabenstellungen verstärkt Einfluss auf die Entwicklung dieses Hauses nehmen durfte, dass ich in den ersten beiden Wahlperioden zum Präsidenten dieses Landtages gewählt worden bin und mich in der Folgezeit als Vorsitzender des Petitionsausschusses oder auch als Stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion in die Arbeit des Landtages einbringen durfte

Dankbarkeit dafür, und das ist auch nicht selbstverständlich, dass wir Einfluss darauf nehmen konnten, dass das schöne Schweriner Schloss als Sitz des Landtages in der Verfassung festgeschrieben wurde, das Anziehungspunkt für viele Besucher aus dem In- und Ausland war und ist, und wir alle sind stolz darauf, der eine auf das eine und der andere auf das andere, wir alle sind stolz darauf, dass Königinnen, Staatspräsidenten, alle Bundeskanzler, wahrscheinlich auch noch zukünftige, hier mit Sicherheit herkommen werden oder hergekommen sind

Dankbarkeit dafür, dass wir hier eine ökumenische Andacht einführen konnten, in der im wesentlichen Abgeordnete, Minister, auch Ministerpräsidenten bis heute den Gottesdienst leiten

Dankbarkeit dafür, dass wir bei aller Härte in der Auseinandersetzung dazu in der Lage waren, auch einmal ein gemeinsames Wettschwimmen zu veranstalten Wenn Sie sich daran erinnern, die älteren Kollegen, es ging von Kaninchenwerder zum Zippendorfer Strand. Ich bin natürlich dem Chef, dem Ministerpräsidenten unterlegen, er war Rettungsschwimmer,

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Prachtl nur Zweiter geworden,

(Harry Glawe, CDU: Trotzdem gut.)

Rehberg Dritter.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Aber Sie können sich freuen! Da ist er ja, der Herr Ministerpräsident.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Seitdem wurde nicht mehr geschwommen.)

Das Bild haben wir heute noch vor Augen. Er hat sich so gefreut und das habe ich ihm auch gegönnt, er wurde jedenfalls Erster. Und wir hatten ja noch die andere Sache: 66 Abgeordnete wandern 66 Kilometer in 24 Stunden um den Schweriner See. Das hat nur ein Häuflein von sieben, acht Aufrechten geschafft. Ich weiß noch, Kollege Scheringer war auch darunter.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Genau.)

Ich lag nachher wie patt in der Badewanne, war fertig gewesen, weil die Sache ganz schön hart war. Sie wissen, wir haben Sommerfeste durchgeführt, wir haben Weihnachtsfeste durchgeführt.

Eine Sache möchte ich auch sagen, die für mich nicht unwichtig war, die ich im Grunde von Anfang an und aus eigenem Antrieb gemacht habe: Erinnerungs- und Sühnearbeit in den Gedenkstätten Ravensbrück und Auschwitz.

Und ich bin dankbar dafür, und jetzt bin ich wieder bei diesem Tagesordnungspunkt, dass ich an dieser Verfassung so intensiv als Vorsitzender der Verfassungskommission mitwirken durfte. Und noch eins: Auch wenn dies emotional oftmals nicht einfach war und, ich sage, mich sogar gequält hat als Vorsitzender der Enquetekommission „Aufarbeitung und Versöhnung“, ich bin dankbar, dass wir dafür einen Beitrag zur Überwindung der Kluft zwischen Andersdenkenden leisten durften.

Deswegen möchte ich Dank sagen all denen, die mir ihr Vertrauen zur Wahrnehmung dieser Funktionen gegeben haben, all denen, die mich begleitet und unterstützt haben, allen Kolleginnen und Kollegen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Verwaltung, Dank sagen aber auch allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, die sich für unser Land jeder an seinem Platz engagieren und damit einen Beitrag dafür leisten, dass unser Land im Sinne unserer Verfassung vorankommt.

In diesem Zusammenhang, und da sollten wir Mecklenburger etwas pfiffiger und aufgeschlossener sein,

(Wolfgang Riemann, CDU: Und Vorpommern!)

in diesem Zusammenhang fällt mir eine kleine Geschichte über John F. Kennedy ein. Wir sind alle Politiker und wenn Sie in einem Werk sind, geben Sie den meisten Leuten ja die Hand. John F. Kennedy war oft in Cape Canaveral und ihm lief ein Afroamerikaner über den Weg. Er gab ihm natürlich als Präsident die Hand und fragte: „Was ist Ihr Job?“ Da antwortete dieser Mann: „Menschen auf den Mond bringen.“ Er fragte dann den Werksleiter, wer das denn wäre, der da fegt. Liebe Freunde, machncher mag darüber lächeln. Mich beeindruckt die Kraft, die hinter dieser Antwort steckt. Solche Antworten würde ich mir hier bei uns wünschen.

Meine Damen und Herren, der Landtag ist und bleibt, so ist es in Artikel 20 unserer Verfassung geregelt, die Stätte der politischen Willensbildung. Dies bedeutet oftmals auch harte Auseinandersetzungen. Und jeder, der bereits einmal auf dem Stuhl hinter mir gesessen hat, weiß, wie sehr es schmerzt, wenn sich die Emotionen nicht mehr halten lassen und wir hier ein Bild abgeben, das der Bürger nicht mehr nachvollziehen kann und auch nicht mehr akzeptiert. Deswegen lassen Sie mich noch einmal den Gedanken betonen, dass „Willensbildung“ nicht nur etwas mit dem bloßen Austausch von Argumenten, sondern auch mit der Bildung von etwas Neuem zu tun hat, was uns alle gemeinsam und dieses Land voranbringt. Dazu gehört oftmals weniger die reine Darstellung der eigenen Meinung, sondern mehr der Dialog. Ich würde mich freuen, wenn wir in Zukunft zur politischen Willensbildung in diesem Hause, so, wie es bei der Entstehung dieser Verfassungsänderung geschehen ist – und jetzt komme ich noch mal auf ein besonderes Wort zu sprechen, das, glaube ich, für uns alle wichtig ist –, Authenti

zität und Dialog stärker durchsetzen, nicht nur irgendetwas sagen, sondern es auch authentisch sagen.

Lassen Sie mich, um dies zu unterstreichen, das habe ich noch nie getan, einen kleinen Text von mir vorlesen zum Dialog:

„Dialog heißt nicht ich belehre dich oder du mußt gehorchen Dialog heißt dich anhören dir zuhören Dialog heißt es gibt keine Sieger es gibt keine Besiegten Dialog heißt jeder wird verständiger jeder wird klüger jeder trägt Verantwortung“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Ihnen, die Sie im Landtag bleiben werden, und den neuen zu: Nehmen Sie Ihre Aufgabe in der Liebe zu unserem Land Mecklenburg-Vorpommern wahr, wahren Sie die Schätze unserer Natur und mehren Sie gleichzeitig den Wohlstand unseres Landes! Über 2.000 Seen, 2.000 Kilometer von der Verfassung geschützte Alleen, 380 Kilometer schönste Ostseeaußenküste, fast 290 Naturschutzgebiete, das sind Schätze, meine Damen und Herren, die uns anvertraut sind und die es zu bewahren gilt für uns und die Generationen, die uns folgen werden. Seien Sie dialogbereit und stehen Sie zusammen in den Grundwerten und in den Grundfragen auf der Grundlage unserer Verfassung in Frieden und Freiheit für ein Land, in dem unsere Bürgerinnen und Bürger gerne leben, für ein Land, in das viele Menschen gerne kommen, für unser großartiges Mecklenburg-Vorpommern! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Prachtl.

Wir haben soeben womöglich Ihre letzte Rede in diesem Hohen Hause gehört. Dem Landtag gehören Sie von Anfang an. Sie waren in den ersten beiden Wahlperioden der Präsident dieses Hauses, also der erste Landtagspräsident, und haben die Entwicklung dieses Landtages maßgeblich und entscheidend gerade in dieser Anfangszeit, aber auch bis heute mitgeprägt. Sie haben Leuchttürme gesetzt, Traditionen ins Leben gerufen, die bis heute unverändert beibehalten werden, etwa die ökumenische Andacht, die Einführung der Tage der offenen Tür, die Sommer- und Weihnachtsfeste. Sie haben inhaltliche Arbeit dieses Hauses entscheidend mitgeprägt durch Ihre Arbeit als Vorsitzender der Verfassungskommission, als Vorsitzender der Enquetekommission „Aufarbeitung und Versöhnung“, als Vorsitzender des Petitionsausschusses und als Stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion. Aber auch in Ihrem Amt haben Sie herausragende Aufgaben als Vorsitzender des Tourismusverbandes und auch als Vorsitzender des Weißen Ringes geleistet und darüber hinaus ein sehr hohes gesellschaftliches Engagement für unser Land gezeigt.

Ich möchte Ihnen im Namen des gesamten Landtages für die geleistete Arbeit danken, für Ihr leidenschaftliches

Engagement und alles, was Sie hier in die Wege geleitet und besonders geprägt haben. Einen Landtag ohne Rainer Prachtl können wir uns sicherlich noch nicht vorstellen, aber es ist so. Wir wünschen Ihnen alle für Ihren weiteren Lebensweg so viel Erfolg wie bisher, wir wünschen Ihnen Gesundheit, wir wünschen Ihnen auch weiterhin intensives Engagement für unser Land und wir wünschen Ihnen Gottes Segen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende Frau Gramkow von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Vielen Dank, Herr Prachtl, für Ihre Rede. Ich will sie zum Anlass nehmen zu sagen, dass die Darstellungen unserer gemeinsamen Arbeit zur Verfassungsänderung und der Kommentar in der SVZ, der überschrieben ist „Die Frösche und der Sumpf“, dieser Arbeit nicht gerecht werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Dr. Armin Jäger, CDU, und Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS – Volker Schlotmann, SPD: Das ist wohl wahr.)

Ich bin kein Frosch, ich bin auch keine Kröte, wie Sie alle nicht, wir sitzen nicht im Sumpf und den mir unterstellten Kuhhandel bezüglich der Landesverfassung habe ich auch nicht gemacht.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist richtig.)

Wir haben gemeinsam einen politischen Kompromiss ausgehandelt über die letzten anderthalb Jahre. Er war fair, er war mit Geben und Nehmen verbunden und wir stehen dazu. Eine Verfassung ändert man nicht alle Tage und schon gar nicht, wenn sie durch einen Volksentscheid mit Mehrheit angenommen worden ist. Und das Leben, Herr Prachtl, das Leben hat die Verfassung bestätigt. Deshalb ist es wichtig, dass auch meine Partei und meine Fraktion diese Verfassung anerkennt, und das ist auch das Zeichen der gemeinsamen Zusammenarbeit. Da fällt uns kein Zacken aus der Krone.

Wir haben diesen politischen Kompromiss beschlossen in dem Wissen, dass wir mehr gewollt, mehr gekonnt oder mehr diskutiert haben. Und ich finde, wir haben qualitative Veränderungen vorgenommen, die für uns insbesondere auch in der Absenkung der Quoren für den Volksentscheid bestehen. Das hat nicht nur mit demografischer Entwicklung zu tun, sondern auch mit verbesserter demokratischer Teilhabe für Menschen, für Vereine, Verbände in Mecklenburg-Vorpommern. Und es zeigt, dass wir gemeinsam wie mit dem vorherigen Tagesordnungspunkt Ja sagen zu einer Akteneinsicht für Bürgerinnen und Bürger und es ernst meinen mit demokratischer Teilhabe. Es freut mich ganz besonders, dass das in allen drei Fraktionen und damit in allen drei Parteien bei der Verfassungsänderung am Ende Konsens gewesen ist.

(Beifall Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS, und Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)

Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen des federführenden Rechts- und Europaausschusses, aber auch bei den mitberatenden Ausschüssen, die diesen Kompromiss beraten haben, ihn uns in der vorgelegten Form prä

sentieren, und bitte auch in diesem Zusammenhang um die Unterstützung.

Ja, Herr Prachtl, Sie haben zum zehnjährigen Jubiläum angemahnt, dass der Landtag über seine Stärke und Größe nachdenkt. Ich denke, dass es dem neuen Landtag zusteht, wenn wir in Umsetzung der Verwaltungsmodernisierung 2009 sicherlich auch über Zuschnitte von Wahlkreisen, über demokratische Präsenz diskutieren und entscheiden sollten. Einen Schnellschuss innerhalb von 14 Tagen, wie es die Debatte jetzt gebracht hat, ich denke, den sollten wir uns bei der Verfassung nicht leisten.