Protocol of the Session on June 27, 2006

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Geben Sie Gedankenfreiheit! Das war die wohl wichtigste Forderung in der Zeit der Aufklärung. Und man könnte schon meinen, dass wir sozusagen wieder zurück sind, also in Zeiten des Absolutismus gelandet sind, wenn man den inflationären Bestand von Informationsfreiheitsgesetzen, die es derzeit gibt, betrachtet.

Allein in diesem Landtag behandeln wir nicht nur das Informationsfreiheitsgesetz als solches, sondern auch das Umweltinformationsfreiheitsgesetz, das Parlamentsinformationsfreiheitsgesetz und das Verbraucherinformationsfreiheitsgesetz. Da fragt man sich doch wirklich: Wer braucht so viele Informationen und warum müssen wir dafür zig verschiedene Gesetze haben, die jeweils wieder ihre eigenen Voraussetzungen und Ausnahmeregeln haben? Als Antwort darauf, warum nicht wenigstens das Umweltinformationsgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz in einem Gesetz zusammengefasst wurden, das wäre doch eher logisch, um dann möglichst einheitliche Verfahrens- und Kostenregelungen zu bekommen, antwortete uns der Staatssekretär Bosch: Das sei aus Zeitgründen nicht möglich gewesen. Schade, dass man dabei so gar nicht an den Bürger denkt.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Ich stelle mir das einmal ganz praktisch vor. Da kommt nun so ein Bürger in eine Kreisverwaltung und verlangt Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Der Anspruch wird dann abgelehnt, weil die richtige Anspruchsgrundlage das Umweltinformationsfreiheitsgesetz gewesen wäre. Wem ist eigentlich damit gedient, meine Damen und Herren? Beim nächsten Bürger fragt der Beamte: Nach welchem Gesetz hätten Sie diese Information denn gerne? Soll es nach dem Umweltinformationsfreiheitsgesetz gehen, soll es nach dem allgemeinen Informationsfreiheitsgesetz gehen oder vielleicht nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz?

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Ach, machen Sie es doch nicht so kompliziert!)

Der Bürger kommt ins Grübeln und fragt: Ja, was ist denn das Günstigste?

(Wolfgang Riemann, CDU: Das verstehen wir unter Deregulierung. – Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Dass Sie überhaupt mal was verstehen?!)

Es kommt darauf an, wird der Beamte dann antworten. Meinen Sie die Gebühren, die Zugangsvoraussetzungen oder die Möglichkeiten, gegen die verweigerte Auskunft möglicherweise auch klagen zu können? Entweder, meine Damen und Herren, gibt der Bürger an dieser Stelle auf oder der Beamte in der Kreisverwaltung hat noch eine gute Stunde mit diesem Bürger zu tun, um ihm all die Möglichkeiten zu erklären, die es hier nun offensichtlich gibt.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Der Bürger ist erst einmal froh, dass er in die Akten reingucken kann, Herr Ringguth.)

Ja, er hat heute schon längst Möglichkeiten.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Jaja!)

Ich sage, wir sind jetzt nicht im Absolutismus und müssen aus dieser PDS-Novelle endlich rauskommen.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Ja, aber diese Fragen, die Sie aufgezählt haben, die stellt er bestimmt nicht. – Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Wissen Sie, ich war jahrelang nicht nur Bürgermeister, sondern auch Chef einer Verwaltung,

(Jörg Heydorn, SPD: Beantworten Sie doch mal meine Frage!)

und deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: Mit diesem Gesetz – und das wissen Sie ganz genau – gibt es nicht wirklich mehr Informationsfreiheit. So gut das auch ist, was hier geregelt werden soll, mit diesem Gesetz wird es nicht erreicht. Darauf werde ich noch zurückkommen.

(Jörg Heydorn, SPD: Dann beantworten Sie doch mal meine Frage! Welche Möglichkeiten gibt es heute?)

Wahrscheinlich wird über kurz oder lang auch eine Forderung nach staatlich finanzierten Beratungsstellen aufgemacht, um Informationszugänge wirklich zu bekommen.

Meine Damen und Herren, ist die so genannte Informationsfreiheit diesen ganzen Verwaltungs- und Gesetzgebungsaufwand wirklich wert? Diese Frage hat ja implizit mein Kollege – der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses – Herr Friese auch schon gestellt. Meine Damen und Herren, die Befürworter des Gesetzes sprechen vom Verlangen nach mehr Demokratie. Bedeutet denn mehr Information wirklich mehr Demokratie?

(Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: Ja. – Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Wissen ist Macht, das wissen Sie doch!)

Ich habe fast den Eindruck, dass die Fülle an Informationen, die jeder Bürger bereits jetzt aus den Nachrichten, aus dem Internet, aus Büchern, aus Zeitungen erhält, eigentlich zu einer Reizüberflutung führt,

(Heiterkeit bei Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS – Weil es immer schon so war für den Bürger.)

dass er sich gar nicht mehr wirklich in der Lage fühlt,...

(Heinz Müller, SPD: Wollen Sie das vielleicht einschränken?)

Das ist mein Gefühl, das sage ich ganz deutlich.

... sich wirklich frei zu entscheiden. Das ist ein Gefühl der Ohnmacht und auch der Rückzug aus der aktiven Teilnahme an der Demokratie.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Dann haben sie sich nur ihres eigenen Verstandes zu bedienen, sagt die Aufklärung.)

Herr Ritter, vorhin haben Sie gerade zu mir und in Richtung meiner Fraktion gesagt, dass wir offensichtlich mit anderen Meinungen nicht so richtig umgehen können.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: In einer Koalition. In einer Koalition, Herr Ringguth.)

Nehmen Sie das wenigstens für sich selbst in Anspruch und gehen Sie doch einfach einmal damit um, Herr Ritter, dass ich eine andere Meinung habe als Sie!

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Das ist doch völlig in Ordnung.

(Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Gehen Sie doch ganz relaxt damit um!

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Das mache ich doch. Ich war nie so entspannt wie heute.)

Ja, das ist schön, dass Sie so schön entspannt sind, Herr Ritter, das freut mich außerordentlich.

Meine Damen und Herren, ich war bei dem Punkt, dass die aktive Teilnahme an der Demokratie vielleicht eher durch ein Zuviel an Informationen unter Umständen als durch ein Zuwenig wirklich beeinflusst wird.

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Fragen Sie mal die Bürger, ob sie ein Zuviel an Informationen haben, und dann reden wir noch einmal darüber!)

Möglichkeiten, in denen sich der Bürger direkt an demokratischen Entscheidungsprozessen beteiligen kann, die gibt es doch in Hülle und Fülle. Allein auf Gemeindeebene – und da weiß ich doch, wovon ich spreche, meine Damen und Herren – gibt es mit den öffentlichen Gemeindevertreterversammlungen, mit den Einwohnerfragestunden, mit dem Antragsrecht, dem Bürgerbegehren, dem Bürgerentscheid und so weiter und so fort zahlreiche Möglichkeiten, sich zu informieren und an demokratischen Prozessen teilzunehmen. Wissen Sie, ich bin als Bürgermeister der Auffassung, dass davon eher viel zu wenig Gebrauch gemacht wird. Die Möglichkeiten, die es bereits gibt, werden nicht ausgenutzt. Wer jetzt glaubt, dass es mit dem Informationsfreiheitsgesetz ganz anders wird, dem wünsche ich viel Glück mit diesem Gefühl.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Danke!)

Ein weiteres Argument der Befürworter ist die Hoffnung, man könne mit diesem Informationsfreiheitsgesetz die Korruption bekämpfen. Das ist doch eine große Hoffnung. Also diese Ansicht, meine Damen und Herren, teilen wir von der CDU-Fraktion nicht. Es ist wirklich weltfremd zu glauben, dass durch die Einsicht in Akten ein Bürger Korruption in der Verwaltung vermeiden, aufdecken oder nachweisen kann. Meine Damen und Herren, das Wesen solcher Straftaten besteht doch darin, dass die Leute, die Korruption machen, ganz genau dafür sorgen, dass das in den Akten nicht erscheint, also in den Akten gar nicht auffindbar ist. Hier würde im Übrigen eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu einer sachkundigen Prüfung der Aktenlage führen, ohne dass jetzt ein solches Informationsfreiheitsgesetz benötigt würde.

Meine Damen und Herren, Akteneinsichtsrechte bestehen bereits im Verwaltungsverfahrensgesetz und in anderen Spezialgesetzen, so zum Beispiel im Pressegesetz. Das Pressegesetz, meine Damen und Herren, das wissen die Journalisten unseres Landes sehr genau, ist eine sehr effiziente Möglichkeit, um dort etwas zu tun. Einige wissen das im Übrigen auch leidvoll. Die Journalisten wissen das Pressegesetz anzuwenden. Darüber hinaus nun den Eindruck zu erwecken, es werde in Zukunft ein grenzenloser voraussetzungsloser Zugang von jedermann zu allen Akten, die in allen Behörden vorhanden sind, gewährleistet, ist doch schlicht unredlich.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Das tut doch keiner!)

Dieses Informationsfreiheitsgesetz enthält so viele Ausnahmen und Einschränkungen, die jeweils vom Sachbearbeiter – und das ist oft nur einer mit A 7 –,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ist das ein schlechter Sachbearbeiter mit A 7?)

der über den Anspruch auf Informations...

Nein, das ist er nicht, aber um das einmal ganz deutlich zu sagen, der ist jetzt sozusagen derjenige, auf den es herunterreduziert wird, wenn es um eine so wichtige

Sache wie den Datenschutz geht. Er muss jetzt die Entscheidung unten vor Ort treffen.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist doch auch in Ordnung so. Er kann sie auch am sachdienlichsten treffen und nicht der Abteilungsleiter. – Reinhard Dankert, SPD: Und nicht der Bürgermeister. – Zurufe von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS, und Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)

Ob das immer richtig ist, weiß ich nicht. Im Übrigen habe ich nie behauptet, dass ein Mitarbeiter mit A 7 ein schlechter Mitarbeiter wäre. Das ist völliger Blödsinn.

Meine Damen und Herren, das führt eindeutig – und das bleibt doch übrig – zu mehr Verwaltung, zu mehr Aufwand und zu mehr Bürokratie. Da muss die Frage schon stehen: Wollen und können wir uns das wirklich noch erlauben? Können wir uns das leisten? Die Bundesländer, in denen es bereits jetzt ein Informationsfreiheitsgesetz gibt, haben festgestellt, dass die Nachfrage nach einer solchen Regelung eher minimal ist. Eine Evaluation in Nordrhein-Westfalen zum Informationsfreiheitsgesetz ergibt zum Beispiel 2.177 Anträge in zwei Jahren. Davon wurden 437 abgelehnt,