Protocol of the Session on March 10, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 73. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Auswirkungen des Urteils des Landesarbeitsgerichtes Rostock zur Erhöhung der Pflichtstundenzahlen für Lehrkräfte in MecklenburgVorpommern, auf Drucksache 4/2125.

Antrag der Fraktion der CDU: Auswirkungen des Urteils des Landesarbeitsgerichtes Rostock zur Erhöhung der Pflichtstundenzahlen für Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/2125 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Renz von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich einen Dank im Namen des Steuerzahlers für den dritten Sitzungstag in dieser Sitzungswoche aussprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Reinhard Dankert, SPD: An Ihre Spielchen im Sonderausschuss erinnert aber keiner. – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Seit dem 08.12.2004 wissen wir, dass die Pflichtstundenerhöhung für viele Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund nicht zulässig war. Die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Stralsund wurde mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes vom 31.01.2006 bestätigt. Dass dieses Urteil folgen würde, war allen Beobachtern schon vor der Urteilsverkündung klar. Das Landesarbeitsgericht hat mehr als vier Wochen vor der Urteilsverkündung die Tarifpartner aufgefordert, eine gütliche Einigung in der beklagten Frage herbeizuführen. Seitens der beklagten Landesregierung wurde dieses Angebot nicht unterbreitet. So urteilte das Landesarbeitsgericht am 31.01.2006: „Dem beklagten Land ist der Nachweis nicht gelungen, dass durch die Ergänzung des Lehrerpersonalkonzeptes um die Ziffer 1.6 die einseitige Erhöhung des Regelstundenmaßes nachträglich gebilligt wurde.“ Das Lehrerpersonalkonzept ist wie ein Gesetz oder ein Tarifvertrag objektiv auszulegen.

Ich möchte noch einen weiteren zentralen Satz aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes zitieren: „In seiner Hauptbegründung nimmt das Landesarbeitsgericht an, dass die Erhöhung des Regelstundenmaßes für Teilnehmer an der Maßnahme flexible Teilzeitarbeit unwirksam ist, da die teilnehmenden Lehrkräfte umgekehrt vielmehr einen Anspruch darauf hatten, dass der nach den Regeln des Lehrerpersonalkonzeptes festgestellte Lehrermehrbedarf durch eine Aufstockung der Stunden auf die Lehrerschaft verteilt wird.“ Ich möchte dieses Juristendeutsch – die Kollegen mit entsprechender Ausbildung mögen es mir nachsehen – ins Hochdeutsche übersetzen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sehr geehrter Herr Minister, das Landesarbeitsgericht hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass Sie mit den Lehrern nicht nach Gutsherrenart verfahren können und dürfen.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Das tut auch keiner, Herr Renz.)

Und, Herr Minister, wenn wir die Entstehungsgeschichte dieses Urteils noch einmal zurückverfolgen, dann werden Sie einräumen müssen, dass insbesondere nach der Anhörung der Schulräte unseres Landes am 30. Oktober 2003 deutlich wurde, dass wir hier ein Problem diskutieren, dessen Wurzeln im Bildungsministerium in der Werderstraße liegen. Die Schulräte haben Jahr für Jahr die tatsächlichen Bedarfe an das Ministerium gemeldet. Diese Bedarfe wurden zwar zur Kenntnis genommen, Herr Minister, aber in der tatsächlichen Stundenzuweisung spiegelten sich diese Bedarfe selten wider. Das führte zu Improvisationen und Überplanungen in den Schulämtern, die sich maßgeblich auf die Qualität des Unterrichtes in vielen Schulen auswirken. Herr Minister, Sie haben in diesem ganz speziellen Problembereich Ihre politische Verantwortung nie wahrgenommen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das können Sie doch nicht einfach so sagen, Herr Renz.)

Im Gegenteil, die Öffentlichkeit wurde zu diesem Punkt der Unterrichtsversorgung seit Jahren getäuscht. Ich wage zu behaupten, dass diese Täuschung anhält. Die im Haushaltsverfahren eingebrachten zusätzlichen Bedarfe von 280 Stellen im Berufsschulbereich machen das deutlich.

Ich möchte diese Aussage auch untersetzen: Die Schulräte unseres Landes sagten am 30. Oktober 2003, dass die Differenzen zwischen der Bedarfsmeldung und der Stellenzuweisung bereits seit 1998 auftraten, also schon zu Zeiten Ihres Vorgängers.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Davor auch. Davor auch, Herr Renz!)

Sie waren nicht in der Lage oder nicht willens zu erkennen beziehungsweise nicht unterrichtet, dass dieses Problem besteht. Ich kann nicht davon ausgehen, dass Sie es nicht wussten. Ich kenne die Schulräte so, dass sie ihrer Verpflichtung nachkommen und auf die Probleme aufmerksam machen. So muss ich aus den Protokollen des Expertengespräches die Schlussfolgerung ziehen, dass Sie, Herr Minister, wissentlich die Öffentlichkeit und das Parlament getäuscht haben und das Landesarbeitsgericht dieser Vermutung neue Nahrung gibt. Das ist die logische Folge einer Bildungspolitik, die nur auf Finnland schielt und die wirklichen Probleme im eigenen Lande ignoriert.

(Beifall Ilka Lochner-Borst, CDU)

Und nun hört man, dass die Landesregierung beabsichtigt, in Revision vor das Bundesarbeitsgericht zu gehen. Ich frage Sie, Herr Minister: Was versprechen Sie sich davon? Ich frage Sie, Herr Minister: Stellen Sie einen weiteren Misserfolg vor Gericht über die Fürsorgepflicht, die Ihnen als Minister für die Lehrer aufgetragen wurde? Wie weit wollen Sie die Lehrer in diesem Lande durch Ihr politisches Handeln demotivieren? Herr Ministerpräsident, auch Sie tragen Verantwortung für die Lehrer im Land. Warum, Herr Ministerpräsident, verhindern Sie nicht im Interesse einer qualitätsorientierten Bildung den Gang Ihres Bildungsministers vor das Bundesarbeitsgericht? Warum geben Sie den Lehrern in diesem Land nicht einmal ein wirkliches Dankeschön mit auf den Weg und machen einen offensichtlichen Fehler rückgängig? Nicht mehr und nicht weniger wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Wir wollen dem Dankeschön, das Herr Bluhm in allen seinen Reden den Lehrern mit auf den Weg gibt,

(Norbert Baunach, SPD: So ist das.)

einmal wirkliche Taten folgen lassen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Oh, wie heroisch, Herr Renz!)

Herr Bluhm, mit jedem Dankeschön haben Sie gleichzeitig auch die Belastungen für die Lehrer erhöht.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Jaja!)

Das ist zynisch. Vom Dank eines Politikers allein lässt sich heute kein Lehrer mehr motivieren, dazu sind die Einschnitte mittlerweile für fast alle Lehrer zu groß geworden.

(Ministerin Sigrid Keler: Er spricht pro domo!)

Das Engagement vieler Lehrer findet mit der jährlichen Änderung des Arbeitsvertrages und des Beschäftigungsumfanges ein Ende. Schulentwicklung ist kaum noch möglich. Die Schulprogrammarbeit an den Gymnasien wird völlig eingestellt, denn die Drohungen von SPD und PDS, ihnen auch noch die siebenten und achten Klassen zu entziehen, macht jede Schulprogrammarbeit sinnlos, und zwar zum Schaden der Schüler,

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Unmöglich!)

die dort heute unterrichtet werden.

(Beifall Lorenz Caffier, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Frau Polzin, Sie fragten mich am 18. Februar 2004, ob mir bekannt sei, dass Regionalschullehrer schon seit 1992 27 Wochenstunden unterrichten müssen.

(Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Wissen Sie, diese Frage hätten Sie auch dem Gericht stellen können, denn das hat Ihnen die Antwort auf diese Frage gegeben.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Es geht nicht um den Stundenumfang der Pflichtstunden, sondern es geht darum, wie Sie mit den Lehrerinnen und Lehrern umspringen und wie Sie mit Verträgen umgehen. Auch hier spüren wir sie wieder, die Diktatur der Mehrheit.

(Angelika Peters, SPD: Haben Sie gestern denn nichts gelernt?! – Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS: Unglaublich! Unglaublich! – Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS: Kennen Sie den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie nicht?)

Aber zum Glück gibt es Gerichte, die dieser Willkür einer parlamentarischen Mehrheit ihre Grenzen aufweisen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS, und Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS)

Ich fordere Sie auf, Herr Ministerpräsident, die von uns geforderte Folgeabschätzung akkurat vorzunehmen!

(Zuruf von Konrad Döring, Die Linkspartei.PDS)

Senden Sie endlich ein positives Signal an die Lehrerinnen und Lehrer dieses Landes! Nehmen Sie von einer

langwierigen Berufung vor dem Bundesarbeitsgericht Abstand! Überzeugen Sie Ihren Bildungsminister von der Notwendigkeit, die Lehrer zu motivieren! – Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Vielen Dank, Herr Renz.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Herr Professor Dr. Dr. Metelmann.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Landesarbeitsgericht hat in einem Urteil am 31. Januar dieses Jahres festgestellt, dass es die Erhöhung der Pflichtstunden für Lehrer zum Schuljahr 2004/2005 für unwirksam ansieht. Dies gelte, soweit die Lehrer am Lehrerpersonalkonzept in Form der flexiblen Teilzeitarbeit teilnehmen. Für Lehrer in einem Vollzeitarbeitsverhältnis hingegen war eine Erhöhung der Pflichtstunden für Lehrkräfte wirksam. So hat das Landesarbeitsgericht erst kürzlich am 28. Februar in einem Fall eines Berufschullehrers entschieden, dass die Erhöhung der Pflichtstunden für Lehrkräfte von 25 auf 27 Wochenstunden rechtmäßig ist. Berufsschullehrer sind zurzeit nicht in Teilzeit, sodass auch keine Gründe für eine Unbilligkeit der Erhöhung durch das Landesarbeitsgericht gesehen worden sind. Diese Entscheidung steht im Einklang mit den bisherigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes zur Erhöhung von Pflichtstunden für Lehrkräfte, deshalb ließ das Landesarbeitsgericht auch gar keine Revision zu.

Die Unwirksamkeit der Erhöhung der Unterrichtsverpflichtungen für Teilnehmer am Lehrerpersonalkonzept begründet das Landesarbeitsgericht damit, dass die teilnehmenden Lehrkräfte einen Anspruch darauf hätten, dass der nach den Regeln des Lehrerpersonalkonzeptes festgestellte Lehrermehrbedarf durch Aufstockung der S t unden auf die Lehrerschaft zu verteilen sei. Also ein Zusammenhang sei dort zwischen erhöhtem Lehrerbedarf und erhöhten Schülerzahlen herzustellen. Dies ergebe sich aus den Regelungen zur Teilzeitarbeit des Lehrerpersonalkonzeptes. Der betroffene Lehrer habe einen Anspruch auf diese Stundenaufstockung, wenn die Schülerzahlen das hergeben.

Der zweite Grund – ich will sie beide nennen, damit die Diskussion hier Klarheit gewinnt –, den das Landesarbeitsgericht aufführt, ist, es fehle ein Zusammenhang zu den Zwecken des Lehrerpersonalkonzeptes. Dieses diene dem Ziel, den angesichts der demografisch bedingten Schülerentwicklung notwendigen Personalabbau im Schulbereich sozialverträglich zu gestalten, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Das Bildungsministerium könnte aus der Sicht dieses Urteils zwar alle im Rahmen seiner Aufgabenstellung erforderlichen Maßnahmen ergreifen, auch wenn sich diese direkt oder indirekt auf den Lehrerbedarf auswirken würden – als Beispiele werden in dem Urteil genannt Festlegung der Stundentafel, Festlegung der Klassengröße, Freistellungsumfang für Verwaltungsaufgaben –, aber, das ist die Sicht des Landesarbeitsgerichtes, Maßnahmen, die direkt auf die Verände

rung des Lehrerbedarfes abzielen, seien nur erlaubt, wenn damit gleichzeitig bildungspolitische Ziele verfolgt werden. Eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtungszeit ausschließlich aus fiskalischen Gründen beziehungsweise entsprechenden Zwecken verstoße nach Sicht des Landesarbeitsgerichtes gegen den Gedanken von Treu und Glauben. Diese Auslegung des Lehrerpersonalkonzeptes durch das Landesarbeitsgericht teilt die Landesregierung nicht. Wir halten sie nicht für zutreffend, sondern wir halten sie für angreifbar. Vor diesem Hintergrund wurde mittlerweile Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt.

Die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die eingelegte Revision schätzen wir vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes im Jahre 1997 positiv ein. In dieser Entscheidung hat der Freistaat Sachsen 1992 mit der GEW zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen. Eine Festschreibung der Unterrichtsverpflichtungszeiten erfolgte nicht. Im darauf folgenden Jahr hob der Freistaat die Unterrichtsverpflichtungszeiten an. Das Bundesarbeitsgericht hat in den Gründen ausgeführt, dies verstoße nicht gegen die getroffene Vereinbarung mit der GEW, weil die Unterrichtsverpflichtungszeiten nicht vertraglich festzuschreiben sind. Überdies ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Festlegung des Pflichtstundenmaßes für Lehrer Ausfluss des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes. Es hätte im Rahmen des Urteils des Landesarbeitsgerichtes nach Auffassung des Landes einer Auseinandersetzung dahingehend bedurft, dass die Grundlage des Lehrerpersonalkonzeptes das Direktionsrecht des Landes hinsichtlich der Pflichtstundenzahl beschneiden könnte. Das Landesarbeitsgericht vernachlässigt, dass an die Einschränkungen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes regelmäßig sehr hohe Anforderungen zu stellen sind. Angesichts dessen beurteilt die Landesregierung die Erfolgsaussichten der eingelegten Revisionen jedenfalls aus unserer Perspektive positiv.