Protocol of the Session on March 9, 2006

sie darf nicht Vision bleiben, sondern muss Stück für Stück Realität werden. Dazu gehört es, und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen, zu akzeptieren, dass Wissenschaft, dass Forschung, dass internationale Entwicklungen dem deutschen Schulsystem und dem deutschen Bildungssystem in Gänze Unzulänglichkeiten, Ungerechtigkeiten, soziale Benachteiligungen und wachsendes mangelndes Leistungsvermögen bescheinigen. Um diese Fragen zu beantworten, um diesen breiten politischen und fachlichen Dialog zu befördern, wollen wir die Landesregierung auffordern, eine Kommission „Lebenslanges Lernen in Mecklenburg-Vorpommern“ einzurichten,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

denn dieses Konzept muss ausgehend vom erreichten Stand unter Berücksichtigung internationaler, nationaler und landesspezifischer Besonderheiten die mittel- und langfristigen realistischen Entwicklungsziele definieren.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die im Antrag formulierten Ziele und Aufgabenstellungen sollen das

gesamte Bildungssystem betrachten. Es soll die Bereiche der frühkindlichen Bildung und Erziehung im vorschulischen Leben, es soll die Bildung und Erziehung in den allgemein bildenden Schulen, die berufliche Ausbildung und das Studium sowie die lebensbegleitende Weiterbildung umfassen und Konsequenzen für diese bestimmen. Hinzu gehören solche begleitenden Aspekte wie zum Beispiel die Stellung und die Erfordernisse zur Entwicklung der Sozialarbeit an den Bildungseinrichtungen, die Vertiefung der Zusammenarbeit von Schulen mit der Kinder- und Jugendhilfe, die Aus- und Fortbildung von pädagogischem Personal für die jeweiligen Bereiche, und zwar im weitesten Sinne, die Entwicklung der Horte und Ganztagsschulen, dazu gehören die weiteren Entwicklungen der Betreuungsrelationen, pädagogische und soziale Rahmenbedingungen, Qualität, Effizienz und Ergebnisorientierung unter Beachtung eines humanistischen Bildungsansatzes, der nicht ausschließlich nur eine Verwertungsmöglichkeit von Abschlüssen und Absolventinnen und Absolventen in den Mittelpunkt stellt, sowie die Sicherung von Zugangsmöglichkeiten für die einzelnen Bildungsgänge.

Zu prüfen ist auch, ob eine verwaltungsseitige Zusammenführung der verschiedenen Bestandteile in einem dafür zuständigen Ministerium nicht effizienter ist. Wenn wir einerseits die Kleinstaaterei kritisieren, dann sollten wir andererseits wenigstens unsere Möglichkeiten nutzen zu zentralisieren, wo dieses erforderlich und möglich ist.

Wir haben sehr bewusst darauf verzichtet, mit unserem Antrag ausschließlich und dezidiert nur die Schule zu betrachten. Die Anforderungen und Ergebnisse von Bildung, Erziehung und lebenslangem Lernen sind nur in einem abgestimmten System ihrer einzelnen Komponenten zu lösen. Gegenseitige Bezüge und Abhängigkeiten wie die Ausgestaltung der Schnittstellen und Übergänge, die stufenweise Weiterentwicklung vorhandener Grundlagen, die Kooperation und Zusammenarbeit sind dabei genauso wichtig wie die inneren Zusammenhänge und Strukturen eines einzelnen Systembestandteils.

Bildung und Erziehung funktionieren nur als Einheit von Wissen, Können, Kompetenzen und sozialer Ausgewogenheit. Darum müssen auch Komponenten wie die Gewährleistung von Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit, die Sicherung der sozialen Ausgewogenheit ohne Ausgrenzung, der weitere Ausbau des längeren gemeinsamen Lernens bei Sicherung der individuellen Förderung der Leistungsstarken wie der Leistungsschwächeren, die Gewährleistung eines möglichst kostenlosen Zugangs zu allen Bildungsangeboten in den jeweiligen Bereichen und die Vermittlung von Kompetenzen sowohl für das Wissen, aber auch für das Verhalten und für die Gestaltung eines unabhängigen und selbstbestimmten Lebens weiterentwickelt werden.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zugegeben, das sind anspruchsvolle Aufgabenstellungen und Ziele, insbesondere deshalb, weil wir wissen, dass gerade im Bildungsbereich die Einzelintentionen der betroffenen Gruppen und der verschiedenen Interessenverbände schwer zu vereinbaren sind.

(Frank Ronald Lohse, SPD: Eben.)

Und trotzdem: Nur wenn es gelingt, so weit wie irgend möglich zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, wird es mittel- und längerfristig zu einem Erfolg. Andere Bundesländer haben versucht, es uns vorzumachen, Möglichkeiten zu prüfen, ob das parteiübergreifend geht, und das

meine ich nicht so sehr auf den Begriff der politischen Parteien bezogen. Sie haben versucht, sich zu einigen.

Was den Zeitrahmen betrifft, auch das sei an dieser Stelle ausdrücklich formuliert, wollen wir keinen Schnellschuss. Aus diesem Grunde schlagen wir als Endtermin für die Arbeit dieser Kommission vorläufig den 30. Juni 2008 vor. Auch hier zeigen die Ergebnisse und Erfahrungen anderer Länder, dass circa zwei Jahre nötig sind, um zu brauchbaren, dialogisch entstandenen Ergebnissen zu kommen. Und selbst das ist mit Blick auf die Themenfülle und Komplexität dessen, um das es hier geht, ein ehrgeiziger Zeitraum.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt wie üblich schon wieder erste Stimmen, die den von den Koalitionsfraktionen unterbreiteten Vorschlag kritisieren. Die CDU meint, mit der Bildung der Kommission durch die Landesregierung würde sich das Parlament seiner Kompetenzen berauben. Ich werde mich nachher in der Debatte mit dem Antrag der CDU-Fraktion ausführlicher befassen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Da freue ich mich schon drauf.)

aber an dieser Stelle zu unserem Antrag, eine Kommission der Landesregierung einzusetzen, noch einmal ausführen:

Natürlich ist es so, dass, wenn man das Verfahren nach Artikel 60 der Landesverfassung wählt, der Landtag in der Pflicht steht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das wollen wir ja auch.)

Nur bei uns ist, im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, nicht das aktuelle Volksbegehren des Landeselternrates der Ausgangspunkt des Antrages.

(Torsten Renz, CDU: Na, na, na! Das glaubt doch wohl keiner! – Dr. Armin Jäger, CDU: Ein Schelm, der so etwas glaubt.)

Das ist deshalb nicht so, weil es sich mit einer Änderung des Schulgesetzes befasst.

(Torsten Renz, CDU: Oh, das heißt Eulen nach Athen tragen! – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Wir wollen weit über die Schulen hinausgehende Konzepte weiterentwickeln. Insoweit sind die Vorschläge sicher in Beratungen einzubeziehen,

(Torsten Renz, CDU: Ich fasse es nicht!)

aber sie sind weder der Anfang noch das Ende dieses Prozesses und dieses Antrages, und damit steht für uns als Koalitionsfraktionen auch die Gesetzgebungsfrage nicht,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ah ja!)

jedenfalls nicht bis zum 30. Juni.

(Torsten Renz, CDU: Bis zum 17. September! Bis zum 17. September, Herr Bluhm! – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Bis zum 17. September!)

Im Übrigen erinnere ich mich noch gut an die Kritik der CDU, was die Wahrnehmung von Gesetzesinitiativen von Fraktionen des Parlaments in dieser Legislaturperiode

betrifft. Es gab dazu sogar eine von Ihrer Fraktion beantragte Aktuelle Stunde,

(Torsten Renz, CDU: Unser gutes Recht.)

in der die Einbringung der Novellierung des Schulgesetzes durch die Koalitionsfraktionen mehr als kritisch bewertet wurde.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, nee!)

Wie sich doch manchmal die Zeiten ändern!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Da hat sich nichts geändert.)

Wir haben keinen Anlass, das Schulgesetz zu überdenken, wie sie das in Ihrer Presseerklärung vom 06.03.2006 formulierten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ihnen glaube ich das. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Wir halten es nach wie vor für richtig und unter den Rahmenbedingungen des Landes und den nationalen und internationalen Entwicklungen für angemessen.

(Torsten Renz, CDU: Wer weiß, was Frau Dr. Linke auf Rügen erzählt hat! Die sagt bestimmt, das Schulgesetz wird gekippt. Wahlkampftechnisch nimmt sie das alles in Kauf.)

Warum nur der Landtag einen Interessenausgleich herbeiführen kann,

(Torsten Renz, CDU: Das habe ich doch erlebt. – Zuruf von Frank Ronald Lohse, SPD)

erschließt sich für mich nicht.

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS – Frank Ronald Lohse, SPD: Erst zuhören!)

Es gibt und gab in der Bundesrepublik Kommissionen, die von Landesregierungen genauso wie von Parlamenten eingesetzt wurden. Einer Landesregierung per se zu unterstellen, sie könne keinen Interessenausgleich durchführen, stellt dann wohl auch die Entscheidungen der CDU-geführten Landesregierungen der Vergangenheit in ein etwas problematisches Licht.

(Frank Ronald Lohse, SPD: Wie wahr!)

Wo steht geschrieben, dass bei einer Regierungskommission kein neutraler Vorsitzender oder keine Vorsitzende

(Dr. Armin Jäger, CDU: Also da freut sich sogar Herr Methling. Das sehe ich zu gern! Da will ich auch mal Freude haben.)

mit der Leitung beauftragt werden könnte? Wir sind jedenfalls sehr dafür, dieses zu tun.

(Heike Polzin, SPD: Ja.)

Hinsichtlich der Beteiligung des Landtages steht in der Begründung zu unserem Antrag ausdrücklich der Wille zur Mitarbeitsgewährleistung des Parlaments.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Donnerwetter, ich wundere mich! – Torsten Renz, CDU: Großzügig, großzügig! Dass das Ding aus dem Ausschuss nicht mehr rauskommt.)