Deswegen hat ja mein Kollege vorhin auch ganz klar gesagt, hören Sie doch einfach früher auf uns, dann sind Sie auch schneller.
Das Bundesinformationsfreiheitsgesetz, meine Damen und Herren, das trat wirklich erst zum 01.01.2006 in Kraft und dabei kann man für die Zögerlichkeit der SPD auf Bundes- und eben auch auf Landesebene, wie ich finde, durchaus gute Gründe unterstellen.
Natürlich teilen wir hier wohl alle insgesamt die angestrebten Ziele dieses Gesetzentwurfes. Wer kann schon gegen Transparenz stimmen?
Oder wer kann gegen Korruptionsbekämpfung sein? Wer kann etwas gegen mehr Teilhabe der Menschen an politischen Prozessen haben? Oder wer würde bezweifeln, dass der Zugang zu Informationen in einer Informationsgesellschaft ein wichtiges Bürgerrecht ist? Niemand!
Und in der Tat, schon 2002 forderte das Ministerkomitee des Europaparlaments die Mitgliedsstaaten der EU ja auf, den Bürgern Zugang zu behördlichen Dokumenten zu gewähren. In Finnland, Frau Borchardt, eben auch in Schweden, schon seit ganz, ganz vielen Jahren, Dänemark, den USA, Frankreich, selbst in Russland und Tschechien gibt es ja ein solches Informationsfreiheitsgesetz. Und neben dem Bund haben die Länder SchleswigHolstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Berlin auch so ein Informationsfreiheitsgesetz. Aber – und jetzt kommt mein Aber – es gilt eben auch, dass andere Staaten trotz teilweise guter Erfahrungen mit Informationsfreiheitsgesetzen eine völlig andere Rechtskultur und Rechtsgeschichte haben.
Frau Borchardt, diese andere Rechtskultur und Rechtsgeschichte unterscheidet uns zum Beispiel von Schweden. Und es gilt eben auch, dass mit einem Informationsfreiheitsgesetz – so populistisch sein Name auch immer
sein mag, Informationsfreiheitsgesetz – die Kontrolle staatlichen Handelns doch nicht erst sozusagen jetzt beginnt.
Also, meine Damen und Herren – und das ist mir jetzt sehr, sehr wichtig –, für meine Fraktion lege ich Wert darauf zu betonen, dass wir in einem Rechtstaat leben und dass dessen Struktur, demokratische Legitimation und Kontrolle eigentlich über jeden Zweifel erhaben sind und dass uns andere darum wirklich auch international beneiden. Das muss erst mal festgestellt werden.
Ob nun zusätzliche und in gewisser Hinsicht willkürliche, das heißt ohne Geltendmachung irgendeines berechtigten Interesses vorgenommene punktuelle Kontrollen der Verwaltungstätigkeit eine kontinuierliche und gleichmäßige Staatskontrolle verbessern können, das bleibt schon zu bezweifeln.
Etwas zum Datenschutz: Beim Datenschutz gibt es tatsächlich, Herr Minister, eine Verbindung in der Paketlösung zum SOG, und zwar eine reichlich paradoxe. Seit Jahren bemüht sich meine Fraktion gerade im Bereich Kriminalitätsbekämpfung – Herr Schubert hat das ausgeführt, zuletzt 2001 –, immer wieder und immer wieder die berechtigten Interessen der Vollzugsbehörden, die Interessen der Ermittler gegen völlig überzogene Datenschutzbedenken durchzusetzen. Der berühmte Paragraf 44 „Rasterfandung“ lässt da grüßen. Und gerade die Linkspartei.PDS hat sich in der Vergangenheit doch immer wieder zum Gralshüter des Datenschutzes –
Und plötzlich, unter der Flagge der Informationsfreiheit, scheint dies jetzt aber weniger wichtig zu sein. Bisher war alles, was sich in einer Behörde tat – und das muss uns klar sein –, vertraulich und dem Amtsgeheimnis unterworfen. Mit diesem Entwurf ist der bisherige, quasi automatische Schutz von Daten nicht mehr gegeben.
Nunmehr ist es der zuständige Sacharbeiter, der zuständige Bearbeiter in der Behörde selbst, der die Daten aktiv zu schützen hat.
(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Das habe ich Ihnen aber erklärt. In der Verfassung ist es geregelt und der Verfassungsschutz gilt.)
Das steht schon vorne im Gesetzestext, das kann man auch alles fein nachlesen, selbst ohne Ihre Erklärung.
Nur es verwundert einen schon, dass Sie plötzlich, wo Sie sonst sozusagen den Datenschutz wie eine Fahne vor sich hertragen, hier doch relativ locker damit umgehen.
Das lassen Sie sich einfach nur sagen! Ob die Schutzund Gegenrechte Betroffener entsprechend dem Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung in Paragraf 7, das ist ja der Paragraf, der hier einschlägig ist, praxistauglich oder vor allem eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Verwaltungsgerichte werden, das werden wir noch zu diskutieren haben. Immerhin ist ja vorgesehen, nicht mehr den Zugang zu den Informationen der Behörden an Bedingungen zu knüpfen, sonders andersherum deren Geheimhaltung.
Das ist ja eben dieser Paradigmenwechsel, von dem der Herr Minister vorhin schon sprach. Und Streitfälle, Frau Borchardt, die sind vorprogrammiert. Davon werden wir ausgehen.
Tröstlich ist, wie wir finden, dass zumindest in Paragraf 8 klare Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen enthalten sind. Erstaunlich – und ich sehe, Herr Karsten Neumann ist ja heute da –
ist die Reaktion des Landesdatenschutzbeauftragten in seiner Pressemitteilung, die uns vorlag. Herr Neumann freut sich ganz offensichtlich schon jetzt auf die zusätzliche neue Aufgabe des Beauftragten für Informationsfreiheit. Und dann ist er Datenschutzbeauftragter und Informationsfreiheitsbeauftragter.
Also ich hätte Ihnen, Herr Neumann, bei Ihrer in letzter Zeit – entschuldigen Sie, wenn ich das sage – etwas zunehmenden Leibesfülle einen solchen Spagat gar nicht zugetraut, muss ich Ihnen mal sagen.
Unstrittig ist, dass die Regelungen dieses Gesetzentwurfes zu mehr Transparenz in der öffentlichen Verwaltung führen würden. Unklar aber ist der Preis für dieses Mehr an Transparenz. Unter Punkt „5. Kosten“ ist im Gesetzentwurf zu lesen: „Die Aufgabe ist im Rahmen der vorhandenen Ressourcen (Personal- und Sachmittel) zu erledigen.“ Das ist ja wunderbar, aber, meine Damen und Herren, genau diese Ressourcen können sich Kommunen und Land eben nicht mehr leisten.