Dieser Gesetzentwurf wurde von den Fraktionen der PDS und SPD mit fachlicher Beratung durch das Innenministerium erarbeitet. Aber wir konnten uns auf gute Vorarbeiten aus dem In- und aus dem Ausland stützen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um dafür insbesondere dem Deutschen Journalistenverband, gemeinsam mit ver.di, Transparency International, der Humanistischen Union und dem „Netzwerk Recherche“ herzlichen Dank zu sagen. Ohne ihre Vorarbeit wären wir vielleicht nicht so weit zur Qualifikation dieses Gesetzes gekommen.
Die SPD-Fraktion befürwortet die Überweisung dieses Gesetzentwurfes. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss eine Vorbemerkung machen, bevor ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag, den ich mir vorbereitet habe, komme, weil die Ausführungen vom Kollegen Ringguth, die er hier gemacht hat, mich ziemlich aufgebracht haben oder besser gesagt, die gingen heute wirklich unter die Gürtellinie.
vielleicht Sachlichkeit walten zu lassen in der Bewertung des „körperlichen“ Umfangs und dessen, was der Datenschutzbeauftragte zum Thema „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ geleistet hat,
und ihm empfehlen – ich habe Herrn Ringguth leider nicht persönlich in der Teilnehmerliste gefunden –, sich vielleicht die Fachtagung „Moderne Verwaltung zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz“, die im Juni 2005 im Festsaal des Schweriner Schlosses stattgefunden hat, zu Gemüte zu führen und da zu hinterfragen, wo Teilnehmer aus allen Ländern dieser Bundesrepublik, auch Teilnehmer aller Couleur, aller Farben der Parteien teilgenommen haben, die für dieses Recht und für ein Informationsfreiheitsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern hier gestritten haben, natürlich unter Moderation und Einleitung von Herrn Neumann. Ich denke, es ist angemessen, das einfach vorher mal festzuhalten, weil die Darstellung, die er hier gebracht hat, überhaupt nicht den Tatsachen entspricht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 1776 wurde der Zugang zu Verwaltungsunterlagen erstmals in Schweden als allgemeines Bürgerrecht rechtlich anerkannt. Das hat meine Kollegin Borchardt zu Beginn ihrer Einführungsrede benannt und Herr Ringguth ebenfalls. Ich will die historischen Daten noch etwas ergänzen: 1946 stellte die UN-Generalversammlung fest, dass das Recht auf Information ein fundamentales Menschenrecht sei, und 1966 brach der Freedom of Informations Act in den USA die Bahn für ein Prinzip, das nun auch endlich in Mecklenburg-Vorpommern einen neuen Standard des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Bürger setzen kann. Mit diesem Gesetz schaffen wir ein deutliches Stück mehr an Transparenz der öffentlichen Verwaltung. Wir stärken vor allem die persönlichen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger.
Und da sage ich, Kollege Ringguth, gerade Sie, der ja immer die demokratische Teilhabe unserer Bürgerinnen und Bürger in den Himmel gehoben hat und hier immer wieder in seinen Reden benennt,
dem fällt dann auf einmal ein, dass das Gesetz Verwaltungskosten verursachen könnte und dass die Verwaltung mit neuen Aufgaben betraut wird.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Heinz Müller, SPD – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
mit dem Prozess der Verwaltungs- und Funktionalreform in diesem Land. Denn, meine Damen und Herren, auch wenn nach wie vor vielleicht manches umstritten ist in diesem Prozess, so sind sich alle Beteiligten einig in einem Ziel,
und das heißt Herstellung von mehr Bürgernähe und Transparenz. Und genau das ist mit diesem Gesetz vorgesehen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS und Heinz Müller, SPD – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)
Ich bin mir darüber im Klaren, meine Herren von der CDU, dass es dazu ganz unterschiedliche Interpretationen gibt.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sehen Sie das so wie beim Verwaltungsmodernisierungsgesetz, Frau Meˇsˇt’an? Da müssen Sie sich jetzt auch bald mal entscheiden.)
Die einen reden über Fahrzeiten vom Wohnort zum Sitz der Verwaltung. Andere verstehen darunter die Verlagerung von Aufgaben und Zuständigkeiten auf die kommunale Ebene. Und wieder andere definieren Bürgernähe als Verhältnis der Anzahl der Wahlberechtigten pro kommunalem Mandat.
Wenn wir Bürgernähe jedoch nicht in räumlicher Dimension, sondern eher als emotionale Nähe zwischen den Bürgerinnen und Bürgern zu den Verwaltungen betrachten, wird dabei oft deutlich, dass die Kluft zwischen ihnen und den Beamten beziehungsweise Angestellten im öffentlichen Dienst unüberbrückbar tief zu sein scheint. Da nenne ich nur einige Stichworte: Amtsstuben, Öffnungs- und Sprechzeiten, Bekanntmachungen, Amtliche Mitteilungen, Gebühren- und Widerspruchsbeschwerde, förmliche Verfahren ohne Ende und informierte Verwaltungsfachleute normieren in diesem Zusammenhang demokratische Teilhabe. Und ich denke, damit muss man neue Zeichen setzen. Es scheint auch paradox, dass im Informationszeitalter die Flut der auf Bürgerinnen und Bürger einströmenden Informationen solch bedrohliche Ausmaße annimmt, dass sie für „Otto“ oder meinetwegen, heute ist Frauentag, auch „Clara Normalverbraucher“ nicht mehr nachvollziehbar sind.
Meine Damen und Herren, das Grundproblem ist und bleibt also, der Bürger muss um seine Rechte wissen. Er muss diese einfordern und durchsetzen können. Jeder in diesem Haus weiß, dass Fragen der Auskunfts-, Informations- und Beteiligungsrechte ganze Regale in unserer Landtagsbibliothek und anderen Bibliotheken füllen. Darum geht es aber bestimmt nicht, sondern es geht um den freien Zugang von Informationen für Bürgerinnen und Bürger.
Nicht der Bürger soll wissen und auch noch begründen können, gegenüber wem er welche Auskunftsrechte hat, sondern er soll ein generelles Recht erhalten. Auskunftsverweigerungsrechte müssen deshalb nach Meinung meiner Fraktion speziell beziehungsweise wirklich der Ausnahmefall sein und der Verwaltung und nicht Bürgerinnen und Bürgern den Begründungszwang für den Ausnahmefall auferlegen.
Meine Fraktion hält es für außerordentlich wichtig, dass wir endlich Möglichkeiten eröffnen Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, ihre Interessen gegenüber der öffentlichen Verwaltung durch den unbehinderten Informationszugang verfolgen zu können. Ich will noch einmal sagen, für uns ist die Informationsfreiheit, der freie Zugang zu den Akten, eine Sache des Prinzips. Wir sind für gläserne Verwaltung, nicht aber für gläserne Bürger.
Und in der Sache ist mit dem gesetzlichen Anspruch auf Informationsfreiheit eine Grundfrage der Demokratie aufgeworfen. Es geht nämlich um nichts anderes als um die reale Ermöglichung der Bürgermitwirkung.
An dieser Stelle erlaube ich mir, eine Passage aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 1977 zu zitieren. Das Gericht stellte fest: „Eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an politischer Willensbildung setzt voraus, dass der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die befassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.“
Nichts anderes, meine Damen und Herren, will der Gesetzentwurf ermöglichen. Und da ist es eine absurde Debatte, dies gegen das zu diskutieren. Es geht damit um keinen Putsch oder so etwas Ähnliches gegen den Staat oder die Verwaltung und man braucht auch keine Bange zu haben, dass die Verwaltung auf der Grundlage dieses Gesetzes am Ende mit Anträgen zugeschüttet wird.
Meine Fraktionskollegin Frau Borchardt hat vorhin kurz den langwierigen und schwierigen Weg beschrieben, bis wir nach sage und schreibe mehr als 15 Jahren an dem Punkt angelangt sind, dass wir das Landesgesetz auf den Weg bringen. Es gibt inzwischen zwar barrierefreies Bauen, aber barrierefreie Gesetzgebung leider nicht. Das sage ich mit ausdrücklichem Bedauern.
Meine Damen und Herren, mit dem nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf könnte man dann vielleicht auch sagen, Ende gut, alles gut. Aber auch das wäre wohl ein wenig einfach. Ich bin natürlich auch ein bisschen skeptisch und habe nicht unbedingt Illusionen darüber, dass dieses Gesetz überall freudig aufgenommen wird. Und vorauseilenden Gehorsam bei der Verwirklichung werden wir nun sicherlich auch nicht erleben, denn die 15-jährige Geschichte dieses Gesetzes ist auch ein 15-jähriger hartnäckiger Widerstand gegen dieses Projekt. Und woher der Wind 15 Jahre lang wehte, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen.
Als ich, da ich noch nicht in diesem Hohen Haus tätig war, die Landtagsdebatte von vor 15 Jahren, nämlich die am 28. November 1991 nachgelesen habe, hatte ich das Gefühl, dass hier eine Gespensterdebatte geführt wurde zu dem, was CDU und F.D.P. gegen das Anliegen, mehr noch natürlich gegen die Einreicher, meine damalige Fraktion der Linken Liste/PDS, geäußert hat. Ein Grundtenor der CDU war damals vor allem, ein solches Gesetz sei nicht nötig, nein, es sei sogar von Übel. Nun, meine Damen und Herren, die heutige Linie der CDU scheint am Ende nicht weitab von damals zu sein. Das konnte man auch in der Presseerklärung der CDU-Fraktion vom 5. Januar 2006 lesen, wo sie davon ausging, dass dieses Gesetz „völlig überflüssig“ sei. Aber das zeigt nur, dass die CDU in diesem Punkt, und nicht nur in diesem, seit 1 5 Jahren – wie ein alter Regenschirm – in manchen Gedanken stehen geblieben ist und Realitäten einfach nicht wahrnimmt, nämlich dass es inzwischen die bundesrechtliche Regelung gibt und die EU-Entwicklung sich Schritt für Schritt in die Bahn der Informationsfreiheit begibt. Dass es auch anders geht, will ich Ihnen sagen, liebe Kollegen von der CDU. Ihre Kollegen in Hamburg haben beispielsweise einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht.
Immerhin. Wenn ich auch zum dortigen Unternehmen Informationsfreiheitsgesetz sagen muss, die Hamburger CDU hat offenbar eine flexiblere Taktik gewählt, nämlich den Informationszugang vor allem durch höhere Gebühren, Verschleppungsmöglichkeiten in der Beantwortung von Anträgen, Ausschließungsgründe oder mit der Verweigerung von Akteneinsicht in laufenden Verfahren, totzuschlagen.
Natürlich ist nirgends verborgen geblieben, meine Damen und Herren, dass auch Dr. Timm einen Erkenntnisprozess durchgemacht hat und sich auf der besagten von mir zitierten Konferenz noch völlig anders verhalten hat. Sei es, wie es sei, wir haben ein Ergebnis erreicht.
Gewiss sind mit diesem Gesetz, so, wie es uns vorliegt, nicht alle Blütenträume gereift, die sich die Aktivisten der Informationsfreiheit vorgestellt und gewünscht haben. Meine Fraktion hätte vielleicht gern noch ein bisschen mehr die Schranken emporgehoben, die dem Zugangsanspruch entgegenstehen. Oder warum soll beispielsweise das fiskalische Handeln nicht vom Akteneinsichtsanspruch erfasst werden? Ich denke auch, dass es gut wäre, genauere Abwägungsregelungen bei Kollisionen mit privaten Belangen aufzunehmen, vor allem hinsichtlich der Geltendmachung von Geschäftsgeheimnissen.
Und dasselbe gilt auch, meine Damen und Herren, für die Beteiligung Dritter und bei der Ablehnung von Anträgen. Es ist vorstellbar, das haben Vorredner auch schon gesagt, dass die Paragrafen 5 bis 9 vielleicht Probleme aufwerfen. Darüber sollten wir im Ausschuss gründlich beraten.
Zugleich hoffe ich aber, dass die Verwaltung daran gehalten wird, diese Bestimmungen im Sinne eines großzügigen Zugangs zu den Informationen zu handhaben. Dass wir als Fraktion der Linkspartei.PDS davon ausgehen, dass durch übertriebene Kostenregelungen keine künstlichen Hürden in unserem Land aufgebaut werden, ist, denke ich, selbstverständlich.
Und da kann ich nur noch mal das Zitat, das mein Vorredner Herr Friese genannt hat, an das Ende der Debatte stellen. Ich glaube, die Gedanken, die so oft 2005 im Jubiläumsjahr von Einstein zitiert wurden, sollten wir uns für die Ausschussdiskussion wirklich mit auf die Fahnen schreiben: „Der Staat ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Staat.“ Ich denke, dieses Zitat ist sehr, sehr wichtig. Wir sollten uns mit den Inhalten der Fachtagung noch einmal gründlich auseinander setzen und das Gesetz noch in dieser Legislatur verabschieden. – Ich danke Ihnen.