Protocol of the Session on September 1, 2005

weil der Vortrag von Herrn Rehberg, so richtig greifbar war er eigentlich nicht. Eins ist natürlich sehr deutlich rübergekommen: Den Machtverlust vor acht Jahren, den haben Sie bis heute nicht so richtig klargekriegt intern.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Also das kommt in jedem Beitrag von Ihnen hier immer wieder zum Ausdruck, aber wir werden uns damit ja sicherlich noch auseinander setzen müssen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, mit der Vorlage des Entwurfes des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 kommt die Landesregierung den Anforderungen des Landesverfassungsgerichtes nach. Mit seinem Urteil zum zweiten Nachtrag 2003 und zum Doppelhaushalt 2004/2005 hat das Verfassungsgericht eine neue Richtschnur für Gesetzgebungsverfahren festgelegt und dabei darf man sachlich feststellen, dass diese von der bisher im Land geübten Praxis abweicht. Das gilt insbesondere für die Entscheidungen zum Doppelhaushalt 2004/2005. Hier werden Verfahrensfehler hinsichtlich des Gebots einer Grundsatz- und einer Einzelberatung sowie des so genannten Bepackungsverbotes geltend gemacht. Das Urteil des Landesverfassungsgerichts zum Doppelhaushalt 2004/2005 hat aus unserer Sicht allerdings wenig zur Klärung der Frage beigetragen, wie Parlament und Regierung bei der Haushaltsgesetzgebung zusammenwirken müssen. Anstatt hier Klarheit zu schaffen, wird dieses Urteil weiterhin Verfahrens- und Rechtsunsicherheit hervorrufen.

Die Landesregierung hat entsprechend der Vorgaben des Gerichts von der seit Jahren üblichen Praxis, wir haben ja dazu schon einiges gehört, das Haushaltsgesetz und weitere für den Haushalt bedeutsame Regelungen in verschiedenen Artikeln eines Mantelgesetzes zusammenzufassen, Abstand genommen und separat ein Haushaltsgesetz und ein Haushaltsbegleitgesetz vorgelegt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Ihre Forderung, die Landesregierung soll es künftig vermeiden, Landesgesetze im Rahmen des Haushaltsrechtsgesetzes zu ändern, die keinen unmittelbaren Bezug zum Landeshaushaltsplan aufweisen, ist daher völlig überflüssig. Auch dass der Landtag alle Gesetzesvorhaben der Landesregierung hinsichtlich der Aufstellung eines Landeshaushaltes gemäß Artikel 55 und Artikel 61 der Landesverfassung überprüfen soll, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Da brauchen Sie uns nicht zu belehren. So etwas muss man nicht beschließen, meine Damen und Herren, sondern es ist Bestandteil unseres Selbstverständnisses als Parlamentarier, und ich hoffe, zumindest auch bei Ihnen.

Meine Damen und Herren, unkalkulierbare Folgen für uns alle, alle, die wir hier sitzen als Parlamentarier, hat die Entscheidung des Gerichts hinsichtlich der Frage …

(Vincent Kokert, CDU: Kommen Sie doch mal zu den Inhalten!)

Wenn Sie das nicht begreifen, dann halten Sie sich doch zurück!

… Erste und Zweite Lesung.

(Beifall Angelika Peters, SPD)

In dem seit zehn Jahren praktizierten Verfahren, dass der Finanzausschuss notwendig gewordene Änderungen in das parlamentarische Verfahren zum Haushalt einbringt, hat das Gericht eine Verletzung des Gebots einer Grundsatz- und einer Einzelberatung gesehen. Dass im Laufe eines parlamentarischen Verfahrens zwischen einem eingebrachten Gesetzentwurf und dem verabschiedeten Gesetz wesentliche Veränderungen eintreten, verbietet die Landesverfassung nicht. Auch wenn Frau Keler schon das Thema angesprochen hat, durch die Auslegung des Verfassungsgerichtes jedoch werden

Gesetzgebungsverfahren zukünftig erheblich komplizierter.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Die entscheidende Frage wird nämlich immer lauten: Was ist denn eine wesentliche Änderung?

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Meine Damen und Herren, das Verfassungsgerichtsurteil gibt darauf jedenfalls keine Antwort. Mit den Festlegungen des Gerichts wird das Recht des Parlaments und seiner Ausschüsse, während eines Gesetzgebungsverfahrens Änderungen zu beschließen, eindeutig betroffen, wenn nicht gar beschnitten.

(Heike Polzin, SPD: Ja.)

Das ist vielen hier anscheinend noch gar nicht bewusst oder wird bewusst verleugnet.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Herr Rehberg äußert sich dann öffentlich folgendermaßen: „Es ist ein Zeichen von Demokratie, dass die Gesetzgebungsgewalt in den Händen der gewählten Volksvertreter liegt“, so Herr Rehberg in einer Pressemitteilung vom 24.08.2005 zu dem besagten Urteil. Herr Rehberg, Sie scheinen das Urteil wirklich nicht verstanden zu haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sehen wir uns doch mal die parlamentarische Praxis an! Wie wäre etwa in einer Situation zu verfahren – Herr Jäger, kommen Sie mir jetzt nicht damit, wir denken um viele Ecken, es ist praktische Realität –,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Reden Sie doch erst mal zur Sache!)

wenn der Landtag, …

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sprechen Sie zur Sache!)

Ich warne Sie ja nur schon mal vor, dann können Sie sich die Luft sparen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Vielen Dank! Vielen Dank!)

… wenn der Landtag oder der Finanzausschuss …

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wie immer!)

Ja, Sie bringen sich in Stellung, das haben wir ja mittlerweile auch schon mitbekommen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Was soll denn das?! – Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Egbert Liskow, CDU)

… den Gesetzentwurf der Regierung zum Haushalt wesentlich ändern will? Wie verhält es sich dann mit der erforderlichen Grundsatzdebatte? Wäre dafür ein neuer Gesetzentwurf nötig? Nach der Landesverfassung darf nur die Landesregierung Gesetzentwürfe zum Haushalt einbringen. Was ist …

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jetzt kommt doch wieder das Märchen! Jetzt kommt doch wieder das Märchen!)

Das sagte ich doch gerade, Sie haben es nur wieder nicht verstanden!

Was ist, wenn eine Landesregierung die Auffassung des Landtages in seiner Mehrheit hinsichtlich der Änderung eben nicht teilt und dann kein Gesetz einbringt? Die Konsequenz ist, dass der Landtag derartige Änderungen dann nicht durchsetzen kann. Das hat die CDU jetzt erreicht. Bravo, sage ich da nur! Bravo!

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

So viel also zur CDU-Behauptung, die Rechte des Parlamentes werden durch das Urteil gestärkt.

Meine Damen und Herren der CDU, sollten Sie wirklich in ferner Zukunft jemals wieder mitregieren dürfen in diesem Land, werden Sie sich noch wundern über die Konsequenzen, die Sie damals losgetreten haben. Das sage ich Ihnen heute schon voraus.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir können mit der Verfassung umgehen, aber Sie haben Ihre Probleme damit.)

Auch die Forderung der CDU in ihrem Antrag nach einer Rechtsfolgenabschätzung ist letztendlich gegenstandslos.

Ich möchte mir mal etwas Aktuelles vornehmen, weil wir ja eine verbundene Aussprache führen, und da gehört das einfach mit rein. Das hat mit Wahlkampf eigentlich nichts zu tun, sondern das sind Aussagen, die sich auch hier auswirken. Herr Rehberg wird zitiert im „Nordkurier“, und er hat es ja hier vorhin verbal noch mal getan: „,Man kann in besonderen politischen Situationen manches Spielchen mitmachen‘“. Spielchen! Wortwahl, das wirft er uns ja immer vor. Spielchen im Zusammenhang mit der Haushaltsgesetzgebung, das vornehmste Recht des Parlaments! Allein darüber könnte man schon philosophieren. Also Herr Rehberg sagt: Man könne „,in besonderen politischen Situationen manches Spielchen mitmachen‘ … mit Blick auf Vorgänge zu CDU-Regierungszeiten“.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine Damen und Herren, was bedeutet das denn? Denken wir diesen Satz doch mal zu Ende! Das heißt, es kommt also nur darauf an, wer das gerade macht, dann ist es okay! Und wenn die SPD und die PDS oder Linkspartei.PDS – wie auch immer –,

(Minister Dr. Till Backhaus: Oder Linke! Wie auch immer sie heißt. – Harry Glawe, CDU: Jetzt kommen Sie wohl durcheinander. Sie wissen den Namen schon nicht mehr. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

wenn die Regierungskoalition das macht, dann ist das verfassungswidrig aus Sicht von Herrn Rehberg. Also es kommt immer darauf an, wer die Schweinerei macht, nach dem Motto wird hier verfahren. Diese Denke, sage ich Ihnen, wird Ihnen mächtig auf die Füße fallen.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und der Linkspartei.PDS)

Dann geht es aber weiter, und jetzt wird es wirklich haarig. Sie haben mich ja fast beeindruckt mit Ihren Schlusssätzen, mit Ihrem Appell, so habe ich es zumindest verstanden, an die Gemeinsamkeit der Demokraten und Parlamentarier, sich gegen Willkür von Regierungen durchzusetzen. Aber wenn Sie dann sagen, ich zitiere wieder aus dem „Nordkurier“ von heute, ganz aktuell: „Rehberg räumte ein, selbst überrascht gewesen zu sein von dessen Schärfe. ,Natürlich‘ hätte das Gericht auch sanfter

entscheiden können: Angesichts der marginalen inhaltlichen Änderungen im neu vorgelegten Etat 2005 wäre es auch legitim gewesen, die strittigen Etats zwar für verfassungswidrig, nicht aber für nichtig zu erklären“.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)