Protocol of the Session on December 11, 2002

Ein Grundproblem des zweiten Arbeitsmarktes war es bisher, dass Angebot und Nachfrage oft nicht zusammengepasst oder auch nicht schnell genug zusammengefunden haben. Hier setzt das Hartz-Konzept mit seinem Maßnahmekatalog an. Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass diese Maßnahmen flexibel auch auf regionale Lösungen ausgerichtet werden können. Wir dürfen allerdings nicht übersehen, dass im Osten das Hauptproblem nicht die Vermittlung, sondern die zu geringe Zahl von Arbeitsplätzen ist. Und wir sind uns bewusst, dass die Neustrukturierung des zweiten Arbeitsmarktes nach Hartz zuerst sicherlich nicht einfach wird, aber langfristig wird es sich auszahlen.

3. Internationalisierung

Wir wollen uns im internationalen Standortwettbewerb behaupten, müssen dazu aber in unserem Denken und Handeln zukünftig noch internationaler werden. Aufgeschlossenheit gegenüber Fremden entspricht hanseatischer Tradition und entscheidet schon heute mehr denn je über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes MecklenburgVorpommern, denn die Fähigkeit zur Kommunikation, zur Zusammenarbeit und Kooperation mit anderen stellt schon jetzt den entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Hinzu kommt, die europäischen Bezüge gewinnen in vielen Politikbereichen ein immer größeres Gewicht. Die Landesregierung wird deshalb diese Aspekte kontinuierlich verdeutlichen und internationales, europäisches und grenzüberschreitendes Denken und Handeln fördern und fordern. Dazu wird die Landesregierung die Verwaltung noch stärker auf Europa ausrichten. Ziel ist es auch, die europäischen Förderprogramme noch besser zu nutzen als bisher. Dazu bedarf es aber zunächst innovativer grenzüberschreitender Projektideen. Der bloße Blick auf mögliche Fördermittel kann nicht am Anfang, sondern nur am Ende einer Projektidee stehen. Übrigens, unser Land muss auch nach 2006 Ziel-1-Gebiet und damit Höchstfördergebiet der EU bleiben. In einer erweiterten Union wird für alle weniger Geld da sein. Umso wichtiger ist die Gleichbehandlung der Regionen, in denen die Anpassung der Lebensverhältnisse an den EU-Durchschnitt noch nicht erreicht ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Meine Damen und Herren! Der Ostseeraum ist ein Wirtschaftsraum mit großer Zukunft. Und das Schöne daran ist, wir liegen mittendrin. Um unseren Standortvorteil entsprechend zu nutzen, werden wir vorhandene Kooperationen verstärken und ausbauen. Im Bereich der Biotechnologie ist unser BioCon Valley mit der dänisch-schwedischen Medicon Valley Academy verbunden. Gemeinsam haben wir in Berlin den Biotech-Business-Club gegründet.

Alle diese Potentiale bringen wir im Ostseeraum in die Scan-Balt-Initiative ein. Der ostseeraumweite Verbund hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Ostseeraum zu einer führenden Biotechnologieregion Europas zu entwickeln. Nach dem Vorbild des Biotechnologieverbundes prüfen wir, welche weiteren Bereiche für ein solches Kooperationsmodell in Frage kommen.

Die Osterweiterung der Europäischen Union sehen wir als große Chance für Mecklenburg-Vorpommern. Heute und morgen gehen die Beitrittsverhandlungen zu Ende. Am 1. Mai 2004 ist es dann so weit, Europa wird zehn neue Mitglieder haben. Ob das gemeinsame neue Europa ein Erfolg wird, hängt aber nicht nur von der Politik ab. Das entscheiden letztlich die Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen wir gewinnen. Und bis dahin haben wir noch ein gutes Stück Weges vor uns, denn es gilt, noch vorhandene Sorgen der Menschen abzubauen und sie auf das erweiterte Europa vorzubereiten.

Als ostdeutsche Grenzregion kommt uns in diesem Prozess eine besondere Bedeutung zu. Daher fördern wir grenzüberschreitende Netzwerkbildung und die Zusammenarbeit mit den polnischen Regionen in allen Bereichen. Gerade die mittelständischen Betriebe brauchen bei der Marktanpassung und Vorbereitung auf die Erweiterung Unterstützung. Die wechselseitigen Präsentationen, das Haus der Wirtschaft in Stettin, die gemeinsame deutsch-polnische Berufsausbildung – das sind zentrale Stichworte dafür, wie wir das gegenseitige Kennenlernen fördern und uns auf die Veränderungen einrichten können. Im Zuge der EU-Osterweiterung wollen wir unser Informationsbüro in Tallinn zu einer Standortagentur im östlichen Ostseeraum ausbauen.

Aber, meine Damen und Herren, Europa braucht nicht nur die Köpfe der Politiker, sondern vor allem die Herzen der Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

4. Image

Jeder, der Geld verdienen will, kümmert sich um sein Image. Wir kennen das aus dem Showgeschäft, aus der Wirtschaft sowieso. Nichts wird da dem Zufall überlassen, keiner würde sich selbst schlechtreden, ganz im Gegenteil. Es wird oft schamlos übertrieben. Im Ergebnis können dann die Erwartungen oft nicht erfüllt werden.

Bei uns im Land ist es umgekehrt. Als Mecklenburger und Vorpommern sind wir Meister der Untertreibung. Wenn etwas wirklich Spitze ist, dann sagen wir, es sei gar nicht so schlecht. Sollte sich jemand dennoch nicht abschrecken lassen, übertreffen wir die erzeugten Erwartungen bei weitem. Auch nicht schlecht, aber nicht gut genug, um im Wettbewerb polierter Hochglanzoberflächen mithalten zu können.

Meine Damen und Herren, andere sind nicht besser als wir. Wir in Mecklenburg-Vorpommern brauchen uns nicht zu verstecken. Wir können aufrecht gehen, wir haben allen Grund dazu. Es muss endlich Schluss sein mit dem ewigen Schlechtreden des Landes.

(Beifall bei SPD und PDS – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir müssen also umdenken und zu positiven Botschaftern unseres Landes werden. Ein paar haben wir ja schon, aber wir brauchen noch mehr. Nein, wir brauchen alle: Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerinnen und Unternehmer, Politikerinnen und Politiker unseres Landes müssen hier an einem Strang ziehen. In den vergangenen vier Jahren habe ich zahlreiche Reisen ins Ausland unternommen, um für unser Land zu werben. Viele Unternehmensvertreter unseres Landes haben mich dabei begleitet. Das Land hat sich auch international auf Messen präsentiert. Und auch zukünftig werden wir unsere Standort- und Innovationsoffensive fortsetzen durch Reisen, Veranstaltungen, Präsentationen, Anzeigen, Internetauftritte und andere Aktionen, um unser Land weiter national und international zu vermarkten. Alle Akteure sind herzlich eingeladen, sich hier zu beteiligen, auch gern finanziell.

Mecklenburg-Vorpommern ist jung, schön, weltoffen, zukunftsorientiert und auf dem Weg nach oben. Diese Botschaft ist die richtige Botschaft. Sie wird unserem Land gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Und mit unserer Dachmarke „MV tut gut“ sind wir schon auf dem richtigen Weg, aber sie muss noch bekannter werden. Dafür müssen wir alle gemeinsam sorgen. Darauf werden wir unsere Landeswerbung konzentrieren.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Punkt 5:

Integration

Integration ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Eine sozial gerechte Gesellschaft, die vielen Menschen Chancen eröffnet, schafft auch die Voraussetzung für eine gute wirtschaftliche Entwicklung, denn sie sichert die Teilhabe von möglichst vielen. Soziales ist also wirtschaftlich. Aber wir brauchen auch mehr Wirtschaftlichkeit im Sozialen. Denn wenn wir das nicht tun, setzen wir angesichts demographischer Veränderungen unseren Sozialstaat als Ganzes aufs Spiel. Besonders deutlich wird das zurzeit in Deutschland an unseren Sozialsystemen Rente und Gesundheit. So geben wir beispielsweise schon seit langem viel zu viel Geld aus für die Verwaltung von Gesundheit. Warum gibt es in Deutschland mehrere hundert Krankenkassen? Werden bei uns nicht zu viele Medikamente verbraucht? Tatsache ist, dass Deutschland zwar weltweit neben den USA mit am meisten Geld für Gesundheit ausgibt, dass aber die Menschen trotzdem nicht gesünder sind als anderswo.

Da muss sich vieles ändern, da muss vieles vereinfacht und entbürokratisiert werden. Da ist zum Teil auch ein Umdenken beim Einzelnen selbst notwendig. Die Verantwortung für seine Gesundheit kann man nicht delegieren. Die Verantwortung hat erst einmal jeder selbst. Wie immer auch eine Reform aussieht, eins steht fest: Im Krankheitsfall muss immer gewährleistet bleiben, dass auch weiterhin allen Menschen der Zugang zu einer erforderlichen

medizinischen Versorgung ermöglicht wird. Gesundheit darf nicht vom Geldbeutel der Menschen abhängen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Eine soziale Frage der Solidarität ist auch der OstWest-Finanzausgleich der Krankenkassen. Wenn die drei unionsgeführten süddeutschen Klageländer sich hier mit ihren Forderungen vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzen könnten, würde das 2 Milliarden Euro weniger für den Osten bedeuten. Entweder wird dann die medizinische Versorgung im Osten schlechter als in Westdeutschland oder wir in Ostdeutschland müssten deutlich höhere Beiträge zahlen als im Westen. In einer Situation, in der die Beiträge sowieso steigen, würden sich die Beträge im Osten noch einmal erhöhen. Und ich frage: Wer soll das bezahlen? Es würde Bayern und BadenWürttemberg nützen, aber den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland empfindlich treffen.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Ich warte dazu bis heute auf ein klares Wort der Opposition in diesem Landtag und ich fordere die Unionskollegen Stoiber, Teufel und Koch auf: Ziehen Sie Ihre Klage zurück!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wir werden dazu einen Gesetzentwurf im Bundesrat einbringen. Und wenn es Ihnen wirklich um eine Reform des Finanzausgleichs der Krankenkassen geht und nicht um seine Abschaffung, dann schließen Sie sich dem an. Unser Gesetzentwurf macht die Klage überflüssig.

Meine Damen und Herren! Familien, Senioren, Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranken und pflegebedürftigen Menschen gilt im Sozialstaat unsere besondere Aufmerksamkeit. Um die Effektivität und Effizienz der vorhandenen Betreuungsangebote zu erhöhen, fördern wir die Vernetzung. Unsere moderne und bürgernahe Krankenhausstruktur werden wir weiterentwickeln, zugleich wollen wir die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung vorantreiben.

Meine Damen und Herren, um unser Land auch für Kinder und Jugendliche attraktiver zu machen, werden wir den Ausbau alternativer Freizeit- und Kulturmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche unterstützen. Mit einem Kinder- und Jugendprogramm wird die Landesregierung die Kinder- und Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe gestalten. Die Jugendhilfestrukturen sollen auf ihre Effektivität überprüft und gegebenenfalls neu gestaltet werden.

Integration im Land heißt aber auch, die Rahmenbedingungen für ein friedliches Zusammenleben für Menschen unterschiedlicher ethnischer, religiöser und kultureller Prägung zu schaffen. Vorhandene Maßnahmen und Prozesse sollen zum Zweck der besseren Koordinierung zusammengeführt werden und die Landesregierung wird auch ihre Anstrengungen verstärken, gerade Kinder und Jugendliche nicht deutscher Herkunft zu qualifizieren, damit sie Schulabschlüsse erreichen und eine Ausbildung erhalten. Zukunft heißt Miteinander, Zukunft heißt Integration.

Meine Damen und Herren, Investition, Innovation, Internationalisierung, Image und Integration, diese fünf großen Aufgaben können und werden wir lösen. Voraussetzung dafür ist, dass wir aufeinander zugehen, manches aus dem politischen Streit heraushalten und einsehen, dass angesichts leerer Haushaltskassen die Zeit der uneinge

schränkten Forderungen an den Staat vorbei ist. Oft blockieren sich organisierte Interessen gegenseitig. Jeder will, dass es vorangeht, aber keiner will etwas vom eigenen Kuchen abgeben, sondern befürwortet den Abbau von Subventionen bei anderen. Es muss allen klar sein, dass das nicht geht. Die Rechnung, wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht, wird nicht aufgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Angesichts der ehrgeizigen Ziele und der finanziellen Situation gilt es, gemeinsam noch intelligentere Lösungen zu finden, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Dazu kann und muss jeder mit seiner Initiative und seinem Engagement beitragen. Und ich appelliere an die Opposition: Arbeiten Sie konstruktiv mit bei der Lösung der anstehenden Aufgaben wie zum Beispiel bei der Verwaltungsreform! Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erwarten, dass alle demokratischen Kräfte zusammenstehen, um die Aufgaben der Zukunft zu lösen. Für kleinliches Parteiengezänk haben sie zu Recht kein Verständnis. Sie erwarten, dass wir unser Bestes geben. Nicht weniger als unser Bestes haben sie auch verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine Damen und Herren, vielleicht werden wir nie die Reichsten sein. Aber wir in Mecklenburg-Vorpommern können zukünftig auf einigen Gebieten zu den Besten gehören. Sicherlich ist noch nicht alles, wie es einmal sein soll. Es gibt auch Probleme. Aber, meine Damen und Herren, Probleme sind auch Chancen und Herausforderungen.

Neulich war in einer Zeitung zu lesen: „Ringstorff hat das Temperament einer Wanderdüne und das Stehvermögen eines Ochsen.“ Ich sei so wie das Land und seine Menschen. Meine Damen und Herren, als Mecklenburger und Vorpommern wissen Sie sicher, bei entsprechendem Wind können Wanderdünen verdammt schnell sein.

(Heiterkeit bei Heike Polzin, SPD)

Wanderdünen sind stetig und unaufhaltsam. Genauso sind wir.

(Reinhardt Thomas, CDU: Aber langsam.)

Wir haben Ziele. Und diese Ziele werden wir mit dem Stehvermögen eines Ochsen gemeinsam erreichen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 180 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Vorsitzende der CDU-Fraktion Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wahlen zum 4. Landtag des Landes Mecklenburg-Vorpommern haben vor knapp einem Vierteljahr, am 22. September, stattgefunden. Das Ergebnis der Wahlen ist bekannt und die politische Verantwortung ist seit diesem Tag in diesem Land klar definiert. Heute ist der 11. Dezember 2002. Ein Vierteljahr ist ins Land gegangen, bis der Regierungschef des Landes

Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ringstorff sich gnädigerweise bemüht, der nach der Verfassung unseres Landes bedeutendsten Institution unseres demokratischen Gemeinwesens kundzutun, was er in den nächsten vier Jahren zu tun gedenkt.