Das Wort zur Einbringung des Antrages der Fraktion der CDU hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der CDU, der Abgeordnete Herr Rehberg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Erlauben Sie mir, zu unserem Dringlichkeitsantrag zu sprechen. Ich möchte mich bei den Regierungsfraktionen bedanken, dass er auf die Tagesordnung gekommen ist.
Wir werden hier mit zwei Problemfeldern konfrontiert, Herr Ministerpräsident, da die Landesregierung dem erforderlichen Regelungsbedarf bisher nicht genügt hat:
Erstens, weil die Landesregierung durch Rechtsverordnung für die Voraussetzung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht oder der Ermäßigung der Rundfunkgebühr Sorge tragen kann und muss. Der Landesregierung ist dieses Problem spätestens, allerspätestens seit der dritten Gesprächsrunde mit den Oberbürgermeistern und Landräten zum Arbeitslosengeld II am 6. Februar 2004 bekannt. In diesem Kreis wurde ausdrücklich auf die Rechtsunsicherheit ab dem 1. Januar bis zum In-Kraft-Treten des neuen Rundfunkstaatsvertrages hingewiesen. In dieser Gesprächsrunde hat der Arbeitsminister allerdings jegliche Verantwortung auf den Gesetzgeber, also auf uns Parlamentarier abgeschoben, offenkundig in Verkennung der Problemlage, möchte ich vermuten. Warum? Es geht hier einzig und allein um die Klarstellung in einer Verordnung der Landesregierung, in der durch die von uns vorgeschlagenen Änderung ohne bürokratischen Aufwand eine hundertprozentige Rechtsklarheit geschaffen werden kann, und das auch deshalb, weil der ab April gültige Staatsvertrag eben diesen Personenkreis ausdrücklich von der Gebühr befreit.
Zweitens, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann oder besser muss im selben Atemzug die vom Innenministerium mündlich gegebene Gestattung der Bearbeitung von Anträgen auf Gebührenbefreiung an die Argen klargestellt werden, denn hier lässt die Landesregierung die Landkreise und kreisfreien Städte ebenfalls im Regen stehen. Die Zuständigkeit für den angesprochenen
Kreis von Hilfeleistungsempfängern bedarf also ebenfalls für den Übergangszeitraum einer Regelung. Niemand aus der Landesregierung reagierte aber auf den in der letzten Woche oft erhobenen Klärungsbedarf von Seiten der Träger der Sozialhilfe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Unsicherheiten auf der Seite der Hilfebedürftigen und auf der Seite der Anlaufstellen zur Antragsbearbeitung hätten längst durch Anpassung der Landesverordnung beseitigt werden müssen und beseitigt werden können.
Herr Ministerpräsident, Sie irren, denn der Rundfunkstaatsvertrag und auch der Wechsel beim Gebühreneinzug treten ab 1. April 2005 in Kraft. Ich weiß nicht, was in den Monaten Januar, Februar und März der Norddeutsche Rundfunk mit dem Gebühreneinzug zu tun hat. Das müssen Sie uns hier noch einmal erklären. – Herzlichen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Interfraktionell ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 15 Minuten für jede Fraktion vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin kann ich davon ausgehen, dass wir die beiden Tagesordnungspunkte jetzt in einer verbundenen Aussprache abhandeln?
Wenn Sie gestatten, würde ich erst etwas zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag sagen und danach zum Antrag der CDU-Fraktion.
Herr Rehberg, in der heutigen Aktuellen Stunde haben Sie das Problem angesprochen, dass die Parlamente bei der Erarbeitung von Rundfunkänderungsstaatsverträgen außen vor sind. Das sehen wir alle auch so. Das bedauern wir auch. Ich sehe aber keine Möglichkeit, wie man dieses ändern will. Wenn man ein Gesetz von diesem Umfang novellieren muss, kann man nicht alle Parlamente in Deutschland daran beteiligen. Hier muss ein anderer Weg gefunden werden. Ich glaube, dass der Weg, dass die Staatskanzleien diesen vorverhandeln und die Ministerpräsidenten ihn unterzeichnen und dann den Parlamenten zur Kenntnis geben, ein gangbarer Weg ist, der aber natürlich die Parlamente nicht so mitspielen lässt, wie es eigentlich erforderlich wäre.
Aber, Herr Rehberg, ich sage Ihnen auch, die Parlamente haben durchaus die Möglichkeit, den Ministerprä
sidenten oder den Chef der Staatskanzlei in die Ausschüsse zu bitten und danach zu fragen, wie weit der Stand der Bearbeitung dieser Verträge ist. Dieses haben wir in den Jahren der 1. Legislaturperiode sehr wohl so gemacht. Ich erinnere mich noch daran, als Herr Seite in den Innenausschuss kam und uns darüber informiert hat. Also ganz so ohnmächtig sind die Parlamente nicht.
Nun zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Meine Damen und Herren, das Radio und das Fernsehen sind begehrte Objekte in jeder modernen Gesellschaft, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sind sie Wirtschaftsgut, mit dem man gutes Geld verdienen kann, und zum anderen wissen aber auch Politiker und die Medienleute, dass man mit den Medienprodukten Einfluss auf das Denken und Fühlen von Millionen Menschen ausüben kann, und damit sind sie für Meinungsbildungsprozesse in jeder Gesellschaft sehr wichtig. Dieses wissen auch deutsche Medienunternehmen und deutsche Politiker. Und von diesem Konflikt war auch die Debatte um die Veränderung oder die Novellierung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages gekennzeichnet. Die Ministerpräsidenten Stoiber, Milbradt und Steinbrück haben ja Vorschläge gemacht, die dann die Ministerpräsidenten und die Öffentlichkeit sehr beschäftigt haben.
Ich bin sehr froh darüber, dass diese Vorschläge nicht umgesetzt worden sind. Gleichwohl verkenne ich nicht, dass einige ihrer Vorschläge natürlich auch Berücksichtigung gefunden haben. Das Kernproblem – und darüber wird zu sprechen sein – war der Ansatz dieser drei von mir genannten Ministerpräsidenten, nämlich die Gebührendebatte, also die Frage, welche neuen Gelder die Rundfunkanstalten bekommen, mit der Frage zu verbinden, welche Strukturveränderungen denn in den Rundfunkanstalten vorgenommen werden müssen. Ich habe dazu hier bereits gesprochen. Ich wiederhole für die SPD-Fraktion noch einmal, der Ministerpräsident hat dieses dankenswerterweise ja auch unterstrichen: Eine Verknüpfung bei der Strukturdebatte und Gebührenerhöhungsdebatte ist verfassungswidrig und wurde deshalb von uns nicht angenommen.
Ich möchte auf Einzelheiten des Rundfunkänderungsstaatsvertrages nicht eingehen. Der Ministerpräsident hat dazu sehr ausführlich Stellung genommen und für die SPD-Fraktion darf ich erklären, dass wir die Position, die der Ministerpräsident in allen Punkten vorgetragen hat, einschließlich der Position zu den Vorschlägen des Herrn Wulff, unterstützen und mittragen.
Ich will mich aber auf eine Frage konzentrieren, die uns auch im Ausschuss noch beschäftigen wird. Das ist nämlich die Frage der Festsetzung der neuen Rundfunkgebühren. Die ARD-Anstalten hatten der KEF eine Bedarfserhöhung von 2,8 Euro gemeldet. Die KEF ist dann bei 1,07 ihrer Empfehlung gegangen und die Ministerpräsidenten haben entschieden, dass die Gebühr für Rundfunk künftig um 0,88 Euro erhöht wird. Dieses ist ein Verfahren, das so bisher nicht üblich und auch nicht gängig war, denn per Staatsvertrag wurde die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, die KEF, gegründet, genau mit dem Auftrag, staatsfern zu bestimmen, wie viel Geld denn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben sollen, und diesen Empfehlungen sind in der Regel die Landesparlamente dann auch gefolgt. In diesem Falle sind sie nicht gefolgt. Die Ministerpräsidenten haben in ihrem Rundfunkänderungsstaatsvertrag dafür eine Reihe von Gründen angegeben, die man so akzep
tieren kann. Gleichzeitig wollen wir aber auch im Ausschuss prüfen, inwieweit nicht doch eine Verletzung vorliegt, nämlich eine Verletzung des so genannten KEF-Verfahrens, denn das hat eine europaweite Dimension. Die Festlegung der KEF schützt uns in der Europäischen Union davor, dass diese Rundfunkgebühren als Beihilfen angesehen werden, und wenn nicht mehr anerkannt wird, dass die KEF die Entscheidung fällt, inwieweit die Rundfunkgebühren angemessen sind oder nicht, besteht die Gefahr, dass wir uns von Brüssel den Vorwurf gefallen lassen müssen, hier Beihilfen gewährt zu haben. Und dieses ist ein Vorwurf, der auf gar keinen Fall in der Diskussion bleiben konnte und dem wir auch widersprechen sollten.
Meine Damen und Herren, ich werde als Ausschussvorsitzender den geschätzten Justizminister bitten, dass er uns dabei Hilfestellung geben kann, wie denn dieses zu würdigen sei. Er ist leider gerade nicht da, aber ich glaube, wir sollten hier eine Argumentation, auch eine saubere Regelung finden, die wir dann gemeinsam, wenn wir diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag verabschieden, auch nach außen tragen können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema Standortpolitik und Medienpolitik sagen. Das weiß inzwischen jeder in der Bundesrepublik Deutschland, dass die großen Fernsehmedienunternehmen in München und in Köln sitzen, und es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Ministerpräsidenten dieser beiden Länder, flankiert durch den Ministerpräsidenten von Sachsen, Vorschläge unterbreitet haben, die in der Endkonsequenz darauf abzielen, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk geschwächt wird und die privaten Medienunternehmen gestärkt werden.
Wir Norddeutschen haben den Norddeutschen Rundfunk und ich bin der Meinung, wir sollten auch etwas tun, damit das Medienunternehmen in unserer Region, nämlich der Norddeutsche Rundfunk als das größte Medienunternehmen, alle Möglichkeiten hat, sich zu entfalten und zu wachsen. Es sollte für die Öffentlichkeit selbstverständlich sein, dieses Unternehmen, das nicht nur bundes- und europaweit über Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern berichtet, zu stärken. Ich werbe dafür. Wir sollten auch alle Möglichkeiten nutzen, dass dieses, unser Medienunternehmen, sich technisch und organisatorisch den Herausforderungen des Marktes und den Ansprüchen seiner Zuschauer widmen und diesen gerecht werden kann.
Das sieht der niedersächsische Ministerpräsident Herr Wulff offensichtlich anders. Neben der hohen Professionalität der Programme des NDR, von denen in erstaunlicher Weise in diesen Tagen eine private Radiostation unseres Landes Programmeinfälle zur Weihnachtszeit fast 1:1 übernimmt und in seinem Programm verkauft, neben diesen meist anspruchsvollen Programmen ist der NDR ein potentieller und gern gesehener Förderer von Kultur und Kunst in unserem Lande. Allein mit den so genannten Rücklaufgeldern aus dem 2-Prozent-Gebührenanteil unterstützt der NDR in unserem Land in diesem Jahr das Musikleben mit 700.000 Euro, die Filmförderung mit 500.000 Euro. Der NDR ist fast der alleinige Abnehmer der Produkte, die die Filmproduzenten in unserem Lande herstellen. Es gibt keinen anderen Abnehmer. Die Privaten haben sich hier völlig zurückgezogen.
Ein anderer Aspekt: DVB-T, das antennenbasierte Fernsehen, ist eine in Norddeutschland entwickelte tech
nologische Innovation, die zeigt, dass der Norden als Wissenschafts-, Technologie- und Wirtschaftsstandort nicht unterschätzt werden darf. Ausgehend von der Technischen Universität Braunschweig ist eine Technologie entwickelt worden, die es ermöglicht, die Terrestrik, das Antennenfernsehen, als dritten Übertragungsweg neben Kabel und Satellit nicht nur am Leben zu erhalten, sondern auch ihr eine neue Perspektive zu geben. Und wenn jetzt bundesweit DVB-T eingeführt wird, dann ist dieses zu einem großen Teil dem Engagement des NDR zu verdanken, der dieses finanziell, organisatorisch und logistisch enorm gefördert hat.
Weiterhin sind die Parlamentarier der norddeutschen Länder dabei, gemeinsam dafür zu werben, durch Veranstaltungen den Medienstandort Norddeutschland zu stärken. Der NDR und Radio Bremen suchen ständig nach Möglichkeiten, durch Kooperation zu einer neuen Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei uns zu kommen.
In diese Aufbruchstimmung für den Rundfunk, für die Rundfunkpraxis und die Rundfunkpolitik stürmt unerschrocken Herr Wulff aus Hannover. Man könnte sagen, „er klagt wieder“, und seinen Vorstoß zur Kündigung des NDR-Staatsvertrages damit zu den Akten legen, wenn die Sache nicht so ernst wäre und Herr Wulff nicht Ministerpräsident eines großen norddeutschen Landes wäre. Seine Sicht auf die Gremienarbeit des NDR ist schlicht von Unkenntnis getragen und zu den Onlineaktivitäten und -diensten hat der Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag klare Regelungen geschaffen.
Die Landesrechnungshöfe, denen Herr Wulff im NDR mehr Prüfrechte einräumen möchte, haben im vergangenen Jahr sehr genau alle vier NDR-Funkhäuser unter die Lupe genommen. Die dritten Fernsehprogramme, die Herr Wulff beschneiden möchte, sind die erfolgreichsten Programme in der gesamten ARD. Der Kulturauftrag des NDR soll ausgeweitet werden, fordert Herr Wulff, möglicherweise, damit das Land Niedersachsen an seinem Kulturhaushalt weiter sparen kann. Die privaten Fernsehveranstalter lassen grüßen. Der NDR soll mehr Regionalfußball verbreiten in seinen dritten Programmen
Was will Herr Wulff? Meine Damen und Herren, die Aufsichtsgremien des NDR möchte Herr Wulff so verändern, dass sie ihm zu Diensten sind. Mit dem Mediengesetz von Niedersachsen hat er einen ersten Versuch gemacht und dieser erste Versuch ist nicht sehr rühmlich. Die Vorschläge machen deutlich, Herrn Wulff geht es nicht um Einsparungen beim NDR, sondern um konkreten Einfluss auf die Programmgestaltung. Das ist verfassungswidrig. Die Wulff-Vorschläge verletzen Artikel 5 des Grundgesetzes und die gesamte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, wie sie in dessen Rundfunkurteilen dokumentiert ist.
Herr Rehberg, ich appelliere an Sie, Sie waren 1991 maßgeblich daran beteiligt, als der NDR-Rundfunkstaatsvertrag ausgehandelt wurde mit allen Neuerungen, die es zur damaligen Zeit gegeben hat, einschließlich der Zusammensetzung der Gremien, achten Sie darauf, dass hier nicht etwas zerschlagen wird, was so leicht nicht wieder in der jetzigen Qualität herzustellen ist! Und ich sage Ihnen, wenn es zu einer neuen Zusammensetzung der
Gremien kommen wird, wird Mecklenburg-Vorpommern das erste Land sein, das darunter zu leiden hat. Wir sollten gemeinsam interessiert sein, dass Mecklenburg-Vorpommern mit seinen Gremien stark in den NDR-Organen vertreten ist.
Zum Antrag der CDU-Fraktion: Sie haben Recht, tatsächlich gibt es ab dem 01.01.2005 aufgrund der Neuregelung im Bundesrecht Empfänger von Sozialhilfe, die nicht ausdrücklich in der Rundfunkgebührenbefreiungsverordnung Mecklenburg-Vorpommern genannt sind. Eine Anpassung der Rundfunkgebührenbefreiungsverordnung ist dennoch entbehrlich, da nach Paragraph 7 Absatz 7 all diejenigen befreit werden, die unterhalb des eineinhalbfachen Sozialhilfesatzes liegen. Darunter fallen auch die im CDU-Antrag genannten Leistungsempfänger. Der Fortbestand der Befreiungsverordnung bis zum InKraft-Treten des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages ist, so die Auskunft der Landesregierung, sichergestellt.
Darüber hinaus wurde das Problem von unserem Land und von den anderen Ländern schon in dem Moment erkannt, als absehbar war, dass der Achte Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zum 01.01.2005, wie ursprünglich geplant, in Kraft treten wird. Es wurden und werden Gespräche mit den Rundfunkanstalten geführt, die sicherstellen, dass niemand, der sozial bedürftig ist, durch die zeitlich versetzte Gesetzesveränderung benachteiligt wird. Konkret der NDR ist hierzu schon seit Wochen mit den zuständigen Sozialbehörden im Gespräch und klärt die konkreten Fragen. Alle Staatsvertragsländer haben sich darauf verständigt, dass eine Anpassung der Rundfunkbefreiungsverordnung entbehrlich ist. Wir lehnen deshalb den Antrag der CDU-Fraktion ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.