Protocol of the Session on December 15, 2004

Begrüßt wird von uns auch die beabsichtigte Stärkung der Organisations- und Personalhoheit der Länder. Der Fraktionsvorsitzende Schlotmann wies schon darauf hin,

(Heiterkeit bei Norbert Baunach, SPD, und Heinz Müller, SPD)

im Bereich des Beamtenrechts natürlich. Die Lockerung der althergebrachten Grundsätze des Beamtentums wird von Mecklenburg-Vorpommern unterstützt. Gleiches gilt für den Wegfall der Rahmengesetzgebung des Bundes zu den Rechtsverhältnissen im öffentlichen Dienst, wobei statusrechtliche Fragen im Sinne der Erhaltung der Mobilität der Beamten weiterhin bundeseinheitlich geregelt werden sollten. Vorschläge zur kompletten Überführung der Besoldung und Versorgung in die Länderhoheit lehnen wir dagegen ab, denn ein finanzielles Wettrennen um die besten Köpfe könnten wir nicht gewinnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Im Bereich der Wirtschaft wurde eine Kompetenzverlagerung auf die Länder unter anderem in folgenden Bereichen erzielt: Ladenschlussrecht, Gaststättenrecht und im Bereich Messen, Ausstellungen und Märkte sowie für den Bereich Spielhallen und die Schaustellung von Personen. Gerade für uns als Tourismusland ist eine größere Freiheit bei der Gestaltung der Ladenschlusszeiten von großem Vorteil.

Der Bildungsbereich ist zurzeit durch Konsens-, aber auch durch erhebliche Dissenspunkte zwischen den Verhandlungspartnern gekennzeichnet. Konsens besteht hinsichtlich der Beibehaltung der Bundeskompetenz in Sachen der außerschulischen Bildung und der Ausbildungsförderung. Einvernehmen besteht auch hinsichtlich einer möglichen weitgehenden Autonomie der Hochschulen. Zwar soll die Rahmenkompetenz des Bundes im Hochschulrecht abgeschafft werden, aber nach übereinstimmender Meinung sollen weiterhin die Bereiche Hochschulzulassung, Hochschulabschlüsse und mit Abstrichen auch Qualitätssicherung bundeseinheitlich geregelt werden. Nicht einigen konnte man sich, ob dies zukünftig durch Selbstkoordinierung der Länder bei ersatzloser Streichung der Rahmenkompetenz des Bundes geschehen oder aber in die ausschließliche oder in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes überführt werden soll. In diesem Punkt, Sie haben es ja auch über die Medien mitbekommen, knirscht es zurzeit noch gewaltig.

Von Mecklenburg-Vorpommern wird eine Selbstkoordinierung der Länder kritisch gesehen. Hier müssen nämlich alle Länder einem Staatsvertrag zustimmen und wie schwierig das ist und welche langen Verhandlungen das erfordert, das habe ich mehrfach kennen gelernt. Ich denke an den Rundfunkänderungsstaatsvertrag, ich denke aber auch an die schwierigen Diskussionen, die es in der KMK gibt. Wenn ein Einziger nicht will, kommt das ganze Vertragswerk nicht zustande. Deshalb sehe ich diese Frage etwas kritisch. Und wir wollen ja schließlich auch weniger Bürokratie und nicht mehr. Da der bisher beschriebene Dissens auch am Wochenende nicht aufgelöst werden konnte, bleibt es nach derzeitigem Verhaltungsstand beim Status quo.

Abgelehnt wird von uns auch die geplante Übertragung des Strafvollzugs auf die Länder. Den zurzeit diskutierten Vorschlag, die soziale Wohnraumförderung und die Finanzhilfe auf die Länder zu übertragen, lehnen wir ab. Wir plädieren hier für eine Fortführung der Bundeskompetenz, denn es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Wohnraumförderung und Städtebauförderung. Ohne begleitende weitere Wohnungssanierung und -modernisierung kann die Umsetzung des Programms „Stadtumbau Ost“ als wichtiger Bestandteil des Solidarpaktes II nicht gelingen. Hier brauchen wir weiterhin eine gesamtstaatliche Verantwortung, um die teilungsbedingten Nachholbedarfe abzubauen. Im Gegensatz zu anderen Ländern sind wir bereit, dem Bund bei der Bekämpfung des Terrorismus mehr Rechte einzuräumen.

Meine Damen und Herren, dann gibt es noch die richtig großen finanzpolitischen Brocken, von deren Regelung eine Menge für unser Land abhängt. Das sind die Entscheidungen über die zukünftige Regelung der Gemeinschaftsaufgaben und die vom Bund in die Verhandlung gebrachte Umlage möglicher Sanktionen aus dem Stabilitätspakt auf die Länder. Bei der aktuell diskutierten Neuregelung der Gemeinschaftsaufgaben und sonstiger Mischfinanzierungen steht ein Votum der Länder grundsätzlich unter dem Vorbehalt der noch zu klärenden finan

ziellen Kompensation. Wir meinen, Volumen und Proportionen des Status quo der Finanzausstattung der Länder müssen erhalten bleiben. Gemeinsam mit den ostdeutschen Ländern sind wir uns einig, dass der Bund sich auch zukünftig finanziell an der Förderung der regionalen Entwicklung beteiligen muss.

Bei einer Neustrukturierung der Finanzhilfen werden sich die ostdeutschen Länder dafür einsetzen, dass ein ausreichender Handlungsspielraum für eine bedarfsorientierte Beteiligung des Bundes an bedeutsamen Investitionen der Länder und Gemeinden erhalten bleibt. Das ist unter den Aspekten der Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen und zum Ausgleich teilungsbedingter wirtschaftlicher Nachteile unumgänglich. Von daher sehen wir auch die geplante Abschaffung der Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz kritisch. Darüber hinaus fordern wir zusammen mit den anderen ostdeutschen Ländern eine grundgesetzliche Festschreibung der bisher nur politisch zugesagten Korb-II-Mittel, sowohl was das Volumen angeht als auch was die Laufzeit angeht, nämlich den Zeitraum von 2005 bis 2019.

Zu der Umlage möglicher Sanktionen aus dem Stabilitätspakt auf die Länder ist Folgendes zu sagen: Es gibt keine akzeptable Lösung zur horizontalen Aufteilung möglicher Sanktionen, ohne dass auch Mecklenburg-Vorpommern entscheidend in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden würde. Und wie soll man das Verursacherprinzip tatsächlich beurteilen? Ist jemand auch Verursacher der Verletzung des Stabilitätspaktes, der sich vehement gegen ein Steuervergünstigungsabbaugesetz, also gegen den Abbau von Subventionen wendet, oder ist er das nicht? Das ist beispielsweise so ein Punkt. Verhandlungen über einen gesetzlich geregelten Stabilitätspakt im Rahmen der Bundesstaatskommission lehnen wir daher ab. Ebenfalls abgelehnt wird von uns die Schaffung einer Länderkompetenz im Bereich Steuern. Hier sollten wir keine Tür öffnen und insbesondere die ostdeutschen Länder werden aufgrund ihrer noch bestehenden strukturellen Nachholbedarfe im Wettbewerb mit den finanzstarken Ländern eindeutig überfordert.

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, es gibt noch eine Menge aus dem Weg zu räumen, wenn wir am Freitag oder am Sonnabend eine Lösung wollen, hinter der alle Vertrags- und Verhandlungspartner stehen können. Heute Abend treffen sich die Länderchefs in Berlin. Am Freitag und möglicherweise auch am Sonnabend tagt dann die Föderalismuskommission. Der derzeitige Zeitplan sieht vor, dass das eine abschließende Tagung sein soll. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich bin dagegen, unter Zeitdruck Schnellschüsse zu machen. Im Zweifelsfall heißt es für mich, zuerst kommen die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern und dann kommt die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Ich hoffe – und ich glaube, ich kann mir dessen auch sicher sein –, dass wir hier mit der Opposition an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen im Interesse des Landes Mecklenburg-Vorpommern. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der CDU Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon eine etwas komische Aktuelle Stunde, muss ich sagen,

(Zuruf von Andreas Petters, CDU)

wenn hier eine Regierungserklärung abgegeben wird. Hier werden Positionen, Herr Ministerpräsident, beschrieben, die Sie offenkundig vorgeben, ohne dass sie in irgendeiner Form in den Gremien des Landtages vorher debattiert, diskutiert worden sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es! – Angelika Gramkow, PDS: Wir haben dazu eine Beschlusslage.)

Meine sehr verehrte Frau Kollegin Gramkow, wenn ich mir nur die Unterrichtung der Landesregierung vom 19. November vornehme, da steht zum Beispiel drin, dass die Bund-Länder-Finanzbeziehungen, der Solidarpakt II und der Stabilitätspakt kein Gegenstand in der Kommission sein werden. Heute höre ich Positionen vom Ministerpräsidenten zu diesen Punkten.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist auch richtig.)

Auch andere beziehen Position dazu. Gucken Sie sich diese Unterrichtung an! Das Einzige, was der Opposition vorliegt aus den letzten Tagen, ist diese Unterrichtung der Landesregierung, wo teilweise nur sehr vage, sehr, sehr vage, die Position der Landesregierung – auch zu bestimmten anderen Punkten – beschrieben wird. So ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gefechtslage, wie wir sie heute vorfinden.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben, das sage ich ganz ausdrücklich, aus Respekt vor dem Amt der Landtagspräsidentin darauf verzichtet, die Münchner Erklärung zum Gegenstand einer Debatte zu machen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das ist der Respekt vor dem Amt der Landtagspräsidentin. Andere Landtage haben die Münchner Erklärung vom November diesen Jahres genommen, zur Basis gemeinsamer Anträge gemacht, wo es insbesondere darum geht, dass auch die Position der Landtage gestärkt wird.

Und, Herr Kollege Schlotmann, Sie haben zu Recht darauf verwiesen, die Initiative zur Föderalismuskommission ist nicht von der Exekutive gekommen. Von der Legislative, aus den Landtagen heraus, ist die Initiative gekommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Da muss man sich natürlich an dieser Stelle fragen nach meinem Dafürhalten, und wer mehrere Jahre im Landtag ist, dem wird aufgefallen sein – ich gehe mal ab von den ersten vier Jahren, von der 1. Legislaturperiode –, dass mehr als die Hälfte, fast zwei Drittel der Dinge, die wir tun hier im Landtag, Ausführungsgesetze sind von EUund Bundesrecht.

Und wenn ich den Kollegen Friese sehe – wir werden heute im Tagesordnungspunkt 11 einen Staatsvertrag zu behandeln haben, dazu können wir nur Ja oder Nein sagen –, in den ganzen Prozess der Gestaltung dieses Staatsvertrages, des Rundfunkstaatsvertrages, ist Regierungsfraktion, Oppositionsfraktion so gut wie nicht oder

gar nicht eingebunden. Und aus dieser Realität heraus – und hier möchte ich mich ganz ausdrücklich auch bei dem schleswig-holsteinischen Landtagspräsidenten Herrn Arens bedanken, der einer der Motoren, der Initiatoren dieser ganzen Sache war – haben eben mit Lübeck beginnend, mit dem Lübecker Konvent, die Landtage ein Stück weit die Initiative ergriffen.

Herr Ministerpräsident, man kann jetzt sagen, so wie Sie, Schnellschüsse sind mit mir nicht zu machen. Aber auf der anderen Seite muss man sagen, irgendwann muss ein Prozess auch abgeschlossen werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Irgendwann muss man zu einem Ergebnis kommen. Und der Zeitdruck, den Sie beschreiben, ist sicher vorhanden. Wenn man das Vorbesprechungspapier von Stoiber und Müntefering sieht – Sie sehen, auch wir haben Möglichkeiten, an solche Dinge heranzukommen, die erhalten wir nicht aus der Staatskanzlei, die müssen wir uns woanders besorgen –,

(Siegfried Friese, SPD: Auch aus der Staatskanzlei.)

sind da natürlich viele Konsenspositionen schon aufgeführt. Jetzt ist wirklich die Frage zu stellen – Sie haben einige Dinge benannt –, ob man nicht wirklich sagt, bis hierher müssen wir das gemeinsam tragen, insbesondere um die Rahmenkompetenz bei der Gesetzgebung einzuschränken. Denn wenn wir nicht darangehen – Sie haben Teile genannt, Gaststättenrecht, Ladenschluss und so weiter, ich will das im Einzelnen nicht aufführen –, wenn wir nicht an diese Punkte herangehen, dann werden wir die zustimmungspflichtigen Gesetze eben nicht von 60 Prozent auf 50, 40 oder möglicherweise auf 35 Prozent herunterbekommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und dieses sollten wir wirklich nicht scheitern lassen. Das ist die gemeinsame Position, die wir auch vertreten sollten.

Ich möchte noch einen der bekanntesten Kommentatoren, Heribert Prantl – er ist der Chefkommentator der „Süddeutschen Zeitung“ –, an dieser Stelle zitieren. Ich glaube, es geht um ein bisschen mehr, als um das, was Sie, Herr Ministerpräsident, vorgetragen haben. Prantl schrieb am Montag in der „Süddeutschen Zeitung“: „Es entscheidet sich, ob es gelingt, die Fehlentwicklungen im politischen System der Republik zu korrigieren, ob es gelingt, die Balance der Macht zwischen Bund und Ländern wieder gut zu justieren und so die Leistungskraft der deutschen Staatsverfassung unter heutigen Bedingungen zu bewahren. Die Sache“, so schrieb er am Montag, „sieht gar nicht so schlecht aus. Das Land steht vor einem Ende der politischen Aporie.“ Aporie kann man mit Stillstand oder Lehrlauf übersetzen.

(Birgit Schwebs, PDS: Danke!)

Und er sagt weiter: „Bei jedem Arbeitsschritt wird der Auftrag der Reform zu beachten sein.“ Und das, denke ich, sollte wirklich im Mittelpunkt – auch, wenn Sie am heutigen Abend, am Freitag, am Samstag zusammensitzen – stehen. „Er lautet: Den Bundestag stärken, die Landtage stärken, die Bedeutung des Bundesrats reduzieren, den Vermittlungsausschuss schwächen.“

Ich glaube, wenn wir uns auf diese Formel miteinander verständigen, dann sind Sie auf dem richtigen Weg. Ich

weiß, der Teufel liegt im Detail. Und wenn Sie hier sagen, Gesundheitsreform, wissen Sie, Herr Ministerpräsident Ringstorff, das makaberste Schauspiel ist eigentlich im Dezember 2003 abgelaufen, als der Bundeskanzler und die Parteivorsitzende der CDU in den Vermittlungsausschuss gehen mussten, um den Knoten beim Thema Hartz IV durchzuschlagen.

(Angelika Gramkow, PDS: Dann hat es ja immer noch acht Monate gedauert.)

Makaber ist es deswegen, weil Sie hier zu Recht sagen, die Ebenen werden völlig verwischt. Und wenn Sie fragen, worin wir Ihre Position bestärken würden, sage ich: Sorgen Sie dafür, dass ich wieder klare, transparente, politische Ebenen für den Bürger verständlich nach außen habe zwischen Bundestag, Bundesrat und Länderparlamenten! Das ist, glaube ich, der entscheidende Punkt, auf den wir zugehen müssen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist jetzt in den letzten Tagen passiert? Und, Herr Ministerpräsident Ringstorff, Frau Simonis hat zum Beispiel gesagt in Lübeck im März 2003: „Es bringt wenig, mit Blick auf einen Gesetzgebungsstand den Ländern nur einige Teilfragen zur eigenen Regelung zurückzuübertragen oder noch einen Schock neuer, unendlich fein ziselierter Mitwirkungsverfahren einzuführen. Wenn rückübertragen wird, dann nicht ein bisschen auf vielen Feldern, sondern dann lieber auf wenigen ganz.“ Zitatende.

Und jetzt kommen wir noch einmal auf das zu sprechen, was hier in den letzten Tagen passiert ist. Das ganze Thema angeheizt hat nach meinem Dafürhalten Frau Zypries mit einem Interview in der Zeitung „Die Zeit“ in der letzten Oktoberwoche diesen Jahres. Überschrieben ist das Interview: „Der Bund hat das letzte Wort“. Ich zitiere weiter: „Brigitte Zypries plädiert für einen starken Zentralstaat. Sie kritisiert den Egoismus der Länder und die Anmaßung des Bundesverfassungsgerichts“ und so weiter und so fort. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der Bund in dieser wichtigen Phase durch die Bundesjustizministerin so agiert – sie nimmt nicht nur zu Justizfragen Stellung, Herr Minister Sellering, sondern auch zu anderen Fragen –, dann heizt man ganz einfach diese schwierige Problematik an. Da ist es aus meiner Sicht besser, nichts zu sagen oder hinter verschlossenen Türen etwas zu sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.