Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits vor einigen Jahren haben sich die Landesversicherungsanstalten Mecklenburg-Vorpommerns, Hamburgs und Schleswig-Holsteins entschlossen, zukünftig zusammenzugehen. Um eine Zusammenarbeit unter einem Dach mit der gebotenen Sorgfalt zu organisieren, wurden verschiedene Arbeitsgremien eingerichtet. Ein Kooperationsrat wirkte in dieser Vorbereitungsphase hauptverantwortlich. Er und die Geschäftsführer der Landesversicherungsanstalten informierten im Juni 2002 über den Beschluss, mit Ende der Legislaturperiode der Selbstverwaltung, also im Oktober 2005, die Fusion der drei Landesversicherungsanstalten abzuschließen.
Fusionsbestrebungen bei den Rentenversicherungsträgern haben eine lange Vorgeschichte. Bereits im Januar 1994 gaben die Sozialpartner, die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände diesbezüglich Empfehlungen ab. Die Unternehmensberatung Roland Berger erstellte im Januar 1995 ein Gutachten über Wirkungen, die Kooperationen zwischen den Versicherungsanstalten erzielen würden. Ab dem Ende der 90er Jahre nahmen Bestrebungen zu Kooperationen und späterhin zu Fusionen bundesweit deutlich Konturen an. Als Erste fusionierten die Landesversicherungsanstalten Baden-Württembergs. Für die Landesversicherungsanstalt Mecklenburg-Vorpommerns war in all den Jahren der Diskussion einer Organisationsreform der Deutschen Rentenversicherung eine Fusion mit anderen Landesversicherungsanstalten eine ernsthafte Alternative. Generell, so die Überlegung, sprechen drei Gründe für eine Fusion:
Erstens. Eine Fusion ist aus rechtlicher Hinsicht sinnvoll. Eine Fusion kann und muss eine Organisationsstruktur aus einem Guss bewirken, die eine größere Verbindlichkeit bundeseinheitlicher Entscheidungen und damit eine stärkere Geschlossenheit bei der Umsetzung solcher Entscheidungen gewährleistet. So verwies Professor D r. Krebs von der FU Berlin in einem Rechtsgutachten vom April 1999 auf trägerübergreifende Herausforderungen, da es bei der Umsetzung veränderter Rahmenbedingungen im Bereich der Rehabilitation zu Problemen gekommen sei.
Zweitens. Für eine Fusion sprechen wirtschaftliche Erfordernisse. So hat der Bundesrechnungshof in einem Gutachten vom 30. September 1998 eine Reduzierung von 23 auf 6 Landesversicherungsanstalten vorgeschlagen und schätzte die erzielbaren Einsparpotentiale auf 700 Millionen DM, also circa 357 Millionen Euro. Dies entspricht etwa zehn Prozent aller Verwaltungskosten der Landesversicherungsanstalten, wobei gesagt werden muss, dass dieser Betrag späterhin allerdings nie näher begründet und verifiziert wurde. Man ging jedoch davon aus, dass es im Zuge der Fusion zu erheblichen Einsparungen der Verwaltungskosten durch die Zusammenführung der Stabs-, Grundsatz- und Querschnittsaufgaben, wie sie in der Personalverwaltung, der Datenverarbeitung, der Rechnungsprüfung sowie der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt sind, kommen würde. Darüber hinaus würden sich wirtschaftliche Synergien zum Beispiel durch eine verbesserte länderübergreifende Steuerung der Rehabilitationsmaßnahmen ergeben.
Bezogen auf die konkrete Situation der Landesversicherungsanstalten Mecklenburg-Vorpommerns, Schleswig-Holsteins und Hamburgs sind von der beabsichtigten Fusion 3.475 Arbeitsplätze berührt. Auf der Homepage
der Landesversicherungsanstalt Mecklenburg-Vorpommerns wird darüber informiert, dass im Zuge der Fusion mit personellen Einsparpotentialen von bis zu 20 Prozent gerechnet wird. Es wird aber zugleich betont, dass der Personalabbau über Jahre hinweg sozialverträglich gestaltet werden soll und es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird.
Drittens ist eine Fusion zur Verbesserung oder Neuordnung der Strukturen und Abläufe einsichtig. Bei manch unterschiedlichen Sichten über die Perspektiven einer Fusion war man sich von Anbeginn sowohl auf Seiten der Geschäftsführung wie auch der Belegschaftsvertretung der Landesversicherungsanstalten einig, dass eine Fusion mit anderen Trägern die Möglichkeit zur Verbesserung beziehungsweise Neuordnung der internen Strukturen sowie den Arbeits- und Ablauforganisationen gibt.
Mit dem Fusionsbeschluss vom Sommer 2002 entwickelte sich aus dem Kooperationsrat der Landesversicherungsanstalten ein Fusionsrat als höchstes Gremium. Ein Lenkungsausschuss hat seither die fachlichen und organisatorischen Maßnahmen zu erarbeiten und entsprechend des jeweiligen Votums umzusetzen. Ihm unterstellte Projektgruppen bearbeiten in diesem Prozess für die verschiedenen Bereiche zum Beispiel Renten und Reha, Sachbearbeitung, Personal, Finanzen, Gebäudemanagement und so weiter die konkreten Abläufe nach der angestrebten Fusion.
Arbeitsgrundlage für die zukünftige LVA Nord ist eine Organisationsstruktur, die vorsieht, dass zwei arbeitskraftintensive und bedeutsame Abteilungen dem Standort Neubrandenburg zugewiesen werden. Die Meinungen darüber, welche Abteilungen in diesem Sinne als bedeutsam gelten, klaffen nach meinem Kenntnisstand bei den Entscheidungsträgern der LVA weit auseinander. Der Vorsitz der Geschäftsführung soll durch die LVA Hamburg gestellt werden und der Hauptsitz der LVA würde in Schleswig-Holstein liegen. Der Geschäftsführung wären die notwendigen Stabsfunktionen zugeordnet, die jedoch am Hauptsitz wirken würden. Ebenfalls zum Geschäftsführungsbereich würden Datenschutz und Rechnungsprüfung gehören und für den Standort Neubrandenburg wären insofern die Leistungssachbearbeitung für Rehabilitation, für Rentenfragen und den Beitragseinzug denkbar. In den bisherigen Überlegungen gilt die Zuweisung des Hauptsitzes an den Standort Neubrandenburg jedoch als völlig abwegig.
Für die Fraktionen der PDS und SPD gibt es im Zusammenhang mit den Fusionsbestrebungen der Landesversicherungsanstalten drei Prämissen:
Erstens. Bei der notwendigen Reform der Organisationsstruktur der Rentenversicherung muss garantiert sein, dass die Beratung und Betreuung der Versicherten und Rentner ortsnah gewährleistet bleibt.
Zweitens. Bei der anstehenden Organisationsreform in der Rentenversicherung muss ein Abbau von Arbeitsplätzen vermieden werden. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag verankert, dass sich die Landesregierung für den Erhalt der Arbeitsplätze bei der Landesversicherungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern in Neubrandenburg und bei der BfA in Stralsund einsetzen wird.
Alle drei genannten Ansprüche stehen in einem Zusammenhang. Es geht um wesentlich mehr, das will ich hier betonen, als um ein Blechschild an der Tür mit der Aufschrift: Sitz der Geschäftsführung. Zum einen geht es um Glaubwürdigkeit. Wie steht es denn mit der besonderen Betonung der Stärkung der neuen Bundesländer? Ich möchte an dieser Stelle nicht auf aktuelle Verlautbarungen von Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Institutionen verweisen, sondern auf eine Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der fast auf den Tag genau vor sechs Jahren forderte, dass bei dem Integrationsprozess der im föderalen Wettbewerb befindlichen Regionen dafür Sorge zu tragen ist, dass keine Region den Anschluss verliert, vielmehr alle die Chance haben müssen, sich nach vorne zu arbeiten.
In der Bestimmung des Standortes Neubrandenburg als Hauptsitz zur LVA Nord würden den Worten Taten folgen. Dabei geht es nach unserer Ansicht nicht in erster Linie um die Symbolhaftigkeit, die mit dem Begriff „Hauptsitz“ verbunden ist, wobei auch dies nicht völlig unbedeutend ist, sondern vor allem um die Frage, wo zentrale Fragen entschieden werden. Die Frage, wo was entschieden wird, das wissen wir alle, ist in jeder Unternehmung von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung. Von besonderer Symbolkraft ist auch, dass mit dem Hauptsitz der LVA Nord in Neubrandenburg erstmalig die Zentrale von fusionierten Institutionen in unserem Land errichtet würde.
Zum Zweiten kommt hinzu, dass mit der Festlegung, wo sich der Hauptsitz befindet, auch die Frage der Möglichkeiten der Einflussnahme verbunden ist. Es werden derjenigen Landesregierung die Obliegenheiten der Rechtsaufsicht zugesprochen, in deren Bundesland sich der Hauptsitz befindet. Die darin liegende Bedeutung für zukünftige in zeitlicher Ferne zur dann vollzogenen Fusion befindlichen Gestaltungsspielräume ist nicht zu verkennen, und dies gerade vor dem Hintergrund, dass mit der Fusion die Konsolidierungsprozesse der Landesversicherungsanstalten ja nicht abgeschlossen sind, sondern erst beginnen.
Drittens. Es ist nicht zu vergessen, dass besondere arbeitsmarktpolitische und infrastrukturelle Gründe dazu führten, dass 1991 entschieden wurde, den Hauptsitz der LVA Mecklenburg-Vorpommern gerade in Neubrandenburg zu errichten. Insbesondere die arbeitsmarktpolitische Situation ist in und um Neubrandenburg nach wie vor von erheblicher Brisanz. Die Aufgabe des Standortes Neubrandenburg als Zentrale eines Trägers der Deutschen Rentenversicherung und wichtigem Hauptsitz einer öffentlichen Verwaltung und damit einem der größten Arbeitgeber in der Region würde das falsche arbeitsmarktpolitische und strukturpolitische Signal setzen.
Wenn es, wie erst einmal glaubhaft versichert wird, durch die Fusion zu keinen betriebsbedingten Kündigungen an einem der drei Standorte Hamburg, Lübeck oder Neubrandenburg kommen soll, wenn die zukünftige Organisationsstruktur so angelegt würde, dass es für alle drei Beteiligten eine jeweils vorteilhafte Arbeitsmengenverteilung geben kann, dann frage ich Sie: Gibt es dann noch einen plausiblen und sachlichen Grund, warum Neubrandenburg nicht Hauptsitz der LVA Nord sein sollte? Allenfalls gibt es dann noch sachfremde Gründe und Argu
Deshalb begrüßen und unterstützen wir die Haltung der Landesregierung, sich für den Standort Neubrandenburg als Hauptsitz und vor allem für den Erhalt von Arbeitsplätzen in unserem Land stark zu machen. Neubrandenburg muss Hauptsitz der LVA Nord werden! Hierfür gibt es seit März diesen Jahres auch rechtliche Instrumentarien. Mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des SGB V, das im Paragraphen 127 a nach Empfehlung des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat – ich komme dann zum Schluss – eine Änderung erfahren hat, bedarf es eines Vereinigungsbeschlusses der Genehmigung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden der betroffenen Länder.
Ich bitte um Ihre Zustimmung, möchte aber darauf verweisen, dass wir dem Änderungsantrag der CDU nicht folgen wollen, weil a) Hauptsitz ist Hauptsitz, das muss man nicht juristisch noch schreiben. Und zweitens, wenn die an irgendeiner Stelle überhaupt Zweifel lassen, dass es nicht erfolgreich sein wird, die LVA Nord nach Neubrandenburg zu holen, denn dieser Vorschlag suggeriert förmlich Selbstzweifel, dann könnten wir es mit einem solchen Votum des Landtages Mecklenburg-Vorpommern gleich sein lassen. Entweder wollen wir mit aller Entschlossenheit den Hauptsitz hierher holen oder nicht. Dazu sollten wir uns bekennen! – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Abgeordnete Herr Koplin hat sehr ausführlich den Antrag begründet. Es sei mir gestattet, einige wenige Ergänzungen zu machen.
Ich habe mich in der Öffentlichkeit bereits dazu geäußert und darf an dieser Stelle auch noch einmal betonen, dass ich durchaus die Fusion der Landesversicherungsanstalten begrüße und dass ich einer Fusion jedoch nur dann die Genehmigung erteilen werde, sofern die Interessen des Landes im Rahmen der Fusion angemessen berücksichtigt werden.
Herr Koplin hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, was diese Angemessenheit bedeutet. Das Kabinett hat sich mehrfach mit dieser Frage befasst. Die Landesregierung ist der Auffassung, eine norddeutsche Kooperation ist wünschenswert, kann aber keine Einbahnstraße sein. Wir haben, wie gesagt, noch einmal die Begründungen gehört. Ich möchte sagen, dass ich mit der Meinungsäußerung, die ich ja im Rahmen einer Presseerklärung abgegeben habe, viel Unterstützung aus dem Land erhalten habe. Der Oberbürgermeister der Stadt Neubrandenburg, die Landräte aus Ostvorpommern, MecklenburgStrelitz, Müritz, Demin, Uecker-Randow haben sich schriftlich an mich gewandt und mir mitgeteilt, dass sie den Standpunkt der Landesregierung unterstützen. Die Stadt Neubrandenburg hat einen fraktionsübergreifenden
Ich denke, die Dinge sind benannt. Entwicklung der neuen Länder heißt auch Ansiedlung von Unternehmen, von Behörden in den neuen Ländern und
zukunftsfähige Gestaltung dieser Regionen. In diesem Sinne bitte ich Sie sehr, dem Antrag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen.
Wie gesagt, ohne Wenn und Aber, deshalb halte ich den Ergänzungsantrag der CDU nicht für zustimmungswürdig. – Danke.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Ministerin, ohne Wenn und Aber! Sie legen die Latte für sich sehr, sehr hoch. Ich will Sie daran erinnern, dass das Sozialministerium im Jahre 2001 einem Kooperationsvertrag zugestimmt hat, und wie Herr Koplin richtig vorgetragen hat, sind auch die Dinge für eine Fusion im Jahre 2002 Ihrem Hause bekannt gemacht worden. Dass Sie jetzt mit dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches mit den Paragraphen 127 a und b durcheinander kommen, das will ich Ihnen heute schon voraussagen. Sie haben es auf dem Tisch liegen, ob Sie in naher Zukunft vom Fusionsrat einem Fusionsvertrag zustimmen, ob ja oder nein. Sie haben darin natürlich auch die einzelnen Kriterien festgelegt. Und wie es mit Fusionen so ist, bei Fusionen gibt es immer entweder Partner und dergleichen oder Verlierer und dergleichen. Meine Damen und Herren, man muss sich schon einige Dinge ins Gedächtnis rufen.
Frau Ministerin, wenn Sie mit Ihrer hohen Latte, die Sie jetzt gelegt haben, wenn Sie da runterspringen, dann kann Ihnen ja passieren, dass der Fusionsvertrag kippt. Es kann Ihnen passieren, dass Sie keinen Partner mehr haben, weder die Hansestadt Hamburg noch das Land Schleswig-Holstein. Und wie das im Sechsten Buch geregelt ist, das steht ja drin, dass höchstens drei Länder fusionieren sollen und können, mehr geht nicht. Gehen Sie einmal davon aus, wenn dieser Fusionsrat und der Fusionsvertrag, den Sie ja bekommen werden, auf dem Wege ist und Sie nicht zustimmen, dann stehen Sie möglicherweise vor einem Scherbenhaufen. Was ist dann passiert? Sie haben hier in Mecklenburg-Vorpommern 500.000 Versicherte, das sind 2,7 aller Rentenversicherten und 3.000 Rentner, und die Tendenz ist steigend. Das sind 2,7 Prozent insgesamt. Sie sind damit die kleinste LVA in Deutschland. Sie haben den Druck, dass der Bund gesagt hat, wir legen auch die Bundesversicherungsanstalten von vier auf zwei zusammen. Damit hintertreiben Sie auch die anderen
Fusionen, da auch Brandenburg und Berlin sich weitestgehend einig sind und Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Wo wollen Sie denn noch hin? Wollen Sie dafür sorgen, dass Sie dann als Land einer BfA möglicherweise zugeschlagen werden oder was auch immer?
Zumindest Respekt vor Ihrer Äußerung. Ich will Sie aber darauf hinweisen, dass ja in besonderer Weise die Partner, die auch im Vorstand sind, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind. Und ein nicht unbedeutender Partner, Peter Deutschland, hat Ihnen zwar nicht direkt, aber zumindest als Vorstandsmitglied einen Brief geschrieben und darauf hingewiesen, dass die Eckpunkte verhandelt sind.
Wenn Sie alle diese Eckpunkte jetzt sozusagen aushebeln wollen, dann müssen Sie als Land Mecklenburg-Vorpommern wahrscheinlich nachher selbst im Sechsten Buch den Paragraphen 227 b verhandeln. Zunächst will ich darauf hinweisen, dass es so kommen kann. Für uns als CDU ist das Entscheidende, dass wir die Arbeitsplätze im Land halten,