Protocol of the Session on May 13, 2004

Wir werden, das sage ich gleich voraus, das ist auch abgesprochen, im nächsten Landtag beantragen, dass zum Zwecke der Deregulierung im Landtag selber der Sonderausschuss seine Tätigkeit einstellt und, wenn Sie hier Gesetze einbringen, der Innenausschuss federführend wird. Dieser hat einen Ausschussvorsitzenden, der ist über Jahre erfahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Friese hat Kollegen, die können das. Wir sollten bei uns beginnen, Doppelstrukturen abzubauen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig! – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Wir haben klare Strukturen in den Ausschüssen. Der Sonderausschuss ist überflüssig. Das haben Sie gestern bewiesen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

indem Sie gesagt haben, der braucht sich damit gar nicht zu befassen. Und nebenbei, meine sehr verehrten Damen und Herren, könnten wir unseren Beitrag leisten als Landtag, die 71 Abgeordneten, denn dazu haben wir die Hoheit, den Landtagshaushalt bis zum Jahr 2006 um einige 100.000 Euro zu entlasten. Das sollte unser Beitrag sein!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich muss ein wesentliches Ziel der Reform der öffentlichen Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern die Anpassung der Verwaltungsausgaben an die langfristig zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sein. Ich habe letztens mit dem Kollegen Backhaus auf dem Unternehmerforum debattieren können. Herrn Backhaus ist da ein Lapsus unterlaufen, den sehe ich ihm nach. Sie haben gesagt, Herr Kollege Backhaus, wir haben einen Haushalt von 5,6 Milliarden Euro, das ist der so genannte Modellhaushalt, den wir anstreben müssen.

(Minister Dr. Till Backhaus: Nicht zugehört.)

Doch, doch. Wissen Sie, das ist ja richtig, was Sie sagen.

(Minister Dr. Till Backhaus: Ja, genau! – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das sind fast 2 Milliarden Euro

(Minister Dr. Till Backhaus und Angelika Gramkow, PDS: 1,8.)

oder 4 Milliarden Deutsche Mark weniger, als wir es heute haben.

(Minister Dr. Till Backhaus: 2020.)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, denn das unterscheidet uns von Ihnen ganz massiv, dass wir sagen, Sie hätten nicht erst heute beginnen sollen, sondern als Sie die Regierungsverantwortung in diesem Land übernommen haben. Übrigens, Herr Kollege Backhaus, schon 1998, schon 1996 stand fest, dass wir irgendwann einen Haushalt noch einen Tick unter 11 Milliarden Deutsche Mark haben wollten. Und warum habe Sie denn nicht angefangen? Ich freue mich, dass Sie die Einsparzahlen, die wir über Jahre – übrigens seit dem Sommer 2002 – in die Öffentlichkeit getragen haben bei der Verringerung der Ministerien, …

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Wir sind heute bei 19 Millionen Euro und nicht bei 2, wie Sie uns immer vormachen wollten.

Die Auflösung der unteren Landesbehörden im Zuge einer umfassenden Funktionalreform und die Zusammenführung von Landesbehörden erbringen insgesamt ein

Sparpotential – und das haben nicht wir berechnet, das war das Finanzministerium – von 70 Millionen Euro. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich auf diese drei wesentlichen Punkte plus Deregulierung, plus Entbürokratisierung konzentrieren würden – und hier werden wir Partner sein und vielleicht noch deutlich weiter gehen wollen als Sie –, dann könnten hier wir gemeinsam handeln. Aber dann setzen wir erst einmal ein Stoppzeichen, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten keine Konzepte, dann lassen Sie mich nur beispielhaft sagen: Bestandteil unseres Wahlprogramms 2002 ist eine umfassende Reform der Landesverwaltung. Diese haben wir am 15. Januar 2003 in den Landtag eingebracht und debattiert. SPD und PDS haben abgelehnt. Wir haben das dann weiter auf Landtagsdrucksachen deutlich gemacht, „Entbürokratisierungsoffensive“, Drucksache4/973, und „Abbau von Vorschriften in MecklenburgVorpommern“, Drucksache 4/725. Alles von Ihnen abgelehnt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das Land ist keinen Schritt vorangekommen.)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben Sie sich denn nicht in den letzten anderthalb Jahren gefragt, warum Sie nicht vorangekommen sind? Weil Sie konzeptionell, strukturell völlig falsch an die Materie herangegangen sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist so.)

Haben Sie sich denn nicht gefragt, warum ein Land wie Baden-Württemberg das strukturell anders angeht,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

warum die sich heute, im Mai 2004, als Landtag mit dem Ergebnis der Arbeit der Expertengruppen, der kommunalen Landesverbände, der Landesregierung befassen können?

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das heißt, die eigentliche Arbeit, die wir leisten müssen, ist Novellierung von Gesetzen. Das ist unsere Arbeit und dann entscheiden als Gesetzgeber. Das hat man in Baden-Württemberg in gut dreijähriger Arbeit geschafft. Sie wollen das alles viel schneller machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können uns immer wieder weismachen wollen, dass gleich am Anfang die Striche auf der Landkarte stehen müssen. Ich kann nur sagen, das Ergebnis, was Sie im Augenblick präsentieren, beweist uns das krasse Gegenteil.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch einiges vorgearbeitet worden, Zwischenbericht der IMAG. Ich meine, warum haben wir gestern nicht den von Montag, sondern den vom Donnerstag? Sie können auch entscheiden, welchen Sie nehmen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, nee, wir wollen den von heute.)

Und hier ein Vorschlag von mir: Warum gehen Sie denn weiter, wenn Sie der Meinung sind, dass bestimmte Dinge kommunalisiert werden können? Ich gehe ja nicht so weit, dass die Straßenbauverwaltung auch kommunalisiert

werden kann. Ich denke, dass wir den Autobahnbau, den Bundesstraßenbau in Auftragsverwaltung des Bundes erledigen. Da sollte man sich sehr wohl überlegen, ob man das kommunalisiert oder ob man hier nicht einen zu großen Schritt nimmt und ins Stolpern kommt. Aber was machen Sie mit den Straßenbauämtern? Mein Vorschlag: Privatisieren Sie diese!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja sicher!)

Meinen Sie nicht, das Private mindestens genauso gut, wenn nicht besser, Straßen reparieren können, Bäume ausästen können, Flaschen, Papier sammeln können, Wartungs- und Pflegearbeiten durchführen können? Übrigens, es sind 850 Stellen bei den Straßenbauämtern im Arbeiter- und Angestelltenbereich. Nur Sie können es nicht mehr privatisieren, weil Sie sich mit dem Tarifvertrag mit ver.di absoluten Kündigungsschutz bis 2010 verordnet haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Michael Ankermann, CDU: Ja. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Klasse, kann ich nur sagen. Weit gedacht, weit vorausgedacht, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heißt, dieses ganze Thema Privatisierung von kommunalen Aufgaben, von Landesaufgaben, welches nicht der Daseinsvorsorge dient, ich muss Ihnen sagen, Flaschen- und Papiersammeln, Straßengraben ist nicht Daseinsvorsorge und ist auch nicht Aufgabe von Landesbediensteten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau.)

Entschuldigung, da müssen Sie sich wirklich fragen, ob Sie dort langfristig gedacht haben. Wenn ich die Eckpunkte lese, dann wird es ungeheuer schwierig werden, Aufgaben, die heute das Land ausführt, zu privatisieren. Das wird ungeheuer schwierig werden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Dabei bin ich hoch gespannt auf den Tarifvertrag, den Sie mit ver.di abschließen werden.

Und meine sehr verehrten Damen und Herren, haben Sie einmal in dieses Land hineingeguckt, wie viel Aufgaben heute schon in interkommunaler Zusammenarbeit gelöst werden? Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen, Kataster- und Vermessungsämter, zum Beispiel Stralsund, Nordvorpommern seit Jahren, Schwerin und Ludwigslust wollen das erst ab dem 1. August 2004 machen. Wir sagen ganz einfach, dass die Möglichkeit gemeinschaftlicher kommunaler Aufgabenerfüllung immer Vorrang haben sollte vor zwangsweisen Gebietszusammenschlüssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind gestern in Ihre eigene Falle getappt, und zwar in die Verfassungsrechtsfalle. Ich habe noch nie, entschuldigen Sie bitte, so viel politische und rechtliche Naivität erlebt wie gestern. Wenn sich hier Minister dieser Landesregierung hinstellen, wenn sich gestern hier ein Abgeordneter der PDS, der SPD hinstellt und schon das Ergebnis dieser Reform postuliert, obwohl nicht nur die Kollegin Schulz, sondern auch andere, und ich werde es heute noch einmal ganz ausdrücklich tun, darauf hinweisen, dass das erst am Ende des Prozesses – Frau Schulz hat alles aufgeführt, ich will das nicht wiederholen – stehen kann, dann frage ich mich ganz besorgt: Herr Dr. Timm, welche guten

Ratschläge gibt Ihnen denn Herr Professor von Mutius? Herr Wallerath – auch das ist bis zu uns gedrungen –

(Dr. Armin Jäger, CDU: Der hatte die Nase voll. – Wolfgang Riemann, CDU: Der musste ja gehen.)

hat deswegen auch aufgehört, Sie zu beraten, weil Sie ganz offenkundig beratungsresistent sind. Das ist einer der Gründe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich will zitieren aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 89/90, Seite 180 folgende, vielleicht hören Sie mir ja heute zu: „Eine Kreisgebietsneuordnung ist wegen Artikel 28 Grundgesetz nur dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn eine Entscheidung nach Maßgabe vorheriger Anhörung,“ – Wen haben Sie denn bisher angehört, meine sehr verehrten Damen und Herren? – „zutreffender und vollständiger Sachverhaltsermittlung, nachvollziehbarer Abwägung der Gemeinwohlgründe und Neugliederungsziele einer Schaden-Nutzen-Analyse unter Beachtung des rechtsstaatlichen Übermaß- und Willkürverbots getroffen wird.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Maßstab und wir leben in einem Rechtsstaat, wenn schon heute sechs Kreistage, zwei kreisfreie Städte – übrigens, da würde mich mal interessieren, wie der eine oder andere SPD-Landtagsabgeordnete, der dort sitzt, dort gestimmt hat