Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Nieszery. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Ringguth, Sie haben das Urteil und auch die Urteilsbegründung hier ausführlich referiert. Es geht im Wesentlichen um die Frage: Wer wird in Zukunft die Schulentwicklungsplanung machen? Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, die Landräte sollen es tun. Die CDU beantragt mit dem Gesetzentwurf –
ich kann selbst sprechen, Herr Riemann, dazu brauche ich Sie nicht –, dass weiterhin die Kreistage die Schulentwicklungsplanung machen.
Wir als SPD, das darf ich hier vorwegschicken, unterstützen die Regelung, die das OVG getroffen hat, denn im Gegensatz zu Ihnen,
meine Damen und Herren von der CDU, sind wir uns sehr wohl bewusst, dass ein hoher Anteil des Lehrerbedarfs in unserem Land auch durch eine nicht konsequent umgesetzte Schulentwicklungsplanung verursacht wurde. Dieser Sachverhalt stellt letztlich einen nicht unerheblichen Faktor für die immer wieder beklagten Probleme bei der Unterrichtsversorgung dar. Ich kenne verschiedene Beispiele aus der Praxis,
auch aus der Kreistagstätigkeit in Güstrow, und Herr Renz und Frau Lochner-Borst kennen diese Beispiele ebenfalls.
Als besonders hemmend für eine effiziente Schulentwicklungsplanung erweisen sich zunehmend auch die jetzigen Kreisgrenzen. Derzeit ist es entweder nicht gewollt oder nicht möglich, kreisübergreifende Einzugsbereiche beispielsweise für Gymnasien festzulegen. Ich möchte das einmal an einem Beispiel verdeutlichen: Vor wenigen Jahren ist in Bützow ein Gymnasium erbaut worden, hoch modern, mit sehr viel Mitteleinsatz durch das Land. Dieses Gymnasium wurde vor der letzten Kreisgebietsreform geplant auch für die Schüler des Amtes Schwaan. Heute steht dieses Gymnasium unter anderem auch deswegen auf der Kippe, weil die eigentlich eingeplanten Schüler aus Schwaan momentan in Bad Doberan beschult werden.
Eine Ausweitung des Einzugsbereiches in Richtung Schwaan würde für die Schüler letztendlich einen erheblich kürzeren Schulweg bedeuten.
Ich denke, wir müssen hier Entscheidungen treffen, die letztendlich zum Wohle unserer Schüler gereichen.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Urteils in unsere Regelung, so, wie es jetzt vom Oberverwaltungsgericht festgestellt wurde, erwarten wir natürlich von dem zuständigen Ministerium, dass klare Aussagen darüber getroffen werden, wie künftig kreisübergreifend geplant werden kann, dass auch präferiert wird, kreisübergreifende Lösungen zu etablieren. Gleichfalls brauchen wir verlässliche Vorschläge und gute Vorschläge zur Lösung des Problems des Schullastenausgleichs, der für uns immer noch einen Hemmschuh darstellt für kreisübergreifende Regelungen. Weiterhin muss grundsätzlich einmal eine Aussage dazu getroffen werden, ob es zum einen pädagogisch sinnvoll, aber zum anderen auch finanziell vertretbar ist, immer noch einzügige Klassen mit mindestens 14 Schülern vorzuhalten.
An der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Zuständigkeit der Landräte festzuhalten, bedeutet ja nicht – aus unserer Sicht zumindest – eine Entmündigung der Kreistage. Vielmehr trägt unsere Entscheidung der Situation Rechnung, dass wir unter dem erheblichen finanziellen Druck rasche Strukturentscheidungen brauchen, die einerseits die Schulentwicklungsplanung im Lande Mecklenburg-Vorpommern zukunftsfähig machen und andererseits die getätigten Investitionen in Millionenhöhe optimal für die Ausbildung unserer Kinder nutzen. Außerdem geht es auch darum, Investitionen in langfristig nicht haltbare Schulstandorte zu vermeiden, um einen effektiven Einsatz der immer knapper werdenden Ressourcen zu gewährleisten.
Im Übrigen bleibt es jedem Landrat, Herr Ringguth, und jedem Oberbürgermeister unbenommen, sich von den entsprechenden Gremien in den Gebietskörperschaften ausführlich bei seinen Entscheidungen beraten zu lassen. Wie so etwas funktioniert oder funktionieren kann, zeigt die Berufsschulplanung beispielsweise in dem Bereich Mittleres Mecklenburg/Rostock. Dort sind wir diesmal kreisübergreifend einvernehmlich zu einer Festlegung sowohl der Berufsschulstandorte als auch des Lehrangebotes in verschiedenen Bereichen gekommen, und zwar über den regionalen Planungsverband. Eigentlich erwarten wir jetzt täglich nur noch die Zuweisung der Fördermittel, damit wir die Investition auslösen können.
Aus den genannten Gründen werden wir heute Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Das heißt aber auch, dass wir bei einer zu erwartenden Vergrößerung der Planungsbereiche für die Schulentwicklungsplanung sehr wohl noch einmal über eine Übertragung als Selbstverwaltungsaufgabe in die dann hoffentlich größer gefassten Gebietskörperschaften reden können. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf in die Debatte die Position des Bildungsministers einbringen und stütze sie auf die Erfahrungen, die die oberste Schulaufsichtsbehörde gesammelt hat mit dem bisherigen Vorgehen. Diese bisherigen Erfahrungen aus der Aufstellung und Fortschreibung der Schulentwicklungspläne zeigen, dass eine Regelung im eigenen Wirkungskreis häufig zu lang dauernden Verfahren führt,
(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das hat kommunale Selbstverwaltung so an sich, das ist in einer Demokratie so.)
bis letztendlich den schulgesetzlichen Vorschriften genügende Schulentwicklungspläne vorliegen. Die sich daraus ergebende verzögerte Anpassung des Schulnetzes an die Planungsgrundsätze der Schulentwicklungsplanungsverordnung führt während dieser Phase zu einem erhöhten Lehrkräftebedarf und zu schwieriger Unterrichtsversorgung. Mit der Zuordnung der Schulentwicklungsplanung zum übertragenen Wirkungskreis der Landkreise und der kreisfreien Städte kommt dem Ministerium die Aufgabe der Fachaufsicht zu. In diesem Rahmen besteht dann auch die Möglichkeit, im Falle der Weigerung eines Planungsträgers eine Weisung zu erteilen und auf diesem Wege die Verfahren wieder zu ordnen. Ich darf das deshalb als Position des Ministeriums – sie werden keine andere von mir erwarten können – deutlich machen.
Die Zuständigkeit der Landräte und der Oberbürgermeister für die Schulentwicklungsplanung führt zu einem effektiveren Planungsverfahren. Deshalb spricht sich das Ministerium für eine Beibehaltung der durch das OVG festgestellten Zuständigkeit für die Schulentwicklungsplanung aus. – Vielen Dank.
Das OVG – ach, Herr Riemann, nun lassen Sie mich doch wenigstens reden – hat einen berechtigten Widerspruch zwischen den Regelungen zur Schulentwicklungsplanung, dem Schulgesetz und der dazu erlassenen Verordnung sowie der sich daraus ableitenden, tatsächlich bisher praktizierten Wirklichkeit im Lande festgestellt. Dieses Problem – und das hat die bisherige Debatte bereits deutlich gemacht – kann man aus sehr verschiedener Sichtweise bewerten, aus der kommunalrechtlichen, aus der bildungspolitischen, aus der demokratierechtlichen und sicherlich auch aus vielen weiteren. Alle Sichtweisen sind unterschiedlich und für alle gibt es gute Gründe.
Die für alle geltende zentrale Frage ist allerdings: Sollen künftig die kommunalen Vertretungen mitbestimmen, mitentscheiden oder nicht? Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist nun klargestellt, dass die Erarbeitung und Umsetzung der Schulentwicklungsplanung eine Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises ist und damit die Landräte und Oberbürgermeister der Planungsträger allein über sie entscheiden. Eine Mitberatung ist nicht mehr zwingend, eine Mitbestimmung der kommunalen Vertretungen ist nicht mehr rechtskonform. Wer allerdings den Prozess der Schulentwicklungsplanung, ob in der Verwaltung oder in der Vertretung, kennt – und da ist die Debatte in den Verwaltungen genauso spannungsgeladen wie in den Vertretungen –,
der wird wissen, wie hoch emotional eine solche Diskussion abläuft und wie schwierig Entscheidungen sind. Insoweit, könnte man sagen, ist eine Umsetzung und Beibehaltung der Rechtsprechung bei der Alleinentscheidung der Landräte und Oberbürgermeister sozusagen eine Schmerzvermeidungsstrategie.
Aber man kann sich natürlich auch aus bildungspolitischer Sicht diesem Thema nähern. Und aus bildungspolitischer Sicht ist es eben nicht einfach nur eine Schulstandortfrage. Zu oft ist in der Vergangenheit ausschließlich über verbaute Mittel, über Raumgrößen und über Wege entschieden worden, ohne schulinhaltliche Fragen wirklich ausreichend zu berücksichtigen. Auch das ermöglicht die Schulentwicklungsplanungsverordnung, sie ist aber oftmals nicht eine der wesentlichen zu berücksichtigenden Faktoren gewesen.
Und man kann sich aus demokratierechtlicher, demokratiepolitischer Sicht dieser Frage nähern und sagen: Warum sollten wir darauf verzichten, gewählte Abgeordnete, wenn wir denn Demokratie vor Ort erlebbar machen wollen, wirklich von dieser verantwortungsvollen Entscheidung auszuklammern? Aber in der Tat, die Entscheidung des Gerichts verstärkt die Verwaltung und reduziert demokratische Mitbestimmung und Mitwirkung der gewählten Abgeordneten der Kreistage und der kreisfreien Städte. Man könnte also fast Schmerzvermeidung gegen Demokratie aufrechnen. Bei dieser Aufrechung, wenn man es einmal bildlich gegenüberstellt, halte ich allerdings Schmerzvermeidung für zweitrangig, das auch deshalb, weil wohl niemand ernsthaft annimmt, dass man sich in diesem sensiblen Politikbereich wirklich hinter einer Verwaltungsentscheidung verstecken kann,