Frau Ministerin Keler, ich muss Ihnen erst einmal meinen Respekt für die erbrachte Leistung im Vermittlungsausschuss aussprechen, nicht nur für die langen Nächte. Sie waren direkt an den Verhandlungen beteiligt. Nach meiner Rechnung waren das die Ministerpräsidenten von zwölf weiteren Bundesländern auch, als es um viel ging für Mecklenburg-Vorpommern. Sie haben als Finanzministerin Ihren Beitrag geleistet, der für Deutschland und für Mecklenburg-Vorpommern nach unserer Auffassung den Weg in die richtige Richtung weist.
Ich hätte mir gewünscht, Herr Ministerpräsident, dass Sie die gleiche physische Anteilnahme in Berlin gehabt hätten, wie viele andere Ministerpräsidenten aus Deutschland auch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Vorziehen der Steuerreform wird nun zu über 30 Prozent über Schulden finanziert. Frau Keler, Rechenfehler hin und her, aber 1,2 Milliarden Euro sind nun wahrlich keine Peanuts.
Ja, Frau Keler, es ist ja nun so: Zum Glück gibt es drei Vertreter aus Mecklenburg-Vorpommern, die im Vermittlungsausschuss sitzen, und insoweit sind wir auch relativ gut informiert, wie das da alles zustande kam. Aber ich denke, der Medienrummel war schon groß genug und wir sollten jetzt nicht noch hinter die verschlossenen Türen des Vermittlungsausschusses im Detail gucken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt eine gesamtstaatliche Entlastung von 8,4 Milliarden Euro. Der Grundfreibetrag wird auf 7.664 Euro angesetzt und die Absenkung des Tarifs wird auf 16 Prozent beim Eingangssteuersatz und beim Spitzensteuersatz auf 45 Pro
zent festgesetzt. Der Weg des Finanzierens, wie es ursprünglich vorgesehen war vom Bundesfinanzminister, fast ausschließlich über eine Erhöhung der Neuverschuldung war mit den Unionsparteien von Anfang an nicht gemeinsam zu gehen. Man darf auch nicht vergessen, das wird heute vielfach außen vor gelassen, dass das Streichen der Eigenheimzulage und die massive Kappung der Pendlerpauschale nie zur Deckung der Steuerreform gedacht gewesen sind. Das waren Einstellungen im Bundeshaushalt zur Minderung des allgemeinen Defizits, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber ich denke, dass mit der erreichten Einigung von de facto 30 Prozent die Belastung auch für künftige Generationen nicht zu groß ist und dennoch im kommenden Jahr die Steuerlast für jeden Einzelnen, insbesondere für die unteren Einkommensgrenzen, sinkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedauere es, dass die PDS sich nicht dazu durchringen konnte, hierzu ihre Zustimmung zu geben.
Ich denke, dass diese Steuerreform in sich gerecht ist. Deswegen wäre es gut gewesen, dass auch Mecklenburg-Vorpommern wie die übergroße Mehrheit der Bundesländer hier hätte Ja sagen können.
Ich denke, es ist auch gut, gerade für unser Bundesland, dass die Entfernungspauschale nicht auf 15 Cent abgesenkt wurde und dass die Eigenheimzulage nicht komplett gestrichen wurde. Ich halte es für akzeptabel, dass gerade die vielen Pendler in Mecklenburg-Vorpommern hier nach wie vor 30 Cent bekommen und die Eigenheimzulage nur um 30 Prozent gekürzt wird.
Übrigens auch hier noch ein Stück weit zur politischen Erinnerung: Die 40 Cent pro Kilometer bei der Pendlerpauschale wurden als Kompensation für die vielen Pendler bei der Einführung der Ökosteuer eingeführt.
Ich habe nicht gehört, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die Ökosteuer an irgendeiner Stelle abgesenkt worden ist. Ich glaube, dass auch dies ein Erfolg ist für Mecklenburg-Vorpommern mit seinen vielen Pendlern.
Frau Keler, ich kenne übrigens auch die Untersuchung, auf die Sie abgehoben haben im „Nordmagazin“, aber ich ziehe die in außerordentlich hohem Maße in Zweifel, wenn ich alleine höre, dass in der Stadt Neubrandenburg mehr als 50 Prozent der Berufstätigen von über 30 Kilometer her einpendeln. Vergessen wir bitte nicht die weit über 70.000 Pendler, die jeden Tag auspendeln von Mecklenburg-Vorpommern nach Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Insoweit relativiert sich diese Untersuchung in hohem Maße.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wurde erreicht eine Senkung der Gewerbesteuerumlage. Da frage ich mich ganz besorgt, Frau Kollegin Gramkow, warum Sie in einer Pressemitteilung sagen, die Senkung der Gewerbesteuerumlage ist gut, aber ein Tropfen auf den heißen Stein für die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern.
Frau Kollegin Gramkow, Sie haben vor dreieinhalb Jahren dafür gesorgt, dass die Gewerbesteuerumlage von 20 auf 28 Prozent angehoben worden ist.
Jetzt begrüßen doch mindestens Sie, dass dieser Fehler wieder rückgängig gemacht worden ist! So viel Mut zur Ehrlichkeit muss auch sein!
Und dann, Frau Kollegin Gramkow: 23 Millionen Euro für die Kommunen insgesamt in Mecklenburg-Vorpommern mehr haben oder nicht haben?
(Angelika Gramkow, PDS: Aber es hätten wesentlich mehr sein können, wenn Sie nicht blockiert hätten!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schwierig und auch etwas kompliziert so kurz vor Weihnachten, in den Zahlensalat einzusteigen. Wir reden hier übrigens über den Nachtragshaushalt 2003. Es ist lediglich eine Seite. Insoweit hat sich die Frau Finanzministerin sehr kurz gefasst. Aber die Debatte, Frau Keler, insbesondere was die Ergänzungsliste im Detail für 2004/2005 ausmacht, da sage ich Ihnen eins voraus, die werden wir mit Ihnen nicht nur im geschlossenen Kämmerlein im Finanzausschuss führen, die werden wir sehr wohl öffentlich führen.
Frau Finanzministerin, Sie haben geschätzt, für das Land gibt es insgesamt rund 170 Millionen Euro an Steuermindereinnahmen. Und jetzt auf einmal bleiben nur noch 4 2 Millionen Euro übrig für das Jahr 2004, eine Differenz von 128 Millionen Euro. Ich denke, das muss man natürlich als positiv ansehen. Das ist nämlich nur eine Belastung von 75 Euro, die Pro-Kopf-Schuld ist um 75 Euro geringer ausgefallen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen, dass an den entscheidenden Stellschrauben die Handschrift der Union zu lesen war – weniger Belastung für die Länder, eine deutliche Entlastung für die Kommunen.
Und ich muss Ihnen eins sagen, Frau Finanzministerin, wenn Rot-Grün, nachdem man ja im Zuge der Flut auf das Vorziehen der Steuerreform verzichtet hatte, jetzt so massiv politisch eingestiegen ist, dann, denke ich, sollte der Bund auch die Hauptlast dabei tragen. Wer politisch so etwas will, bei dem, denke ich auch, ist das alte Schlagwort richtig: Wer die Zeche bestellt, der soll auch letztendlich bezahlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir mal die letzten drei Jahre angesehen, wie es denn mit dem Soll und Ist des Landeshaushalts aussieht. Es ist eine interessante Entwicklung, in die wir eingetreten sind. 2001 ist es in etwa hingekommen, das Ist sogar einen Tick günstiger als das Soll. Jetzt wird es aber stark. 2002 sind es schon 200 Millionen Euro Differenz zwischen Soll und Ist und in diesem Jahr fast 800 Millionen Euro, ganz konkret 795,3 Millionen Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind mehr als zehn Prozent des Gesamthaushalts von Mecklenburg-Vorpommern.
Frau Ministerin, ich begrüße ausdrücklich, dass Sie jetzt eigene Steuerschätzungen vornehmen wollen. Ich will aber noch darauf eingehen, wenn ich Ihre Vorlage sehe, auch mit Blick auf das Berliner Urteil, dass aus unserer Sicht Ihre Einlassungen und Maßnahmen verfehlt sind. Sie haben in Ihrer Begründung für den Zweiten Nachtragshaushalt 2003 und für das Jahr 2004 eine ernsthafte und nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sowie eine schwerwiegende Störung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung für Mecklenburg-Vorpommern konstatiert. Hierzu sind Sie nach dem Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofes vom 31. Oktober auch verpflichtet. Sie wollen künftig eigene Steuerschätzungen vornehmen. Ich glaube, nachdem Sie über Jahre ernsthaft auf die Nase gefallen sind, ist das auch richtig. Aber dann frage ich mich, und ich frage Sie: Warum halten Sie denn weiterhin an der offiziellen Wachstumsprognose der Bundesregierung fest? Und zwar, wenn Sie mit eigenen Wachstumsprognosen arbeiten würden, dann würden Sie natürlich Ihr Zahlenwerk untermauern. Das tun Sie aber nicht.
Wie sieht die Begründung der Landesregierung für die überhöhte Nettokreditaufnahme für dieses und das nächste Jahr aus? Ich zitiere: „Nach den bisherigen Erfahrungen und der derzeit stark divergierenden Entwicklung des BIP zwischen dem Bundesgebiet einerseits und Mecklenburg-Vorpommern andererseits ist zu erwarten, dass die im Falle der Belebung der Wirtschaft entstehenden positiven Effekte hier im Land verzögert und abgeschwächt eintreten werden. Damit wird das Ziel eines stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums nicht erreicht.“ Bereits eine Seite weiter tritt die konjunkturelle Belebung und Entstörung des Ungleichgewichts ein und für diese rasante wirtschaftliche Entwicklung ist der Landesregierung großer Respekt zu zollen. Aber ich denke, sie steht leider nur auf dem Papier, denn eine Seite weiter heißt es: „Mit dem Verzicht auf weitergehende Ausgabenkürzungen und der dadurch bedingt höheren Kreditaufnahme werden zusätzliche negative Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung und damit eine Beeinträchtigung der sich abzeichnenden vorsichtigen konjunkturellen Stabilisierung durch die Haushaltspolitik des Landes nicht nur vermieden, sondern die sich andeutende vorsichtige Erholung der Wirtschaftstätigkeit unterstützt.“ Frau Keler, da liegt nur ein Blatt zwischen diesen beiden Aussagen!
Wenn ich Ihnen sage, dass wir im ersten Halbjahr ein Minuswachstum von 1,6 Prozent hatten, dass das verarbeitende Gewerbe, der Handel, der Bau und ganz massiv das Gaststättengewerbe weiterhin schrumpfen, dann werden Sie sehen – und das wissen Sie auch ganz genau –, dass wir für 2003 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung, also mit einer klaren Rezession konfrontiert sein werden. Wir haben dies mehrfach deutlich gemacht. Wenn Sie sich jetzt jedoch hinstellen und solch eine Rezession als vorsichtige konjunkturelle Stabilisierung und Erholung der
Wirtschaftstätigkeit verkaufen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie einem Rektor, wenn Sie dem Städte- und Gemeindetag Realitätsferne vorwerfen, dann muss ich Ihnen sagen, dies ist Realitätsferne in Potenz, Frau Finanzministerin.
Sie haben da völlig die Orientierung verloren. Und das ist doch die politische Bankrotterklärung, die Sie in dem Schreiben vom 19. Dezember 2003 – aber das hatten wir schon vermutet – letztendlich geleistet haben. Sie sagen darin, dass gegenüber der Eckdatenvorlage nochmals die Neuverschuldung um weitere 67 Millionen Euro steigen muss. Ihre Worte: „Die zusätzliche Belastung des Landeshaushaltes kann nicht über weitere Einsparungen und entsprechende Absenkungen der Leistungen im kommunalen Finanzausgleich gegenfinanziert werden.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, so haben wir eben nicht eine Anhebung der Nettokreditaufnahme von 62 Millionen Euro, sondern die Neuverschuldung von 129 Millionen Euro.
Frau Keler, Sie haben es heute wieder gesagt, dass für 2005 keine weiteren Belastungen durch das Vorziehen der Steuerreform beziehungsweise auch durch den Rest, der dann noch offen ist – Absenkung von 16 auf 15 Prozent und von 45 auf 42 Prozent –, zu sehen sind. Dann müssten Sie ja, weil das ursprünglich vorgesehen war – die Mittelfristige Finanzplanung haben Sie ja nicht korrigiert –, die 170 Millionen Euro komplett im Jahre 2005 ursprünglich veranschlagt haben. Frau Keler, wir sind hoch gespannt, wie Sie uns das dann – vielleicht nicht heute, aber bei der Novembersteuerschätzung 2004 – hier verkaufen werden. Wir sind sehr gespannt. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Keler, wir gehen nicht davon aus, dass Sie 2005 die Verfassungskonformität erreichen werden. Ich will darauf nachher auch noch näher eingehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt komme ich zum konzeptionellen Gegensteuern, zur Beseitigung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Ich nenne hier mal beispielhaft: Stärkung des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der kommunalen Finanzausstattung durch schrittweise Absenkung der Mindestfinanzausstattung. Sind Kommunen nicht Teil der Gesamtwirtschaft, Teil der Gesamtgesellschaft? Ich zitiere nachher noch das, was Sie 2005 vorhaben werden. Wenn Sie hier sagen, wenn Sie die Zuweisungen, und das ist ja die Quintessenz, an die Kommunen absenken, dann heißt das doch noch mehr nicht ausgeglichene Verwaltungshaushalte, noch weniger Investitionen im kommunalen Bereich. Und dann frage ich mich ganz besorgt, wo gerade die Kommunen einen Großteil der wirtschaftlichen Tätigkeit im Investitionsbereich ausmachen, wie Sie dann die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts mit diesen Maßnahmen aufheben wollen.
Ich sage Ihnen eins voraus: Sie lassen bei den Kommunen die Lichter ausgehen, damit die Funzel bei der Landesregierung noch ein bisschen blökert.
Das kann keine sinnvolle und sinnhafte Politik sein! Was Sie hier als Lösung verkaufen, das ist eher Problem verstärkend als Problem beseitigend, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Landesregierung.