Protocol of the Session on October 9, 2003

Herr Minister Timm, nach meiner Kenntnis nennt man wissentliche Falschdarstellungen im Volksmund Lüge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer am 10. April als Mitglied einer Landesregierung – die Chefgespräche sind voll im Gange drei Monate später –

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, genau.)

verkündet, den Kommunen werden in 2004, in 2005 fast 200 Millionen Euro aus der kommunalen Finanzausstattung und von der Investitionspauschale weggenommen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, genau.)

obwohl sie mehr Einnahmen haben

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, ja.)

in 2004 als in 2003, und wer sich wirklich erdreistet, drei Monate später, Herr Minister Timm, eine Kürzung der Mindestfinanzgarantie im nächsten Jahr um 64,9 Mil

lionen Euro, im Jahr 2005 um 60,1 Millionen Euro zu verkünden – das ist mehr als ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Weitere hausgemachte Verschlechterungen der rotroten Landesregierung sind die Reduzierung der Infrastrukturpauschale, die Beteiligung der Kommunen an den Mehraufwendungen des Landes nach dem Altschuldenregelungsgesetz in Höhe von 4,5 Millionen Euro und der Buchungstrick, damit Sie die Verfassungsmäßigkeit des Landeshaushaltes einhalten können, Kürzung der frei verwendbaren Schlüsselzuweisungen um jeweils 36 Millionen Euro aufgrund der investiven Zweckbindung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Minister Timm, von dieser Misere wollen Sie jetzt ablenken

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Angelika Gramkow, PDS)

und das alles auf die Bundesebene heben. Jetzt kommen Sie daher, jetzt kommen Sie wirklich daher und wollen uns suggerieren, dass an allem die Steuersenkung 2000 schuld ist. Herr Minister Timm, ich kann Ihnen meine Reden aus den Jahren 1999 und 2000 noch einmal vorlegen. Ich habe dringlich davor gewarnt, die Körperschaftssteuer so zu reformieren, wie Sie sie reformiert haben.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Herr Minister Timm, wenn Sie sich wirklich einmal damit befassen: Die Körperschaftssteuer hat im Jahr 1999 24 Milliarden Euro betragen – das sind fast 50 Milliarden Deutsche Mark – und die ist heute noch nicht einmal auf 4 Milliarden Euro wieder angewachsen. Wir hatten teilweise Minusbeträge, das heißt, wir mussten aus dem Lohnund Einkommensteuertopf Geld rüberschieben in den Körperschaftsteuertopf, damit die Rückzahlung erfolgen konnte. Wissen Sie – und dafür haben Sie Mitverantwortung, Sie als Innenminister dieser Landesregierung insgesamt –, was der Hauptgrund ist? Weil Sie Ja gesagt haben, dass Veräußerungsgewinne großer Kapitalgesellschaften, ob die in Amerika erfolgt sind, in Frankreich oder in Deutschland, steuerfrei gestellt worden sind.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Das ist die Hauptursache für diesen Rückgang!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, genau so ist das! – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Und wenn Sie jetzt den 11. September da mit hineinziehen oder dann noch sagen, wir haben ja nicht gewusst, dass das Wirtschaftswachstum deutlich an die Null herangehen wird in den Jahren 2001 und 2002,

(Angelika Gramkow, PDS: Die CDU hat doch mitgespielt und Beifall geklatscht!)

kann ich nur entgegnen, wir haben Ihnen sehr deutlich gesagt, dass der Eichel-Haushalt immer auf tönernen Füßen steht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, und dann noch dazu zu kommen, Mehrbelastungen des Bundes auf die Kommunen zu beklagen, wo Sie mit Ihren drei Stimmen im Bundesrat bei vielen Entscheidungen die entscheidenden drei Stimmen waren,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jawohl, so ist das!)

um der rot-grünen Bundesregierung zu mehr zu verhelfen – Sie sind mitverantwortlich für die Mehrbelastung der Kommunen in den letzten fünf Jahren!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, so ist das! Ja, so ist das! – Angelika Gramkow, PDS: Die CDU hatte die große Koalition, Herr Rehberg, vergessen Sie das nicht!)

Und sich jetzt hier hinzustellen unter dem Motto „Haltet den Dieb oder mach mir den Pelz nicht nass!“, das finde ich schon abenteuerlich, Herr Minister Timm. Sie sind Kommunalminister!

(Angelika Gramkow, PDS: Fassen Sie sich mal an Ihre eigene Nase! – Gabriele Schulz, PDS: Das praktizieren Sie ja wohl! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Dann hätten Sie im Kabinett sagen müssen, dieses trage ich als Kommunalminister für meine Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern nicht mit. Nein, Sie haben in jedem Fall Ja gesagt zu den Mehrbelastungen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: So ist das, ja, so ist das!)

Herr Minister Timm, den Kommunen geht es im Augenblick schlecht. Aber ich sage Ihnen, im nächsten und im übernächsten Jahr – entschuldigen Sie –, da wird es ihnen richtig dreckig gehen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Wenn ein Landkreis wie Nordvorpommern – nach meiner Kenntnis der erste Landkreis, der den Kreishaushalt für das nächste Jahr in Erster Lesung behandelt hat – 1,5 Millionen Euro aus der Rücklage nehmen muss, damit er einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommt,

(Gabriele Schulz, PDS: Ach, guck mal an!)

dass der Landkreis für Kultur 60.000 Euro weniger ausgibt, dass er beim Sport runtergeht, dass er beim Denkmalschutz runtergehen muss, dass dann konstatiert wird, dass Nordvorpommern keinen freien Finanzspielraum mehr hat. Und eins muss ich sagen, das ist eine sehr faire Betrachtungsweise dieses Landkreises in dieser Situation, weil man nämlich an die Rücklage geht und nicht an die Kreisumlage, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig! Richtig!)

Das wäre der einfachste Weg gewesen für den Landkreis. „‚In dieser Situation sollte keiner auf Kosten anderer sparen‘, meinte Nordvorpommerns Finanzchef“

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

„und setzte sarkastisch hinzu“, ich zitiere: „‚Wir sind ja nicht das Land.‘“ Oh, wie Recht hat er!

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU: Er hat so Recht.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber noch eines, weil hier die Zwischenrufe kamen, ja, die haben ja noch eine Rücklage:

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU)

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, Nordvorpommern ist mit Bad Doberan der Landkreis, der die nied

rigsten Personalkosten pro Einwohner in MecklenburgVorpommern hat. Und sie machen eins im Gegensatz zur rot-roten Landesregierung,

(Dr. Armin Jäger, CDU: So macht man das.)

sie kürzen noch einmal 21 Stellen. Sie gehen von 363 noch einmal 21 Stellen runter. Und das sind noch einmal 270.000 Euro.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das ist solide Politik, die hier gemacht wird, und die vermisse ich beim Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt zu Ihrem Antrag.

(Jörg Heydorn, SPD: Nun doch. – Heinz Müller, SPD: Aha!)

Wissen Sie, Herr Kollege Müller, es gibt zwei Drucksachen, die Ursprungsdrucksache und eine Drucksache neu. Das mag ja eine Kleinigkeit sein, die man schnell überliest, aber in der Ursprungsdrucksache steht noch drin: „Die Landesregierung vertritt die Auffassung, dass im Rahmen der Gemeindefinanzreform auf Bundesebene eine umfassende Weiterentwicklung des Gemeindefinanzsystems in Anbetracht der gegenwärtigen Situation dringender geboten ist denn je. Notwendig sind die nachhaltige Verbesserung der Investitionskraft der Städte und Gemeinden und eine Verstetigung kommunaler Einnahmen. Ziel muss es sein, Städten und Gemeinden wieder verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen und eine aufgabengerechte Finanzausstattung zu verschaffen.“ Das ist nebenbei plakativ und oberflächlich, nur das Interessante bei dem Antrag, der uns vorliegt, ist, da steht statt „Landesregierung“ „Landtag“.