Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 21. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 21. und 22. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 21. und 22. Sitzung gemäß Paragraph 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Nach Paragraph 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die heutige und morgige Sitzung den Abgeordneten Udo Timm zum Schriftführer.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Rezession in Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Fakten sind Tatsachen! Die Tatsache ist, dass seit dem Jahr 2000 bis heute das Bruttoinlandsprodukt für Mecklenburg-Vorpommern dramatisch zurückgegangen ist. Diese Tatsache lässt sich nicht leugnen.
Höhepunkt ist die Aussage des Statistischen Landesamtes, dass wir allein zwischen dem ersten Halbjahr 2002 und dem ersten Halbjahr 2003 ein Minus von 1,6 Prozent haben. Wenn man dann mal reingeht und sich die absoluten Zahlen seit dem Jahr 2000 zur Hand nimmt, dann haben wir ein Minus in drei aufeinander folgenden Jahren von fast 350 Millionen Euro.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Volkswirtschaft nennt man das schlicht und einfach Rezession. Umso bemerkenswerter ist, dass die Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern zeigen, dass wir – und der Sündenbock ist ja immer in den letzten Jahren die Bauwirtschaft gewesen, darauf werde ich noch eingehen – im Vergleich zu anderen neuen Bundesländern, Herr Ministerpräsident und Herr Minister Ebnet, insbesondere beim verarbeitenden Gewerbe deutlich zurückhängen. Während der Freistaat Thüringen eine Zuwachsrate von 8 Prozent beim verarbeitenden Gewerbe hat, auch Sachsen mit 8 Prozent deutlich vorne liegt, sicher ist das eine oder andere auf das Thema Flut zurückzuführen, liegen wir schlicht bei 0,8 Prozent in Preisen von 1995.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den Jahren zuvor war das verarbeitende Gewerbe noch der Bringer in Mecklenburg-Vorpommern.
tes Jahr kurz vor der Wahl die Statistik ein bisschen geschönt hat, denn da hat man ein Plus von 0,9 Prozent im ersten Halbjahr gehabt. Die Dramatik dabei ist, dass Mecklenburg-Vorpommern, wenn ich Thüringen als Vergleichsmaßstab sehe, eine Schere von minus 2,4 Prozent hat. Und, Herr Minister Ebnet, das hat schon etwas damit zu tun, wie die Rahmenbedingungen der Politik gesetzt worden sind.
Und meinen Sie nicht, dass Sie es sich ein bisschen zu einfach machen, Herr Ebnet? Überschrift: „Minister Ebnet – Mehr Bewusstsein für wirtschaftliche Entwicklung“ und Wortzitat: „Die wirtschaftlichen Probleme sind nicht mehr mit Geld oder mehr Gesetzen zu lösen, jetzt ist der Einsatz der Menschen gefragt.“ Herr Minister Ebnet, zuallererst ist Ihr Einsatz als Wirtschaftsminister gefragt.
Sie haben offensichtlich ein sehr, sehr hohes politisches Kurzzeitgedächtnis. Wieder Sie, Wortzitat: „Es hat nichts mit CDU, SPD oder PDS zu tun, Wirtschaft findet außerhalb politischer Parteien statt.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Fakten sind zum Beispiel auf der Nachfrageseite, das halte ich für genauso dramatisch, dass wir 2002 gegenüber dem Vorjahr eine allgemeine Einkommensentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern von 0,5 Prozent haben und die Inflationsrate 0,8 Prozent beträgt. Das heißt, ich habe einen effektiven Kaufkraftverlust in Mecklenburg-Vorpommern. Und wenn Sie sich die Zahlen des viel gescholtenen Baugewerbes einmal angucken, der Sündenbock, meine Damen und Herren, hat ausgedient. Wichtig ist, dass wir noch 1995 einen Anteil des Baugewerbes von 17,5 Prozent am gesamten Bruttoinlandsprodukt hatten und wir sind heute bei einem Anteil von 7 Prozent. Deutschlandweit war der Durchschnitt 4,4 Prozent.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren der Landesregierung, die Bauwirtschaft als Sündenbock hat ausgedient. Und was Sie dabei noch beachten müssen, ist, das ist übrigens auch der Rahmenbedingung von Politik geschuldet, dass die Zahl der Betriebe im Baubereich von 1995 bis zum Jahr 2002 um 391 angestiegen ist. Das heißt, durch die Rezession gerade auch im Baugewerbe, aber auch durch Existenzgründerdarlehen, durch Überbrückungsgelder und so weiter sind viele Firmen, viele kleine Firmen entstanden. Wir haben heute eine Struktur in der Bauwirtschaft, die jetzt noch durch die IchAG verschärft wird.
Rahmenbedingungen, Herr Minister Ebnet, die schafft schon die Politik. Oder ist völlig aus dem Gedächtnis entschwunden, dass Wirtschaft insbesondere politische Verlässlichkeit und politisches Vertrauen gebraucht? Was ist hier eigentlich seit 1999 passiert? Nur einige Punkte: Das Dosenpfand ist doch wohl mehr als ein Schildbürgerstreich und die Lkw-Maut ist Synonym für ministerielle Ignoranz. 1999 wurden die 630-Mark-Jobs von Herrn Schröder abgeschafft, um sie dann wieder als 430-EuroJobs auferstehen zu lassen. Freiberufler mussten sich als Scheinselbständige beschimpfen lassen, bevor sie durch Herrn Hartz als Ich-AG geadelt wurden.
Und wenn Sie weiter sehen, was ist eigentlich 1999 gelaufen? Ich nehme nur das Thema Rente. Den demographischen Faktor haben Sie ohne Ende bekämpft, der zur Dämpfung des Anstiegs der Rentenbeiträge dienen sollte. Heute reden Sie von einem Nachhaltigkeitsfaktor.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch dramatischer ist aus meiner Sicht die Steuerpolitik. Ich beneide niemanden, der sich heute aktuell für eine Investition entscheidet und einen Finanzplan für die nächsten Jahre aufstellen muss. Können Sie dem wirklich sagen, mit welchen Kostenbelastungen, mit welchen Steuern er zu rechnen hat? Und, Herr Minister Ebnet, wenn Sie meinen, dass Politik nichts mit den Rahmenbedingungen zu tun hat, dann bin ich hoch gespannt, wie Sie morgen bei dem Antrag zur Gemeindefinanzreform agieren werden. Sind Sie wirklich der Auffassung wie die Fraktionen von SPD und PDS? Es ist ein ganz aktuelles Beispiel, wo es gerade auch um die neuen und die jungen Länder geht. Wir haben ja alle einen Brief bekommen der IHKs im Land und des Unternehmerverbandes. Und wer wirklich darangeht, Aufwand zu besteuern – und für mich ist das, wenn ich eine Halle miete, Aufwand, wenn ich eine Maschine lease, ist das Aufwand und wenn ich ein Darlehen aufnehmen muss, weil ich kein Eigenkapital habe, dann sind die Zinsen für mich Aufwand, das ist doch nicht Ertrag –, davon müssen wir doch endlich in Deutschland wegkommen, dass ich Erträge noch besteuern will. Das ist Ihr Ansatz bei der Gemeindefinanzreform.
Und wenn Sie das gerade auch für die neuen Länder machen, dann wird es weiter dazu führen, dass viele junge Menschen sagen, ich gründe keine eigenständige Existenz.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Die wissen doch längst, dass sie refinanzieren können. Das war doch nur die halbe Wahrheit.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist und kann auch nur ein kleines Beispiel sein, nur ein kleiner Ausschnitt. Aber wer wirklich darüber redet, die Gewerbesteuer so hinzufriemeln und aus rein fiskalischen Gründen zum Nachteil der Existenzgründer und zum Nachteil der Unternehmen in den neuen Bundesländern, dass so etwas Bestandteil der Gewerbesteuer sein sollte, dazu muss ich Ihnen sagen, dann ist das weiter eine Bremse für die wirtschaftliche Entwicklung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden natürlich fragen: Was sollte man als Landespolitik tun und was kann man tun? Erstens – und das ist eine Erwartung, die ich insbesondere an die Landesregierung habe –, Verlässlichkeit in der Politik mit Blick auf das, was im Bund passiert. Verlässlichkeit deswegen, weil die Wirtschaft Rahmenbedingungen braucht, die nicht heute hü und morgen hott sind. Das ist das ganz Entscheidende.
Wenn Sie heute Unternehmen fragen, wie die nächsten drei, vier, fünf Jahre aussehen können, dann ernten Sie meistens ein Achselzucken.
Zweitens, das ist das Thema Entbürokratisierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mit
Unternehmern sprechen, gibt es zwei wichtige Punkte neben der Finanzierung. Das ist die Bürokratie und das ist die Kostenbelastung. Ich habe bisher noch keine positive Reaktion gehört von der Landesregierung auf die Anstrengungen der Kammern, des Unternehmensverbandes und zu den Vorschlägen, die da auf den Tisch gelegt worden sind. Herr Minister Ebnet, bei den 4.400 Verwaltungsvorschriften, die auf den Prüfstand gestellt werden sollen, wo man jetzt ein Prozent abgeschafft hat und noch einmal ein Prozent abschaffen will, habe ich nicht eine einzige Vorschrift gesehen, die dazu führt, dass ein Unternehmer mit weniger Bürokratie zu tun hat. Sie als Wirtschaftsminister müssten sich wirklich hier auf den Hosenboden setzen und schnellstens alles das auf den Prüfstand stellen – Herr Kollege Born wird in seiner Rede noch ganz dezidiert darauf eingehen –, damit die Unternehmer wirklich ihre Zeit mit Unternehmen vertun und nicht mit Bürokratie verplempern. Das ist Ihre Aufgabe!
Dritter Punkt. Fangen Sie doch endlich an, die Ressourcen der Wirtschaftspolitik und der Arbeitsmarktpolitik zusammenzulegen! Was glauben Sie, was Sie für ein Potential haben, wenn Sie gerade die europäischen Strukturfonds endlich in eine Hand kriegen?
Dann könnten Sie Herrn Holter nicht die Spielwiese überlassen, sondern man könnte insbesondere unternehmensbetriebsnah den Europäischen Sozialfonds zum Beispiel einsetzen.
Viertens. Strukturieren Sie endlich die Wirtschaftsförderung in Mecklenburg-Vorpommern so, dass sie aus einer Hand kommt! Und letztendlich hören Sie doch bitte auf, Geld zu vertun bei IIC, Geld zu vertun bei „einfach anfangen“, denn hier liegen Hunderttausende, Millionen Euro brach.
(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS – Regine Lück, PDS: Sie wissen doch selbst, dass es nicht so ist.)
Setzen Sie das Geld gezielt ein für ein vernünftiges Standortmarketing, für eine vernünftige Standortwerbung und dann muss der Unternehmerverband nicht sagen, dass wir die rote Laterne tragen. – Herzlichen Dank.
Lieber Kollege Rehberg, an einer Stelle Ihrer Rede habe ich wirklich das Grausen gekriegt. Sie haben Herrn Ebnet vorgeworfen, er würde behaupten, dass die Rahmenbedingungen nicht von der Politik zu gestalten sind. Anschließend haben Sie aufgezählt, unter welchen Rahmenbedingungen Mecklenburg-Vorpommern zu leiden hat, die Herr Ebnet zu verantworten hat, nämlich die Beispiele Dosenpfand, Maut, Steuerpolitik und 630-Mark-Jobs.
Damit haben Sie ganz genau gezeigt, wo Sie eigentlich hinwollen. Sie vermengen hier Bundesebene mit der Landespolitik.