Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/735. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/735 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS bei Gegenstimmen der Fraktion der CDU angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Vorrang für Sicherheitskonzept Ostsee, Drucksache 4/577.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und das Wort zur Begründung des Antrages „Vorrang für Sicherheitskonzept Ostsee“ hat Herr Thomas von der Fraktion der CDU.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist mir noch nicht passiert, Entschuldigung, aber dafür bin ich etwas warm geworden.
Seit fast vier Jahren beschäftigt uns das Thema Sicherheitskonzept hier im Landtag. Ich möchte etwas Grundsätzliches dazu sagen. Aus meiner Sicht haben wir hier einen Fehler gemacht und ich sage, da habe ich vielleicht auch Fehler gemacht. Anstatt zu streiten und dann miteinander die Maßnahmen zu beschließen, um jede – ich betone, jede – Bundesregierung im Interesse des Landes zum Handeln zu zwingen, haben wir uns im Rollenspiel zwischen Opposition und Regierung verfangen. Rückblickend war es ein Fehler, dieses Thema nur dem Umweltausschuss zu überlassen. Das ist wirklich kein Vorwurf, aber ich glaube, es ist so. Umweltexperten haben nicht das präventive Denken und Umweltschützer sind auch keine Seerechtsexperten und die viel stärkere Einbeziehung des Innen- und Rechtsausschusses ist wirklich keine Kritik. Es ist keine Kritik. Es wäre vielleicht ab heute günstiger, wenn wir das gemeinsam mehr vorantreiben könnten. Katastrophenschutz hat auch etwas mit Innenausschuss zu tun und Seerecht etwas mit Rechtsausschuss.
Ich glaube, bei Ihnen war das schon richtig, aber ich möchte auch nicht missverstanden werden. Und da ich einmal dabei bin, bedanke ich mich nochmals beim Umweltminister Professor Dr. Methling dafür, dass er in einer Zeit, in der wir in diesem Parlament heftigst gestritten haben, die praktischen Schritte gegenüber der Bundesregierung trotzdem angepackt hat.
Alles, was wir erreicht haben, haben wir erst nach der Katastrophe durchsetzen können. Es geht hier nicht um die Regierung und die Opposition,
(Helmut Holter, PDS: Schön. – Vincent Kokert, CDU: Das müssen Sie sich aber in den Kalender einschreiben.)
denn nach einer „Prestige“-Katastrophe vor unserer Küste wäre dieses Land im wahrsten Sinne des Wortes ruiniert und unsere Zukunft stände auf dem Spiel. Ein Blick auf die letzten Zwischenfälle genügt, um uns das klar zu machen:
Februar diesen Jahres, zwei 100.000-Tonnen-Tanker mehrfach im Finnischen Meerbusen im Eis eingeschlossen, die waren für Eisfahrten gar nicht zugelassen
31. Mai, ein schwarzer Tag, Ölkatastrophe nördlich von Bornholm, MS „Fu Shan Hai“ sinkt mit 60.000 Tonnen Dünger und 1.700 Tonnen Treibstoff treten in die Ostsee
13. August, Kollision von zwei riesigen Autofrachtern vor Antwerpen Wer die Bilder gesehen hat, dem ist vielleicht klar geworden, was ein Großschadensereignis auf See überhaupt sein kann.
4. September, die Fähre „Petersburg“ treibt 18 Stunden lang manövrierunfähig in der Ostsee nordöstlich von Bornholm
ist uns allen hoffentlich klar, von Tag zu Tag größer. Wir müssen uns optimal auf den unvermeidlichen Havariefall vorbereiten. Es gibt immer noch mehr Sicherheitsankündigungen als effektive und vor allem zeitnahe Maßnahmen für ein zukunftsfähiges – und ich betone, zukunftsfähiges – „ Sicherheitskonzept Ostsee“. Das Gefahrenpotential steigt durch mehr Schiffe und größere Schiffe, die voll auf Druck der Reeder heute auf Verschleiß gefahren werden, nicht zu vergessen die neu geplanten Offshoreanlagen, die ohne Rücksicht auf die Schiffssicherheit bisher in einigen Köpfen spuken.
Ich halte die Situation insgesamt für unerträglich. Da sitzt in Berlin eine Umweltpartei in der Regierung, die Milliarden Euro für die Erhöhung der Gefahrenpotentiale durch Offshoreanlagen ausgeben will, gleichzeitig müssen wir aber in den norddeutschen Küstenländern buchstäblich um jede müde Mark für ein Sicherheitskonzept kämpfen.
Ich glaube, das ist keine vernünftige Relation und das müsste bei jeder Regierung, auch wenn wir dran gewesen wären, kritisiert werden.
In diesem Zusammenhang bedanke ich mich, ich hoffe, auch in Ihrem Namen, bei Greenpeace, die mit ihrem Einsatz auf See auf die Probleme in unserem Sinne aufmerksam gemacht haben. Dazu gehören auch die spekta
kulären Aktionen, die aus meiner Sicht immer noch notwendig sind, damit sich in der Politik wirklich etwas bewegt. Nicht nur Greenpeace, sondern alle Experten halten den Bereich vor unserer Küste insbesondere die Kadetrinne für extrem gefährdet.
Zum ersten Punkt unseres Antrages. Der unvermeidliche Havariefall kann nur durch Bündelung aller Kräfte beherrscht werden. Die Schaffung einer nationalen Küstenwache mit allen Kompetenzen aus einer Hand ist die Voraussetzung für ein zukunftsfähiges „Sicherheitskonzept Ostsee“ und die Vorstufe für eine europäische Küstenwache, die ja mittlerweile alle fordern.
Zweitens. Bei dem ständig steigenden Schiffsverkehr kommen wir an der Überwachung und Regelung des Schiffsverkehrs in der Kadetrinne und dem Tiefwasserweg Weg T sowie weiterführender Transitwege durch die Verkehrszentralen wie bei der Flugsicherung nicht vorbei. AIS kann Weitbereichsradar nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Ich glaube, das ist mittlerweile auch von allen Experten so anerkannt worden.
Zu unseren Punkten 3 und 4 – Lotsenpflicht und Eskortierung von Schiffen. Nach den Erfahrungen der Einsätze von Greenpeace in der Kadetrinne wäre die Lotsenpflicht für Tanker ab sieben Meter Tiefgang, für alle übrigen Fahrzeuge ab neun Meter und für Massengut- und Containerschiffe ab 180 Meter Länge in der westlichen Ostsee dringend zu empfehlen. Wir wissen, wie schwierig es ist, schon unsere anderen Empfehlungen durchzusetzen, und haben uns deswegen letztlich auf die Forderungen geeinigt, die unstrittig sind, zumindest bei uns im europäischen Raum, die wir dann über die IMO durchsetzen wollen und durchsetzen müssen.
Nüchtern betrachtet hat Greenpeace aber in der Kadetrinne eine Art Escort-System praktiziert, um Unfälle zu vermeiden. Ich meine damit nicht die Kaperung von Schiffen, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass hier ein Schiff nicht den richtigen Kurs hat. Das wäre zum Beispiel auch eine Aufgabe für die Wasserschutzpolizei. Ich darf nochmals darauf verweisen, dass sich das Escort-System nach der „Exxon Valdez“-Katastrophe in den USA bewährt hat, denn danach ist es eingeführt worden.
Ich glaube, dass wir als Land, insbesondere die Landespolizei und die Wasserschutzpolizei, in der Pflicht sind, die Region Darßer Ort bis Dornbusch, denn dort ist eine Problemregion, und zwar der nördliche Ausgang der Kadetrinne, seepolizeilich weiter zu stärken. Da kann noch einiges verbessert werden und das weiß, denke ich, der Innenminister auch. Wir bauen darauf, dass das demnächst auch vernünftig läuft.
Ich komme jetzt zu dem Kernproblem. Ich komme zu dem, was wir immer gefordert haben, nämlich ein zukunftsfähiges präventives Notschleppkonzept für die Ostsee. Fakt ist, dass moderne und zukunftsfähige Notschleppkonzepte auf hohe Schwerwettergeschwindigkeit, hohe Schleppleistung, hohe Feuerlöschleistung, Gasschutz und Technik zur Bekämpfung dieser Großschadensereignisse Wert legen müssen. Ich glaube, auch das ist heute unstrittig. Und zur dynamischen Anpassung des „Sicherheitskonzeptes Ostsee“ gehört im Hinblick auf die Terrorismusbedrohung die Fähigkeit, Angriffe auf Schiffe, zum Beispiel auf Großtanker, schnell und effektiv abwehren zu können. Das können zurzeit nur – ich habe das auch mal bei einer Konferenz in unserer Landesvertretung angesprochen, leider war ich der Einzige aus der
Politik – unserer Schnellboote, die wir in Warnemünde haben. Auch wenn das einigen zu weit geht, sollten wir aber darüber nachdenken, dass bei der Bedrohungslage eine Präsenz in der Kadetrinne angemessen ist. Es wird ja auch über den militärischen Einsatz nachgedacht, alle diese Überlegungen sind ja nicht neu.
Zu sechstens, kommen wir zu den Sicherheitsabständen zu den Offshoreanlagen. Die geplanten Offshoreanlagen in der Nähe von Schifffahrtswegen bergen das Risiko von Kollisionen mit Havaristen. Die derzeitigen Sicherheitsabstände sind aus unserer Sicht viel zu gering. Mindestens 14 Seemeilen müsste der Abstand betragen, damit ein Schlepper von den heutigen Standorten aus eine Kollision mit einzelnen Windkraftanlagen verhindern kann. Ich denke, das ist auch angemessen.
Zu unserem Punkt 7, zu dem Nothafenkonzept. Auch das jetzige Nothafenkonzept, das ja im Prinzip erst einmal nur aus der Festlegung der Reeden und Häfen besteht – das war nicht so einfach, denn wer möchte schon als Nothafen benannt werden –, muss aus unserer Sicht weiter verbessert werden. Kräfte und Mittel müssen in den Nothäfen und in der Nähe der Notreeden schnell verfügbar sein und dabei geht es vor allem um Ölbekämpfungsmittel. Zum Beispiel die neu entwickelten Binder, die müssen vor Ort verfügbar sein. Das jetzige Konzept geht davon aus, dass die herangeführt werden müssen, und das könnte unter Umständen ein Zeitfaktor sein, der nicht zu verantworten ist.
Es gibt noch ein Problem. Diese Entwicklung, auch der neuen Binder, wurde ja sehr aktiv von der Universität und besonders von Professor Kohlhase ganz entscheidend vorangetrieben. So, wie ich informiert bin, soll dieser Lehrstuhl wegfallen. Ich glaube, das ist im Hinblick auf die Sicherheit der Ostsee und auf die Ölbekämpfung – wenn es denn so stimmt, das sind die Informationen, die ich erst einmal erhalten habe –, ich sage mal, nicht gerade aufbauend. Ich würde mir wünschen, dass so eine Entscheidung im Hinblick auf die zukünftigen Gefahrenpotentiale noch einmal überprüft wird.
Zu unserem Punkt 8. Wir fordern die verstärkten Hafenstaatenkontrollen in den Abgangshäfen der Ostsee und dazu benötigen wir aber auch eine personelle Verstärkung der Wasserschutzpolizeien mit Schwerpunkt auf Rostock und Mukran,
damit, das füge ich hinzu, vor allen Dingen auf Rügen die Wasserschutzpolizei nicht mehr in die Diskussion gerät, dass dort etwas aufgelöst werden soll.
Punkt 9. Eines ist klar, auch wenn das in Frage gestellt und gesagt wird, bei uns kann es so eine Katastrophe mit der „Prestige“ nicht geben, die Schiffe laufen auf Grund, sie können angeblich aber nicht auseinander brechen. Ich darf nur daran erinnern, dass wir auch durch verschiedene Windrichtungen Tidenhube haben, die bis zu mehreren Metern gehen, und dass es dann zum Auseinanderbrechen eines Schiffes kommen kann, nachdem es nur – das sage ich in Anführungszeichen – auf eine Sandbank gelaufen ist. Das heißt aber auch, die „Prestige“-Katastrophe hätte aufgrund der Stabilität des Schiffes, Stichwort „Materialermüdung“, auch in der Ostsee passieren können. Gott sei Dank nicht! Deswegen schlagen wir zukünftig Schiffsfestigkeitsuntersuchungen im Rahmen der