Protocol of the Session on August 27, 2003

sowie das Werben um Unternehmer, auch aus anderen Bundesländern, die mit dem Gedanken spielen, sich hier anzusiedeln. Da werden wir Sie dann festnageln! Windkraft haben wir genug, das nehmen wir alles zur Kenntnis.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wind haben wir genug. Wir brauchen vernünftige Strompreise!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsberatungen werden von den dramatischen Haushaltssituationen im Land, im Bund und ganz besonders von schwierigen bundespolitischen Rahmenbedingungen dominiert. Uns, da bin ich mir mit meinem Kollegen Borchert sehr einig, stehen sicher die schwersten Haushaltsberatungen bevor, die dieser Landtag bislang überhaupt erlebt hat. Ich sage aber auch gleich: Den Kopf in den Sand stecken, wie das manche Zeitgenossen gerne tun, das ist trotzdem keine Lösung.

Sehen wir uns doch mal – und das könnte uns als Politiker vielleicht gar nicht schaden – im wahren Leben um. Wie geht ein normaler bundesdeutscher oder auch mecklenburg-vorpommerscher Privathaushalt mit seinem Geld, mit seinem Einkommen, mit seinem Familieneinkommen um? Er macht Planungen für die nächsten Wochen, für die nächsten Monate und auch für die nächsten Jahre. Das heißt also, dass dort, genau wie bei uns, eine kurz-, eine mittel- und eine langfristige Planung stattfindet. Es werden die Einnahmen festgestellt und plötzlich merkt man, dass die Ausgaben für das tägliche Leben das Einkommen übersteigen. Was also tun? Vor dieser Frage stehen wir hier.

Man macht also eine Auflistung, um sich vor Augen zu führen, was für Ausgaben haben wir eigentlich. Im Laufe der Jahre nimmt man nämlich Ausgaben wie selbstverständlich hin, stellt dann aber fest, dass viele davon gar nicht mehr hinterfragt werden. Dann stellt man alle Ausgaben und Aufgaben auf den Prüfstand, zumindest wenn man vernünftig ist. Zu den Ausgaben gehören laufende Ausgaben des tägliches Lebens, aber eben auch Beteiligungen an Mitgliedschaften in Verbänden und Vereinen.

Man prüft, ob man sich davon trennen wird. Es wird auch darüber nachgedacht, ob es Dinge gibt, die man vielleicht verkaufen kann, und es wird geprüft, ob es sich nur um eine vorübergehende Finanzknappheit handelt, die man eventuell durch einen kurzfristigen Kredit überbrücken kann, weil man weiß oder sicher ist, dass dieses Problem kurzzeitig überwunden wird. Ich sage Ihnen aber, gleich ob Familie oder andere Lebensform, alle sind sich klar darüber und niemand, aber auch wirklich niemand, käme auf die Idee, für den laufenden Lebensunterhalt Kredite bei der Bank aufzunehmen. Das wäre grundsätzlich blanker Wahnsinn.

Was will ich damit sagen? Wir stehen bei diesen Haushaltsberatungen vor einer schweren und komplizierten Arbeit. In einer solchen Situation ist es hilfreich, sich auf die einfachen Grundlagen unseres Lebens zu besinnen. Ich kann Ihnen sagen, dass das die SPD-Landtagsfraktion sehr ausführlich und ausgiebig getan hat. Wir sind uns einig:

Erstens. Alle Ausgaben des Landes, Herr Rehberg, gehören auf den Prüfstand. So weit sind wir, glaube ich, so habe ich das rausgehört, was ja nicht ganz einfach war, eigentlich d’accord.

Zweitens. Wir müssen prüfen, wir als Parlamentarier, ob alle Landesbeteiligungen wirklich notwendig sind oder ob wir uns nicht von der einen oder anderen sinnvollerweise trennen können.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Nicht einfach, damit wir uns trennen können, sondern zu überlegen, wo es wirklich sinnvoll ist.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist ja an uns nicht gescheitert.)

Ich glaube, da wird es auch verschiedene Diskussionsbeiträge geben, weil das Wort „sinnvoll“ unterschiedlich interpretiert wird.

Drittens. Alle Subventionen, wirklich alle, müssen auf den Prüfstand. Hier wird zu entscheiden sein, ob pauschale Kürzungen in allen Bereichen oder gezielte Kürzungen der richtige Weg sind. Dafür sind wir alle, und zwar alle, die wir hier sitzen, gewählt. Auf diesen Streit freue ich mich in den parlamentarischen Gremien.

Viertens. Wir müssen die Aufgaben des Landes reduzieren, auch das gehört dazu. Darauf komme ich aber an anderer Stelle noch einmal zurück.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es kann aber auch nicht schaden, dass wir zu Beginn der Haushaltsberatungen einmal schauen, was bisher geleistet wurde und wie die Ausgangssituation ist. Die CDU blendet – das muss ich leider feststellen – aus taktischem Kalkül positive Dinge aus und schadet, das sage ich noch einmal ganz ausdrücklich, nicht nur sich selbst. Wir, mit diesem „wir“ schließe ich alle ein, können und sollten durchaus stolz darauf sein, was seit 1989 geleistet wurde, geleistet – das hat etwas mit Leistung zu tun – durch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, aber auch durch die politischen Kräfte hier im Landtag. Damit meine ich alle Fraktionen, auch die CDU. Die bisherigen Leistungen zu leugnen oder schlechtzureden, wie das manchmal von Ihnen ganz gern betrieben wird, bedeutet politische Kleinkariertheit. Das schadet uns allen, nutzt aber keinem.

Ich bin davon überzeugt, dass – und das kommt mir leider hier immer wieder viel zu kurz –, und zwar fraktions

übergreifend, wir alle stolz darauf sein sollten, wie sich dieses Land entwickelt hat. Lassen Sie uns stolz darauf sein, dass sich der Tourismus in unserem Land entwickelt hat, zum Beispiel der Fleesensee, die Entwicklung von Binz, Kühlungsborn, Ahlbeck und viele andere. Bereiche wie die Landwirtschaft und die Werften sind jetzt hochmodern und gehören damit zu den Leistungsträgern im Land. Hinzugekommen sind neue Technologien wie die Biotechnologie, die hier eine Heimat gefunden haben. Das gilt übrigens auch für Windenergie. Wir haben moderne Hochschulen, in die wir erheblich investiert haben, auch schon zu Zeiten der CDU-Regierung. Ich habe kein Problem damit, auch Ihre Verdienste anzusprechen. Das bringen Sie ja nicht übers Herz, aber darüber sollten Sie vielleicht einmal nachdenken.

(Gesine Skrzepski, CDU: Haben wir auch schon.)

Meine Damen und Herren, ich will damit nicht alles rosarot malen, aber so schlecht, wie es häufig dargestellt wird, wirklich so schlecht sind wir und ist es bei uns in Mecklenburg-Vorpommern nicht.

Meine Damen und Herren, die hohe Arbeitslosigkeit ist nach wie vor der Mühlstein an unserem Hals. Alle unsere Anstrengungen, und zwar gerade in den kommenden Haushaltsberatungen, müssen darauf ausgerichtet sein, Arbeitsplätze neu zu schaffen beziehungsweise bestehende Arbeitsplätze zu erhalten oder die Rahmenbedingungen dafür zu bieten. Dem hat sich alles unterzuordnen! Dieses Signal möchte ich noch mal ganz ausdrücklich von hier vorne geben.

Alle demokratischen Parteien im Bundestag und auch in den Landtagen sind sich darin einig, dass die finanzpolitischen und wirtschafts- und arbeitspolitischen Rahmenbedingungen schlecht bis dramatisch sind. Ich kenne eigentlich keinen, der um den heißen Brei herumredet. Alle fordern drastische Einschnitte, Umstrukturierungen und Kürzungen, allerdings mit der Einschränkung in der Regel nicht bei sich selbst.

Im gleichen Atemzug lese ich aber wiederum jeden Tag neue Forderungen in den Zeitungen. Diese Forderungen bedeuten immer mehr Geld. Und ich benenne hier auch Ross und Reiter: Die GEW fordert ein 800-Millionen-EuroSofortprogramm für die Schulbausanierung und ein KitaInvestitionsprogramm.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist notwendig.)

Ein Aufschrei geht durch die Bevölkerung und durch die Fraktionen des Landtages, wenn es um Lehrerstellen geht.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist auch notwendig.)

Die Gewerkschaft der Polizei lässt keine Gelegenheit aus, um mehr Polizisten für das Land zu fordern. Studenten fordern eine noch bessere Ausstattung mit Professoren und den Erhalt ihres jeweiligen Studienganges sowie deren bessere Ausstattung. Es wird mehr Geld für die Kindertagesstätten des Landes und für das so genannte kostenlose Vorschuljahr sowie bessere Standards gefordert.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Alle haben sie Recht! Stimmt. Oder? Jeder mag vielleicht aus seiner Sicht Recht haben, das mag sein. Ich sage Ihnen aber aus der erforderlichen Gesamtbetrachtung heraus, und genau um diese geht es hier, meine

Damen und Herren, und da mögen Sie sich selbst was anderes einreden, das ist eigentlich Ihr und unser gemeinsamer Wählerauftrag. Für die Gesamtbetrachtung all dieser Punkte sind wir hier alle zuständig. Wir sind eben nicht in erster Linie Vertreter der Kommunalpolitik, wir sind eben nicht in erster Linie Vertreter von Sozial-, Wirtschafts- oder Arbeitsmarktpolitik, nein, meine Damen und Herren, grundsätzlich sind wir zuallererst Landtagsabgeordnete, die für das gesamte Land die Verantwortung tragen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist immer leicht, mehr zu fordern oder aufzuschreien, wenn an Besitzständen gerüttelt wird, wir kennen das alle aus unseren eigenen Bereichen. Aber ich sage Ihnen, wir wissen doch was im Land los ist, was die Menschen denken und sagen! Und das ist nicht immer nur Angenehmes über uns, und zwar über uns alle als Politiker. Und wir tragen alle unser gerüttelt Maß dazu bei. Wenn wir aber als Politiker den Versuch wagen, jeder dieser Stimmungen gerecht zu werden, dann prognostiziere ich mit Überzeugung, dass wir alle gemeinsam scheitern werden. Ich glaube nicht, dass das aus unserem demokratischen Grundverständnis heraus sinnvoll ist.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Bei der Aussage, dass wirklich alle Ausgaben und Aufgaben des Landes auf den Prüfstand gehören, habe ich alle in diesem Hohen Hause und wahrscheinlich auch alle in der Bevölkerung auf meiner Seite. Sobald ich dann aber, und darin habe ich Erfahrung, im nächsten Schritt konkreter werde und sage, was das ganz genau bedeutet, ernte ich sofort einen Aufschrei der Empörung. Ich möchte Ihnen das einmal daran deutlich machen, wenn ich die Frage aufwerfe, ob es vielleicht nicht doch ausreichen würde, wenn wir in Zukunft nicht mehr die höchste Polizeidichte aller Bundesländer, sondern im Ländervergleich „nur noch“ im oberen Drittel angesiedelt wären, ernte ich sofort einen Sturm der Entrüstung. Wenn ich die Frage aufwerfe, ob es zukünftig vielleicht nicht ausreicht, wenn das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr die höchste Kommunalfinanzausstattung aller Länder zur Verfügung stellt, sondern im Ländervergleich nur noch im oberen Drittel liegt, dann schlägt mir, wie gerade ein bisschen schauspielerisch vorgetragen, sofort eine Welle der Empörung entgegen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Und, meine Damen und Herren, wenn ich die Frage aufwerfe, ob wir uns tatsächlich im Bereich der Kindertagesstätten alles Wünschbare auch tatsächlich leisten können und ob es auch wirklich erforderlich ist, dann schlägt mir von der nächsten Seite schon wieder ein Sturm der Entrüstung entgegen. Wenn ich zum Beispiel die Frage aufwerfe, ob wir die Beratungslandschaft des Landes, die wir uns zurzeit leisten, auch tatsächlich zukünftig in dem Umfange brauchen oder ob wir nicht durch gezielte, sinnvolle und kluge Veränderungen etwas anders bewirken können, vielleicht noch mehr Qualität bewirken können, dann schlägt mir wieder ein Sturm der Entrüstung entgegen.

(Reinhard Dankert, SPD: Der reinste Wirbelsturm.)

Ja, genau darum geht es. Es geht auch darum, was der Kollege Rehberg hier gerade vorgetragen hat, und zwar

was die bundespolitische Komponente anbelangt, meine Damen und Herren. Vorschlag: Eigenheimzulage – ein Aufschrei der Entrüstung. Vorschlag: Pendlerpauschale. Vorschlag: Werftenbeihilfe. Vorschlag: Kohlesubventionen – jeweils Aufschreie der Entrüstung bei den jeweiligen Interessengruppen und ihren Lobbyisten. Streicht der Bund Mittel aus der Kulturförderung, wird die Forderung erhoben, dass das Land dies kompensieren müsse. Ich glaube, mir ist vorhin zu Gesicht gekommen, dass die CDU-Fraktion schon wieder einen tollen Antrag für die nächste Landtagssitzung gezimmert hat, der im Endeffekt nachher wieder Geld kostet. Aber das interessiert die CDU an solchen Stellen dann in der Regel nicht.

Meine Damen und Herren, diese Liste ließe sich wirklich beliebig fortsetzen, und zwar immer mit dem gleichen Ergebnis. Ich habe den Eindruck, dass der Karren, unser gemeinsamer Karren, anscheinend noch nicht tief genug im Dreck sitzt.

(Egbert Liskow, CDU: Wer hat ihn denn da reingezogen?!)

Nein, er sitzt schon verdammt tief im Dreck! Viel zu viele wollen es aber wirklich nicht wahrhaben. Das ist das Problem. Wer jetzt – und das geht wirklich ganz konkret an Ihre Adresse – aus kurzsichtigen parteipolitischen oder auch Lobbyinteressen heraus grundsätzlich bremst oder polemisiert, der muss wirklich wissen, was er da tut, und dafür dann auch die Verantwortung tragen.

Ich sage Ihnen auch, dass unsere Demokratie mittlerweile zu einer reinen „Lobbykratie“ mutiert zu sein scheint. Ich glaube nicht, dass das im Sinne des Erfinders war, auch nicht im Sinne der Väter des Grundgesetzes. Ich fordere Sie auf, gemeinsam mit uns dagegen anzugehen, damit wir wirklich ernsthaft parlamentarische Demokratie betreiben können!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wahrheiten tun ja immer weh, meine Damen und Herren. Diejenigen, die gesagt haben und sagen, dass wir über unsere Verhältnisse leben – die alte Bundesrepublik hat 40 Jahre über ihre Verhältnisse gelebt, die DDR hat über ihre Verhältnisse gelebt und wir leben seit 13 Jahren über unsere Verhältnisse –, haben ganz knallhart Recht. Das ist einfach so. Wir müssen uns dessen endlich einmal bewusst werden, denn ich verkenne nicht die Probleme bei hoher Arbeitslosigkeit. Trotzdem, gucken Sie doch in die Haushalte rein, wir haben jedes Jahr immer oben draufgepackt, als wenn wir in der Bundesrepublik, in allen Bundesländern und ein Stück weit auch bei uns eine Gelddruckmaschine gehabt hätten, obwohl wir einen langen Sparkurs fahren, für den wir von Ihnen immer wieder kritisiert worden sind. Immer wieder!

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Jaja, Kollege Glawe, Sie sind auch noch dran!

Wir müssen unsere Ausgaben reduzieren. Das gilt für alle! Ich rede keinen Strukturbrüchen das Wort, sondern von schrittweisen Veränderungen. Das wissen Sie so gut wie ich, denn mit einer Radikalkur werden wir nicht durchkommen, sonst steht auf unserem Grabstein politisch: Wir hatten Vorfahrt, aber wir haben gemeinsam nichts gekonnt. Das kann nicht unser Ziel sein.

Ich sage Ihnen, dass das Auslaufen des Solidarpaktes II bei uns zu unglaublichen Einnahmereduzierungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro führen wird.

(Harry Glawe, CDU: Na, das haben Sie doch vor zwei Jahren gefeiert, wie gut Sie waren! – Angelika Gramkow, PDS: Wir waren sehr stolz darauf, dass wir dieses geschafft haben.)

Herr Glawe, das ist doch Unsinn! Das stimmt doch so nicht! Wir haben überhaupt nicht gefeiert.