Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Kulturförderung im Land ressortübergreifend stärken – Drucksache 4/530 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Artikel 151 des Amsterdamer Vertrages beschäftigt sich mit der Kultur im Allgemeinen. Komprimiert ausgedrückt besagt er aber, dass die EU die Entwicklung der kulturellen Infrastruktur, der kulturellen Bildung und der Kunst unterstützt und fördert.
Was heißt das nun konkret für die Kulturpolitik unseres Landes Mecklenburg-Vorpommern als einer Querschnittsaufgabe, die sämtliche Ressorts mit ihren jeweiligen Handlungsmöglichkeiten betrifft? Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich hier von dieser Stelle mit der Einrichtung einer ständigen Theaterintendanten- und Orchesterkonferenz darüber referiert, welche bedeutende Rolle Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft spielen und wie wichtig der fruchtbare Dialog zwischen Kultur und Politik für die weitere Entwicklung derselben ist.
Heute nun geht es den Fraktionen von SPD und PDS bei der Einbringung des vorliegenden Antrages darum, von Seiten der Politik die Voraussetzungen zu überprüfen, die nötig sind, um der Kultur ein Weiter- und Überleben überhaupt in unserem Lande noch zu ermöglichen. Im Rahmen der ständig neu auf dem Prüfstein stehenden Kulturpolitik müssen wir unserer gesellschaftlichen Aufgabe nachkommen und sind verpflichtet, Kultur – und das hier auch von diesem Hause – ressortübergreifend zu fördern. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf drei Bereiche eingehen, die das Aufgabenfeld des Kulturressorts abdecken, so, wie sie ja auch schon mal formuliert wurden:
Erstens ist es die kulturelle Infrastruktur, der wir uns widmen müssen. Wir, das heißt das Land und seine Kommunen, leben von Orten der Begegnung, der ästhetischen Erfahrung und der kulturellen Verständigung. Im Umkehrschluss bedeutet das, es gibt diese Orte der Begegnung, der ästhetischen Erfahrung und der kulturellen Verständigung nicht mehr. Dann sind wir zwar auch noch am Leben, aber wir funktionieren nur noch und das lässt dann breiten Raum für die Entwicklung von dekadenten Erscheinungsformen. Kein Mensch weiß dann noch, wenn wir da nicht aufpassen, warum er eigentlich lebt.
Die kulturelle Verfasstheit einer Kommune ist zuerst eine soziale und ein öffentliches Gut. Wenn der Markt individueller Interessen mit den Ansprüchen an diese kulturelle Verfasstheit der Stadt kollidiert, dann ist natürlich politisches Handeln gefragt. Förderung aus Steuergeldern ist legitim, mehr noch gilt es hier, eine besondere Sorgfaltspflicht in der Verwendung und damit in der zielgerichteten Verteilung an den Tag zu legen.
Der zweite Bereich des Kulturressorts betrifft die kulturelle Bildung, die ihren Ausgang bei der Vielfalt der Lebensformen und der durch sie repräsentierten Werteorientierung nimmt. Die kulturelle Bildung selber ist auf kulturelle Verständigung ausgerichtet. Diese ist ohne einen Grundbestand gemeinsamer Erfahrungen, Werte und Überzeugungen nicht möglich. Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, die Kenntnis der Geschichte des eigenen Landes und der eigenen Stadt, die Offenheit für fremde Sprachen und ihre Erfahrungshorizonte, die Auseinandersetzung mit Künstlern und die eigene ästhetische Praxis spielen eine wesentlich Rolle bei der Einbettung der kulturellen Differenzen und Konflikte in einen
Grundkonsens der Anerkennung, der Anteilnahme und des Respekts. Diese ist nötig, damit Differenzen und Konflikte als Essenz einer urbanen Kultur nicht zu Ausgrenzung und Marginalisierung führen.
Drittens müssen wir dann auch heute hier über Kunst sprechen. Unsere Lebenswelt ist durch Erfahrung alltäglicher Kommunikation und Kooperation geprägt. Die Kunst agiert an den Grenzen dieser Lebenswelt. Sie erlaubt Verständigung auch dort, wo die Alltagssprache versagt, und erschließt Erfahrungen, die nur über das Medium der Kunst eigentlich zugänglich sind. In der heutigen Zeit hat sich die Kunst – und das ist ein Entwicklungsprozess – weitgehend eben aus dieser Lebenswelt zurückgezogen und eigene Orte besetzt wie, Zitat, „Museen, Galerien, Konzertsaal und Theater“. Der Rückzug in diese so genannte „Artworld“ im Fachbegriff ist mit ihrer Marginalisierung in der Lebenswelt einhergegangen und diese Randposition der Kunst gilt es auch deshalb rückgängig zu machen.
Wie können wir es nun schaffen, diese Querschnittsaufgabe zu lösen? Das Aufgabenfeld des Kulturressorts habe ich versucht zu skizzieren. Damit ist aber nur festgestellt, welche Rolle Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft in unserem Leben spielen. Verantwortlich für die Förderung allerdings müssen alle Ressorts sein.
Um nun also zu prüfen und prüfen zu lassen, inwieweit die Kulturförderung im Lande als Querschnittsaufgabe entsprechend Amsterdamer Vertrag ressortübergreifend gestärkt werden kann und wie diese Überlegungen Eingang in die Förderrichtlinien finden können, bitte ich Sie im Namen der Fraktionen von SPD und PDS, dem Antrag zu folgen. – Danke.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag ist uns unter Punkt 203 die Aufgabe gegeben worden, über die Möglichkeiten nachzudenken und sie umzusetzen, diese Möglichkeiten auch als Kulturprojekte aus gemeinsamer Arbeit heraus über die Ressorts hinausdenkend zu realisieren. Das ist eine ganz natürliche Aufgabe, wie sie in vielen Regierungen und zu allen Zeiten immer erkannt worden ist, und sie spielt auch in dieser Regierung und dieser Legislaturperiode eine große Rolle.
Es gibt für die Kultur viele gemeinsame Aufgaben, zum Beispiel mit dem Arbeits- und Bauministerium, Stichwort „Städtebau“, oder mit dem Wirtschaftsministerium, Stichwort „Kulturtourismus“, oder mit dem Umweltministerium, Stichwort „Pflege von Parks und Landschaften“, oder mit dem Landwirtschaftsministerium, Stichwort „Kultur im Dorf“, oder mit dem Sozialministerium, denn es gibt da eine Reihe von sozialen Fragen, die man erst über Kulturarbeit lösen kann. Wichtig muss uns sein, dass diese Zusammenarbeit nach dem Mosaikprinzip erfolgt. Wir
wollen nicht in andere Töpfe hineingreifen, uns dort bereichern, sondern wir wollen mit unserem Beitrag als Mosaikstein ein Gesamtbild von kultureller Arbeit sichtbar machen. Das Mosaikprinzip heißt deutlich Zusammenarbeit und nicht Bereicherung auf Kosten anderer Ressorts.
Die Schwierigkeit entsteht natürlich mit der Frage: Wie gießt man das in ordentliche Förderrichtlinien hinein? Denn natürlicherweise haben wir bei unseren Förderprogrammen in unterschiedlichen Ressorts unterschiedliche Intentionen. Wenn wir ein Musikfestival fördern, dann ist uns höchste künstlerische ästhetische Qualität wichtig, und wenn das Wirtschaftsministerium die gleiche Veranstaltung fördert, dann haben sie die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung über dieses Kulturfestival im Auge.
Wir müssen versuchen, dass wir uns – das könnte ein Weg sein – über eine Vorfahrtsregelung gemeinsam treffen. Dort, wo verschiedene Förderinstrumentarien aus verschiedenen Ministerien zusammen etwas Gutes, Großes machen könnten, sollten wir einen gewissen Vorrang geben. Das könnte eine erste Perspektive für das Hineingehen in die Förderrichtlinie sein.
Alles in allem sind wir sowieso auf dem Wege. Die Kulturleitlinien des Landes müssen in das Landesentwicklungsprogramm hineingehen und deshalb würden wir einen derartigen Prüfauftrag selbstverständlich und sehr gerne annehmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe Herrn Lohse und auch dem Bildungsminister in großen Teilen Recht.
Und wenn ich mir den Antrag begucke und wohlwollend betrachte, dann entnehme ich ihm aber schon den Willen, Kulturförderung sogar über Förderrichtlinien Einzug in alle Ressorts halten zu lassen. Und dass Kultur eine ressortübergreifende Aufgabe ist in verschiedenen Punkten, sei es beim Wirtschaftsministerium oder im Bauministerium, Kunst am Bau nur als Stichwort, ist, glaube ich, keine Frage.
Aber dieser Antrag tut auch irgendwie keinem weh, denn die Landesregierung wird ja lediglich aufgefordert zu prüfen, inwieweit dies denn eigentlich möglich ist. Das Ergebnis ist offen, je nachdem, wie sich die einzelnen Ressortchefs dem stellen und ihre begrenzten Fördertöpfe dann auch für Kunst öffnen wollen. Herr Minister, mir ist auch nach Ihren Ausführungen – und Sie sind gerade darauf eingegangen – nicht ganz klar geworden, wie das in der praktischen Handhabe denn nun funktionieren soll, dieser Dialog, wie man hier Förderrichtlinien so umstricken will, dass Kultur dann auch als spezielle Kulturförderung in die einzelnen Fachressorts Einzug halten soll.
Der Antrag dient in meinen Augen auch dazu, wissenschaftliche Vorträge über Kulturförderung und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern halten zu können. Herr Lohse,
Sie haben das bei der letzten Theaterdebatte schon ganz eindrucksvoll gemacht und Sie haben auch jetzt wieder den Beleg dafür geliefert, es ist immer wieder ein Genuss, Ihnen zuzuhören.
Wie schon beim Antrag zur Einrichtung einer ständigen Theaterintendanten- und Orchesterkonferenz wird auch dieser Antrag nicht davon ablenken können, dass die Landesregierung in den kommenden Jahren wird beweisen müssen, dass sie in der Lage ist, Kulturförderung in unserem Land stabil zu halten, mit begrenzten Mitteln Kultur zu gestalten und nicht nur Mangel zu verwalten. Das kann natürlich nicht im Gießkannenprinzip sein, bei dem, wenn es im Haushalt wieder einmal eng wird, jedem ein bisschen weggenommen wird, schön gerecht.
Kulturförderung bei knappen Mitteln kann nur bedeuten, kulturelle Projekte und Institutionen, die das Land maßgeblich prägen, stärker zu fördern. Dazu zählen für uns zum Beispiel Theater.
Dass sich an ernsthafte Überlegungen zu einer zukunftsfähigen Theaterstruktur in Wirklichkeit keiner so richtig herantraut, hat ja die letzte Debatte hierzu gezeigt.
Während die Zeit ins Land geht, sehen sich Theater gezwungen, Angebote abzubauen. Die Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten Harald Ringstorff und auch schon die davor, auch unter Herrn Ringstorff, sind der Kunst und der Kultur bisher einiges schuldig geblieben.
Herr Minister, Sie haben es vorhin angesprochen, seit Jahren wird davon gesprochen, dass es einen Landeskulturentwicklungsplan oder ein -programm geben soll. Wo ist er? Seit 1996 wird davon gesprochen. Die Musikschulen – von ihrer ausgezeichneten Arbeit, Herr Minister, haben Sie sich ja mit mir zusammen auch vor zwei Wochen in Rostock selbst überzeugen können – hadern von Jahr zu Jahr mit eingefrorenen Landesmitteln.
Auch Bücher, meine Damen und Herren, sind Kultur. Bibliotheksmittel an den Hochschulen reichen kaum für neue Anschaffungen aus. Und um mal gleich bei Büchern zu bleiben, auch Bibliotheken und Fahrbibliotheken sind freiwillige Aufgaben von Kommunen, die sie aufgrund der schlechten Finanzsituation zum großen Teil aufgeben müssen – Zuständigkeit Innenministerium. Ich glaube, die Debatten um die kommunale Infrastrukturpauschale sind bekannt. Was erwarten wir eigentlich aus diesem Ressort?
Die jüngst angekündigte Theaterkonferenz, also die ständige Theaterintendanten- und Orchesterkonferenz ist immer noch nicht gegründet, jedenfalls sollen die bildungspolitischen Sprecher dazu eingeladen worden sein, mir liegt noch keine Einladung dafür vor. Bleibt es eine Ankündigung oder kommt da jetzt was? Frau Schmidt, Sie nicken da. Nun werden also die Amsterdamer Verträge zu Rate gezogen, mit deren Hilfe nicht mehr der Kultusminister für Kultur verantwortlich ist, sondern alle Minister.
Lasten- und Verantwortungsverteilung oder könnte man sogar sagen, das versehe ich jetzt mit einem Fragezeichen, kollektive Verantwortungslosigkeit?
Aber Kulturförderung ist in erster Linie, meine Damen und Herren, eine originäre Aufgabe des Bildungsministeriums. Es heißt nicht umsonst Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Der Bildungsminister muss uns sagen und dem Landtag kundtun, welche Vorstellungen er für diesen Politikbereich in dieser Legislaturperiode verfolgt. Ankündigungen reichen da nicht aus.
Ich denke, es ist nicht redlich, vermeintlich kulturvoll hier über Kultur zu sprechen und mit Kultur zu spielen. So lange, meine Damen und Herren, nichts Diskussionswürdiges auf dem Tisch liegt, gibt es eigentlich auch nichts zu debattieren. Wir lehnen diesen inhaltslosen Alibiantrag ab.