Gesetz bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Landauf, landab verkündet nun die CDU, wie gut das ist und wie sehr sie dafür kämpfen will, dass das auch so bleiben möge. Der Sicherstellungsauftrag ist der Grund dafür, dass die Kassenärztliche Vereinigung den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts hat. Ich frage mich deshalb, wie gerade Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete von der CDU-Fraktion, auf die Idee kommen, von der Landesregierung „ein allumfassendes Programm zur zukünftigen flächendeckenden … Versorgung“, so heißt es in Ihrem Antrag, zu fordern.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Dr. Margret Seemann, SPD – Torsten Koplin, PDS: Richtig.)
Das entspricht doch eigentlich nicht so sehr Ihrem ordnungspolitischen Verständnis. Gemeinsam mit einigen Vertretern der Ärzteschaft artikulieren Sie sich fast täglich gegen die angebliche Staatsmedizin von Bundessozialministerin Ulla Schmidt, beklagen die Politik der Bundesregierung, werfen ihr Bürokratisierung und Reglementierung vor. Aber hier, gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern, weil das halt so passt, da soll der Staat es dann doch wieder richten. Hier soll ein detaillierter Zeitplan mit konkreten Umsetzungsschritten erarbeitet werden, und das auch noch mit Vorgaben für bundespolitische Regelungen durch eine Landesregierung. Sie wissen genauso wie ich, dass das im Grunde genommen eine Luftnummer ist.
Das ist unseriös, das wird dem eigentlichen Problem auch nicht gerecht. Ich möchte deshalb ganz klar und deutlich sagen, dass ich diesen zentralistischen Ansatz des Antrages ablehne. Nicht erst seit dem letzten Jahr diskutiert dieses Land über einen angeblichen Ärztemangel und den immer wieder angekündigten Versorgungsnotstand der Bevölkerung. Die Menschen in diesem Land hat das doch sehr verunsichert.
Die Menschen in diesem Land hat das sehr verunsichert. Sie fragen sich, ob sie auch morgen noch die gleiche medizinische Versorgung erfahren werden, wie sie es gewohnt sind. Immer wieder gibt es in den Medien Berichte darüber, dass Praxen keine Nachfolger finden. Ich nehme die Sorgen und Nöte der Menschen sehr ernst. Ich nehme auch die Sorgen und Nöte der Ärzte, der niedergelassenen Ärzte sehr ernst. Aber es ist wirklich an der Zeit, dass wir dieses Thema auf der Basis von Fakten und mit Sachkenntnis und nicht mit Unterstellungen diskutieren.
Jetzt und heute gibt es in Mecklenburg-Vorpommern keine Unterversorgung. Die ganz überwiegende Zahl der Planbereiche für die Niederlassung von Kassenärzten ist in unserem Land wegen ärztlicher Überversorgung gesperrt.
Junge Ärzte können sich dort nicht niederlassen, weil es bereits zu viele Praxen gibt. Das gilt nicht nur für die meisten Planungsregionen, das gilt auch für die aller
meisten Fachgebiete. Die Fachgebiete Chirurgie, Gynäkologie, Nervenheilkunde sind vollständig gesperrt für Neuzulassungen. Die Dermatologie, die Urologie, die Kinderheilkunde und die innere Medizin sind fast vollständig gesperrt. Nur als Hausärzte können sie sich in diesem Land derzeit, mit Ausnahme der Regionen Rostock und Demmin, überall niederlassen. Sie können das auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigung sofort nachlesen. Sie erhalten damit sofort eine ungeschminkte Beschreibung der gegenwärtigen tatsächlichen Situation.
Am 31.12.2001 wurden in Mecklenburg-Vorpommern 705 Einwohner von einem Arzt versorgt. Ähnlich war die Verteilung in Sachsen, aber beispielsweise auch in Niedersachsen. Deutlich schlechter ist die Relation in Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Hier werden 756 beziehungsweise 744 Einwohner von einem Arzt betreut. Länder wie Österreich, Frankreich, Schweden kommen mit weit weniger niedergelassenen Ärzten aus und gelten nicht als unterversorgt.
Der Sachverständigenrat beim Bundesgesundheitsministerium hat die Unterversorgung definiert. Auch nach den Begriffsdefinitionen des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen ist eine Unterversorgung dann gegeben, wenn der Versorgungsgrad bei Fachärzten unter 50, bei Hausärzten unter 75 Prozent der zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kassen abgestimmten Bedarfsplanungsrichtlinien fällt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, ist die Definition der Selbstverwaltung. Und die Realität in MecklenburgVorpommern ist weit entfernt von einem solchen Szenario der Unterversorgung.
Lassen Sie uns beispielsweise in die Planungsregion Nordvorpommern/Stralsund schauen. In dieser Planungsregion für die Kassenärztliche Vereinigung liegt ja das Hauptbetätigungsfeld des Abgeordneten Herrn Glawe.
Dort liegt der Versorgungsgrad für Hausärzte bei 1 0 0 Prozent, in der Augenheilkunde beispielsweise bei 170 Prozent, in der Chirurgie bei 273, in der Frauenheilkunde bei 169 Prozent. Ähnlich verhält es sich auch bei anderen Fachrichtungen. Wenn wirklich Not am Mann ist, sind das oft Einzelfälle mit den dann auch sehr speziellen Einzelproblemen. Kann die Versorgung im Einzelfall nicht gesichert werden, bin ich natürlich, und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, sehr gern bereit, hier unterstützend, das heißt vermittelnd zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen mit unseren Möglichkeiten, die wir vom Ministerium aus haben, mitzuwirken.
Lassen Sie mich noch kurz etwas zur Entwicklung sagen. Wir hatten im April des letzten Jahres 2.230 Vertragsärzte in unserem Land, wobei es in jedem Jahr einen Zuwachs gab. 543 Vertragsärzte, also ein knappes Viertel, waren zu diesem Zeitpunkt 60 Jahre und älter.
Etwa 30 Prozent der Hausärzte scheiden bis zum J a h r 2010 aus Altersgründen aus ihrem Beruf aus. Im Facharztbereich ist die Altersstruktur nicht ganz so ungünstig. Sorge bereitet deshalb insbesondere der Bereich der Hausärzte. Sie haben für die Versorgung der ländlichen Regionen eine Schlüsselstellung. Ihre Stellung soll nach den Plänen der Bundesregierung sogar noch gestärkt werden. Hier muss künftig ein Generationenwechsel bewerkstelligt werden. Auch hier sollten wir rational und nicht emotional die Probleme diskutieren.
Das wissenschaftliche Institut der AOK hat die Auswirkungen der Altersabgänge auf die Versorgung errechnet und ist dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen. Selbst wenn nur zwei Drittel der aufgrund von Altersabgängen frei werdenden Vertragssitze wieder besetzt werden, gibt es nach den Kriterien der Selbstverwaltung in keiner Region des Landes eine Unterversorgung, so die AOK, sondern wir nähern uns einem Versorgungsgrad von 100 Prozent. Wir brauchen bis 2010 für eine Normalversorgung circa 270 und für eine Vollversorgung circa 335 Hausärzte. Das ist die Dimension des Problems, über das wir heute reden und über das wir auch nachdenken müssen.
In den Jahren 1998 bis 2002 haben in MecklenburgVorpommern 152 Hausärzte eine Neuzulassung erhalten. Das sind durchschnittlich 30 Ärzte pro Jahr. Werden wir diesen Stand halten, erreichen wir bis zum Jahr 2010 annähernd die Normalversorgung. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es aber – und da stimme ich dem Herrn Abgeordneten Glawe zu – angesichts eines auch bundesweit enger werdenden Angebotes an Nachwuchskräften umfassender Initiativen.
Die Rezepte zur Lösung sind zum Teil bekannt. Es geht um das Programm zur Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. Dieses Programm muss weitergeführt werden. Unser Land nimmt hier mit 40 Stellen im bundesweiten Vergleich eine sehr gute Position ein. Es geht darum, die Genehmigung von Zweitpraxen, von Außensprechstunden zu ermöglichen, die Erleichterung der Anstellung von Ärzten in Praxen, es geht um den Ausbau der poliklinischen Strukturen und nicht zuletzt um die Schaffung finanzieller Anreize für Ärztinnen und Ärzte, sich in ländlichen Regionen unseres Flächenlandes anzusiedeln.
Signalwirkung hat für mich in diesem Zusammenhang aber auch – auch das wurde im Antrag der CDU genannt – die Ost-West-Angleichung des Vergütungsniveaus in den neuen Ländern. Wir dürfen hier bei unseren Anstrengungen nicht nachlassen, wenn wir attraktiv für den ärztlichen Nachwuchs bleiben wollen. Das ist jenseits aller gesundheitspolitischen Vorstellungen für mich vor allem eine Frage der Gerechtigkeit zwischen Ost und West. Angesichts hoher Transferleistungen aber aus den alten Ländern ist das keine Entscheidung dieser Landesregierung allein. Hier sitzen auch noch diejenigen mit am Tisch, die schon jetzt diese Transferleistungen im Rahmen des Risikostrukturausgleiches begrenzen wollen. Sie können sich dennoch darauf verlassen, dass ich dieses Problem immer wieder ansprechen, benennen und mich um eine Lösung bemühen werde. Zu diesem Problem kann die Opposition in diesem Hause bei der Unionsmehrheit im Bundesrat natürlich eine entsprechende Bereitschaft einfordern.
Summa summarum möchte ich zum Schluss sagen, mit populistischen Forderungen oder gar an die Adresse der Landesregierung haben Sie sich jedenfalls den falschen Adressaten ausgewählt. – Vielen Dank.
Frau Ministerin, können Sie bestätigen, dass ich in meinen Ausführungen auf die Zukunft verwiesen habe und nicht auf den Ist-Zustand?
Ja, ich habe Ihnen doch sehr deutlich dargestellt, dass die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte nach dem Gesetz bei der Kassenärztlichen Vereinigung liegt und dass das Ministerium hier seine Verantwortung wahrnimmt, entsprechend mitzuwirken, moderierend mitzuwirken, konzeptionell mitzuwirken. Aber die Entscheidung selbst liegt bei der Kassenärztlichen Vereinigung.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach diesem Grundsatzreferat unserer Ministerin bleibt mir ja eigentlich nicht mehr viel zu sagen.