Ich frage: Muss es dabei bleiben, dass, und ich zitiere jetzt: „bundeszentrale Einrichtungen fremder Volksgruppen und Glaubensgemeinschaften von heimatlosen Ausländern“, so dieser Titel, wie zum Beispiel Vietnamesen in Hannover verbleiben, oder könnten diese nicht nach Mecklenburg-Vorpommern verlagert werden? Mecklenburg-Vorpommern, die Menschen hier haben ja reiche Erfahrungen im Umgang mit den Sorgen und auch mit den Freuden der vietnamesischen Menschen. Und ich frage: Muss die zentrale Organisation polnischstämmiger Gruppen, zum Beispiel der Bund der Polen in Recklinghausen,
Meine Damen und Herren, schließlich möchte ich dem Kulturminister sagen, dass die SPD-Fraktion die Bemühungen und die Gespräche zur Gründung einer gemeinsamen Kulturstiftung des Bundes und der Länder unterstützt und ihn ermutigt, auf diesem Wege weiter fortzufahren.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion stimmt den Ausführungen des Ministers in seinem Bericht an den Landtag zur Landeskulturentwicklungskonzeption zu. Dazu habe ich wenig gesagt. Ich sage abschließend: Dann plant mal schön! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie in meiner Eingangsrede schon dargestellt, sind wir der Auffassung, dass Kulturförderung und Kulturentwicklungskonzeption beides in Überarbeitung zu bringen ist, und ich denke, dass im Unterschied zu dem – zumindest habe ich es so verstanden –, wie Frau Schnoor es hier darstellte, Kulturförderung und Kulturentwicklungskonzeption dahin gehend trennte, Ersteres schneller zu befördern, die Kulturentwicklungskonzeption als die Beschreibung eines Weges und Zieles dahin zunächst beschrieben werden muss und dann punktuell die Förderung auch realistisch ist.
Selbstverständlich begrüßt die PDS-Fraktion die Tatsache, dass die Kulturfördermittel nicht, wie von der Vorgängerregierung in der Mittelfristigen Finanzplanung bereits beschlossen, um jährliche Millionen D-Mark-Summen gekürzt wurden. Es ist ein Erfolg, dass ab 1999 diese Haushaltsmittel in absoluten Zahlen konstant geblieben sind. Soviel ich weiß, ist das in keinem anderen Bundesland so in diesem Zeitraum passiert.
Aber wenn wir heute über Kulturförderung und -entwicklung sprechen, dann gehört nicht dazu, die Augen zu verschließen, dass auch bei gleichbleibenden Summen aufgrund von Erhöhungen der Betriebskosten und der Tarife den Kulturengagierten und KünstlerInnen real weniger zur Verfügung steht.
Und ich halte es schon für erschreckend, dass auch die öffentliche Hand nach oben korrigierte Tarifverträge unterzeichnet, sie sich aber teilweise weigert, für bestimmte Berufsgruppen einzuhalten. Dieses muss auch so deutlich benannt werden.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Kulturentwicklungskonzeption und Kulturförderung muss
deshalb unbedingt etwas zum Problemkreis Kultur/Wirtschaft gesagt werden, denn dies muss in der Konzeption eine wichtige Rolle spielen, was ich nachfolgend begründen möchte:
Aus dem, was ich in der Einbringung des Antrages sagte, geht, so glaube ich, hervor, dass Kultur nicht auf eine Standortfunktion begrenzt werden kann. Ansonsten hieße das vor allem, sie nach ökonomischen, nach Verwertungskriterien zu beurteilen und eine entsprechende Politik zu betreiben. Wenn Kultur die tägliche Lebensqualität vor Ort bestimmt und in diesem Sinne das Kapital der Gemeinde und des Landes ist, dann geht das weit über materielle Werte hinaus. Dann ist damit individueller und gesellschaftlicher Reichtum gemeint. Kulturelle Institutionen und solche der ethischen Produktion sind nicht auf ihre Eigenschaft als Standortfaktor zu reduzieren, aber sie besitzen für Städte und Regionen mehrere wirtschaftliche Dimensionen – neben der eines weichen Standortfaktors die so genannte Umwegrentabilität, das heißt, es werden Wirtschaftsimpulse unter anderem für den Tourismus, den Handel, das Taxiund Beherbergungsgewerbe und so weiter ausgelöst.
Ich denke, es wäre nicht korrekt zu behaupten, die Kulturwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern hätte in den zurückliegenden Jahren keine Entwicklung genommen. Jedoch unstrittig ist die Notwendigkeit, sich den entwicklungsfähigen kulturwirtschaftlichen Potentialen intensiver zu stellen, ohne – und das betone ich besonders – der enormen Kommerzialisierung von Kunst und Kultur das Wort zu reden oder sie noch stärker befördern zu wollen. Musikwirtschaft, Literatur, Buch- und Pressemarkt, Kunstmarkt, Film- und Fernsehwirtschaft, darstellende und Unterhaltskunst, Dessinmarkt, Kulturbauwirtschaft einschließlich Denkmalpflege, Kulturtourismus, kurz, das weite Feld der Kulturwirtschaft mit ihren kulturellen und kulturrelevanten Produktions-, Handels- und Dienstleistungsaktivitäten bietet gezielt zu erschließende und zu erweiternde Möglichkeiten für den Arbeitsmarkt sowie für eine Vervielfältigung kultureller Angebote, aber auch für ein positives kulturelles und kulturhistorisches Image von Orten und Regionen.
Das Wissen darüber hat zugenommen, dass der Kulturund Mediensektor zu den Schlüsselbranchen gehören.
Werden aber entsprechende Schlussfolgerungen gezogen? Michael Söndermann, Vorsitzender des Arbeitskreises Kulturstatistik e. V. mit Sitz in Bonn, schreibt im Jahrbuch für Kulturpolitik 2001 Folgendes, ich zitiere: „Merkwürdig ist nur die Tatsache, dass die Politik und die Verwaltungen nach wie vor auf die traditionellen Industrien als Herzstück der Wirtschaft setzen. Chemie-, Energiewirtschaft und -versorgung oder bestenfalls die Informations- und Kommunikationstechnologie – Branchen sind die Hoffnungsträger der wirtschaftlichen Zukunft. Kulturwirtschaft und kultureller Beschäftigungsmarkt kommen in vielen industrie- und arbeitsmarktpolitischen Grundsatzpapieren und Strategieprogrammen überhaupt nicht vor, denn sie gelten als so genannte nicht marktbestimmende Branchen. In der herkömmlichen ökonomischen Betrachtung werden die Kulturbranchen als Orchideenfelder angesehen, die wohl kaum einen nennenswerten Beitrag zur Bruttowertschöpfung, zur wirtschaftlichen Leistung einer Gesellschaft beitragen können.“ Zitatende.
Die Notwendigkeit einer veränderten Betrachtungsweise ergibt sich aber auch aus einer EU-Studie vom Juni 2001 – von der Generaldirektion Beschäftigung und Soziales vorgelegt –, die für den europäischen Kultur- und Mediensektor ein überdurchschnittliches Beschäftigungsvolumen und -wachstum aufweist. Demnach sind mehr als sieben Millionen Menschen derzeit in Europa im privatwirtschaftlichen und subventionierten Kultur- und Mediensektor im weitesten Sinne erwerbstätig.
Und jetzt, meine Damen und Herren, möchte ich einmal die Kulturwirtschaft der Landwirtschaft, die ja auch heute und gestern schon eine wichtige Rolle spielte, in Deutschland gegenüberstellen.
Verfügbare Zahlen besagen, dass es in der Kulturwirtschaft knapp 60.000 selbstständige KünstlerInnen und KulturunternehmerInnen gibt, die Musik, Buch, Kunst, Film und darstellende Künste in der Produktion und in der Dienstleistung bedienen. Dieser eng abgegrenzte Branchenbegriff umfasst die Kulturmärkte im engeren Sinne, also noch ohne Phono-, Presse- und Werbemärkte. Diese werden in der Regel bei den Kultur- und Medienwirtschaftsanalysen eingebunden. Die Gesamtumsätze der so definierten Kulturwirtschaft liegen schon im Jahre 1996 bei 70 Milliarden DM beziehungsweise 35,4 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von einem Prozent der Gesamtwirtschaft in Deutschland. Diese Zahlen werden sich inzwischen mit Sicherheit erhöht haben. Von den insgesamt über eine Million Arbeitsplätzen im Kultur- und Mediensektor lassen sich für die Kulturwirtschaft allein rund 385.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zuordnen.
Nun zur Landwirtschaft. Es mag frappieren, aber dort finden sich auffallend ähnliche Zahlen und Strukturen. Die Anzahl von 57.800 Unternehmen im landwirtschaftlichen Sektor liegt nur geringfügig unterhalb der Gesamtangabe d er Kulturwirtschaftsunternehmen. Der Anhaltswert der Landwirtschaft für die Wirtschaftsleistung fällt im Vergleichsjahr ’96 sogar deutlich hinter die kulturwirtschaftliche Umsatzleistung zurück und erreicht nur 40 Milliarden DM oder 21,1 Milliarden Euro. Auch der Umfang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ohne Saison- und geringfügig Beschäftigte in der Landwirtschaft liegt mit 365.000 Personen hinter dem der Kulturwirtschaft.
Obwohl schon diese wenigen Strukturdaten zu den beiden Branchen frappierende Gemeinsamkeiten aufweisen, ist festzustellen, dass die Sensibilität der Politik für Landwirtschaft sicher nicht nur aus aktuellem Anlass höher als für die Belange der Kulturwirtschaft ist. Änderungen sind aus gesagtem Grund notwendig.
Ich meine, dass es immer dringender wird, jährliche Kulturberichte zu erstellen, wie das zum Beispiel auf den Gebieten der Umwelt oder der Gesundheit der Fall ist. Die bisher einzige Analyse der Kulturwirtschaft MecklenburgVorpommerns, vorgelegt vom Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern, stammt vom April 1997.
Des Weiteren braucht Kulturpolitik endlich verlässliche, an reale Strukturen gebundene Grundlagenarbeit. Eine verantwortlich getragene empirische Kulturforschung und Statistik kann dazu wichtige Beiträge leisten. Noch fehlt sie. Und ich wiederhole eine Forderung der PDS-Fraktion: Wir brauchen dringend spezielle Förderprogramme und die punktgenaue Öffnung bestehender Förderungen der Ressorts. Sie sind ebenso unverzichtbar wie spezifische, strukturelle Regelungen zur Erweiterung der Gestaltungsspielräume.
Erfahrungen einholen kann man zu dieser Thematik zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Dort hat das Wirtschaftsministerium ein eigenes Fachreferat Kulturwirtschaft eingerichtet. Das kümmert sich um Förder-, Qualifizierungs- und Marketingprobleme für alle Teilbranchen der Kulturwirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt verweisen, der in Bezug auf Kulturentwicklungskonzeption und Kulturförderung Beachtung finden muss. Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zwei Wochen auf der BDI-Jahrestagung davon sprach, dass zu den wichtigen Fragen der kommenden Wahlperiode die Neuordnung des Föderalismus gehöre – so, wie Herr Friese es ja auch darstellte –, wird er den Bereich Kultur eingeschlossen haben, denn bekanntlich ist Kulturpolitik eine föderal organisierte öffentliche Gemeinschaftsaufgabe, die wesentlich von den Kommunen und Ländern wahrgenommen wird.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die PDS für die Wahrung des kulturellen Föderalismus eintritt, aber zugleich die Notwendigkeit sieht, ihn im Sinne eines kooperativen Kulturföderalismus weiterzuentwickeln.
Das heißt, ohne verantwortungsbewusste Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der EU und ohne eine Neubestimmung jeweiliger Aufgaben- und Verantwortungsbereiche werden die künftigen Aufgaben der Kulturförderung nicht zu leisten sein. Dabei zu klärende kulturpolitische Sachverhalte sind unter anderem:
die Perspektiven der sich in Finanznot befindlichen Kommunen als entscheidende Trägerinnen, Finanziers und Orte von Kultur zu untersuchen,
das sich ändernde Verhältnis zwischen den kulturellen AnbieterInnen und TrägerInnen – öffentliche Hand, gemeinnütziger Sektor, bürgerschaftliches Engagement und Wirtschaft, sprich Trägerpluralismus,
die Erfordernisse und Auswirkungen des europäischen Einigungsprozesses in ihrer Dialektik von Chancen und Risiken für den Kulturföderalismus in Deutschland
Ich meine, bei Kunst und Kultur im engeren Sinne müssen wir an der grundsätzlich festgelegten beziehungsweise verfassungsrechtlich abgesicherten Kompetenzverteilung festhalten. Trotz aller aktuellen Probleme sprechen dafür die erreichte kulturelle Vielfalt und Dichte, die eng mit den föderalen Strukturen der Bundesrepublik verbunden sind. Für die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist entscheidend, dass in allen Bundesländern, also auch in unserem, vielfältige Möglichkeiten kulturellen Ausdrucks und kultureller beziehungsweise künstlerischer Produktion und Konsumtion gegeben sind. Regional unterschiedliche konkrete Inhalte und Formen dieses kulturellen Lebens – also das Wie – beeinträchtigen nicht die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, sondern bereichern sie, insbesondere in Verbindung mit der wachsenden Mobilität der Menschen.
Allerdings kann diese Kompetenzverteilung zukünftig nur tragfähig sein, wenn die Länder und in deren Folge die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre Verantwortung für die Bereitstellung günstiger Rahmenbedingungen für ein vielfältiges kulturelles Leben und künstlerisches Schaffen tatsächlich wahrzunehmen. Insofern sind hier auch die Wirtschafts- und FinanzpolitikerInnen gefragt. Außerdem will ich noch einmal darauf verweisen, dass die Entwicklung in den Bereichen Kommunen, Trägerpluralismus, europäischer Einigungsprozess und moderne Medien erheblichen Einfluss darauf haben wird, wohin die Reise in diesem Bereich gehen wird.
Ein letzter Gedanke: Die das Bund-Länder-Verhältnis betreffenden Forderungen nach einer Kulturstaatsklausel und nach Einbeziehung des Kulturbereichs in die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern finden auf kommunaler Ebene ihre Entsprechung in der Forderung, wie die sozialen so auch die kulturellen Aufgaben gesetzlich zu Pflichtaufgaben zu machen. Gegenüber dieser verführerischen Forderung werden jedoch auch Bedenken dahin gehend geltend gemacht, dass durch diese Forderung der kommunalen Kulturarbeit nicht mehr Geld zur Verfügung stünde und zugleich die Selbstverwaltung und Selbstbestimmung der Kommunen noch weiter beschnitten würden.
Aus dieser Sicht greifen wir den Vorschlag des Deutschen Städtetages auf und fordern, dass die Förderung der Kultur als unverzichtbare freiwillige Pflichtaufgabe der Kommunen deklariert wird. Deren Umsetzung hat allerdings eine grundlegende Reform der Kommunalfinanzen zur Voraussetzung. Damit wird die Forderung nach dieser grundlegenden kommunalen Finanzreform gegenüber der Forderung nach der Kulturförderung als eine von oben verordnete und auszuführende Pflichtaufgabe der Kommunen zur grundlegenden Forderung auch aus kulturpolitischer Sicht. Und da schließt sich der Kreis, mit dem ich begonnen habe, dass Förderung und Konzeption zusammengehören. – In diesem Sinne herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/2975. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages auf Donnerstag, den 27. Juni 2002, 9.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen und ich frage den Abgeordneten Detlef Müller: Wie ist das Spiel ausgegangen?