Protocol of the Session on May 30, 2002

(Wolfgang Riemann, CDU: Gönnen wir uns jeden Monat ein Auto und einen Kühlschrank.)

Also bitte, Sie können doch jetzt nicht die offiziellen Rechnungen für die Inflationsrate anzweifeln! Wer das tut, der zweifelt letzten Endes alles an.

(Friedbert Grams, CDU: Heute wurden im Radio die neuen Zahlen genannt.)

Ja, heute sind die neuen Zahlen genannt worden. Ich habe sie ja auch gelesen.

Also Umsatzsteueraufkommen im Land plus 7,3 Prozent – und das ist ein Zeichen, dass es hier also durchaus auch im Bereich des Umsatzes wieder Erhöhungen gegeben hat, denn wenn mehr Steuern gezahlt werden, dann muss auch ein höheres Aufkommen da sein.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Realitätsverlust, Frau Ministerin!)

Ganz einfach! So ist die Rechnung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Borchert für die Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Borchert.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher das gute Recht einer Oppositionsfraktion, von der Landesregierung einen Bericht über die Ergebnisse der Maisteuerschätzung 2002 zu fordern. Während der Antragstext nur einen klaren, sachlich formulierten Auftrag an die Landesregierung zum Inhalt hat, verlässt aber die Antrag stellende Fraktion bereits in der Antragsbegründung und natürlich auch erwartungsgemäß in der heutigen Debatte mal wieder den Boden der Sachlichkeit und agiert mit Unterstellungen und mit Polemik. Im Antragstext wird zum Beispiel unterstellt, die Landesregierung würde bei der Umsetzung der einzelplanbezogenen globalen Minderausgaben Sparen und Konsolidieren verwechseln und zu Lasten der Zukunftspotentiale Ausgaben vermindern. Ich habe mal versucht, das zu verstehen. Das ist nicht so einfach.

(Heinz Müller, SPD: Nee.)

Hier zeigt sich doch eine gewisse Beständigkeit der CDU, etwas in den Raum zu stellen, was a) polemisch und b) auch in der Sache völlig unsachlich und überhaupt nicht nachzuvollziehen ist.

Die Landesregierung fährt seit 1996 den Kurs der Haushaltskonsolidierung. Eine konsequente Ausgabendisziplin und Absenkung der Nettokreditaufnahme stehen also seither auf der Tagesordnung. Ausgabendisziplin und Ausgabenminderung sind Bestandteile der Haushaltskonsolidierung. Also ist Sparen ein Bestandteil der Haushaltskonsolidierung. Wie soll da eine Verwechslung entstehen, Herr Riemann? – Wo ist er? Es wäre nicht schlecht gewesen, wenn er diesen kleinen Exkurs mitgenommen hätte.

Sie, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, können die Fakten der Verschuldungspolitik aus Ihrer Regierungszeit nicht mit Polemik wegwischen. Den Schuldenberg abzubauen, diese Bürde haben wir alle noch lange zu tragen. Haushaltskonsolidierung ist der einzige richtige Weg, Handlungsspielräume für Zukunftsinvestitionen zu schaffen.

Meine Damen und Herren, die Finanzministerin überwacht den Haushaltsvollzug mit scharfem wachsamen Auge. Beweis dafür ist, dass sie bereits im März diesen Jahres auf Mindereinnahmen, die sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum abzeichneten, mit einem Bewirtschaftungserlass reagiert hat. Ausführlich hat der Staatssekretär Dr. Mediger bereits in der Finanzausschusssitzung am 11. April berichtet, welche Maßnahmen die Landesregierung ergriffen hat, diese Mindereinnahmen abzufangen. Und die Fakten sind auch heute noch dieselben. Die im März angenommenen Mindereinnahmen in Höhe von 110 bis 120 Millionen Euro wurden mit der Maisteuerschätzung fast punktgenau bestätigt. Konkret handelt es sich nun um 115 Millionen Euro, die unser Land weniger an Steuern einnehmen wird.

Ich meine, Mecklenburg-Vorpommern ist dank des eingeschlagenen Konsolidierungskurses in der Lage, keine so strengen Bewirtschaftungsmaßnahmen wie die be

nachbarten Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu ergreifen, die wenige Tage nach Bekanntwerden der Ergebnisse aus der Maisteuerschätzung mit Verhängung der Haushaltssperre die Notbremse gezogen haben. Dass diese Art der Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht von der Farbe der regierenden Partei abhängig ist, zeigt die Meldung aus der gestrigen Presse, wonach CDUgeführte Landesregierungen wie Hessen, Saarland und Thüringen ebenfalls eine Haushaltssperre verhängt haben.

Ich will nicht behaupten, dass es mich freudig stimmt, dass Mindereinnahmen aus der aktuellen Steuerschätzung unseren Haushalt zusätzlich belasten. Die öffentlichen Haushalte befinden sich aufgrund der nicht zufrieden stellenden Konjunkturentwicklung und infolge der Steuerrechtsänderungen in einer außerordentlich schwierigen Situation. Die Steuerrechtsänderungen haben den Bürgern und den Unternehmen zwar Entlastungen eingebracht, die öffentliche Hand dagegen muss größte Anstrengungen unternehmen, um die Mindereinnahmen aufzufangen.

Meine Damen und Herren, im Punkt 2 des vorliegenden Antrages der CDU-Fraktion wird unter anderem die Landesregierung aufgefordert darzulegen, inwieweit ein Nachtragshaushalt vorgelegt werden soll oder muss. Namens der SPD-Fraktion sage ich Ihnen, dass derzeit, das heißt im Ergebnis der Maisteuerschätzung, keine Notwendigkeit für einen Nachtragshaushalt gesehen wird. Wir vertrauen darauf, dass die Landesregierung die Steuermindereinnahmen in Höhe von 115 Millionen Euro, so, wie es die Finanzministerin dargelegt hat, auffängt. Dieses Vertrauen hat offensichtlich auch der Präsident des Landesrechnungshofes, der auf seiner Jahrespressekonferenz die geschickte Haushaltspolitik der Landesregierung gelobt und mit Blick auf die Ergebnisse der Maisteuerschätzung ausdrücklich festgestellt hat, dass „alle Kunst der Landesregierung und der Landesverwaltung auf entsetzlich schwierige Rahmenbedingungen“ treffe.

Ich komme jetzt zum Thema Rahmenbedingungen, Herr Riemann hat das ja angesprochen, denn mir war schon klar, dass der Antragsteller sich nicht, wie es der Antragstext vermuten ließ, auf Landespolitik beschränken wird, sondern wieder mal den Versuch starten wird, einen Rundumschlag auf die rot-grüne Bundespolitik zu veranstalten. Und diese Vermutung hat sich ja bestätigt.

(Angelika Gramkow, PDS: Ich war auch beteiligt. Das gebe ich ja zu.)

Frau Gramkow und Herr Riemann haben nach meiner Sicht in einem Punkt Recht: Rahmenbedingungen müssen geändert werden. Rahmenbedingungen können immer nur verbessert werden, sie können nie genug für die Wirtschaft sein. In diesem Punkt sind wir uns dann auch einig. Aber ich will mal einige Passagen aus dem Wahlprogramm der Bundes-CDU herausgreifen, um deutlich zu machen, wie die Christdemokraten gedenken, Rahmenbedingungen zu verändern. Herr Riemann sprach davon, Verkrustungen aufzubrechen. In ihrem künftigen Wahlprogramm fordert die CDU für die Zeit nach 2002 medienwirksam dreimal 40 Prozent. Dahinter stecken drei Forderungen:

1. die Senkung des Spitzensteuersatzes auf unter 40 Prozent

2. die Absenkung der Staatsquote von derzeit knapp 50 Prozent auf dauerhaft unter 40 Prozent

3. die Absenkung der Beitragssätze und Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern schrittweise auf unter 40 Prozent

Was bedeutet die Absenkung des Spitzensteuersatzes auf unter 40 Prozent?

(Nils Albrecht, CDU: Mehr Netto!)

Derzeit beträgt der Spitzensteuersatz 48,5 Prozent. Bis zum Jahr 2005 wird er durch das von der SPD umgesetzte Gesetz auf 42 Prozent abgesenkt. Die beabsichtigte Absenkung des Spitzensteuersatzes auf 39 Prozent, so, wie es die CDU möchte, führt gegenüber dem geltenden Recht in 2005 zu Einnahmeausfällen von rund 43 Milliarden Euro.

(Zurufe von Angelika Peters, SPD, und Torsten Koplin, PDS)

Scheinheilig ist das Getöse von Herrn Riemann, von wegen man möchte sich und wird sich für die kleinen Leute einsetzen, denn was ein Spitzensteuersatz in der Absenkung bedeutet, ist allen klar: Entlastung für Spitzenverdiener. Aber die CDU hat sich hinsichtlich der Gegenfinanzierung Gedanken gemacht. Und das lässt dann auch einiges vermuten.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Die CDU will die Gegenfinanzierung durch Abschaffung der Sonderregelungen wie Abbau der Arbeitnehmerpauschale, Abbau der Werbungskosten,

(Torsten Koplin, PDS: Ja, ja, die kleinen Leute. – Reinhard Dankert, SPD: Aber nur für die Reichen, alles für die Reichen.)

Abbau der Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge, Abbau der Entfernungspauschale, Abbau der Versicherungsfreibeträge für Versicherungen einschließlich der Lebensversicherungen. Alle diese Maßnahmen gehen zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

(Reinhard Dankert, SPD: Nee, Herr Riemann hat gesagt, das ist nur für die Reichen.)

Das zum Thema Scheinheiligkeit der CDU.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Was heißt Absenkung der Staatsquote auf unter 40 Prozent? Die Staatsquote umfasst den Anteil der Ausgaben des Staates, das heißt des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Sozialversicherung am Bruttoinlandsprodukt. Die Absenkung der Staatsquote um nur einen Prozentpunkt bedeutet bereits Verringerung der Ausgaben des Staates um rund 20 Milliarden Euro pro Jahr. Nach der aktuellen Forderung der CDU, die Staatsquote von derzeit 48,5 Prozent auf 40 Prozent zu senken, heißt Ausgabenverringerung des Staates demzufolge in Höhe von 170 Milliarden Euro.

Das würde natürlich auch die Länderhaushalte stark treffen. In den Länderhaushalten, in denen ja circa 70 bis 80 Prozent der Ausgaben gesetzlich gebunden sind, stehen somit also nur 20 bis 30 Prozent zur Disposition. Die Absenkung der Staatsquote würde Kernaufgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden treffen. Die Umsetzung des von der CDU geforderten Zieles bedeutet den fast vollständigen Rückzug des Bundes, der Länder und der Kommunen aus ihren Aufgabenbereichen, GAFörderung, Wirtschaftsförderung. Wichtige Finanzierun

gen wie zum Beispiel des zweiten Arbeitsmarktes, der Hochschulen und der Forschung wären gefährdet. Der Aufbau Ost wäre in seinem jetzigen Umfang nicht mehr durchführbar. So weit zum Thema Staatsquote.

Was bedeutet die Absenkung der Sozialversicherungsquote auf unter 40 Prozent? Die Sozialversicherungsquote beträgt ja derzeit 41,3 Prozent. Eine Absenkung auf 40 Prozent bedeutet die Rückführung bisheriger Leistungen der Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung und den Einstieg in die private Absicherung.

(Annegrit Koburger, PDS: Ja, Herr Koch hat ja sein Projekt vorgestellt.)

Gesundheit könnten sich dann nur die leisten, die Geld haben. Für Zahnersatz bei Kindern und Jugendlichen müssten die Eltern tiefer in die Tasche greifen. Arbeitslosengeld würde weniger gezahlt, Arbeitslosenhilfe gleich ganz abgeschafft werden. Mindereinnahmen im Bundeshaushalt von 16 Milliarden Euro wären zu verkraften.

(Torsten Koplin, PDS: Danke.)

So weit, meine Damen und Herren, ein kurzer Ausflug in das Wahlprogramm der bundesdeutschen Christdemokratie zum Thema Verändern, Verbessern von Rahmenbedingungen, Aufbrechen von Verkrustungen, so, wie Herr Riemann meinte. Dass es nichts, aber auch gar nichts mit solider Finanzierung zu tun hat, versteht sich von selbst, und die Scheinheiligkeit ist frappierend.

Meine Damen und Herren, wir haben den Bericht der Landesregierung zu den Auswirkungen der Maisteuerschätzung diesen Jahres von der Finanzministerin gehört. Namens der SPD-Fraktion gehe ich davon aus, dass der Antrag der CDU-Fraktion mit dem gegebenen Bericht der Finanzministerin erledigt ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Borchert.

Ich schließe damit die Aussprache.