Protocol of the Session on October 17, 2001

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

In Anbetracht der zunehmenden Abwanderung qualifizierter Frauen besteht ein vitales Landesinteresse daran, jungen Wissenschaftlerinnen die bestmöglichen Karrierechancen zu eröffnen. Zu diesem Zweck sind künftig auch Wissenschaftlerinnen in die Frauenförderpläne einzubeziehen und Frauen obligatorisch als Mitglieder von Berufungskommissionen vorzusehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Sylvia Bretschneider, SPD: Sehr gut.)

Meine Damen und Herren, Hochschulen sind Stätten des freien Geistes. Als Einrichtungen freier Forschung und Lehre sind sie offen und neugierig in Bezug auf neue Gedanken. Allein durch ihre Existenz leisten sie somit einen unverzichtbaren Beitrag für eine demokratisch verfasste, dem Toleranzgebot verpflichtete Bürgergesellschaft. Die Landesregierung betrachtet auch die ausländischen Studierenden und Dozenten als Teil dieser Gemeinschaft. In einer Ansprache zur Immatrikulation in Greifswald habe ich neulich gesagt, und ich wiederhole dies heute, dass an den Hochschulen Formen des Miteinanders zu leben sind, die durch menschliche Aufgeschlossenheit, intellektuelle Redlichkeit, Respekt voreinander und freundschaftlichen Umgang geprägt sind.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Es ist angesichts der weltpolitischen Ereignisse, die uns alle bewegen mehr denn je ein Gebot der Stunde, Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass überall mit Zivilcourage zu begegnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Eine funktionierende Hochschule zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Integration gerade der ausländischen Studierenden aktiv befördert. Die Studierenden und die Lehrenden sollten ein dichtes Netz zwischenmenschlicher Beziehungen bilden, aus dem niemand so schnell herausfällt. Gemeinsam müssen wir menschverachtendem Ungeist von vornherein entgegentreten.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, und Götz Kreuzer, PDS)

Er ist durch nichts zu rechtfertigen, auch nicht unter Berufung auf die Freiheit der Religion oder der Wissenschaft. In diesem Sinne lädt Mecklenburg-Vorpommern junge Menschen jeglicher Herkunft ein, an akademischer Bildung teilzuhaben, gemeinsam Wissen zu erweitern und Kompetenz heranzubilden. Nur in diesem Geist werden unsere Hochschulen Stätten internationaler Lehre und Forschung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Die Scientific Community verfolgt seit je einen universalen Anspruch. Heute ist moderne Wissenschaft auf der Basis moderner Datenverarbeitung ein Spiel ohne Grenzen. Die Aussagen werden überall auf der Welt verstan

den und praktisch wirksam, vor allem im Bereich der Technik. Global ergibt sich allerdings nicht nur eine Bereicherung an Erkenntnis, sondern es ergibt sich auch ein harter Wettbewerb um gute Studenten, gute Professoren und Forschungsgelder. Die Situation verschärft sich noch dadurch, dass privat finanzierte angelsächsische Hochschulen sich zu Bildungskonzernen entwickeln und mit ihren Angeboten den Markt attackieren.

Sich diesem internationalen Wettbewerb zu stellen bedeutet auch die konsequente Umstellung des deutschen Studiensystems auf das Bachelor-/Master-System. Das bedeutet jedoch nicht nur eine neue Abschlussart, sondern eine andere Art des Studierens: stringenter, kompakter, effektiver, kürzer. Mittlerweile sind an allen Universitäten und Fachhochschulen unseres Landes solche Studiengänge etabliert. Im neuen Landeshochschulgesetz sind Bachelor- und Master-Studiengänge vorgesehen. Dabei werden sie durch die bereits genannte Akkreditierung einer besonderen Qualitätssicherung unterworfen.

(Vizepräsidentin Kerstin Kassner übernimmt den Vorsitz.)

Auch in Bezug auf die Karrierewege von Wissenschaftlern wurde ein Meilenstein zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gesetzt. Ein allgemein bekanntes Defizit des deutschen Karrieresystems für Wissenschaftler ist die Dauer der Qualifikationswege, die in ihrer Konsequenz zu einer verstärkten Abwanderung junger Leistungsträger führt. Ein richtungsweisender und im Ausland bewährter Ansatz zur Verkürzung der Karrierewege zur Professur besteht darin, jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit einzuräumen als Juniorprofessoren tätig zu sein. In diesem Rahmen können frühzeitig Erfahrungen im Bereich selbstständiger Lehre und Forschung gesammelt werden. Auch hierfür ist unser Gesetz ausgerüstet.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Diese Karrieremöglichkeit ist aufgrund ihrer überragenden Bedeutung bereits jetzt im Entwurf vorgesehen. Hiermit wird eine attraktive Alternative zur Habilitation bereitgestellt, die wir nicht abschaffen werden, wie das von anderer Seite vielfach gefordert wird.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Auch sonst wurde ein besonderes Augenmerk bei der Neufassung des Gesetzes auf die Internationalisierung der Studienstrukturen gelegt. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang internationale Studiengänge, fremdsprachige Vorlesungen und Angebote zur Vermittlung fächerübergreifender Kompetenzen sowie von Fremdsprachen zu erwähnen.

Wissenschaft und Forschung sind dazu da, um Fragen zu beantworten und um Probleme zu lösen. Die großen Fragen unserer Zeit – etwa die Entwicklung der globalen Ökonomie oder die soziale Entwicklung der Weltgesellschaft, in der immer noch zwei Drittel von wesentlichen Chancen ausgeschlossen sind, die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen, der global operierende Terrorismus –, dies alles sind Probleme, die nicht in die manchmal viel zu kleinen wissenschaftlichen Schubladen passen. Die neue Herausforderung der Zeit heißt Komplexität, heißt Vernetzung, heißt Systemik.

Neues Wissen entsteht in Auseinandersetzung mit komplexen Phänomenen vornehmlich an den Rändern

von Disziplinen. Die klassische Einteilung der Wissenschaft wird partiell hinfällig. Den Problemen ist mit einer einzigen Methodik nicht beizukommen. Daher ist Interund Transdisziplinarität nicht nur grundsätzlich, sondern auch operativ zu fördern. Dies betrifft Lehre und Forschung gleichermaßen. Vor allem müssen solche Postulate auch merkliche Auswirkungen auf die Gliederung der wissenschaftlichen Bereiche der Hochschulen haben. Der Trend geht zu größeren departmentähnlichen Strukturen, die ein Höchstmaß an Zusammenarbeit im Inneren problemlos ermöglichen.

Der Entwurf des Landeshochschulgesetzes gibt die Verantwortung für die Selbstorganisation in die Hand der Hochschulen, schreibt allerdings einige Grundsätze im Hinblick auf die Größe und die Voraussetzungen der Bildung von Organisationseinheiten fest.

Herr Born, Sie gucken auf die Uhr. Das ist eine sehr umfassende Materie.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Die Ausführungen geben den Vorteil, dass vielleicht der eine oder der andere Abgeordnete doch den Redebeitrag zu hören bekommt, der sich zeitweilig draußen befindet.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Ich bin sehr beeindruckt.)

Die Hochschulen werden auf dieser Basis nach dem neuen LHG selbst zu entscheiden haben, wie sie sich optimal, problemorientiert und zukunftsoffen organisieren. Die theologischen Fakultäten bleiben hierbei selbstverständlich in ihrer durch die Landesverfassung sowie die Verträge mit den Kirchen geschützten Form erhalten.

Die Hochschulen werden natürlich auch in regelmäßigen Abständen überprüfen und evaluieren, ob sich organisatorische Regelungen im Hinblick auf Studiengänge und Organisationseinheiten bewähren, ob sie funktional sind. Ich vertraue darauf, dass intelligente Organisationsentscheidungen zustande kommen und möglichst transparente Strukturen geschaffen werden.

Meine Damen und Herren, Zukunftsvorsorge wurde auch im Bereich der Strukturen der Hochschulmedizin getroffen. Hier eröffnet eine Verordnungsermächtigung die Möglichkeit zur Umwandlung der Hochschulklinika in Anstalten öffentlichen Rechts. Und die Universitätskliniken warten darauf, sie haben es sehr eilig. Diese Organisationsform wurde nach eingehenden Erörterungen mit allen Beteiligten als die bestgeeignete zur Lösung der vorhandenen Probleme unter Wahrung der Interessen der Beschäftigten erachtet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzesentwurf wird sich, wenn Sie der Überweisung zustimmen, in Ihrer konstruktiven Obhut befinden. Gestatten Sie, dass ich Ihnen abschließend noch einige Erfahrungen aus dem langwierigen und komplizierten Prozess der Erarbeitung der Gesetzesvorlage mitteile, die für die weitere Beratung vielleicht hilfreich sein können. Ich wende mich dabei nicht an die Opposition, weil ich die Hoffnung aufgegeben habe, dass diese bereit ist, den Prozess der Gesetzesgebung auch nur ansatzweise sachpolitisch, fair, ausgewogen zu begleiten.

(Gesine Skrzepski, CDU: Oh! Oh!)

Was bisher zu erleben war, bestand darin, dass die Opposition interne Arbeitsmaterialien per Internet verbrei

tet hat. Dabei kommt doch nur heraus, Menschen zu verunsichern, vielleicht auch noch, die Integrität von Verwaltungen zu berühren. Ob das gut ist?

Der Gesetzesentwurf ist das Arbeitsergebnis vieler Beteiligten, auch der regierungstragenden Fraktionen. Dabei bestand ein breites Spektrum von Meinungen zu verschiedenen Fragen. Ich möchte mich zunächst bei den hochschulpolitischen Sprechern der Fraktionen und bei den Ressortkollegen bedanken für die kritischen, kämpferischen aber letztlich konsensorientierten Aktivitäten.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Das Gleiche gilt für die zahlreichen Meinungsäußerungen derjenigen, für die das Gesetz bestimmt ist und die Gelegenheit hatten, ihre Vorstellungen einzubringen.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Wir haben sachkundige Menschen, Interessengruppen weit mehr einbezogen, als das Gesetzgebungsverfahren bis hierher vorschreibt. Das Ganze kostet natürlich Zeit, weit mehr, als mir lieb sein kann. Aber nach diesen breit angelegten konsensorientierten Beratungen hoffe ich doch schon auf positive Effekte für das weitere Verfahren.

Das Gesetz regelt Rechte und Pflichten, Rechte als Voraussetzung, um Pflichten zu erfüllen. Land und Hochschulen haben gemeinsame Pflichten, die ganz allgemein und verdichtet darin bestehen, ein ausgewogenes Angebot an Studiengängen, insbesondere für die Landeskinder vorzuhalten, zur Landesentwicklung wirksam beizutragen, die Freiheit von Lehre und Forschung zu gewährleisten, die Ressourcen effizient einzusetzen, die Gesetze der Bundesrepublik einschließlich des Gleichstellungsauftrages einzuhalten, um nur das Wichtigste kompilatorisch zu nennen. Jede Seite hat dabei spezifische Rechte.

In den bisherigen Dialogen ist von Seiten der Hochschulen sehr oft der Begriff „Vertrauen“ in Anspruch genommen worden, und zwar in Gegenüberstellung zu „Regelungen“, zum Beispiel: „Weniger Regelungen – mehr Vertrauen“.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Also, Vertrauen als eine Art Rechtsbegriff? Ich bin nun kein Jurist, aber ich wüsste nicht, dass Vertrauen ein Gegenstand unmittelbarer Regelung ist. Wir brauchen eindeutige unmissverständliche Regelungen als Grundlage dafür, dass sich Vertrauen überhaupt entwickeln kann. Weite Felder ungeregelter Tatbestände sind doch nicht gleichbedeutend mit mehr Vertrauen. Vertrauen hängt doch vielmehr von der Bereitschaft ab, Regelungen verlässlich und verbindlich nachzukommen.

Im Gesamtbereich von Hochschulen und Hochschulpolitik gibt es sehr viele Interessen, Interessengruppen und auch Interessenkonflikte. Wir dürfen nicht verkennen, dass es auch hier darum gehen kann, wie auch bei anderen Regelungsmaterien, Besitzstände zu bewahren und auszuwerten oder aber Entscheidungen, Verantwortung, Risiko, Haftung voneinander zu trennen. So ist das nun mal und so bleibt das auch nach der parlamentarischen Einbringung des Gesetzes:

Die Studierenden haben zum Beispiel zum Teil andere Interessenlagen als die Professoren oder der Landes

rechnungshof. Ein Beispiel für Interessenkonflikte ist die Präsenzpflicht der Professoren. Wir haben hier einen Kompromiss gefunden, der den Studenten nicht alles bietet und den Professoren sicher auch nicht.

Die Fachhochschulen haben zum Teil andere Interessen als die Universitäten: Ein Beispiel für Interessenkonflikte sind das Promotionsrecht oder der Mittelbau.

Auf unterschiedlichen Hierarchieebenen entstehen Interessenkonflikte hinsichtlich der Mitbestimmung.

Die Zahnmediziner an der Universität Rostock haben ganz unterschiedliche Erwartungen an Eingriffsbefugnisse des Landes als die Agrarwissenschaftler beispielsweise.

Diese Auflistung ließe sich noch beliebig fortsetzen. Ich will sagen, mit diesem Gesetz wird nicht jeder alles haben können. Ich bin aber voll überzeugt davon: Wir haben hier ein ausgewogenes Gesetzeswerk, das, ich wiederhole es abschließend, die Hochschulen mit einem hohen Maß an Autonomie ausstattet und einen sehr guten Rahmen für ihre weitere Entwicklung bietet. Im Übrigen sind wir in der praktischen Verwaltungs- und Gestaltungsarbeit auch unter dem alten LHG vielfach schon dem Geiste dieser Gesetzesnovelle gefolgt, zum Beispiel bei der Umwidmung von Professuren.