Protocol of the Session on September 20, 2001

Aber, meine Damen und Herren, der Bericht bleibt weit hinter dem Auftrag des Landtages und hinter dem Auftrag von SPD und PDS, der Koalitionäre hier in diesem Landtag der letzten drei Jahre, zurück.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Frau Ministerin hat das, worum es ging, geschickt umschifft, das will ich ja durchaus zugeben. Sie hat nämlich darauf hingewiesen, dass eigentlich ein aktueller wissenschaftlicher Auftrag im Bereich der Hörgeschädigten für unser Land zu berücksichtigen ist.

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Ja.)

Das bringt dieser Bericht letzten Endes nicht. Und deswegen will ich durchaus zustimmen, dass es ein Anfang ist.

Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass die Ministerien, die immerhin am 6. September 2000 schon darüber befunden haben, dass sie wissenschaftlich nicht vorgehen können oder wollen, das dann auch auf den Fachebenen dem Landtag mitgeteilt hätten. Das ist mir – jedenfalls bis heute zumindest – nicht zugestellt worden. Und deswegen meine ich schon, dass gerade die Koalitionäre eigentlich heute hier die Pflicht haben, sich ganz klar und eindeutig zu dem Auftrag dieses Berichtes zu äußern, denn der ist letzten Endes nicht erfüllt. 100 Seiten sind beschrieben. Die Elternverbände hörgeschädigter Kinder sind von diesem Bericht enttäuscht, das können Sie den Schreiben entnehmen, die auch die Ministerin zur Kenntnis bekommen hat. Nach unserer Meinung entspricht der Bericht nicht den Anforderungen, die durch den Landtag klar umrissen worden sind. Er ist oberflächlich, kaum logisch und Zusammenhänge sind oftmals fehlinterpretiert worden. Meine Damen und Herren, so, denke ich, kann man mit uns, mit dem Landtag, mit dem Etatgeber, nicht umgehen.

Sie haben 1998 – und da bitte ich Sie, das können Sie auch mal genau ansprechen – große Versprechungen abgegeben, gerade auch in diesem Bereich der betroffenen Menschen, der Gehörlosen und Ertaubten, eine eindeutige Besserung zum Guten vorzubereiten. Davon sind Sie eigentlich jetzt, denke ich, weit entfernt. Meine Damen und Herren, es reicht eben nicht aus, dass Sie in Ihrem Bericht viele Statistiken haben, viele Frühförderstellen aufzählen, Beratungsangebote aufzählen und damit eigentlich dem Leser suggerieren, im Land MecklenburgVorpommern ist flächendeckend alles in Ordnung. Hilfsund Betreuungssysteme für Hörgeschädigte sind vorhanden. Die Situation der Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern kann nicht dargestellt werden, solange die Folgen der Hörgeschädigten nicht differenziert betrachtet werden.

Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass das der Elternverband in besonderer Weise nochmals ausdrücklich in seinem Schreiben unterstrichen hat. Es ist eigentlich eine sehr harte Kritik, die die Verbände an der Arbeit und an diesem Bericht der Landesregierung üben. Man will ja nicht von vernichtender Kritik reden, aber zum Nachdenken sollten diese Schreiben schon anregen, denn – ich sage es noch mal – Sie als Koalition sind weit weg von Ihren Zielen, die Sie vor drei Jahren definiert haben.

Meine Damen und Herren! Wir müssen dazu kommen, primäre und sekundäre Auswirkungen der Beeinträchtigung des Hörvermögens und daraus abgeleitet die Problemlage der einzelnen Gruppen sowie der notwendigen Hilfen auf die Tagesordnung zu setzen. Wir müssen die Landesbauordnung so gestalten, dass Teilhabe Kommunikationsbehinderter gesichert wird. Wir brauchen studi

enfördernde Dienste für Hörgeschädigte. Und, was ganz wichtig ist, womit man sich beschäftigen muss, ist der Erhalt der bestehenden Beratungsstellen für Hörgeschädigte. Die Einrichtung einer unabhängigen Prüfstelle für medizinisch notwendige Hörgeräte und die Patientenversorgung stehen ebenso auf der Tagesordnung wie die Situation im Bereich der Integration und der medizinischen Rehabilitation. Ein Rahmenplan zur Ausbildung der Kranken- und Altenpflege wird genauso eingefordert wie die Einbeziehung der Lebenssituation der älteren hörgeschädigten Generation. Das ist eine ganz wichtige Forderung, die wir hier als CDU noch mal unterstreichen wollen.

Alle diese Punkte wurden in Ihrem Bericht weitestgehend nicht erwähnt. Ich erwarte ja nicht, dass die Landesregierung alles aufgreift, aber Eckpunkte sind wichtig und Ecksäulen müssen behandelt werden. Man kann daran nicht vorbeidiskutieren und man kann sie letzten Endes in so einem Bericht, der ja sozusagen über ein Jahr lang gefertigt wurde, auch nicht ignorieren.

Meine Damen und Herren! Die Situation der Hörgeschädigten ist weiterhin unbefriedigend im Land Mecklenburg-Vorpommern. Sie sind aufgerufen, dieses zu ändern. Und wenn Berichte nicht reichen, dann müsste man vielleicht Arbeitsgruppen einsetzen, die intensiver an der Sache arbeiten. Ich sehe auch nicht ein, dass zwar das Sozialministerium federführend tätig ist, aber die anderen Ministerien sich weitestgehend herausgehalten haben. Ich denke, so können wir nicht weitermachen in Mecklenburg-Vorpommern, wenn wir über die Situation der Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern reden und darüber, wie wir deren Situation verbessern wollen. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bretschneider von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Bretschneider.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Antrag der Koalitionsfraktionen beschäftigen wir uns in dieser Legislaturperiode bereits zum wiederholten Male mit Fragen, die speziell Probleme von Menschen mit Hörschädigungen betreffen. Das ist aus meiner Sicht auch erforderlich, denn trotz aller Maßnahmen, die gerade in den vergangenen drei Jahren sowohl von Seiten des Bundes als auch von Seiten des Landes zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen insgesamt getroffen wurden – ich erinnere nur an die Änderung der Landesbauordnung oder an das momentan im Entwurf diskutierte Gleichstellungsgesetz –, besteht unseres Erachtens in diesem Bereich ein hoher Handlungsbedarf. Zudem – und daran sollte vielleicht auch in diesem Hohen Hause erinnert werden – wurde vor 100 Jahren, genau gesagt am 26. Mai 1901, auf einem Gottesdienst in Berlin der Grundstein für die Gründung des Deutschen Schwerhörigenbundes gelegt. Gegründet wurde die Selbsthilfegruppe im Übrigen von einer Frau, von Margarethe von Witzleben. 1940 schlossen sich dann verschiedene Selbsthilfegruppen zum Hephata-Bund zusammen und 1949 wurde der uns heute allen bekannte Deutsche Schwerhörigenbund gegründet.

Wie vor 100 Jahren hat der DSB sich zum Ziel gesetzt, die Belange und Forderungen der Schwerhörigen und Ertaubten durchsetzen zu helfen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, und es ist auch wichtig und richtig, dass die Menschen mit diesem Handicap – ob nun als ein

zelne Person oder über Vereine oder Verbände wie dem DSB oder dem Gehörlosenverband oder dem Elternverband – sich zu Wort melden, denn leider muss man feststellen, dass die Menschen mit einer nicht sichtbaren und nicht sofort bemerkbaren Behinderung bei der Durchsetzung ihrer Forderungen noch mehr zu kämpfen haben als andere. Das trifft auch und gerade auf Menschen mit Hörbehinderungen zu.

Auf Wunsch der SPD-Fraktion haben die Koalitionsfraktionen deshalb die Unterrichtung auf die Tagesordnung gesetzt. Wir erachten die Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern als zu wichtig, um den Bericht unbeachtet in der Schublade verschwinden zu lassen.

Nach einem Bericht des Magazins des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sind mehr als 13 Millionen Bundesbürger hörbehindert. Das sind rund 16 Prozent der Bevölkerung. Davon gelten etwa 80.000 Menschen als gehörlos, das heißt, sie sind gehörlos geboren oder sie haben ihr Gehör bereits verloren, bevor sie sprechen gelernt haben. Fast doppelt so hoch ist die Zahl der spät Ertaubten, von den Schwerhörigen ganz zu schweigen.

Mit dem Berichtsersuchen der Koalitionsfraktionen vom 1. März 2001 auf Drucksache 3/1134 war die Absicht verbunden, die aktuelle Situation der Menschen mit Hörschädigungen in Mecklenburg-Vorpommern einer genauen Analyse zu unterziehen, damit einerseits zielgenauer und rechtzeitiger Ursachen von Hörschädigungen bekämpft und andererseits Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Betroffenen ergriffen werden können. Zudem sollten aktuell wissenschaftliche Untersuchungen zu den Ursachen, Folgen, Präventions- und Rehabilitationsmöglichkeiten berücksichtigt werden. In unseren damaligen Reden hatten wir darauf hingewiesen, wie bedeutsam uns Aufklärung und präventive Maßnahmen sind, um die Zunahme der Hörschädigungen vor allem bei jungen Menschen zu stoppen. Weiterhin hatten wir einen Schwerpunkt auf die Sicherung der gleichberechtigten Teilnahme schwerhöriger, gehörloser und ertaubter Menschen am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben gelegt. In der Begründung des Antrages hieß es deshalb: „Weiterhin soll der Bericht die Basis bieten, um weitere Verbesserungen für Präventionsmaßnahmen sowie die Integration Hörbehinderter in unserer Gesellschaft zu erreichen.“ Unter diesen Prämissen habe ich mir die Unterrichtung angeschaut.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Landesregierung und speziell beim Sozialministerium für die Erstellung des Berichtes bedanken, denn wir haben nun eine Vorlage, mit der wir arbeiten können. Die in den letzten Wochen vor allem im Sozialausschuss eingegangenen Stellungnahmen, zum Beispiel vom Gehörlosen Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e. V., vom Deutschen Schwerhörigenbund, Landesverband der Schwerhörigen und Ertaubten Mecklenburg-Vorpommern e. V. oder vom Elternverband hörgeschädigter Kinder Mecklenburg-Vorpommern e. V., machen dieses sehr deutlich. Beim Lesen der Stellungnahmen ist mir noch einmal bewusst geworden, wie kompliziert die Problematik eigentlich ist und wie wichtig deshalb auch die Beachtung der Belange von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in der jeweiligen Spezifik ist. Dass es sich letztlich bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte Maßnahmen auch um

einen Interessenausgleich handelt, dürfte jedem klar sein. Beispiele hierfür sind die unterschiedlichen Stellungnahmen zur Gebärdensprache – darauf komme ich aber nachher noch einmal zurück – und zu den Cochlear Implantaten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, laut Inhaltsverzeichnis sollen neben Begriffsbestimmungen und Zahlenangaben sowie Angaben zu allgemeinen Rechtsgrundlagen einige Maßnahmebereiche wie zum Beispiel Integration, Prävention, Früherkennung oder medizinische Versorgung, Verständigung, Beratungsangebote, Dolmetscherdienste oder Maßnahmen zur Eingliederung in die Arbeitswelt dargestellt werden.

In der Vorbemerkung des Berichts ist zu lesen, dass der Bericht entgegen der Erwartung des Landtages wissenschaftlichen Ansprüchen nicht zu entsprechen vermag. Herr Glawe hat schon darauf hingewiesen. Es heißt in der Vorbemerkung des Berichts weiter, dass externe landesspezifische wissenschaftliche Untersuchungen nicht vorlagen. Uns war von Anfang an klar, dass der vorliegende Bericht nicht bis ins Letzte wissenschaftlichen Untersuchungen entsprechen kann. Dann hätten wir den Auftrag für ein Gutachten an ein wissenschaftliches Institut erteilen müssen. Jedoch sind wir schon davon ausgegangen, dass wissenschaftliche Ergebnisse mit einbezogen werden. Der Bericht bezieht sich allerdings ausschließlich auf Sekundärliteratur. Im Antrag der Koalitionsfraktionen wurde die Landesregierung aufgefordert, aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen zu den Ursachen, Folgen, Präventions- und Rehabilitationsmöglichkeiten im Bereich der Hörschädigungen zu berücksichtigen. Es war nicht die Rede von externen landesspezifischen wissenschaftlichen Untersuchungen. Zu empfehlen wären nach einem Blick ins Internet beispielsweise die Forschungsberichte d es BMA zur Verbesserung der sprachlichen Kompetenz am Arbeitsplatz für schwerhörige und gehörlose Arbeitnehmer sowie zur Verbesserung der Sprecherfähigkeit durch Anwendung von Sprachfarbbildtransformation bei schwerhörigen und gehörlosen Jugendlichen, Forschungsberichte der Universität Halle, Wittenberg zur textoptimierten Prüfung, zur Sicherstellung der beruflichen Erstausbildung bei hör- und sprachbehinderten Menschen oder zur Zukunftssicherung hörbehinderter ArbeitnehmerInnen in kaufmännischen und technischen Berufen durch berufsfeldübergreifendes Lernen und, und, und – eine lange Liste.

(Beifall Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Erläuterungen beziehungsweise Bewertung der dürftig vorhandenen Zahlenangaben für Mecklenburg-Vorpommern hätten,

(Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)

zumindest bezogen auf Tabelle 4 „Regionale Verteilung Schwerbehinderter nach der schwersten Behinderung/ Oberkategorien (1999)“ auf Seite 11, die Frage aufwerfen müssen, inwiefern erfasste Hörbehinderungen mit vorhandenen Erfassungs- und Betreuungsangeboten korrespondieren und inwieweit lokale Bedingungen, beispielsweise Unterschiede zwischen Landkreis und kreisfreier Stadt, eine Rolle bezüglich der erfassten Fälle spielen.

Im Bereich der Integration wird im Bericht auf die Darstellung der Situation der Betroffenen verzichtet und auf die allgemeine Broschüre des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange Behinderter hingewiesen. In dieser Broschüre kann ich allerdings keine aktuellen Integra

tionsinitiativen des Landes Mecklenburg-Vorpommern finden. Es ging allerdings auch um die Integration der Menschen mit Hörschädigungen und nicht um Menschen mit Behinderungen allgemein.

Bedauerlicherweise wurden keine Integrationsprojekte des Landes dargestellt. Zur Situation in integrativen Kindergärten unseres Bundeslandes erfährt man auf Seite 33 interessanterweise: „Gegebenenfalls kann eine Betreuung auch in integrativen Kindergärten erfolgen.“ Hier hätte vielleicht das Expertengespräch im Bildungsausschuss am 5. April 2001 weitergeholfen. Der Bereich der Integration in das allgemein bildende Bildungswesen wurde mit dem Hinweis auf die in Frage kommenden Paragraphen im Schulgesetz sowie die Angabe der Schülerzahlen an der Landesschule für Gehörlose Güstrow, der Landesschule für Schwerhörige Ludwigslust und im gemeinsamen Unterricht an den allgemein bildenden Schulen angesprochen. Sinnvoll wäre auch eine Problemdarstellung gewesen und es hätten sich sicherlich auch einige Worte zum geplanten und aus meiner Sicht bei entsprechender inhaltlicher und pädagogischer Umsetzung sehr sinnvollen Landesförderzentrum für Hörgeschädigte gelohnt, denn hier gibt es doch seit geraumer Zeit entsprechende Planungsschritte und Gespräche zwischen den Beteiligten, wie Schreiben an den Bildungsausschuss und an den Sozialausschuss des Landtages belegen.

(Beifall Torsten Koplin, PDS)

Unter der Überschrift „Prävention“ finden wir Ausführungen zu Ursachen von Hörschädigungen und Präventionsmaßnahmen, allerdings in einem kaum zu differenzierenden Kontext. Auf das eigentliche Bindeglied, nämlich die Folgen für die Betroffenen, wird kaum eingegangen. Insofern werden dann auch konsequenterweise die Darstellung von Präventionsstrategien oder Projekten in unserem Bundesland nur kurz angerissen. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass in diesem Hohen Hause allen bekannt ist, dass es Träger der Unfallversicherung gibt und was deren Aufgabe ist. Selbiges trifft auf die Krankenkassen, die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter und die Ämter für Arbeitsschutz zu. Auch die Rechtsvorschriften und Verordnungen sowie Gesetze sind uns bekannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Referentenentwurf des Bundes für ein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen beinhaltet, dass die Gebärdensprache im Verwaltungsverfahren mit den Bundesbehörden anerkannt werden soll. Hierfür tragen die Behörden die Kosten. Das wird für die Betroffenen eine wesentliche Erleichterung darstellen. Wir dürfen aber nicht bei diesem Schritt stehen bleiben. In einem nächsten Schritt muss endlich die Gebärdensprache als eigenständige und vollwertige Sprache bundeseinheitlich anerkannt werden.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Neben Informationen zum aktuellen Diskussionsstand auf Bundesebene wären Ausführungen über den Stand der Umsetzung unseres Landtagsantrages zur Anerkennung der Gebärdensprache auf Drucksache 3/1220 sehr hilfreich gewesen. Dabei wäre unter anderem auch von Interesse gewesen, welche Möglichkeiten der zweisprachigen Erziehung in den Sonderschulen und integrativen Schulen gesehen werden. Schulversuche laufen zum Beispiel in Hamburg und Niedersachsen.

In dem Bericht werden die umfangreichen Bemühungen des Bundes und des Landes zur beruflichen Einglie

derung von Menschen mit Hörschädigungen dargestellt. Und hiermit meine ich sowohl die verschiedenen Angebote als auch die dafür bereitgestellten Mittel. Die Erstausbildung der hörgeschädigten Jugendlichen erfolgt vor allem in Leipzig und Husum. Jugendliche, die die Hochschulreife erwerben wollen, müssen dazu nach Essen. Erfreulich ist unter anderem in diesem Zusammenhang, dass nach dem vorliegenden Entwurf des Haushaltsplanes 2002/03 wegen des beabsichtigten Ausbaus des Dolmetscherdienstes der Zuschuss des Gehörlosenverbandes von ehemals 78.000 DM auf 133.000 Euro erhöht werden soll. Leider liegen, wie auf Seite 61 ausgeführt, zur Berufssituation hörbehinderter Erwerbstätiger keine Untersuchungen vor. Ebenso wenig kann der Arbeitslosenstatistik eine Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Behinderungsarten entnommen werden. Warum eigentlich nicht? Beides sollte als Anregung aufgenommen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Kürze der Zeit ist es leider nicht möglich, alle Punkte mit der erforderlichen Tiefgründigkeit zu besprechen. Der Bericht gibt eine Vielzahl von Hinweisen, denen nachgegangen werden sollte. Mit einer vernetzten Betrachtung der verschiedenen Bereiche ließen sich dann auch stringente Schlussfolgerungen, gekoppelt mit entsprechenden Handlungsoptionen zur Verbesserung der Situation der Betroffenen ableiten. Stichworte hierfür wären beispielsweise Neugeborenen-Screening, Anerkennung der Gebärdensprache, Barrierefreiheit, Hörgeräteversorgung und vieles mehr. Mit der vorliegenden Drucksache wurde eine, wenn auch recht dürftige Basis geschaffen, auf der weitergearbeitet werden kann und muss, um in der Praxis Verbesserungen für die Menschen mit Hörschädigungen zu erreichen. Dringend notwendig ist die enge Zusammenarbeit mit den Vereinen und Verbänden. Die sich nicht unwesentlich unterscheidende Einschätzung der Vor- und Nachteile von Cochlear Implantaten von Seiten der Landesregierung und von Seiten des Gehörlosen Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern e. V. ist nur ein Hinweis hierauf. Ursachen und Folgen der Hörschädigungen müssen differenziert betrachtet werden, um Bewertungen zur Situation von Menschen mit Hörschädigungen in unserem Bundesland und damit auch konkrete Entscheidungshilfen für die Politik zu erhalten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Müller von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Frau Müller.

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem uns vorliegenden Bericht zur Lage der Schwerhörigen, Gehörlosen und Ertaubten liegt uns gewiss eine Grundlage vor, wie meine Vorredner schon gesagt haben, um zu definieren, was weiter zu tun ist. Das Sozialministerium hat versucht, anhand von Gesetzesinitiativen, von bestehenden Gesetzen, von Förderpraxen, von bestimmten Aktivitäten aus dem Sozialministerium heraus Grundlagen darzustellen, die versucht wurden zu schaffen. Probleme wurden angerissen, leider nur angerissen, und das zeigt eigentlich schon, vor welchen Barrieren die Betroffenen stehen, nämlich dass Fragen der Betroffenen ganz einfach nicht beantwortet werden, und das leider schon seit geraumer Zeit.

Ich habe meine Rede in verschiedene Unterpunkte gegliedert. Ich lasse jetzt einige davon aus, weil Frau Bretschneider über diese schon sehr exakt und ausführlich berichtet hat. Zu einigen Dingen muss ich aber noch einige Ausführungen machen.

Erstens. Wenn ich über die Lage einer Menschengruppe berichten muss, werte Landesregierung, dann reicht es nicht aus, einem Ministerium die Federführung zu übergeben. Dann sind eigentlich alle Ministerien gleichlautend gefordert, sich einzubringen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Frau Bretschneider sagte schon, dass die Zuarbeit von den anderen Ministerien mehr als dürftig war. Das kann ich nur unterstreichen.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Das habe ich nicht gesagt.)

Zweitens. Wie sieht es wirklich aus mit Schule und Ausbildung für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche? Ja, das Schulgesetz besagt, dass die integrative Beschulung sein darf und kann. Praxis: Eltern sind immer wieder genötigt, Anträge zu stellen, damit ihre Kinder, die die Regelschule besuchen und schwerhörig sind, auch die nötige Hilfe und Unterstützung bekommen. Wir fordern seit langem die Ausbildung von Unterstützungslehrern, die an die Regelschulen gehen und dem dortigen pädagogischen Personal Hilfe geben bei ihrer pädagogischen Arbeit. Es ist nach wie vor nicht durchdacht.

Wie sieht es aus mit unseren beiden Landesschulen? Gerade die beiden Landesschulen sind dazu da, unsere gehörlosen und schwerhörigen Kinder zu befähigen, im gesellschaftlichen Leben Fuß zu fassen, die physischen und psychischen Belastungen zu ertragen, zu bewältigen und ihr Leben meistern zu können. Dazu werden aber Fachkräfte gebraucht, die das auch auf jeden Fall vermitteln können. Es sollte, denke ich mir, überhaupt nicht die Frage stehen, ob ein Lehrer an einer Gehörlosenschule – egal, welches Fach er unterrichtet – der Gebärdensprache mächtig sein muss. Natürlich, denn die Gebärdensprache ist nun mal die Kommunikationsform, die Gehörlose und auch Schwerhörige, wenn sie sie denn wollen, auch nutzen können müssen. Dazu gehört es, dass ihre engsten Partnerinnen und Partner – und das sind an einer Schule für Hörgeschädigte ja nun mal Lehrerinnen und Lehrer – diese Sprache auch beherrschen.

Wie es bei der Ausbildung aussieht, hat Frau Bretschneider schon gesagt. Wir haben es nicht geschafft, im Land Mecklenburg-Vorpommern den sonderpädagogischen Förderungsbedarf so zu gestalten, dass unsere Kinder und Jugendlichen oder dann unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch wirklich im Land Mecklenburg-Vorpommern bleiben können, um eine Berufsausbildung zu erhalten. Das ist schlimm, aber, ich denke, zu bewältigen.

Wie sieht es aus mit der Anzahl der arbeitslosen Schwerhörigen und Gehörlosen in unserem Land? Dringend – dringend! – muss die Statistik dahin gehend unterteilt werden, dass wir wissen, welche Behinderungsgruppen Arbeitslose in welchen Zahlen darstellen, denn nur dann können irgendwelche spezifischen Förderinstrumente auch wirken, wenn wir wissen, wo, wie und für wen sie wirken sollen. Und da sollten wir auch keine Scheu davor haben, Förderinstrumente, die sich nicht bewährt haben, abzuschaffen.