Protocol of the Session on May 17, 2001

Daran sieht man mal, wie auch an diesem Thema sehr deutlich wird, dass Konfliktmanagement im Sinne von Interessenausgleich notwendig ist, und genau das tut die Landesregierung. Die Aufforderung, die Sie hier deutlich gemacht haben, bekundet haben, das haben wir in den vergangenen Monaten längst getan.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Politik, meine Damen und Herren, ist immer ein Interessenausgleich und wer annimmt, Politik ist Interessenvertretung pur, gewissermaßen die Fortsetzung der Interessengemeinschaft mit politischen Mitteln, der erleidet Schiffbruch und der riskiert Windbruch. Ich werde hier zu dem eingebrachten Off-Shore-Antrag der CDU-Fraktion, der wie eine Aufforderung daherkommt, das Augenmaß verlieren. Aber der Reihe nach.

Wir sind uns alle sicherlich einig, es muss etwas für den Klimaschutz getan werden. Es ist an allen Regierungen, sich intensiv mit neuen Konzepten zu beschäftigen und sie wirkungsvoll umzusetzen. Das gilt auch für die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern. Sie hat sich gemäß der Koalitionsvereinbarung die Förderung regenerativer Energien auf die Fahnen geschrieben.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Jawohl!)

Gering sind im Lande die Anteile von Solar- und Wasserenergie. Ersteres verstehe ich nicht, weil wir genug Sonne haben, das Zweite könnte man verstehen. Wir haben zwar genug Wasser, aber mit den Bergen und Wasserfällen haben wir so ein paar Probleme.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Das werden wir auch schwer ändern können. Deswegen gibt es zwei andere Formen von regenerativer Energie, nämlich die Biomasse und die Windenergie. Diese beiden Quellen bringen einen nennenswerten Beitrag für die Gewinnung dieser Energieform und das haben Sie ja gesagt. Die Windenergieanlagen können rund 15 Prozent des Landesstrombedarfes abdecken, aber leider ist der Preis für diese Art der Energieerzeugung zu hoch. Ich meine nicht nur die Stromerzeugungskosten, sondern auch die unerwünschten Nebenwirkungen.

Im On-Shore-Bereich, also landseitig, kann durch unkontrollierten Zubau das Landschaftsbild zerstört werden. Einschränkungen sind möglich, aber man kann sie auch minimieren. Rotorblätter in über 130 Metern Höhe mit einem Durchmesser bis zu 100 Metern verschandeln offene Landschaften. Tiere werden von ihren Rast- und Notnahrungsplätzen vertrieben, Zugvögel können die Barriere nicht mehr überfliegen. Jeder kennt das hässliche Wort vom „Kranichhäcksler“. Noch-Anwohner fühlen sich gelegentlich durch Schallemissionen und den so genannten „Discoeffekt“ belästigt – jeder von Ihnen, nehme ich an, hat in seinem Wahlkreis schon Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern über diese Fragen geführt –, ganz zu schweigen davon, dass sich Touristen lieber in einer

Landschaft erholen, die technisch nicht überwölkt ist. Die Mitglieder des Petitionsausschusses werden mir zustimmen, dass vor Ort eine große Anzahl Bürgerinitiativen gegen die Errichtung von Windenergieanlagen kämpft. Ich kann dies aus meinem Ministerium berichten, aus eigenem Erleben und sicherlich kann das mein Kollege Wolfgang Methling bestätigen.

Dank raumordnerischer Gesamtsteuerung – und hier ist die Verantwortung meines Ministeriums wahrzunehmen, es geht um Interessenausgleich im Sinne von Konfliktmanagement – werden Windenergieanlagen fast ausschließlich in dafür vorgesehenen Eignungsgebieten errichtet und diese sind im Landesraumordnungsprogramm und in den regionalen Raumordnungsprogrammen ausgewiesen. Niemand sollte aber übersehen, dass es hier einfach Wachstumsgrenzen gibt. Vor diesem Hintergrund sehe ich Vorteile in der Förderung der Windenergieerzeugung im Off-Shore-Bereich, also wasserseitig im Vorküstenbereich. Ich könnte sagen, in der Landwirtschaft spricht man vom kontrollierten Anbau, wir sollten in dem Fall vom kontrollierten Aufbau von Windenergieanlagen sprechen.

Erstens, was die Vorteile betrifft: Bei einem größeren Abstand von der Küste wird die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und damit auch die Gefährdung der Tourismusbranche minimiert.

(Lutz Brauer, CDU: Das sieht Minister Methling in einem Schreiben an die Gemeinde Insel Hiddensee aber ganz anders.)

Ich kenne das Schreiben nicht. Ich kenne eine Diskussion – warten Sie mal ab, Herr Brauer –, wo ein Investor vorschlug, vor Heiligendamm im Küstenbereich eine solche Windkraftenergieanlage aufzubauen, erst etwas näher dran, dann in 13 Kilometer Entfernung. Das wurde in Übereinstimmung mit der Stadt Bad Doberan, mit den Stadtvertreterinnen und Stadtvertretern und meinem Ministerium abgelehnt,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

gerade im Sinne touristischer Nutzung, weil es, glaube ich, im Zuge und im Interesse der Entwicklung Heiligendamms als touristische Perle in Mecklenburg-Vorpommern nahezu absurd wäre, eine solche Anlage dort hinzusetzen.

(Beifall Volker Schlotmann, SPD)

Zweitens gibt es auf dem Meer große Areale, große Flächen mit einem enormen Windpotential, so dass große Strommengen regenerativ erzeugt werden können.

(Lutz Brauer, CDU: Das Meer ist aber nicht nur die Ostsee. – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Ja, ja, hören Sie erst mal zu, Herr Brauer. Ich habe Ihnen ja auch sehr aufmerksam zugehört.

Und drittens, sowohl die Forschungsarbeit als auch der Bau von Off-Shore-Windparks und deren Instandhaltung schaffen für Ortsgebundene in Mecklenburg-Vorpommern eine große Anzahl Arbeitsplätze und ich sehe hier auch Exportchancen. Jüngste Pressemeldungen, ich verweise auf die Firma Nordex, bestätigen das.

(Martin Brick, CDU: Es gehen aber auch Arbeitsplätze verloren durch die Streichung von Schleppstrecken der Fischer.)

Ja, das mag sein, darüber wird zu reden sein. Ich will auch noch etwas dazu ausführen. Aber jetzt soll doch nie

mand so tun, als wenn die ganze Ostsee nun bestückt wird mit Windenergiekraftanlagen. Davon wird im Moment noch gar nicht gesprochen. Ich komme gleich noch dazu. Wir wollen nämlich erst Erfahrungen sammeln.

(Martin Brick, CDU: Es sind 13 Anträge beim BSH da in Hamburg zur Genehmigung.)

Nun bedeutet doch die Verlagerung der Aktivitäten vom Land auf das Meer nicht, dass die Landprobleme alle im Wasser untergehen, sondern auch auf dem Meer – und nun lassen Sie mich mal zu den Risiken kommen – wird die Tier- und Pflanzenwelt beeinträchtigt. Ich meine, genau hier muss das einsetzen, wo Raumordnung, wo Landesplanung eine Verantwortung haben, eben im Konfliktmanagement Chancen und Risiken gegeneinander aufzuwägen, die Interessen von Nutzern –

(Lutz Brauer, CDU: Die wir ja einfordern.)

und hier gibt es mehrere Nutzer – und von Schützern in Übereinstimmung zu bringen, aber beide müssen eben bereit sein, Kompromisse einzugehen. Nur in der Kompromissbereitschaft, glaube ich, kann man einen Weg finden. Deswegen ist es so, es gibt Auswirkungen auf die Schiffssicherheit.

(Martin Brick, CDU: In der Ausschließlichen Wirtschaftszone haben Sie gar keinen Einfluss.)

Herr Brick, wenn Sie eine Frage haben, melden Sie sich, und ich werde den Minister fragen, ob er …

(Martin Brick, CDU: Ist in Ordnung, Herr Präsident.)

Herr Brick, ich bitte Sie, wenn Sie eine Frage haben, sich zu melden.

Ich kann gerne mit Ihnen diskutieren.

Also, wir haben festgestellt: Es gibt möglicherweise und es wird Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt geben. Es können Gefahren für die Schiffssicherheit entstehen und Fischer verlieren möglicherweise traditionelle Fanggründe, Fischgründe, wie das eben von Herrn Brick schon eingeworfen wurde.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Dann springt aber die CDU im Quadrat.)

Ja, ja.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Die Regierung verantwortlich machen.)

Jetzt kann man meines Erachtens diese Bedenken nicht einfach vom Tisch wischen, sondern man muss sie bei der Betrachtung, bei der Entscheidung genau berücksichtigen. Dazu gehört, dass die Betreibung von Windparks und die kreuzende beziehungsweise in unmittelbarer Nähe stattfindende Schifffahrt mit den Belangen der Sicherheit des Seeverkehrs nicht oder nur bedingt vereinbar sind, zumal wir die Ostsee insgesamt sicherer machen wollen. Auch darüber, Herr Brauer, haben Sie indirekt gesprochen. Es gibt praktisch kein Gebiet auf der Ostsee, das nicht von Schiffen befahren wird. Deshalb liegt mein Augenmerk darauf, weniger befahrene Gebiete zu lokalisieren. Zugleich soll durch eine dezidierte Risikoabschätzung und einen umfangreichen Katalog von Sicherheitsmaßnahmen, es sei das

Stichwort Havarieschlepper genannt, das Gefahrenpotential minimiert werden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: So ist es richtig!)

Danke schön.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wenn wir diese Anlagen wollen – ich will sie und ich glaube, wir wollen sie alle –, dann müssen wir uns eingestehen, dass nirgendwo Chancen ohne Risiko zu haben sind, auch Windenergienutzung ist keine konfliktfreie Energieerzeugung. Die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf offener See lassen sich in Umweltverträglichkeitsstudien nur schwer einschätzen. Und da sind wir nämlich beim Kern der Problematik und da will ich zwei Gründe nennen: Zum einen gibt es die Anlagen, die installiert werden sollen, noch gar nicht. Also wir reden hier über Dinge, die es praktisch noch gar nicht gibt, wo uns Erfahrungen fehlen.

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Es fehlen jegliche Erkenntnisse, wie sich derartige Kraftwerke mit einer Leistung von 2,5 Megawatt bis 5 Megawatt in großen Gruppen auf die Meeresumwelt auswirken.

(Zuruf von Martin Brick, CDU)

Und zum anderen liegen naturwissenschaftliche Erkenntnisse über die Prozesse und den Zustand der Meeresumwelt der Ostsee nur in Ansätzen vor. Wir brauchen also Kenntnisse über Wertigkeit, Schutzwürdigkeit und Sensibilität der Meeresumwelt gegenüber den Auswirkungen dieser Anlagen. Deswegen, meine ich, sollten wir nicht über ungelegte Eier reden,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Barbara Borchardt, PDS: Das will doch die CDU aber so gerne. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Brauer, denken Sie an Ihre Herings- fischer! – Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

sondern wir sollten erst mal Erfahrungen sammeln, um solche Erkenntnisse auswerten zu können.

Und deshalb ist das Grund dafür, dass wir mit der Bundesregierung am 20. September letzten Jahres vereinbart haben, genau in dem Bereich, den Sie genannt haben, Herr Brauer, westlich von Rügen, Hiddensee und nördlich vom Darß eine solche Off-Shore-Pilotanlage, einen solchen Pilotpark zu errichten. Als Standort kommen nämlich nicht in Frage Flachwasserbereiche, die wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ausscheiden, und Seegebiete mit hoher ökologischer Wirksamkeit. Deswegen meinen wir, dass man Flächen suchen soll, wo diese Dinge gar keine Rolle spielen.

(Lutz Brauer, CDU: Und das zusammen- zufassen in einem Bericht ist legitim.)