Protocol of the Session on May 17, 2001

Ich denke, diese Regelungen haben auch mit dem Wettbewerb nichts zu tun. Sie strangulieren nicht den Wettbewerb, weil jeder Wettbewerber unter gleichen Bedingungen diese Leistungen in Anspruch nehmen wird.

Was haben wir bisher für Erfahrungen gemacht in unserem Land mit Wettbewerb? Ich denke, beim Schienenpersonennahverkehr nur gute. Wir haben die Leistungen dort wesentlich günstiger einkaufen können. Wir haben im Ergebnis dieses Wettbewerbs und verbesserter öffentlicher Verkehrsangebote auf der Schiene auch wieder mehr Menschen in die Züge gebracht. Leider konnten wir nur etwa 20 Prozent der SPNV-Leistungen bisher öffentlich im Wettbewerb vergeben, weil der Druck seitens des bisherigen Monopolisten Deutsche Bahn AG so groß war, dass auch das Land dort nicht mit eigenen Positionen standhalten konnte.

(Siegfried Friese, SPD: Ja, darüber muss man noch mal reden.)

Ja, das wird auf Dauer auch nicht so bleiben, denke ich mir, bei der Tatsache, dass ja die DB AG ihre Zukunft nicht gerade in unserem Land sieht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU – Gesine Skrzepski, CDU: Tja. – Siegfried Friese, SPD: Es muss aber auch nicht alles privatisiert werden.)

Was fordert jetzt Europa mit diesem Verordnungsentwurf?

Erstens fordert es Transparenz über die finanziellen Hilfen bei gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Transparenz bedeutet Wettbewerb, öffentliche Ausschreibung.

Zweitens. Es dürfen nach einem Qualitätsvergleich, nach einer Qualitätsbewertung Ausschließlichkeitsrechte auf Zeit erteilt werden, wenn es sich nicht um gemeinwirtschaftliche, sondern um kostendeckende Leistungen handelt.

Nach meiner Meinung ist aber der Zeitraum, die Rechte für fünf Jahre zu vergeben, nicht ausreichend. Jeder weiß, die modernen Busse laufen acht Jahre, zehn Jahre, entsprechend ist auch die betriebliche Abschreibung zu sehen. Mehr Sicherheit, das heißt, mindestens acht Jahre müssten Verkehrsunternehmen für ihre betriebswirtschaftlichen Planungen haben. Ausnahmen soll es geben für Metro- und Stadtbahnen, das ist auch richtig so, denn dort ist der Wettbewerb hinsichtlich der Bindung der Infrastruktur und der Komplexität der Verbundnetze nicht ohne weiteres einzuführen.

Und, das sehe ich durchaus auch positiv, die Verordnung sieht vor, dass die Vergabe nicht an den billigsten Bieter, sondern an den besten Bieter erfolgen kann. Und da spielt eben doch vieles mehr mit hinein als nur Preistreiberei.

Trotzdem, alles in allem wird diese europäische Richtlinie viele Konsequenzen haben für die 6.400 Verkehrsunternehmen mit den 250.000 Arbeitnehmern in Deutschland. Und damit sie positiv umgesetzt werden kann, macht es auch keinen Sinn mehr, eine Strategie der Rückwärtsverteidigung zu fahren, sondern man muss umdenken und sich auf den Wettbewerb vorbereiten.

Insofern halte ich nichts davon – wie es acht Kommunen getan haben, die sich den bekannten Verkehrsrechtler Professor Ronellenfitsch gechartert haben, und der hat das nun in einem Gutachten, sicherlich wie erwartet von den Aufgabenträgern, dargestellt –, zu meinen, dass sich an und für sich Europa gar nicht einmischen darf. Der ÖPNV sei eine Selbstverwaltungsaufgabe der Kommune. Es gelte der Grundsatz der Subsidiarität und was will da

Europa überhaupt. Ich denke, wenn man lange Zeit auf dieser Position verharrt, dann verspielt man nicht nur Zeit, sondern auch Chancen.

Andererseits bin ich schon der Meinung, dass die Organisation, die Kontrolle des ÖPNV auf jeden Fall eine Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen ist, aber nicht die politische Rahmengebung, in welcher Art und Weise der ÖPNV künftig in Europa zu gestalten ist. Inwieweit dann auch noch die Durchführung selber, das heißt das Erbringen der Verkehrsleistungen, auf Dauer eine Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen ist, möchte ich doch etwas in Frage stellen.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Friese?

Ich würde das lieber am Schluss meiner Rede machen. Dann weiß ich, dass ich damit auch wirklich zu Ende gekommen bin.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Reinhard Dankert, SPD: Ach, das schaffst du schon!)

Ich würde Wettbewerb in jedem Fall einfordern, auch bezüglich der kommunalen Unternehmen, die wir ja in der Mehrzahl haben. Kein Auftraggeber ist berechtigt, im Interesse seiner eigenen Unternehmen im kommunalen Bereich Steuergelder großzügig auszugeben. Steuergelder dürften eigentlich, soweit es irgendwie möglich ist, in diesen Bereichen nur über öffentliche Ausschreibungen vergeben werden. Aber Wettbewerb braucht Chancengleichheit, Chancengleichheit auch für die kommunalen Unternehmen. Und das heißt also, die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Betätigung müssen aufgehoben werden,

(Heinz Müller, SPD: Eben.)

in mehrerer Hinsicht, hinsichtlich des Territorialprinzips, aber auch hinsichtlich der Geschäftsfelder, die diese Unternehmen eröffnen möchten.

(Heinz Müller, SPD: Sehr richtig.)

Ich denke, wir sind also gefordert, hier die Kommunalverfassung so schnell wie möglich dem künftigen europäischen Recht anzupassen.

(Beifall Heinz Müller, SPD, und Gerd Böttger, PDS)

Natürlich gehört zur Chancengleichheit auch ein gleicher Standard bei allen Anbietern bezüglich Sicherheit, Qualifikation und Technik, denn wir wollen ja in der Qualität nicht zurückgehen. Aber auch gleicher Standard bei Löhnen und Gehältern? Das haben wir jetzt ja auch nicht.

Insofern verstehe ich auch die Stellungnahme des Bundesrates nicht so ganz. Sie ist unpräzise, wenn gesagt wird, dass bei der Ausschreibung der regionale Tarif zugrunde zu legen ist. Den haben wir heute auch nicht. Wir haben zumindest immer drei regionale Tarife. Wir haben den Tarif der privaten Omnibusunternehmen, wir haben jede Menge Haustarife für unsere kommunalen Unternehmen und wir haben schließlich den Luxustarif BAT. Nun weiß ich nicht, welchen Tarif wir ansteuern sollen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Doch sicher nicht den BAT! Also diese Problematik ist noch mal zu überdenken. Ich kann nur sagen aus meiner praktischen Erfahrung in mehreren Verkehrsunternehmen,

dass wir bisher mit den Betriebsräten, mit der Gewerkschaft, mit den Arbeitnehmern und den Geschäftsführungen mit unseren haustariflichen Regelungen sehr gut gefahren sind.

(Gerd Böttger, PDS: Na, unterschiedlich.)

Ja, ich sagte es schon, Wettbewerb künftig auch für unsere kommunalen Unternehmen, die es vielfach ja noch gewohnt sind, dass sie einen Wirtschaftsplan erarbeiten, den an den Aufgabenträger weiterreichen und der ordnet dann die entsprechenden Zuschüsse, den Verlustausgleich, rechtzeitig in den Haushaltsplan mit ein. So etwas gibt es immer noch. Also Wettbewerb braucht Vorbereitung. Ich frage mich überhaupt, wieso es noch Aufgabenträger gibt, die sich Derartiges leisten, wie ich es eben gesagt habe, die es sich noch leisten können, in Größenordnungen mehrerer 100.000 DM mit eigenen kreislichen Mitteln ihre Unternehmen zu bezuschussen, obwohl es andererseits in unserem Land viele Unternehmen gibt, die sich schon fit gemacht haben für den Wettbewerb,

(Gerd Böttger, PDS: Na ja.)

die heute schon …

Ich kenne die Zahlen, ich habe sie auch, Herr Böttger. Ich zeige sie Ihnen.

(Gerd Böttger, PDS: Na ja, aber.)

… ohne kreisliche Haushaltsmittel zurechtkommen.

(Gerd Böttger, PDS: Na, weil sie unter Tarif bezahlen.)

Nein, sie zahlen nicht unter Tarif.

(Gerd Böttger, PDS: Natürlich.)

Die haben mit ver.di Haustarifvereinbarungen und die Arbeitnehmerzufriedenheit ist nicht gering in diesen Unternehmen.

(Barbara Borchardt, PDS: Na ja, die sind ja froh, dass sie Arbeit haben. – Zurufe von Siegfried Friese, SPD, und Gerd Böttger, PDS)

Es gibt Unternehmen, die wesentlich ihr Preis-Leistungs-Verhältnis verbessert haben, die ihre Kosten von Jahr zu Jahr gesenkt haben – und nur so geht das –, die ihre Erlöse gesteigert haben, die kooperieren mit anderen Verkehrsunternehmen in der Region, die über Qualität, über Angebote aus einem Guss letztendlich mehr Fahrgäste gewonnen haben, und das ist schon hinsichtlich der geringen Erwerbsquote bei uns im Land recht beachtlich.

Ich möchte noch einen anderen Akzent kurz mal ansprechen, das sollten wir auch mal wissen und nicht die Augen davor verschließen. Wir sind bisher sehr stolz, dass wir einige Verkehrsverbünde in unserem Land haben. Vorbildlich ist durchaus der Warnow-Verkehrsverbund. In Westmecklenburg ist man noch nicht ganz so weit. Es gibt Ansätze, erste Regelungen. Aber es gibt auch teilweise im Land Tarifverbünde und damit meine ich jetzt nicht die Fahrtarife, sondern die Lohntarifverbünde. Und das sollten wir mal etwas kritisch sehen. Da weiß ich nämlich ganz konkret, dass es teilweise in diesen Lohntarifverbünden so ist, dass sich das Niveau der Fahrpreisgestaltung nach dem Schwächsten in diesem Verbund richtet. Und da alle die gleichen Fahrtarife haben, führt das im Grunde dazu, dass die schwächsten Unternehmen die Entwicklung bestimmen und die progressiven Unternehmen, die schon nahe an der Grenze der Wirtschaftlichkeit sind,

insofern, dass sie nur noch die FAG-Mittel vom Land benötigen, aber keine kreislichen Mittel, im Grunde durch diesen Tarifverbund mehr Geld vereinnahmen, als sie unbedingt brauchen. Und das ist nun nicht gerade ein Fitmachen auf den Wettbewerb, sondern das ist eine Bremse.

Und ein Gedanke noch: Das Erstaunliche für mich ist, dass zumindest bei den Unternehmen, von denen ich die Zahlen kenne, es nicht die kommunalen Unternehmen sind, die die höchsten Betriebskostenzuschüsse brauchen, sondern es sind die Privatunternehmen. Das verstehe ich nun überhaupt nicht, denn erstens haben diese die niedrigsten Lohntarife, zweitens gehen sie nicht gerade zimperlich mit ihren Leuten um, was Arbeitsleistung, Überstunden, Pausenregelung und Einsatzbedingungen betrifft, und drittens haben diese Unternehmen zu 90 Prozent oder mehr ihre betrieblichen Investitionen mit Fördergeldern bezahlt bekommen. Und dann bekommen sie teilweise noch das Doppelte an Betriebskostenzuschüssen pro Fahrplankilometer.

(Siegfried Friese, SPD: Na, was soll denn das Ganze? – Zuruf von Dr. Henning Klostermann, SPD)

Also ich spreche das an und das ist eine Kritik und ein Hinweis, dass auf dem Gebiet noch etwas zu tun ist.

(Siegfried Friese, SPD: Das sind Früchte der Privatisierung.)

Jetzt bin ich mit meiner Rede am Ende, das heißt, das rote Licht zwingt mich dazu, Schluss zu machen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich stehe zur Verfügung, wenn es noch eine Frage gibt.

Herr Friese, haben Sie noch Ihre Frage? Dann können Sie sie jetzt stellen.